Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(08): e74-e79
DOI: 10.1055/s-0041-101401
Fachwissen
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Informationen zur Arzneimitteltherapie im Arztbrief: Was erwarten Hausärzte?

The information about discharge medication: What do general practitioners need?
Henning Adam
1   Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin
2   Berlin School of Public Health, Charité Universitätsmedizin Berlin
,
Wilhelm-Bernhard Niebling
1   Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin
3   Lehrbereich Allgemeinmedizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Breisgau
,
Gisela Schott
1   Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Berlin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. med. Gisela Schott
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Telefon: 030/400456-500   

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. April 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund | Die Informationen zur Entlassungsmedikation (EM) im Arztbrief sind wichtig, um die Arzneimitteltherapie von Patienten an der stationär-ambulanten Schnittstelle fortzuführen. Internationale Studien zeigen jedoch, dass Hausärzte über die EM verspätet und unzureichend informiert werden. Dies gefährdet die kontinuierliche, sektorenübergreifende Arzneimittelversorgung. Ziel dieser Studie war es, die Zufriedenheit deutscher Hausärzte mit den Informationen zur EM zu erheben.

Methoden| Per Post wurden 516 Hausärzte in Berlin zu den EM-Informationen im Arztbrief und deren Übermittlung befragt.

Ergebnisse| 117 Hausärzte beantworteten den Fragebogen (23 %). Am häufigsten wurden die Informationen zur EM am Tag der ersten Konsultation des Hausarztes nach Krankenhausentlassung durch den Patienten selbst übergeben. Mehr als zwei Drittel der Hausärzte wünschte sich jedoch die Übermittlung vor der ersten Konsultation (73 %). Hierbei präferierte die Mehrheit die elektronische Übermittlung per Fax (46 %) oder E-Mail (9 %). Fast die Hälfte der Hausärzte gab an, dass in den Arztbriefen Informationen zu Änderungen des Medikationsplans und Begründungen regelmäßig fehlen würden. Dabei bewerteten nahezu alle Hausärzte diese Angaben als wichtig.

Schlussfolgerung| Hausärzte wünschen, dass die EM frühzeitig und elektronisch übermittelt wird. Änderungen des Medikationsplans und Begründungen sollen dabei angegeben werden. Die Berücksichtigung dieser Wünsche kann zu einer kontinuierlichen, sektorenübergreifenden Arzneimittelversorgung beitragen und dadurch die Arzneimitteltherapiesicherheit für Patienten verbessern.


#

Abstract

Background | The information about the patient’s discharge medication (DM) in the discharge letter guarantees the subsequent pharmacotherapy at the interface between tertiary to primary care. International data however shows that general practitioners (GPs) receive discharge letters with a delay and relevant information about DM is lacking. The aim of this study was to assess the point of view of German GPs concerning the information about DM, since no recent data about this topic is available.

Methods and participants | In a postal survey 516 GPs in the city of Berlin were contacted and asked about the transit of discharge letters and the information about DM.

Results | 117 GPs answered the questionnaire (23 %). Most frequently, the patient himself handed over the information about DM to the GP on the day of his first visit in the practice after discharge. However, more than two third of GPs wished to receive the information before the patient’s first consultation (73 %). Therefore, the majority preferred the electronic communication via fax (46 %) or email (9 %). Almost half of the GPs stated that discharge letters were lacking information about changes in medication and reasons for these changes. At the same time, nearly all GPs thought that these informational aspects were important.

Discussion | GPs wish an early and electronic transit of the DM with information concerning changes in medication and reasons. If these wishes were considered, a continuous and thus safer pharmacotherapy at the interface could be guaranteed.


#

Einleitung

Das Patientenmanagement an der Schnittstelle des stationären und ambulanten Versorgungs-sektors ist seit Jahren Bestandteil der öffentlichen Diskussion. Trotz verschiedener politischer Maßnahmen ist das Ziel einer kontinuierlichen, sektorenübergreifenden Patientenversorgung noch nicht erreicht [17].

Die Arzneimitteltherapie an der sektoralen Schnittstelle nimmt eine besonders wichtige Rolle ein. Sehr häufig können hier Versorgungsbrüche und Diskontinuitäten beobachtet werden. Um eine kontinuierliche Arzneimitteltherapie an dieser Stelle sicherzustellen, empfiehlt der Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen, krankenhausinterne Standards einzuführen. Diese sollen gewährleisten, dass die relevanten Informationen zur Fortführung der Arzneimitteltherapie rechtzeitig an den Hausarzt weitergegeben werden [20].

