Schlüsselwörter
Morbus Crohn - Colitis ulcerosa - Azathioprin - anti-TNF Antikörper
Keywords
Crohn’s disease - ulcerative colitis - azathioprine - anti-TNF antibodies
Diarrhöen, Schmerzen, Gewichtsverlust – chronisch entzündliche Darmerkrankungen
können zu einem schweren Krankeitsbild führen und die Lebensqualität der Betroffenen
deutlich einschränken. Neben dem Gastrointestinaltrakt betreffen diese
Systemerkrankungen auch Gelenke, Haut und Augen. Ziel der Therapie ist eine
steroidfreie Remission. Je nach Schweregrad und Verlauf von Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa kommen unterschiedliche Medikamente oder operative Eingriffe zum
Einsatz.
Der konkrete Fall
Anamnese | Eine 23-jährige Patientin kommt mit ausgeprägten abdominellen
Schmerzen im Bereich des rechten Unterbauchs in die Notaufnahme. Sie berichtet, dass
bei ihr aufgrund von intermittierend auftretenden Unterbauchschmerzen und
Durchfallepisoden ein Reizdarm diagnostiziert worden sei. Seit mehreren Monaten
verschlimmerten sich die Beschwerden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme leidet die
Patienten bereits seit mehreren Stunden an den Unterbauchschmerzen, sie hat pro Tag
6 Stuhlgänge.
Diagnostik | Die Patientin befindet sich in gutem Allgemein- und
Ernährungszustand. Im Labor zeigt sich eine mikrozytäre Anämie, die übrigen
Laborparameter – insbesondere der CRP-Wert – sind unauffällig. Die Stuhluntersuchung
ergibt keinen Nachweis von pathogenen Erregern. In einer Ileokoloskopie zeigt sich
der Befund eines floriden Morbus Crohn mit Befall der Ileozökalregion. Eine
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie schließt einen Befall des oberen GI-Traktes aus. In
einer nachfolgenden Hydro-MRT-Untersuchung ergab sich kein Anhalt für einen Befall
des restlichen Dünndarms.
Diagnose, Therapie und Verlauf | Bei der Patientin wurde ein Morbus Crohn mit
Befall der Ileozökalregion diagnostiziert. Nachfolgend wurde eine Therapie mit dem
topisch wirksamen Glukokortikoid Budesonid (9 mg / Tag) eingeleitet. Schon nach
einigen Tagen besserte sich die klinische Symptomatik deutlich. Die
Unterbauchschmerzen traten nach 2 Wochen Therapie nicht mehr auf – die Stuhlfrequenz
normalisierte sich. Die Budesonid-Therapie wurde nach 3 Monaten wieder
ausgeschlichen. Die Patientin wurde darauf hingewiesen, den Nikotinkonsum zu
beenden, was sie auch erfolgreich umsetzen konnte. Im weiteren Verlauf wies sie
keine Beschwerden mehr auf.
Diskussion | Es ist von entscheidender diagnostischer Bedeutung, dass nicht
bei allen Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im akuten Schub der
CRP-Wert erhöht sein muss.
Ein normaler CRP-Wert schließt nicht das Vorliegen eines aktiven Morbus Crohn
aus.
Bei Colitis ulcerosa-Patienten lässt sich trotz entzündlicher Aktivität häufig nur
ein geringer bis gar kein Anstieg des CRP-Werts feststellen. Morbus Crohn-Patienten
sollte man dringlich auf den Verzicht des Nikotinkonsums hinweisen. Wichtige
Behandlungsziele in der medikamentösen Therapie der CED sind Induktion und
dauerhafte Erhaltung einer steroidfreien Remission und Herstellung einer adäquaten
Lebensqualität.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Definitionen | Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) sind die beiden
Hauptformen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Der MC ist
charakterisiert durch eine diskontinuierliche und transmural verlaufende Entzündung,
die alle Abschnitte des Gastrointestinaltrakts (GI-Trakt) vom Mund bis zum Anus
betreffen kann [1]. Die CU weist eine kontinuierliche und
mukosale Entzündung des Rektums mit variabler Ausdehnung nach proximal auf. Die
Entzündung beschränkt sich auf das Kolon, und nur in wenigen Fällen kann sich auch
eine Entzündung des terminalen Ileums („backwash ileitis“) entwickeln [2].
