Aktuelle Dermatologie 2016; 42(01/02): 38-40
DOI: 10.1055/s-0041-106454
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vesikulobullöses Granuloma anulare unter Etanercept- bzw. Abatacept-Therapie

Vesiculobullous Granuloma annulare During Etanercept and Abatacept Therapies resp.
L. Kowalzick
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
E. Schaarschmidt
2   Medizinisches Versorgungszentrum, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
T. Gradistanac
3   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Leipzig
,
P. Bortkevicius
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
C. Baumann
4   Praxis für Innere Medizin und Rheumatologie, Plauen
,
H. Ziegler
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
L. Eickenscheidt
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

Publication History

Publication Date:
05 October 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 77-jährige Patientin mit schwerer, therapierefraktärer rheumatoider Arthritis, die erstmals 5 Jahre nach Einleitung einer Therapie mit dem humanen Fusionsprotein und TNF-alpha-Rezeptor-Antagonisten Etanercept (Enbrel®) und dann erneut 2 Jahre nach Einleitung einer Therapie mit Abatacept (Orencia®), einem humanen Fusionsprotein und CTLA-4-Rezeptor-Analogon, ein Rezidiv eines wiederholt histologisch verifizierten vesikulobullösen Granuloma anulare disseminiert an beiden Unterschenkeln entwickelte.


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Abstract

We report on a 77-year-old female patient with severe recalcitrant rheumatoid arthritis, who developed for the first time 5 years after start of a treatment with the human fusionprotein and TNF-alpha-receptor antagonist Etanercept (Enbrel®) and than again 2 years after start of a treatment with Abatacept (Orencia®), a human fusionprotein and CTLA-4-receptor analogon, the relapse of a repeatedly biopsy-proven vesiculobullous granuloma annulare disseminated at both of her lower legs.


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Einleitung

Wir berichten über diesen Fall wegen zwei Besonderheiten. Zum einen handelt es sich um das seltene klinische Bild eines vesikulobullösen Granuloma anulare, das nicht zu den bekannten klassischen klinischen Varianten der Erkrankung zählt. Zum anderen traten beide Erkrankungsschübe der Patientin jeweils unter einer längeren Therapie mit zwei verschiedenen Rezeptor-Antagonisten bzw. -Analoga auf.


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Kasuistik

Wir berichten über eine 77-jährige Patientin mit seit 28 Jahren bestehender mutilierender therapierefraktärer rheumatoider Arthritis. Vor 3 Jahren kam es erstmals zu einem Schub eines histologisch gesicherten Granuloma anulare, der mit PUVA und Lokalsteroiden erfolgreich zur Abheilung gebracht wurde. Dieser trat unter einer insgesamt 6-jährigen Therapie mit dem TNF-alpha-Rezeptor-Antagonisten Etanercept (Enbrel®) in Kombination mit Methotrexat auf. Zuletzt kam es dann hierunter zu keiner genügenden Kontrolle der Krankheitsaktivität mehr, sodass vor 2 Jahren zusätzlich zum Methotrexat die Therapie mit Abatacept (Orencia®), einem humanen Fusionsprotein und Rezeptor-Analogon gegen CTLA-4 (ein, sozusagen, Ipilimumab entgegengesetzt wirkendes immunsuppressives Medikament), mit Unterbrechungen gegeben wurde. Unter dieser Therapie entwickelte die Patientin jetzt an beiden Unterschenkeln multiple, streckseitig erneut betonte, vesikulobullöse Hautveränderungen, die im weiteren Verlauf sehr rasch zusätzlich einen erythematösen Aspekt entwickelten.

Wir sahen an beiden Unterschenkeln, streckseitig betont, multiple, wenige Zentimeter durchmessende, z. T. polyzyklisch begrenzte, gering infiltrierte, rotbräunliche, randbetonte Erytheme, zumeist mit zentralen prallen Vesikeln und Blasen mit serösem Inhalt ([Abb. 1 a]). Daneben fanden sich vereinzelt auch Blasen ohne wesentliches Erythem, auch an den Händen ([Abb. 1 b]). Wir stellten die klinische Verdachtsdiagnose eines Granuloma anulare mit vesikulobullöser Komponente. Die Histologie-Biopsie eines der Herde bestätigte erneut das Vorliegen eines Granuloma anulare.