Für nahezu jeden Patienten ergeben sich Änderungen seines Medikationsplans, wenn er im Krankenhaus behandelt wird [6]. Häufig werden diese Änderungen vom Hausarzt jedoch nicht übernommen und unmittelbar wieder abgeändert [15].

Die Informationen zur Entlassungsmedikation (EM) eines Patienten werden üblicherweise im Arztbrief übermittelt. Trotz seiner Bedeutung für die kontinuierliche Arzneimitteltherapie zeigen Studien, dass der Arztbrief häufig verspätet beim Hausarzt eingeht [12], [22]. Außerdem sind die Informationen zur EM im Arztbrief häufig unvollständig oder stehen im Widerspruch zu den Aussagen des Patienten [3], [5].

Die Folgen verspäteter oder unvollständiger Arztbriefe sind ein erhöhtes Risiko unerwünschter Arzneimittelereignisse (UAE), stationäre Wiedereinweisungen und eine ökonomische Belastung des Gesundheitssystems [4], [18].

Da die Hausärzte für die Arzneimitteltherapie der Patienten nach Krankenhausentlassung Verantwortung tragen, sind ihre Anforderungen an die Darstellung und Übermittlung der Informationen zur EM besonders wichtig. Ergebnisse internationaler Studien weisen darauf hin, dass Hausärzte eine frühzeitige und elektronische Versendung der Arztbriefe wünschen und detailliertere Informationen zum Medikationsplan und seiner Änderung begrüßen würden [9], [16], [19]. Eine aktuelle deutsche Studie, die die Einschätzung von Hausärzten zu den EM-Informationen im Arztbrief und ihrer Übermittlung untersucht, fehlt jedoch.


#

Methoden

Studiendesign und Sampling| Wir befragten Hausärzte in Berlin per Post zu den EM-Informationen im Arztbrief und ihrer Übermittlung. Die Adressen wurden der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin entnommen. Es wurden jene Hausärzte angeschrieben, die am 10.04.2013 in den Berliner Stadtteilen „Mitte“, „Kreuzberg“, „Friedrichshain“, „Prenzlauer Berg“, „Wedding“, „Tiergarten“ und „Schöneberg“ eine Zulassung als Allgemeinmediziner innehatten (n = 516). Dem Anschreiben waren ein Fragebogen (im Pretest mit fünf Hausärzten geprüft) sowie ein frankierter Rückumschlag beigefügt.

Fragebogen| Folgende Fragen wurden gestellt:

  • Wann erhalten Sie die Informationen zur EM im Arztbrief und welchen Zeitpunkt finden Sie ideal?

  • Wie werden Ihnen die Informationen zur EM übermittelt und auf welche Weise wünschen Sie die Übermittlung?

  • Wie häufig enthalten die Informationen zur EM Angaben zu Wirkstoffnamen, preisgünstigen Alternativpräparaten, Änderungen im Medikationsplan, Gründen für diese Änderungen und pharmazeutischen Hinweisen (z. B. zu Therapiedauer, Wechselwirkungen oder UAE)? Wie wichtig sind Ihnen diese Angaben?

  • Wie häufig und aus welchen Gründen nehmen Sie unmittelbar nach Krankenhausentlassung Änderungen im Medikationsplan vor?

Dateneingabe und Auswertung | Nach Plausibilitätsprüfung erfolgte die Dateneingabe aus den Fragebögen mit SPSS 21.0. Der Datensatz wurde deskriptiv ausgewertet. Hierfür wurden sowohl die absoluten als auch die relativen Häufigkeiten bestimmt.


#

Ergebnisse

Soziodemografische Faktoren| Von den 516 angeschriebenen Hausärzten schickten 117 den Fragebogen zurück (22,7 %). 44,2 % der Teilnehmer waren männlich, das Durchschnittsalter lag bei 53,0 Jahren. Im Mittel hatten die teilnehmenden Ärzte 24,8 Jahre Berufserfahrung. Die Hälfte arbeitete in einer Einzelpraxis (▶ [Tab. 1]). Die Geschlechterverteilung unterschied sich zwischen Studienpopulation und angeschriebenen Hausärzten nicht signifikant.