Klassifikation | Die CED teilt man gemäß der Montreal-Klassifikation ein [3] – in Abhängigkeit vom Befallsmuster und bei MC auch vom
Alter der Erstdiagnose (Tab.
[
1
]). Die CED
sind aber nicht nur auf den Darm beschränkte Erkrankungen: Es handelt sich um
Systemerkrankungen, die sich unter anderem auch an den Augen, der Haut und den
Gelenken manifestieren können. Auftreten und Aktivität dieser extraintestinalen
Manifestationen können unabhängig vom klinischen Verlauf der Grunderkrankung sein
[4].
Tab. 1
Montreal-Klassifikation der CED.
Colitis ulcerosa
|
Morbus Crohn
|
Einteilung
|
Ausdehnung
|
Alter bei Diagnosestellung
|
Lokalisation des Befunds
|
klinisches Bild
|
E 1
|
Proktitis
|
A1: 16 Jahre oder jünger
|
L1: terminales Ileum
|
B1: nicht strikturierend,
nicht penetrierend
|
E 2
|
Linksseitencolitis
|
A2: 17–40 Jahre
|
L2: Kolon
|
B2: strikturierend
|
E 3
|
ausgedehnte Colitis
|
A3: über 40 Jahre
|
L3: Ileokolon
|
B3: penetrierend
|
|
|
|
+ L4: oberer GI-Trakt
|
p: perianaler Befall
|
Epidemiologie | Die Inzidenz des MC beträgt in Deutschland etwa 6–7 je 100 000
[5]. Bei der CU werden Inzidenzraten von 4–6 je
100 000 im Jahr angenommen [6]. Insgesamt steigt die
Inzidenz. In Deutschland wurde 2007 geschätzt, dass ca. 320 000 Patienten von MC
oder CU betroffen sind. Aktuellere Analysen zeigen, dass von einer um mindestens
100 000 Patienten höheren Anzahl von Betroffenen ausgegangen werden muss. Beide
Geschlechter erkranken etwa gleich häufig. Die CED kann prinzipiell in jedem
Lebensalter auftreten; das Hauptmanifestationsalter liegt zwischen dem 15. und
40. Lebensjahr.
Pathophysiologie | Die exakte Ätiologie und Pathogenese der CED sind trotz
großer wissenschaftlicher Erkenntnisgewinne noch nicht vollständig aufgeklärt. Man
geht von einer multifaktoriellen Genese aus, bei der
zu einer fehlregulierten Aktivierung des mukosalen Immunsystems führen. Diese trägt
zu der Entstehung und Perpetuierung der mukosalen Entzündung bei [7–10].
Diagnostisches Vorgehen
Klinische Diagnose | Die CED sind klinische Diagnosen; ergänzt werden sie
durch zusätzliche
-
endoskopische,
-
histologische,
-
radiologische,
-
sonografische und
-
laborchemische
Untersuchungsbefunde. Bei der Diagnosestellung sollten mögliche
Differenzial-diagnosen (Tab.
[
2
])
ausgeschlossen und die Lokalisation und Schwere der Erkrankung festgestellt werden
[4]
[5].
Tab. 2
Differenzialdiagnosen zu CED.
