Hamostaseologie 1997; 17(03): 145-148
DOI: 10.1055/s-0038-1659978
Originalarbeiten/Original Articles
Schattauer GmbH

Vergleich der klinischen Pharmakologie von Warfarin mit Phenprocoumon

Robert A. O’Reilly
1   Abteilung für Hämatologie (Leiter: Prof. Dr. R. A. O’Reilly), Santa Clara Valley Medical Center, San José, Stanford University Medical Center, Stanford, und California Institute for Medical Research, San José, Kalifornien, USA
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Publication Date:
27 June 2018 (online)

Zusammenfassung

Warfarin und Phenprocoumon sind beides racemische Gemische von 3-substitu-ierten 4-Hydroxy-Cumarinen, die sich chemisch nur in einer Seitenkettengruppie-rung voneinander unterscheiden. Bei beiden Arzneimitteln ist die Gerinnungshemmung stereoselektiv: das S-Enantiomer ist wirksamer. Beide Arzneimittel üben eine kompetitive Hemmwirkung auf die Synthese von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren über eine Hemmung des Enzyms Vitamin-K-Epoxidre-duktase aus. Die metabolischen und pharmakokinetischen Eigenschaften unterscheiden sich aber voneinander.

Beide Arzneimittel werden im wesentlichen aus dem Verdauungstrakt absorbiert und stark an Plasmaalbumin gebunden. Warfarin wird vollständig metabolisiert, wobei nur wenig unveränderte Substanz ausgeschieden wird. Phenprocoumon wird unvollständig metabolisiert; ca. 15% werden in unveränderter Form ausgeschieden. Die Halbwertszeit von Warfarin beträgt 40 Stunden und die von Phenprocoumon beträgt ca. 156 Stunden. Bei Blutungen stellt diese lange Halbwertszeit von Phenprocoumon bei Patienten mit übermäßiger Gerinnungshemmung jedoch kein Problem dar, weil die erhöhte INR schnell mit Gerinnungsfaktorkonzentrat und/oder Vitamin K1, korrigiert werden kann. Darüber hinaus ist die im Körper zurückbleibende Substanz nicht toxisch. Weitere wichtige Nebenwirkungen dieser Arzneimittel sind durch Überempfindlichkeit ausgelöste Hepatitis und durch Cumarine ausgelöste Gewebsnekrosen, sog. Cumarin-Nekrosen.

Bei der Einleitung der Therapie mit Warfarin unter Anwendung eines niedrigdosierten Behandlungsschemas (5-10 mg täglich) dauerte es ca. 6 Tage oder 4 Halbwertszeiten, bis ein antithrombotischer Effekt erreicht und stabile Blutkonzentrationen von Warfarin gemessen wurden. Bei Einleitung einer ähnlichen niedrigdosierten Therapie mit Phenprocoumon würde es ebenfalls 4 Halbwertszeiten oder 26 Tage dauern, bis stabile Blutspiegel erreicht würden. Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon könnte demnach bei Einleitung der Therapie mit den derzeit häufig empfohlenen niedrigdosierten Behandlungsschemata Probleme bereiten.

Die pharmakologischen Eigenschaften von Warfarin und Phenprocoumon beim Menschen wurden miteinander verglichen. Obwohl Warfarin normalerweise in Form des Natriumsalzes verabreicht wird, was bei Phenprocoumon nicht der Fall ist, scheinen beide Arzneimittel eine hohe Bioverfügbarkeit aufzuweisen. Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon stellt bei Patienten mit übermäßiger Gerinnungshemmung kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Warfarin dar, weil die erhöhten INR beider Arzneimittel schnell normalisiert werden können. Die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon könnte allerdings die Einleitung von niedrigdosierten Behandlungsschemata erschweren.

 
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