Tab.   1 Soziodemografische Daten der Studienteilnehmer.

a relative Häufigkeit in Bezug auf die Teilnehmer, die die Frage beantworteten; b Standardabweichung

Geschlecht

männlich

weiblich

44,2 % a (n = 50)

55,8 % (n = 63)

Alter

Mittelwert

Median

53,0 [8,2] Jahre

53 Jahre

Berufserfahrung (gesamt)

Mittelwert

Median

24,8 [9,2] b Jahre

25 Jahre

Berufserfahrung (eigene Niederlassung)

Mittelwert

Median

14,4 [8,8] Jahre

17 Jahre

Praxismodell

Einzelpraxis

Gemeinschaftspraxis

Medizinisches Versorgungszentrum

53,1 % (n = 60)

35,4 % (n = 40)

11,5 % (n = 13)

Zufriedenheit | Zwei Drittel der Hausärzte waren mit den Arztbriefen insgesamt sehr zufrieden oder zufrieden. Bezüglich der Informationen zur EM gab jedoch die Mehrheit an, weniger zufrieden oder unzufrieden zu sein.

Übermittlung| Am häufigsten erhalten die Hausärzte die Informationen zur EM am Tag der ersten Praxiskonsultation nach Krankenhausentlassung des Patienten. Vor der ersten Konsultation werden die Informationen selten und vor der Krankenhausentlassung noch seltener übermittelt. Ein Drittel der Hausärzte gab an, die Informationen sehr häufig / häufig erst nach der ersten Konsultation zu erhalten (▶ [Tab. 2]). Über zwei Drittel der Befragten wünscht sich, die Informationen vor der ersten Praxiskonsultation zu bekommen (▶ [Tab. 3]). Die Informationen zur EM werden den Hausärzten meist durch den Patienten direkt übergeben. Nur unregelmäßig werden sie per Fax versendet: 42 % der Hausärzte erhalten die Informationen gelegentlich und 46 % selten bzw. nie per Fax. Fast nie werden EM-Informationen per E-Mail verschickt.

Tab.   2 Häufigkeit des Erhalts der Entlassungsmedikation zu verschiedenen Zeitpunkten und auf verschiedene Übermittlungsweisen.

sehr häufig / häufig

n (%)

gelegentlich

n (%)

selten / nie

n (%)

totala

n

Zeitpunkt der Übermittlung

kurz vor der Krankenhausentlassung

2 (2,0)

9 (9,0)

89 (89,0)

100

vor der ersten Konsultation

7 (7,0)

24 (24,0)

69 (69,0)

100

am Tag der ersten Konsultation

95 (84,1)

10 (8,8)

8 (7,1)

113

nach der ersten Konsultation

32 (31,4)

40 (39,2)

30 (29,4)

102

Übermittlungsweise

durch den Patienten

105 (91,3)

8 (7,0)

2 (1,7)

115

per Post

45 (44,6)

27 (26,7)

29 (28,7)

101

per Fax

12 (12,0)

42 (42,0)

46 (46,0)

100

per E-Mail

0 (0)

2 (2,3)

84 (97,7)

86

a Anzahl der Teilnehmer, die die jeweilige Frage beantworteten

Tab.   3 Gewünschter Übermittlungszeitpunkt und bevorzugte Übermittlungsweise.

Zeitpunkt der Übermittlung

Wunsch n (%)

Übermittlungsweise

Wunsch n (%)

kurz vor der Krankenhausentlassung

34 (29,6)

durch den Patienten

35 (38,5)

vor der ersten Konsultation

50 (43,5)

per Post

6 (6,6)

am Tag der ersten Konsultation

31 (27,0)

per Fax

42 (46,2)

nach der ersten Konsultation

0 (0)

per E-Mail

8 (8,8)

gesamt

115

gesamta

91

a Anzahl der Teilnehmer, die die jeweilige Frage beantworteten

Die Mehrheit der Hausärzte wünscht eine elektronische Übermittlung der Informationen mittels Fax oder E-Mail. Etwas mehr als ein Drittel präferiert die Übergabe der Informationen zur EM durch den Patienten.