Differenzialdiagnosen zu CED
|
Infektionen
|
-
Bakterien (Campylobacter jejuni, Yersinia enterocolitica,
Salmonellen, Shigellen, enteroinvasive Escherichia coli,
Mycobacterium tuberculosis, Clostridium difficile,
venerische Infekte)
-
Viren (Zytomegalievirus, Herpes-simplex-Virus, HIV,
Coxsackie)
-
Protozoen (Entamoeba histolytica, Giardia lamblia,
Cryptosporidium, Nematoden)
|
Medikamenten-induzierte Enterokolitis
|
-
Antibiotika
-
NSAR
-
Laxanzienabusus
|
unspezifische Entzündungen
|
|
Tumore
|
|
Sonstiges
|
|
Klinik | Die klinischen Leitsymptome sind abhängig von der Lokalisation der
Erkrankung. Häufig sind:
Mögliche Komplikationen der CED beinhalten
Systemerkrankung | Die CED sind aber nicht nur auf den GI-Trakt beschränkt,
sondern es handelt sich um Systemerkrankungen. Sie manifestieren sich neben dem Darm
unter anderem auch an den
-
Gelenken (periphere Arthritis, axiale Arthritis),
-
der Haut (Erythema nodosum, Pyoderma gangränosum),
-
den Augen (Iritis, Uveitis, Episkleritis) und
-
hepatobilliär (Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC))
Auch seltenere pulmonale oder neurologische Manifestation sollten beachtet werden.
Diese extraintestinalen Manifestationen können unabhängig vom klinischen Verlauf
der Grunderkrankung auftreten und aktiv sein und sind oftmals die erstmalige
klinische Symptomatik der CED.
Sie werden bei über einem Drittel aller CED-Patienten beschrieben, wobei
Gelenkbeschwerden am häufigsten angegeben werden [4].
Labor | Die Labordiagnostik umfasst vornehmlich folgende Parameter: Blutbild,
CRP-Wert, Nierenfunktion, Transaminasen und Cholestaseparameter. Des Weiteren
sollten auch mögliche Mangelerscheinungen (Eisen, Vitamin B12, Folsäure,
Vitamin D) überprüft werden. Die quantitative Bestimmung des fäkalen
Neutrophilenmarkers Calprotektin im Stuhl stellt einen nützlichen Verlaufsparameter
für die Entzündung im Kolon dar [11].
Endoskopie | In der Erstdiagnostik gehört eine komplette Ileokoloskopie zu den
wichtigsten diagnostischen Maßnahmen (Abb.
[
1
]
Abb.
[
2
]
Abb.
[
3
]
Abb.
[
4
]).
Dabei sollten Biopsien separat aus dem terminalen Ileum und allen
Kolonabschnitten, inklusive des Rektums, genommen werden.
Lässt sich ein MC nachweisen, sollte man zusätzlich eine Endoskopie des oberen
GI-Trakts vornehmen. Bei Verdacht auf einen MC mit Dünndarmbefall kann eine
Kapselendoskopie durchgeführt werden. Hierbei muss man jedoch vorher Stenosen
radiologisch ausschließen. Eine enteroskopische Untersuchung kann in einzelnen
Fällen zur Diagnosefindung mittels histologischer Sicherung beitragen.
Verlaufsdiagnostik | In der Verlaufsdiagnostik sollte sich die endoskopische
Diagnostik an einer spezifischen Fragestellung orientieren – mit möglichen
therapeutischen Konsequenzen. Endoskopien erfolgen, um
-
die entzündliche Aktivität vor Therapieintensivierung oder –Deeskalation
einzuschätzen,
-
die mukosale Abheilung zu beurteilen,
-
zu behandeln (Dilatation von Stenosen, Resektion von umschriebenen
intraepithelialen Neoplasien) oder
-
post-operativ bei MC, um die Anastomose zu beurteilen und das weitere
therapeutische Prozedere festzulegen.
Bei therapierefraktärem Verlauf kann eine Endoskopie mit Biopsieentnahme eine
CMV-Colitis (Zytomegalievirus) mittels immunhistochemischer Färbung ausschließen.
Zudem empfehlen die deutschen Leitlinien Vorsorgekoloskopien bei langjähriger CU
und bei MC mit Befall des Kolons [6].
Diesbezüglich empfiehlt sich die Anwendung der Chromoendoskopie, um intraepitheliale
Läsionen besser zu detektieren [12].