Abb.1 a Disseminierte, z. T. vesikulobullöse Granuloma anulare-Herde am Unterschenkel, Zustand zwei Jahre nach Beginn einer Rheuma-Therapie mit Abatacept und Methotrexat. b Zum Teil bestanden initial Blasen mit Randerythem, eine blasenbildende Autoimmundermatose konnte hier histologisch und immunhistologisch ausgeschlossen werden.

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Die Spaltbildung fand sich subkorneal. Histologisch und in der direkten und indirekten Immunfluoreszenz fanden sich keinerlei Hinweise für eine blasenbildende Autoimmundermatose, insbesondere keine für ein bullöses Pemphigoid.

Hepatitis-Herpes-simplex- und Borrelien-Serologien fanden sich unauffällig, ein Diabetes mellitus und eine Schilddrüsenerkrankung wurden ausgeschlossen. Rheumafaktor, ANAs (1 : 5120) und pANCA (1 : 640) fanden sich erhöht. Nach histologischer Diagnosesicherung leiteten wir eine Therapie mit lokalen Kortikosteroiden ein und empfahlen, die weitere Therapie mit Abatacept in Kombination mit Methotrexat zu überdenken.


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Diskussion

Neben der klassischen Form des Granuloma anulare zählen zu den beschriebenen klinischen Sonderformen die perforierende, die erythematöse und die Plaque-Form, daneben werden auch lokalisierte, disseminierte und generalisierte Formen unterschieden [1]. Eine vesikulöse, bullöse oder vesikulobullöse Form wurde unserem Wissen nach bislang allenfalls bei Diabetikern an den Unterschenkeln beschrieben [2]. Im vorliegenden Fall, bei dem die Vesikel- und Blasenbildung offenbar der Entwicklung Granuloma anulare-typischer Erytheme am jeweiligen Ort an den Unterschenkeln vorausging, konnte ein Diabetes mellitus allerdings sicher ausgeschlossen werden.

Die auslösende Ursache des Granuloma anulare ist unbekannt. Epidemiologische Bezüge zum Diabetes mellitus und zu Autoimmunthyreoditiden bestehen. Berichtet wird über das Auftreten von Granuloma anulare nach bakteriellen (z. B. Borrelien) und viralen (z. B. Hepatitis C) Infektionen aber auch Medikamenten [1]. Über das Auftreten von Granuloma anulare unter Therapien mit Biologika wurde häufiger berichtet. So trat im Rahmen der Therapie von rheumatoider Arthritis mit TNF-alpha-Inhibitoren bei 4,5 % der Fälle ein disseminiertes Granuloma anulare auf, davon 2 unter dem chimären Antikörper Infliximab, 6 (entsprechend über 10 % der Behandelten) unter dem vollhumanen Antikörper Adalimumab und neben dem hier beschriebenen Fall zwei weitere mit dem chimären Rezeptor-Antagonisten Etanercept [3] [4]. In einem weiteren Fall wurde das Auftreten eines superfiziellen Granuloma anulare unter Infliximab berichtet [2]. Bei Therapie der Multiplen Sklerose mit Daclizumab, einem humanisierten Interleukin-2-Rezeptor-Antagonisten, trat in einem Fall ein Granuloma anulare auf [5]. Im Falle des humanen CTLA-4-Rezeptor-Analogons Abatacept ist unseres Wissens das Auftreten eines Granuloma anulare bislang noch nicht beschrieben worden.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Therapie mit den Rezeptor-Antagonisten bzw. -Analoga Etanercept und Abatacept und dem rezidivierenden Auftreten eines vesikobullösen disseminierten Granuloma anulare kann aufgrund des zeitlichen Koinzidenz vermutet werden, zumal andere, häufiger beobachtete Komorbiditäten und Auslöser dieser Erkrankung in unserem Fall nicht festgestellt werden konnten. Allerdings trat die Hauterkrankung jeweils erst nach längerer Gabe des Medikamentes auf und rezidivierte nach erfolgreicher Behandlung des Granuloma anulare trotz Fortführung der Therapie zunächst nicht mehr. Darüber hinaus fand jeweils gleichzeitig eine Behandlung z. B. mit Methotrexat statt, das als Ursache zumindest der Blasenbildung gleichfalls in Betracht käme. Allerdings traten unter Methotrexat allein keine Blasenbildungen auf.