Inhalt der Informationen | Bei den Fragen zum Inhalt der EM-Informationen im Arztbrief ergab sich in allen Punkten eine Diskrepanz zwischen dem, was die Teilnehmer für wichtig erachten und dem, was sie in den Arztbriefen vorfinden (▶ [Abb. 1]): So halten vier Fünftel der Teilnehmer die Angabe des Wirkstoffes der verordneten Arzneimittel für sehr wichtig oder wichtig, aber nur ungefähr die Hälfte gab an, dass der Wirkstoff häufig oder sehr häufig im Arztbrief genannt wird. Nahezu die Hälfte der Hausärzte berichtete, dass selten oder nie Informationen zu Medikationsänderungen und zu deren Begründung angegeben werden. Mehr als zwei Drittel der Befragten erhalten selten oder nie pharmazeutische Hinweise zur EM. Gleichzeitig fanden beinahe alle Hausärzte, dass diese drei Informationsaspekte sehr wichtig oder wichtig sind.

Zoom Image
Abb.   1 Häufigkeit der Angabe verschiedener Informationen zur Entlassungsmedikation und ihre Relevanz für die Hausärzte.

Änderung der Entlassungsmedikation| Die Hausärzte nehmen regelmäßig Änderungen an der EM ihrer Patienten vor. 33 % gaben an, häufig die Medikationspläne aus dem Krankenhaus sofort umzustellen (▶ [Tab. 4]). Gelegentlich taten dies 48,6 %. Als häufigsten Grund nannten die Hausärzte, dass die Medikation zwar im Krankenhaus, jedoch nicht im häuslichen Umfeld notwendig sei. Weitere häufige Gründe waren der veränderte Krankheitszustand des Patienten und ökonomische Erwägungen.

Tab.   4 Häufigkeit und Gründe für unmittelbare Änderungen der Entlassungsmedikation durch den Hausarzt.

Unmittelbare Änderung der Entlassungsmedikation durch den Hausarzt

sehr häufig

n (%)

häufig

n (%)

gelegentlich

n (%)

selten

n (%)

nie

n (%)

totala

n

9 (8,3 )

36 (33 )

53 (48,6 )

10 (9,2 )

1 (0,9 )

109

Gründe

total

Die Medikation ist zwar im Krankenhaus, jedoch nicht zu Hause notwendig.

98 (86,7)

113

Der veränderte Krankheitszustand des Patienten erfordert eine Anpassung.

79 (69,9)

ökonomische Gründe

78 (69,0)

Die Entlassungsmedikation enthält Fehlindikationen.

52 (46,0)

Eine Non-Compliance des Patienten ist zu erwarten.

49 (43,4)

a Anzahl der Teilnehmer, die die jeweilige Frage beantworteten.


#

Diskussion

Gefahren für die nahtlose Patientenversorgung | Dies ist die erste deutsche Studie, die die Übermittlung der Informationen zur Arzneimitteltherapie aus den Krankenhäusern zu den Hausärzten analysiert. Am häufigsten wird der Arztbrief mit den Informationen zur EM am Tag der ersten Konsultation in der Hausarztpraxis durch den Patienten selber übergeben. Etwa ein Drittel der Studienteilnehmer ist mit diesem Vorgehen zufrieden. Jedoch kann dieses Verfahren die kontinuierliche Arzneimitteltherapie gefährden, beispielsweise wenn Patienten den Arztbrief verlieren oder nicht bei sich tragen, wenn sie ihren Hausarzt konsultieren.

Die nahtlose Patientenversorgung wird v. a. dadurch gehemmt, dass jeder dritte Hausarzt häufig erst nach der ersten Konsultation über die EM informiert wird.

Übermittlung der EM-Infos | Selten erhalten die Hausärzte die Informationen zur EM noch bevor der Patient sie konsultiert. Dies wünschten sich jedoch zwei Drittel der hier teilnehmenden Hausärzte. Ein Drittel möchte die Informationen sogar noch vor der Krankenhausentlassung erhalten: Möglicherweise erhoffen sie sich eine vereinfachte Kontaktaufnahme mit dem verantwortlichen Stationsarzt, damit sie die Fortführung der Arzneimitteltherapie gemeinsam besprechen können.

Auch die Ergebnisse weiterer Studien zeigen, dass Hausärzte frühzeitig über die EM informiert werden wollen, damit sie ihre Patienten besser beraten und die Sprechstunde vorbereiten können [9], [10].