Sonografie | Die hochauflösende transabdominelle Sonografie hat einen festen
Stellenwert in der Initialdiagnostik, um die Darmentzündung zu lokalisieren und die
Ausbreitung festzustellen. Weiterhin ermöglicht sie im Verlauf, das
Therapieansprechen auf initiierte Behandlungen zu beurteilen [5]
[6]. Zeichen einer akuten Entzündung
sind:
Die Duplexsonografie kann eine vermehrte Hyperperfusion darstellen – dies ist ein
zusätzliches Kriterium der akuten Darmentzündung (Abb.
[
5
]
Abb.
[
6
]
Abb.
[
7
]). Weiterhin setzt man die
Sonografie ein, um Krankheits-assoziierte Komplikationen wie Stenosen, Fisteln oder
Abszesse auszuschließen.
MRT | Zur weiteren Dünndarmdiagnostik steht die Magnetresonanztomografie (MRT)
zur Verfügung. Die Hydro-MRT-Untersuchung sollte zur Initialdiagnostik bei
MC-Patienten verwendet werden und ist gut geeignet, Komplikationen wie Fisteln und
Abszesse darzustellen. Das MRT ist aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung der
Computertomografie (CT) vorzuziehen. Die CT verwendet man nur in Notfallsituationen
(v. a. Perforation) und bei geplanten Interventionen (z. B. Abszessdrainage). Bei
perianalen Fisteln wird neben einer MRT-Untersuchung des Beckens auch die
transrektale Endosonografie angewandt.
Therapie der CED
Ziele | Grundlegende Behandlungsziele in der medikamentösen Therapie von CED
sind die Induktion und dauerhafte Erhaltung einer steroidfreien Remission und die
Prävention von Erkrankungs- oder Therapiekomplikationen. Diesbezüglich wird weiter
untersucht, ob eine frühzeitige immunsuppressive Therapie den Erkrankungsverlauf
günstig beeinflussen könnte. Die Therapieentscheidung wird getroffen abhängig
von:
Weiterhin sollte man im Rahmen der Erkrankung auftretende Mangelzustände ausgleichen
(z. B. mittels Eisen, Vitamin B12). Operative Eingriffe sind indiziert,
wenn der Verlauf trotz medikamentöser Therapie refraktär ist oder Komplikationen
konservativ nicht zu behandeln sind. Bei isoliertem, symptomatischem Ileozökalbefall
ist
die Operation als Alternative zur konservativen Therapie zu erwägen.
Mukosale Abheilung | Ein weiteres prognostisch bedeutendes Therapieziel könnte
die mukosale Abheilung sein – fehlt sie, ist die Krankheit mit einem langfristig
schlechteren Verlauf assoziiert.
Gerade wenn eine Deeskalation von Therapien geplant ist, ist die mukosale
Abheilung ein wichtiger Parameter für die Entscheidungsfindung [13].
Leitlinien-Empfehlungen | Die nachfolgenden Therapieempfehlungen basieren im
Wesentlichen auf der nationalen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs-
und Stoffwechselkrankheiten und der europäischen Leitlinie (ECCO) zur Behandlung der
jeweiligen Entität der CED [5]
[6]
[14]
[15].
Colitis ulcerosa mit geringer bis mäßiger Aktivität
Colitis ulcerosa mit geringer bis mäßiger Aktivität
Aktive Proctitis ulcerosa | Eine mukosale Entzündung, die auf das Rektum
beschränkt ist, ist die aktive Proctitis ulcerosa. Lokal applizierbare
5-Aminosalizylate (5-ASA) sind die Therapie der ersten Wahl – wegen der günstigeren
Freisetzung des Wirkstoffs wird initial die Behandlung mit Suppositorien empfohlen.
Bei refraktärem Verlauf kann eine Kombinationstherapie zusammen mit oralen
5-ASA-Präparaten oder mit einer Lokalbehandlung durch Steroide effektiv sein
(Klysmen, Schaumpräparate). Bei anhaltend aktivem Verlauf ist eine systemische
Steroid-Therapie gerechtfertigt.