Prinzipiell wären zumindest drei mögliche Mechanismen der Auslösung eines Granuloma anulare durch die Rezeptor-Antagonisten- bzw. -Analoga-Therapie denkbar:

  • Zum einen ist eine Stimulation von Makrophagen durch eine antigene Wirkung der humanen Fusionsproteine und Rezeptor-Antagonisten bzw. -Analoga Etanercept bzw. Abatacept möglich, die vielleicht nach eventueller Phagozytose oder im Gewebe persistieren könnten.

  • Zum anderen könnte durch die TNF-alpha- bzw. CTLA-4-Blockade eine, in diesem Falle okkult gebliebene, Infektion begünstigt worden sein, die ihrerseits eine Stimulation der Makrophagen induziert haben könnte.

  • Schließlich wäre auch ein pharmakologischer Mechanismus durch eine immunmodulatorische Wirkung auf die Makrophagen denkbar. So bindet beispielsweise Abatacept an Makrophagen und übt einen Einfluss auf deren Differenzierung aus [6].

Weitere Fallbeobachtungen von Neuauftreten von Granuloma anulare unter Therapie mit Rezeptor-Antagonisten bzw. -Analoga und anderen Biologika wären wünschenswert, um weitere Schlüsse auf einen möglichen kausalen Zusammenhang und auf eventuelle Mechanismen der Reaktion ziehen zu können. Auch weitere Fallbeobachtungen von vesikulobullösen Verlaufsformen des Granuloma anulare wären von Interesse.


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Interessenkonflikt

L. Kowalzick: Studientätigkeit für Bristol-Meyer-Squibb.
C. Baumann: Vortragstätigkeit bzw. Studientätigkeit für Pfizer bzw. Bristol-Meyer-Squibb.
Die anderen Autoren geben keinen Interessenkonflikt an.

  • Literatur

  • 1 Kowalzick L. Granuloma anulare. Hautarzt 2005; 56: 1071-1083
  • 2 Stawiski MA, Voorhees JJ. Cutaneous signs of diabetes mellitus. Cutis 1976; 18: 415-421
  • 3 Voulgari PV, Markatseli TE, Exarchou SA et al. Granuloma annulare induced by anti-tumor necrosis factor therapy. Ann Rheum Dis 2008; 67: 567-570
  • 4 Ratnarathorn M, Raychaudhuri SP, Naguwa S. Disseminated granuloma annulare: a cutaneous adverse effect of anti-TNF agents. Indian J Dermatol 2011; 56: 752-754
  • 5 Metha LR, Rose JW. Recurrent granuloma annulare during treatment with daclizumab. Mult Scler 2009; 15: 527-528
  • 6 Martinez-Calatrava MJ, Zwerina J, Bargado R et al. Effects of CTLA4-Ig on monocyte/macrophage differentiation and cytokine production. Ann Rheum Dis 2011; 70: A68-A69

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

  • Literatur

  • 1 Kowalzick L. Granuloma anulare. Hautarzt 2005; 56: 1071-1083
  • 2 Stawiski MA, Voorhees JJ. Cutaneous signs of diabetes mellitus. Cutis 1976; 18: 415-421
  • 3 Voulgari PV, Markatseli TE, Exarchou SA et al. Granuloma annulare induced by anti-tumor necrosis factor therapy. Ann Rheum Dis 2008; 67: 567-570
  • 4 Ratnarathorn M, Raychaudhuri SP, Naguwa S. Disseminated granuloma annulare: a cutaneous adverse effect of anti-TNF agents. Indian J Dermatol 2011; 56: 752-754
  • 5 Metha LR, Rose JW. Recurrent granuloma annulare during treatment with daclizumab. Mult Scler 2009; 15: 527-528
  • 6 Martinez-Calatrava MJ, Zwerina J, Bargado R et al. Effects of CTLA4-Ig on monocyte/macrophage differentiation and cytokine production. Ann Rheum Dis 2011; 70: A68-A69

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