Zur frühzeitigen und schnellen Übermittlung medizinischer Informationen zwischen den Leistungserbringern eignen sich elektronische Kommunikationsmöglichkeiten [21]. Beispielsweise zeigten Chen et al., dass per Fax oder E-Mail versendete Arztbriefe die Hausärzte im Vergleich zu postalisch oder durch den Patienten übermittelten Entlassungsberichten signifikant häufiger erreichen [2]. Auch die Mehrheit der hier befragten Hausärzte befürwortete die elektronische Datenübermittlung, insbesondere per Fax. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass Arztbriefe selten gefaxt werden.

Sofern noch nicht erfolgt, sollte für das Entlassungsmanagement in Krankenhäusern geprüft werden, ob eine frühzeitige Versendung der Arztbriefe per Fax – unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben – möglich ist.

Karapinar et al. befragten im Jahr 2010 niederländische Hausärzte zur EM: Die Teilnehmer befürworteten zwar ebenfalls die elektronische Kommunikation, sprachen sich jedoch mehrheitlich für die Versendung der Arztbriefe per E-Mail aus [9]. Unter den Berliner Hausärzten betrug dieser Anteil lediglich 9 %. Dies könnte darin begründet sein, dass die technischen und datenrechtlichen Voraussetzungen zum sicheren internetbasierten Austausch patientenbezogener Informationen zwischen Leistungserbringern in Deutschland bislang nicht flächendeckend erfüllt sind [20], [23].

Der Erfolg erster Pilotprojekte und der Wunsch der Befragten nach frühzeitiger, elektronischer Informationsweitergabe sprechen dafür, den Ausbau der internetbasierten, sektorenübergreifenden Kommunikation weiter zu fördern [14].

Inhalte der Informationen| Für nahezu alle befragten Hausärzte war von großer Wichtigkeit, dass

  • im Krankenhaus vollzogene Änderungen im Medikationsplan angegeben werden,

  • diese begründet werden,

  • pharmazeutische Hinweise (zum Beispiel zu Wechselwirkungen oder UAE) genannt werden.

Der Wunsch nach vermehrter Information über Änderungen im Medikationsplan und deren Begründung wurde auch in anderen Studien belegt [9], [16]. Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen außerdem, dass die Informationen zu den drei genannten Aspekten zu selten in den Arztbriefen angegeben werden. In Interventionsstudien konnte nachgewiesen werden, dass die Angabe von Änderungen des Medikationsplans sowie von wissenschaftlich fundierten Begründungen Hausärzte dazu bewegten, die im Krankenhaus verordnete Arzneimitteltherapie häufiger beizubehalten [8], [13].

Die vermehrte Angabe von Änderungen des Medikationsplans mit dazugehöriger Begründung sowie von pharmazeutischen Hinweisen könnte die Hausärzte in ihrer Weiterbehandlung des Patienten unterstützen und eine kontinuierliche und sichere Arzneimitteltherapie fördern.

Es ist jedoch eine Herausforderung, den standardisierten und strukturierten Austausch der relevanten Informationen zur Arzneimitteltherapie zwischen den Versorgungssektoren umzusetzen. Hierfür könnte die Einführung des einheitlichen Medikationsplanes hilfreich sein, wie er im Rahmen des „Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit“ entwickelt wurde.

Der Medikationsplan des „Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit“ enthält Angaben zu Wirkstoffnamen, Dosierung und Gründen für verordnete Arzneimittel. Er kann per Barcode in Informationssysteme von Praxen und Krankenhäusern übertragen werden [1].

Änderung der Entlassungsmedikation | Dass die befragten Hausärzte regelmäßig die Medikationspläne nach Krankenhausentlassung ändern, ist Ausdruck einer schlechten Abstimmung der Arzneimitteltherapie zwischen den Versorgungssektoren. Neben krankheitsbezogenen Gründen sahen sich die befragten Hausärzte am häufigsten wegen ökonomischer Erwägungen zu Medikationsänderungen veranlasst. Weitere Studien belegen den Einfluss ökonomischer Faktoren auf das hausärztliche Verordnungsverhalten nach Krankenhausentlassung [15], [19]. Dies hängt damit zusammen, dass das begrenzte hausärztliche Budget die Verschreibung meist teurer Arzneimittel aus dem Krankenhaus oft nicht zulässt [6].