Linksseitige CU | Die linksseitige Colitis ulcerosa reicht bis maximal zur
linken Flexur.
Die Behandlung besteht aus einer Kombination aus oral und lokal verabreichten
5-ASA-Präparaten – diese Kombinationstherapie ist der jeweiligen alleinigen
Anwendung überlegen.
Insgesamt zeigt die lokale 5-ASA-Therapie verglichen mit der topischen
Steroid-Therapie eine höhere therapeutische Effektivität. Innerhalb von 2 Wochen
sollte der Patient auf die 5-ASA-Kombinationstherapie ansprechen – andernfalls ist
die Gabe von systemisch wirksamen Kortikosteroiden indiziert. Bei leichter bis
mittelschwerer Erkrankungsaktivität ist der Wirkstoff Budesonid als orale
MMX®-Tablettenformulierung bei unzureichendem Ansprechen auf 5-ASA
zugelassen worden [16]
[17].
Diese Therapie könnte zukünftig bei 5-ASA-refraktären Verläufen vor systemischen
Steroiden eingesetzt werden. Der genaue Stellenwert muss aber in weiteren Studien
noch evaluiert werden.
Ausgedehnte CU | Initial ist ebenfalls eine Kombinationstherapie mit oralen
und lokalen 5-ASA-Präparaten angezeigt, wenn die CU ausgedehnt ist, mit gering- bis
mittelmäßigem Befall. Bei refraktärem Verlauf ist eine systemische Steroid-Therapie
indiziert. Dauer und Form der Dosisreduktion richtet sich nach dem klinischen
Ansprechen – die Steroide sollten jedoch innerhalb von 8–12 Wochen vollständig
ausgeschlichen werden.
Ein steroidabhängiger Verlauf ist gekennzeichnet durch ein Rezidiv innerhalb des
Ausschleichens oder 12 Wochen nach erfolgreicher Beendigung der
Steroid-Medikation.
In diesem Fall ist eine Therapie mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin notwendig.
Diese sollte innerhalb von 2–3 Monaten eine klinische Wirksamkeit erreichen. Hier
kann alternativ auch ein Anti-TNF-Antikörper eingesetzt werden. Bei
steroidabhängigem oder refraktärem Verlauf auf eine konventionelle Therapie oder
Anti-TNF-Antikörper ist der Anti-Adhäsionsmolekül-Antikörper Vedolizumab
entsprechend der Zulassung ebenfalls eine Alternative [18] (Abb.
[
8
]).
Colitis ulcerosa mit schwerer Aktivität
Colitis ulcerosa mit schwerer Aktivität
Stationäre Behandlung | Die schwere CU ist ein ernstes Krankheitsbild,
gekennzeichnet durch eine deutlich erhöhte Stuhlfrequenz (≥ 6 blutige
Stuhlgänge / Tag) und Zeichen einer systemischen Erkrankung. Die Behandlung erfolgt
prinzipiell stationär und interdisziplinär.
Die Standardtherapie besteht in der hoch dosierten Gabe von Steroiden, die
initial intravenös gegeben werden.
Die Beschwerden sollten sich innerhalb von 3–5 Tagen nach Therapiebeginn bessern –
dies ist von wesentlicher Bedeutung für den weiteren Verlauf. Bei unzureichendem
Ansprechen stehen aktuell Anti-TNF-Antikörper (Infliximab) zur Verfügung. Diese
können auch mit einem Thiopurin kombiniert werden. Allerdings ist hier vermehrt mit
Nebenwirkungen zu rechnen. Die Kombinationstherapie mit dem Anti-TNF-Antikörper
Infliximab und Azathioprin zeigte eine höhere Wirksamkeit als die jeweilige
Monotherapie.
