PPH 2015; 21(04): 206-207
DOI: 10.1055/s-0041-103372
DFPP-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege

Dorothea Sauter
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Publication Date:
23 July 2015 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Verantwortung ist ein Schlüsselkonzept in der Pflege:

  • Wir haben einen Fürsorgeauftrag für Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Krise in ihrer Handlungsautonomie teilweise eingeschränkt sind. Erst die persönliche Verantwortungsübernahme Pflegender gibt der Arbeitsbeziehung zum Patienten Gehalt und dem Pflegehandeln Bedeutung. Die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme Pflegender ist die Kernvoraussetzung für die Etablierung von Bezugspflege oder Primary Nursing [1].

Pflegende brauchen Kompetenz bezüglich Verantwortung:

  • Es gehört zum Berufsverständnis der Psychiatrischen Pflege, dass die Selbstverantwortung des Patienten gestärkt werden soll. Und: Die aufgrund des Machtverhältnisses erforderliche fortlaufende Reflexion der Helfer-Klient-Beziehung muss das Thema Verantwortung beinhalten.

Können wir also davon ausgehen, dass die Pflegenden in der Praxis Verantwortung zugesprochen bekommen und Verantwortung dann aktiv übernehmen und bewusst gestalten?

Das Phänomen „Pflegerische Verantwortung“ wurde in Deutschland 2002 in einer somatischen Klinik qualitativ untersucht [2]. Für die Psychiatrische Pflege erforschte Meyer [3] in einer quantitativen Studie den Zusammenhang zwischen dem beruflichem Selbstbild und der Bereitschaft, inadäquaten ärztlichen Weisungen Folge zu leisten. Die Studien zeigen, dass Verantwortungsübernahme in der Pflege von vielen Faktoren abhängt und nicht immer befriedigend gelingt.

Es müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit Pflegende Verantwortung übernehmen [2]:

  • Autonomie: Sie meint, selbstbestimmt entscheiden und handeln zu können und basiert auf Sicherheit und Selbstvertrauen sowie dem „Interesse am Ziel“ [4]. Sie braucht aber auch organisatorisch angemessene Rahmenbedingungen. Recht zornig stellt Schnepp [5] fest, dass Pflege aufgrund der schlechten Bildungs- und Arbeitsbedingungen gar nicht professionell handeln „kann“, selbst wenn sie es wolle.

  • Autorität und Befugnisse: Diese bedeuten die Akzeptanz/Anerkennung getroffener Entscheidungen und ihrer Konsequenzen. Im Geltungsbereich des SGB V ist die ärztliche Gesamtverantwortung für die Krankenbehandlung festgeschrieben – diese unglückliche Regelung führt zwangsläufig zu Konflikten bei der Bestimmung der Verantwortungsbereiche in multiprofessionellen Teams. Und innerhalb der Kliniken entscheiden die Führungsstrukturen und die Teamprozesse stark mit, ob/inwiefern Pflegende überhaupt verantwortlich handeln „dürfen“ [2] bzw. wie gut Verantwortungsstrukturen geklärt sind.

  • Berufliche Kenntnisse und Kompetenzen: Expertise ist nötig, um in schwierigen und/oder schwer einschätzbaren Situationen sichere Entscheidungen treffen zu können. Olbrich [6] sieht vier Dimensionen pflegerischen Handelns (regelgeleitetes, situativ-beurteilendes, reflektierendes und aktiv-ethisches Handeln), in denen sich Pflegekompetenz zeigt. Und Benner et al. [7] beschreiben als Voraussetzung von Expertise eine gute persönliche Ethik, eine praktische Umsichtigkeit, die innere Anteilnahme an der Situation und die Vertrautheit mit den Patienten u. a. durch Erfahrung und fachliche Kompetenz. Auch aktuelles Forschungswissen muss in das berufliche Handeln einfließen.