Da die fehlende Fortführung von Arzneimittelverordnungen nach Krankenhausentlassung aber auch zu einer Verschlechterung des Gesundheitsstatus führen kann, ist eine bessere Kommunikation und Absprache zwischen stationär und ambulant tätigen Ärzten notwendig [7]. Es sollten gesundheitspolitische Bemühungen unternommen werden, die Strukturen und Anreizsysteme zur Arzneimittelverordnung im stationären und ambulanten Sektor anzugleichen, damit ökonomische Gründe der Hausärzte seltener zu Versorgungsbrüchen führen.

Eine mögliche Maßnahme, die kontinuierliche Arzneimitteltherapie in diesem Sinne zu fördern, wäre die Erstellung gemeinsamer Arzneimittellisten von Vertrags- und Krankenhausärzten [11].

Limitationen der Studie| Eine Schwäche der Studie liegt in der Rekrutierung der Studienteilnehmer: Die Befragung erhebt lediglich die Meinung von Hausärzten aus dem innerstädtischen Bereich Berlins. Mögliche regionale Unterschiede der hausärztlichen Sichtweise können aufgrund des Designs nicht dargestellt werden. Außerdem wird die Repräsentativität der Befragung durch die Rücklaufquote sowie einen potenziellen Selektionsbias eingeschränkt (Hausärzte mit negativen Erfahrungen waren vielleicht eher bereit, an der Befragung teilzunehmen). Die Versendung von Erinnerungschreiben hätte die Rücklaufquote vermutlich erhöht. Trotzdem können die Ergebnisse dieser Befragung, auch vor dem Hintergrund ähnlicher Erkenntnisse aus internationalen Studien, als Stimmungsbild in die Diskussion zur sektorenübergreifenden Arzneimittelversorgung in Deutschland eingebracht werden [9], [16].

Fazit| Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des gleichzeitigen Ärztemangels wird es in Zukunft immer wichtiger, medizinisch relevante Informationen rechtzeitig weiterzuleiten und ärztliche Arbeitsabläufe zu erleichtern.

Konsequenz für Klinik und Praxis
  • Am häufigsten werden die Informationen zur Entlassungsmedikation bei der ersten Praxiskonsultation vom Patienten an den Hausarzt übergeben.

  • Die Mehrheit der Hausärzte wünscht sich, dass ihnen diese Informationen vor der ersten Konsultation des Patienten per Fax oder E-Mail zugesendet werden.

  • Nahezu alle Hausärzte finden es wichtig, dass der Arztbrief Informationen zu Änderungen des Medikationsplans, Begründungen und pharmazeutische Hinweise enthält.

  • Die Hausärzte stellen regelmäßig die Entlassungsmedikation aus dem Krankenhaus um, meistens wegen eines veränderten Krankheitszustandes oder aus ökonomischen Gründen.

  • Beim Entlassungsmanagement im Krankenhaus und der Planung politischer Maßnahmen sollten die hausärztlichen Wünsche in Zukunft Berücksichtigung finden, um die sektorenübergreifende Kommunikation zu verbessern und für den Patienten eine kontinuierliche, sichere Arzneimitteltherapie zu gewährleisten.