Calcineurin-Inhibitoren | Weiterhin stehen die Calcineurin-Inhibitoren
Cyclosporin A (CsA) oder Tacrolimus zur Verfügung. Eine Vergleichsstudie bei
schwerer, steroidrefraktärer CU ergab keinen therapeutischen Unterschied zwischen
dem Anti-TNF-Antikörper Infliximab und CsA aufzeigen [19].
Eine sequenzielle Therapie mit Anti-TNF-Antikörpern und einem
Calcineurin-Inhibitor bei therapierefraktärem Verlauf sollte man nur mit
äußerster Zurückhaltung erwägen.
Bei sequenzieller Therapie sollte aufgrund der längeren Halbwertszeit des
Anti-TNF-Antikörpers zunächst eine Therapie mit einem Calcineurin-Inhibitor
erfolgen, um eine kombinierte Immunsuppression zu vermeiden. Prinzipiell steht auch
der Anti-Adhäsionsmolekül-Antikörper Vedolizumab zur Verfügung. Jedoch liegen hier
noch keine Daten für einen schweren, steroidrefraktären Verlauf vor.
Chirurgie | Bei allen Therapieentscheidungen im Rahmen der schweren CU sollte
man zu jedem Zeitpunkt auch eine chirurgische Therapiealternative (Proktokolektomie)
in Betracht ziehen. Hierbei ist es wichtig, dass Gastroenterologen und Chirurgen bei
der Betreuung des Patienten in engem und stetigen Austausch stehen
(Abb.
[
9
]).
Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa
Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa
5-ASA-Präparate | Bei der CU empfiehlt sich allgemein eine
remissionserhaltende Therapie mit 5-ASA-Präparaten. Die linksseitige CU kann mittels
lokaler oder oraler Therapie behandelt werden (ggf. in Kombination). Bei
ausgedehnterer CU sollte jedoch eine orale Form Teil der Therapie sein. Es empfiehlt
sich, diese remissionserhaltende Therapie für mindestens 2 Jahre beizubehalten. Die
5-ASA-Therapie wird aber in der Regel auch darüber hinaus weitergeführt, weil sie
einen zusätzlichen chemopräventiven Effekt hat.
Weitere Medikamente zum Remissionserhalt | Bei Unverträglichkeit von 5-ASA
kann man alternativ auf Escherichia coli Nissle zur Remissionserhaltung
zurückgreifen. Bei steroidabhängigem Verlauf ist eine immunsuppressive Therapie mit
einem Thiopurin indiziert. Hierbei ist erneut der verzögerte Wirkungseintritt von
8–12 Wochen zu beachten. Nach erfolgreichem Einsatz eines Calcineurin-Inhibitors
würde man diesen nach ca. 6 Monaten absetzen und die parallel begonnene Therapie mit
einem Thiopurin fortführen. Bei steroidrefraktärem Verlauf ist eine Therapie mit
einem Anti-TNF-Antikörper indiziert. Nach erfolgreichem Einsatz von
Anti-TNF-Antikörpern zur Induktion einer Remission, können diese als
remissionserhaltende Therapie eingesetzt werden.
Diese Therapie sollte zumindest bis zum Erreichen einer vollständigen klinischen
und endoskopischen Remission fortgeführt werden.
Bei erfolgreicher Behandlung mit einer Kombination aus Anti-TNF-Antikörper und einem
Thiopurin sollte man erwägen, eines der Medikamente im Verlauf abzusetzen.
Kortikosteroide haben keinen Stellenwert in der Erhaltung einer Remission bei CU und
sind mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden (Tab.
[
3
]).
Tab. 3
Therapeutika bei Colitis ulcerosa.