  • Interpersonelle Kompetenz: Wer in der Pflege tätig ist, kennt die kräftezehrenden Diskrepanzen zwischen dem, was wir Pflegenden entscheiden wollen und dem, was wir entscheiden dürfen. Jeder von uns kennt gleichzeitig auch Situationen, in denen er selbst oder Kollegen mit erforderlichen Entscheidungen überfordert sind und an andere verweisen (oder verweisen wollen).

Ich möchte Sie herzlich dazu einladen, über ihre Verantwortungsbereiche nachzudenken und zu prüfen, was Sie darin fördert, Verantwortung zu übernehmen. Seien Sie mutig in der Gestaltung der Arbeitsbeziehung zum Patienten. Fordern Sie Ihren Verantwortungsrahmen innerhalb Ihres Teams und innerhalb Ihrer Organisation offensiv ein. Und helfen Sie durch Ihre aktive Mitwirkung in der DFPP mit, auf die berufs- und bildungspolitischen Rahmenbedingungen effizient Einfluss zu nehmen.

Die DFPP-Mitglieder haben in der Mitgliederversammlung dem Vorstand ihr Vertrauen zugesprochen. Gerne stellen wir uns dieser Verantwortung.

AKTUELLE KURZMELDUNGEN

Aufruf AG Pflegeexperten/Pflegeentwickler

Wir sammeln Tätigkeitsbeschreibungen und Stellenbeschreibungen von Pflegeexperten, Pflegeexperten APN und Pflegeentwicklern aus dem psychiatrischen Bereich. Bitte senden an Katrin.Thissen@dnapn.de. Nächstes Treffen: 1. Oktober 2015, 10.30 bis 15.30 Uhr, Uniklinik Köln. Kontakt: ag-experten@dfpp.de.

Öffentlichkeitsbeauftragte

Als Öffentlichkeitsbeauftragte engagieren sich neben Johannes Kirchhoff und Regine Groß neu auch Stefan Rogge, Christoph Müller, Mathias Welbers und Michael Mayer. Kontakt: pr@dfpp.de.

Termin beim DIMDI

Die Diskussion der Vorschläge für den OPS-Katalog 2016 fand am 11.6.2015 beim DIMDI statt. Für das Netzwerk Entgelt der BFLK und der DFPP nahm Michael Löhr teil. Kontakt: netent@bflk.de.

AKTUELLES

Weinsberger Erklärung: Offener Brief an die Politik bezüglich des neuen Entgelts

Die psychiatrisch-pflegerischen Fachverbände haben sich auf einen offenen Brief zur geplanten Aufhebung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) zum 1. Januar 2019 verständigt.

Im April wurde dann die „Weinsberger Erklärung“ dem Bundesgesundheitsminister sowie den gesundheitspolitischen Sprechern aller Parteien auf Bundes- und Länderebenen, außerdem allen relevanten Verbänden und Institutionen und der Fachpresse zugestellt.

Scharf wird kritisiert, dass die Psych-PV aufgegeben werden soll, ohne dass irgendein Konzept vorläge, wie der Personalbedarf künftig ermittelt werden könne. Es drohten weitere Reduzierungen der Personalstellen und ein Verdrängungswettbewerb – auf Kosten der Patientenversorgung. Dies sei auch mit der Einführung des DRG-Systems in den somatischen Krankenhäusern geschehen. Der Verbändedialog fordert eine Kurskorrektur des Entgeltsystems und die Gewährleistung von Strukturqualität und ausreichend Personalstellen.

Dorothea Sauter

ASSOZIIERTE VERBÄNDE

Gründung Sektion Psychiatrische Pflegeforschung bei der DGP

Am 6. März 2015 wurde die Sektion Psychiatrische Pflegeforschung bei der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. (DGP) gegründet. Vor dem Hintergrund des Theorie-Praxistransfers möchte die Sektion Forschungsprojekte aus der Praxis, dem Bereich Bildung, dem Management und der Wissenschaft unterstützen und auf diese Weise zur Wissensbildung im Fachbereich Psychiatrische Pflege beitragen. Anfragen zu Forschungsprojekten sind deshalb herzlich willkommen und besonders erwünscht. Für Studierende und Promovenden hält die Sektion einen Themenkatalog bereit.