#
#

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Supporting Information

  • Literaturverzeichnis

  • 1 Aly A. Arzneimitteltherapiesicherheit: Medikationsplan für den Überblick. Dtsch Arztebl 2013; 110: A-751 / B-659 / C-659
  • 2 Chen Y, Brennan N, Magrabi F. Is email an effective method for hospital discharge communication? A randomized controlled trial to examine delivery of computer-generated discharge summaries by email, fax, post and patient hand delivery. Int J Med Inform 2010; 79: 167-172
  • 3 Coleman EA, Smith JD, Raha D et al. Posthospital medication discrepancies: prevalence and contributing factors. Arch Intern Med 2005; 165: 1842-1847
  • 4 Forster AJ, Murff HJ, Peterson JF et al. The incidence and severity of adverse events affecting patients after discharge from the hospital. Ann Intern Med 2003; 138: 161-167
  • 5 Glintborg B, Andersen SE, Dalhoff K. Insufficient communication about medication use at the interface between hospital and primary care. Qual Saf Health Care 2007; 16: 34-39
  • 6 Grimmsmann T, Schwabe U, Himmel W. The influence of hospitalisation on drug prescription in primary care – a large-scale follow-up study. Eur J Clin Pharmacol 2007; 63: 783-790
  • 7 Ho PM, Tsai TT, Maddox TM et al. Delays in filling clopidogrel prescription after hospital discharge and adverse outcomes after drug-eluting stent implantation: implications for transitions of care. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2010; 3: 261-266
  • 8 Hohmann C, Neumann-Haefelin T, Klotz JM et al. Adherence to hospital discharge medication in patients with ischemic stroke: a prospective, interventional 2-phase study. Stroke 2013; 44: 522-524
  • 9 Karapinar F, van den Bemt PM, Zoer J et al. Informational needs of general practitioners regarding discharge medication: content, timing and pharmacotherapeutic advice. Pharm World Sci 2010; 32: 172-178
  • 10 Knaup P, Pilz J, Kaltschmidt J et al. Standardized documentation of drug recommendations in discharge letters – a contribution to quality management in cooperative care. Methods Inf Med 2006; 45: 336-342
  • 11 Korzilius H. Arzneimittelversorgung: Es hakt an der Schnittstelle. Dtsch Arztebl 2008; 105: A-932 / B-810 / C-798
  • 12 Kripalani S, LeFevre F, Phillips CO et al. Deficits in communication and information transfer between hospital-based and primary care physicians: implications for patient safety and continuity of care. JAMA 2007; 297: 831-841
  • 13 Kunz R, Wegscheider K, Guyatt G et al. Impact of short evidence summaries in discharge letters on adherence of practitioners to discharge medication. A cluster-randomised controlled trial. Qual Saf Health Care 2007; 16: 456-461
  • 14 Mahler C, Jank S, Pruszydlo MG et al. HeiCare: ein Projekt zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Arzneimittelkommunikation. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 2239-2244
  • 15 Müller-Bühl U, Gerold C, Engeser P et al. Changes in drug therapy following hospital discharge for patients in a general practice: a German incident study. J Public Health 2009; 17: 217-223
  • 16 Munday A, Kelly B, Forrester JW et al. Do general practitioners and community pharmacists want information on the reasons for drug therapy changes implemented by secondary care?. Br J Gen Pract 1997; 47: 563-566
  • 17 Ommen O, Ullrich B, Janßen C et al. Die ambulant-stationäre Schnittstelle in der medizinischen Versorgung. Med Klin 2007; 102: 913-917
  • 18 Pirmohamed M, James S, Meakin S et al. Adverse drug reactions as cause of admission to hospital: prospective analysis of 18 820 patients. BMJ 2004; 329: 15-19
  • 19 Roth-Isigkeit A, Harder S. Die Entlassmedikation im Arztbrief – eine explorative Befragung von Hausärzten / -innen. Med Klin 2005; 100: 87-93
  • 20 Bundesministerium für Gesundheit. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung – Sondergutachten 2012. 2012. Im Internet: http://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2012/GA2012_Langfassung.pdf Stand: 06.03.2015
  • 21 van der Kam WJ, Moorman PW, Koppejan-Mulder MJ. Effects of electronic communication in general practice. Int J Med Inform 2000; 60: 59-70
  • 22 van Walraven C, Seth R, Laupacis A. Dissemination of discharge summaries. Not reaching follow-up physicians. Can Fam Physician 2002; 48: 737-742
  • 23 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Warda F, Noelle G. Telemedizin und eHealth in Deutschland: Materialien und Empfehlungen für eine nationale Telematikplattform. 2002. Im Internet: http://www.ehealthstrategies.com/files/telematikbuch.pdf Stand: 06.03.2015

Korrespondenzadresse

Dr. med. Gisela Schott
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Telefon: 030/400456-500   