Therapeutika bei Colitis ulcerosa
|
Präparat
|
Dosierung
|
5-ASA Suppositorien
|
-
Induktion 0,5–1 g / Tag
-
Erhaltung 0,5–1 g / Tag
|
5-ASA Klysma
|
-
Induktion 1–4 g / Tag
-
Erhaltung 1–4 g / Tag
|
5-ASA oral
|
|
Escherichia coli Nissle
|
|
Budesonid lokal
|
Induktion 2 mg / Tag
|
Budesonid MMX® oral
|
Induktion 9 mg / Tag
|
Prednisolon
|
Induktion 60 mg / Tag oral oder i. v.
bzw. max. 100 mg i. v.
|
Azathioprin
|
Erhaltung 2–2,5 mg / kg / Tag oral
|
6-Mercaptopurin
|
Erhaltung 1–1,5 mg / kg / Tag oral
|
Ciclosporin
|
|
Tacrolimus
|
-
Induktion 0,01–0,02 mg / kg i. v. oder 0,1–0,2 mg / kg
oral
-
Erhaltung 0,1–0,2 mg / kg oral[**]
|
Infliximab
|
-
Induktion 5 mg / kg i. v. Woche 0, 2, 6
-
Erhaltung 5 mg / kg i. v. alle 8 Wochen[***]
|
Adalimumab
|
|
Golimumab
|
-
Induktion 200 mg s. c. Woche 0, 100 mg s. c. Woche 2
-
Erhaltung 50 mg (< 80 kg) bzw. 100 mg (> 80 kg)
alle 4 Wochen
|
Vedolizumab
|
-
Induktion 300 mg i. v. Woche 0, 2, 6
-
Erhaltung 300 mg i. v. alle 8 Wochen[*****]
|
* Zielspiegel 250–400 ng / ml
** Zielspiegel 4–8 ng / ml
*** bei sekundärem Wirkverlust auch 5–10 mg / kg alle 4–8 Wochen
**** bei sekundärem Wirkverlust auch 40–80 mg alle 1–2 Wochen
***** bei sekundärem Wirkverlust auch 300 mg alle 4 Wochen
Morbus Crohn
Morbus Crohn mit Ileozökalbefall | Bei einem MC mit leichter bis mäßiger
Entzündungsaktivität, der auf die Ileozökalregion begrenzt ist, ist das topisch
wirksame Steroid Budesonid die Therapie der ersten Wahl. Verglichen mit einem
systemischen Steroid ist es eine nebenwirkungsarme Alternative, weil es in der Leber
rasch abgebaut wird. Wird Budesonid nicht vertragen, kann man möglicherweise auch
die Gabe eines 5-ASA-Präparats erwägen. Bei unzureichendem Ansprechen oder höherer
Entzündungsaktivität des Morbus Crohn ist eine systemische Steroid-Therapie
indiziert.
Colitis Crohn | Bei Patienten mit leichtgradiger Colitis Crohn können initial
Sulfasalzin oder systemisch wirksame Steroide eingesetzt werden. Bei distalem Befall
können begleitend topisch applizierbare 5-ASA- oder Glukokortikoid-Präparate zum
Einsatz kommen. Bei höherer Entzündungsaktivität ist eine systemische
Steroidtherapie indiziert.
Befall des Dünndarms | Patienten mit ausgedehntem Befall des Dünndarms sollten
primär mit systemischen Steroiden behandelt werden. Bei diesen Patienten sollte man
eine frühzeitige immunsuppressive Therapie (Thiopurine oder bei entsprechender
Unverträglichkeit Methotrexat) in Erwägung ziehen. Aufgrund der ungünstigen Prognose
wäre auch die frühzeitige Gabe eines Anti-TNF-Antikörpers gerechtfertigt.
Befall des Ösophagus und Magen | Bei Befall des oberen Ösophagus sollte man
primär systemische Glukokortikoide einsetzen. Bei gastroduodenalem Befall kommen
ebenfalls systemische Glukokortikoide in Kombination mit ProtonenpumpenInhibitoren
zum Einsatz.
Therapieeskalation | Ist der Verlauf des MC steroidrefraktär, sollte man
zunächst lokale Komplikationen wie z. B. Abszesse auschließen und einen aktiven MC
nachweisen (z. B. Ausschluss narbiger Stenosen). Erst dann kann die Therapie
intensiviert werden. Hierbei ist auch eine mögliche chirurgische Intervention als
Alternative zu überprüfen.
