kma - Klinik Management aktuell 2019; 24(06): 10
DOI: 10.1055/s-0039-1692771
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Entscheider-Blog: Ist die Konzertierte Aktion Pflege nur ein Strohfeuer?

Florian Bechtel
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Publication Date:
12 June 2019 (online)

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Florian Bechtel, Gesundheits- und Krankenpfleger im Universitätsherzzentrum Freiburg - Bad Krozingen und Vorstandsmitglied bei Hashtag Gesundheit e.V.(Foto: UHZ Freiburg- Bad Krozingen)

Im Januar ging die „Konzertierte Aktion Pflege“ mit dem Ziel an den Start, die Verhältnisse in den Pflegeberufen nachhaltig zu verbessern. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, welche Zahlen bezüglich des Personalmangels momentan durch den Blätterwald geistern.

Hiobsbotschaften und Schreckensvisionen für die Pflegeberufe gab es in den letzten Jahren zu Hauf. Zwar gibt es keine wasserdichten Zahlen. Auch aufgrund fehlender hauptamtlicher Strukturen in der professionellen Pflege ist bisher keine verbindliche Registrierung der Pflegenden erfolgt. Bis 2025 fehlen uns je nach Prognose zwischen 140 000 und 250 000 professionelle Pflegekräfte.

Um dieser Horrorvision entgegenzuwirken, entschlossen sich Mitte letzten Jahres Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsministerium, besagte Initiative ins Leben zu rufen und für die Planung und Umsetzung wurden Berufsverbände, DKG und GKV-Spitzenverbände, sowie die bestehenden Landespflegekammern ins Boot geholt.

Neben der Unterstützung für die Ausbildungsstätten für die neue Ausbildung zum Pflegefachmann und Pflegefachfrau, welche ab dem 1. Januar 2020 in Kraft tritt, liegt vor allem die Ausweitung der Ausbildungsplätze und die Fort- und Weiterbildung im Fokus der beschlossenen Maßnahmen.

Essenziell wird zum einen sein, sicherzustellen, dass unter der Quantität nicht die Qualität der Ausbildung leidet. Außerdem könnte sich die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten als Strohfeuer erweisen, wenn es nicht gelingt, die Arbeitsbedingungen so nachhaltig zu verbessern, dass die ausgebildeten Pflegekräfte länger im Beruf arbeiten, als sie es momentan tun. Stand jetzt beträgt die durchschnittliche Verweildauer einer professionell Pflegenden im Beruf 13,7 Jahre. Ist die Ausbildungsoffensive nicht auch an eine deutliche finanzielle Verbesserung nach der Ausbildung gekoppelt, wird es keine nachhaltige Verbesserung der pflegerischen Versorgung und damit keine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung in Deutschland geben.

So viele Chancen die Konzertierte Aktion auch bietet, so viele Risiken bringt sie mit sich.

„Agenturen für Arbeit und Jobcenter werden geeignete, arbeitslos gemeldete und arbeitsuchende Personen gezielt auf eine Umschulung zur Pflegefachperson ansprechen“, wird im Vereinbarungstext als Personalbeschaffungsmaßnahme formuliert. Die Gefahr ist groß, dass dies nach dem Motto „Masse statt Klasse“ geschieht, um die angestrebten 10 Prozent Steigerung der Ausbildungsplätze bis 2023 zu erreichen. Zwar soll ein Teil der Initiative ebenfalls die Aufbesserung der Attraktivität und des öffentlichen Ansehens durch eine Informationskampagne beinhalten, jedoch besteht ein großes Risiko, dass durch eine zu nachdrückliche Anwerbung von Erwerbslosen wiederum der Eindruck entsteht, dass jeder pflegen kann. Und mit Aussagen in diese Richtung haben in der Vergangenheit verschiedenste Politiker den Pflegenden oft genug einen Bärendienst erwiesen.

Damit diese Aktion durch fehlenden Praxisbezug nicht am Thema vorbeigeht, gilt es, die Lösungsentwicklung und -implementierung zu institutionalisieren. So können Entwicklung, Evaluation und Anpassung der Maßnahmen unter einem Dach erfolgen. Meiner Meinung nach ist dies der einzige Weg, sicherzustellen, dass Maßnahmen, welche im Grundgedanken sicherlich richtig sind, auch ihre Wirksamkeit entfalten können.