  • Literaturverzeichnis

  • 1 Aly A. Arzneimitteltherapiesicherheit: Medikationsplan für den Überblick. Dtsch Arztebl 2013; 110: A-751 / B-659 / C-659
  • 2 Chen Y, Brennan N, Magrabi F. Is email an effective method for hospital discharge communication? A randomized controlled trial to examine delivery of computer-generated discharge summaries by email, fax, post and patient hand delivery. Int J Med Inform 2010; 79: 167-172
  • 3 Coleman EA, Smith JD, Raha D et al. Posthospital medication discrepancies: prevalence and contributing factors. Arch Intern Med 2005; 165: 1842-1847
  • 4 Forster AJ, Murff HJ, Peterson JF et al. The incidence and severity of adverse events affecting patients after discharge from the hospital. Ann Intern Med 2003; 138: 161-167
  • 5 Glintborg B, Andersen SE, Dalhoff K. Insufficient communication about medication use at the interface between hospital and primary care. Qual Saf Health Care 2007; 16: 34-39
  • 6 Grimmsmann T, Schwabe U, Himmel W. The influence of hospitalisation on drug prescription in primary care – a large-scale follow-up study. Eur J Clin Pharmacol 2007; 63: 783-790
  • 7 Ho PM, Tsai TT, Maddox TM et al. Delays in filling clopidogrel prescription after hospital discharge and adverse outcomes after drug-eluting stent implantation: implications for transitions of care. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2010; 3: 261-266
  • 8 Hohmann C, Neumann-Haefelin T, Klotz JM et al. Adherence to hospital discharge medication in patients with ischemic stroke: a prospective, interventional 2-phase study. Stroke 2013; 44: 522-524
  • 9 Karapinar F, van den Bemt PM, Zoer J et al. Informational needs of general practitioners regarding discharge medication: content, timing and pharmacotherapeutic advice. Pharm World Sci 2010; 32: 172-178
  • 10 Knaup P, Pilz J, Kaltschmidt J et al. Standardized documentation of drug recommendations in discharge letters – a contribution to quality management in cooperative care. Methods Inf Med 2006; 45: 336-342
  • 11 Korzilius H. Arzneimittelversorgung: Es hakt an der Schnittstelle. Dtsch Arztebl 2008; 105: A-932 / B-810 / C-798
  • 12 Kripalani S, LeFevre F, Phillips CO et al. Deficits in communication and information transfer between hospital-based and primary care physicians: implications for patient safety and continuity of care. JAMA 2007; 297: 831-841
  • 13 Kunz R, Wegscheider K, Guyatt G et al. Impact of short evidence summaries in discharge letters on adherence of practitioners to discharge medication. A cluster-randomised controlled trial. Qual Saf Health Care 2007; 16: 456-461
  • 14 Mahler C, Jank S, Pruszydlo MG et al. HeiCare: ein Projekt zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Arzneimittelkommunikation. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 2239-2244
  • 15 Müller-Bühl U, Gerold C, Engeser P et al. Changes in drug therapy following hospital discharge for patients in a general practice: a German incident study. J Public Health 2009; 17: 217-223
  • 16 Munday A, Kelly B, Forrester JW et al. Do general practitioners and community pharmacists want information on the reasons for drug therapy changes implemented by secondary care?. Br J Gen Pract 1997; 47: 563-566
  • 17 Ommen O, Ullrich B, Janßen C et al. Die ambulant-stationäre Schnittstelle in der medizinischen Versorgung. Med Klin 2007; 102: 913-917
  • 18 Pirmohamed M, James S, Meakin S et al. Adverse drug reactions as cause of admission to hospital: prospective analysis of 18 820 patients. BMJ 2004; 329: 15-19
  • 19 Roth-Isigkeit A, Harder S. Die Entlassmedikation im Arztbrief – eine explorative Befragung von Hausärzten / -innen. Med Klin 2005; 100: 87-93
  • 20 Bundesministerium für Gesundheit. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung – Sondergutachten 2012. 2012. Im Internet: http://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2012/GA2012_Langfassung.pdf Stand: 06.03.2015
  • 21 van der Kam WJ, Moorman PW, Koppejan-Mulder MJ. Effects of electronic communication in general practice. Int J Med Inform 2000; 60: 59-70
  • 22 van Walraven C, Seth R, Laupacis A. Dissemination of discharge summaries. Not reaching follow-up physicians. Can Fam Physician 2002; 48: 737-742
  • 23 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Warda F, Noelle G. Telemedizin und eHealth in Deutschland: Materialien und Empfehlungen für eine nationale Telematikplattform. 2002. Im Internet: http://www.ehealthstrategies.com/files/telematikbuch.pdf Stand: 06.03.2015

Zoom Image
Abb.   1 Häufigkeit der Angabe verschiedener Informationen zur Entlassungsmedikation und ihre Relevanz für die Hausärzte.