Die aktive Vernetzung mit allen relevanten Vertretungen und Verbänden im Feld der Psychiatrischen Pflege ist eine wichtige Synthese im Hinblick auf die Zusammenarbeit der Bereiche Management, Bildung, Praxis und Wissenschaft. Deshalb ist die Sektion Mitglied im Verbändedialog Psychiatrische Pflege.

Zukünftig werden Sie sich zu den Zielen, Aufgaben und aktuellen Forschungsprojekten der Sektion über die Homepage der DGP informieren können. Die Homepage befindet sich aktuell noch im Aufbau.

Anfragen im Zusammenhang mit Forschungsprojekten, dem Themenkatalog oder einer Mitgliedschaft richten Sie bitte an die Sprecherin der Sektion. Ihre Fragen werden umgehend an die entsprechenden Expertinnen und Experten innerhalb der Sektion weitergeleitet.

Die Mitarbeit ist an eine Mitgliedschaft bei der DGP gebunden (http://www.dg-pflegewissenschaft.de/2011DGP/).

Prof. Dr. Sabine Weißflog, Sprecherin Sektion Psychiatrische Pflegeforschung bei der DGP

E-Mail: weissflog.sabine@fb4.fra-uas.de

STELLUNGNAHMEN ZUR DFPP

Warum braucht es die DFPP?

Die Anforderungen an die Psychiatrische Pflege steigen. Hochspezialisierte stationäre Angebote, ambulante, aufsuchende, lebensweltorientierte und personenzentrierte Hilfen, zunehmend auch Aufklärung und Prävention gehören zu ihren Aufgabenfeldern.

Damit die Psychiatrische Pflege diesen Anforderungen gerecht werden kann, muss sie den Ansprüchen an die Zukunft der psychiatrischen Versorgung mit entsprechenden inhaltlichen Konzepten auf wissenschaftlichen Grundlagen begegnen.

Obwohl wir die größte Berufsgruppe in der psychiatrischen Versorgung darstellen, sind wir an der Gestaltung der Versorgungslandschaft und an psychiatriepolitischen Entwicklungen nur unzureichend beteiligt.

Psychiatrisch Pflegende müssen ihre politischen Statements und Positionen wissenschaftlich gut begründen, damit wir als gleichberechtigt mit denen anderer Professionen im System wahrgenommen werden. Daher brauchen wir eine Fachgesellschaft die inhaltlich diskutiert, psychiatrische Pflegeforschung anstößt und begleitet, die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis befördert und dafür sorgt, dass diese Erkenntnisse auch die Psychiatriepolitik beeinflussen.

Brigitte Anderl-Doliwa, Stiftungsprofessorin erweiterte Pflegekompetenz Schwerpunkt Psychiatrie, Katholische Hochschule Mainz

 
  • Literatur

  • 1 Manthey M. Primary Nursing. Ein personenbezogenes Pflegesystem. 3., überarb. und ergänzte Aufl. Bern: Huber; 2011
  • 2 Tewes R. Pflegerische Verantwortung. Reihe Pflegewissenschaft. Bern: Huber; 2002
  • 3 Meyer B. Professionalität und Autorität in der psychiatrischen Pflege. Studienarbeit. Norderstedt: GRIN Verlag GmbH; 2011
  • 4 Sauter D. Autonomie. In: Sauter D, Abderhalden C, Needham I, et al. Hrsg. Lehrbuch Psychiatrische Pflege. 3., vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Huber; 2011: 652-668
  • 5 Schnepp W. Verantwortlichkeit und professionelle Pflege. Die Schwester Der Pfleger 2006; (45) 639-641
  • 6 Olbrich C. Pflegekompetenz. 2. vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Huber; 2010
  • 7 Benner P, Tanner CA, Chesla CA et al. Pflegeexperten. Pflegekompetenz, klinisches Wissen und alltägliche Ethik. Bern: Huber; 2000