Bei steroidrefraktärem MC ist primär eine Behandlung mit einem
Anti-TNF-Antikörper, ggf. auch in Kombination mit Thiopurinen, indiziert.
Colombel et al. konnten zeigen, dass die Kombinationstherapie Infliximab und
Azathioprin der alleinigen Infliximab-Therapie überlegen ist [20]. Je nach Erfolg der Therapie sollte man im Verlauf erwägen, eines der
Medikamente abzusetzen – eine Kombinationstherapie ist mit einer erhöhten
Nebenwirkungsrate assoziiert. Bei einem steroidabhängigen Verlauf können
Thiopurinderivate oder ein Anti-TNF-Antikörper eingesetzt werden. Bei entsprechenden
Unverträglichkeiten kommt auch eine Therapie mit Methotrexat infrage. Vedolizumab
erweitert die therapeutischen Möglichkeiten. Es kann eingesetzt werden, wenn der
Verlauf refraktär auf eine konventionelle Therapie oder einen Anti-TNF-Antikörper
ist [21]. Allerdings weisen die Studiendaten auf einen
verzögerten Wirkungseintritt bei Anti-TNF-refraktären MC-Patienten hin
(Abb.
[
10
]).
Fistulierender MC | Der fistulierende MC ist oft eine schwerwiegende
Komplikation und erfordert ein enges interdisziplinäres Vorgehen von
Gastroenterologen und Chirurgen. Zunächst müssen Abszesse ausgeschlossen bzw. eine
ausreichende Drainage durchgeführt werden.
Enterovesikale und blind endende Fisteln im Retroperitoneum sind eine absolute
Operationsindikation.
Bei interenterischen Fisteln besteht eine absolute Operationsindikation dagegen nur
bei funktionellem Kurzdarmsyndrom. Es besteht eine relative Operationsindikation in
Abhängigkeit von der Symptomatik bei
-
enterovaginalen,
-
enterokutanen und
-
perianalen Fisteln.
Bei komplexen perianalen Fisteln und therapierefraktärem Verlauf sollt man die Anlage
eines Deviationsstoma überdenken. Die medikamentöse Behandlung beruht initial auf
einer antibiotischen Therapie mit Metronidazol und / oder Ciprofloxacin bei
symptomatischen, einfachen perianalen Fisteln. Bei komplexeren Verläufen sollten
Thiopurine und insbesondere auch Anti-TNF-Antikörper eingesetzt werden.
Remissionserhaltung bei Morbus Crohn
Remissionserhaltung bei Morbus Crohn
Risikoabhängige Therapie | Generell ist eine remissionserhaltende Therapie
nicht bei jedem MC-Patienten indiziert. Hierbei sind der Krankheitsverlauf und
individuelle Risikofaktoren entscheidend. Eine frühzeitige immunsuppressive oder
Anti-TNF-Therapie ist indiziert bei Patienten mit
-
inkomplettem Ansprechen auf Steroide,
-
komplexem und steroidrefraktärem oder -abhängigem Krankheitsverlauf,
-
Frührezidiv,
-
erhöhtem Risiko für ein frühes postoperatives Rezidiv oder mehrfache
Operationen in der Vorgeschichte und
-
bei mäßiger bis schwerer Krankheitsaktivität im Dünndarm.
Aktuelle Daten zeigen, dass auch bei länger bestehender klinischer Remission nach
Beendigung der Azathioprin- oder Anti-TNF-Therapie ein erhöhtes Rezidivrisiko
besteht.
Postoperative Remission | Hinsichtlich der postoperativen Remissionserhaltung
ist der individuelle Krankheitsverlauf von entscheidender Bedeutung. Diesbezüglich
kann man auch das Ergebnis einer ca. 6 Monate nach der Operation durchgeführten
Kontrollkoloskopie abwarten. Die weitere postoperative Therapie wird abhängig davon
festgelegt, ob ein endoskopisches Rezidiv an der Anastomose vorliegt. Abhängig vom
Krankheitsverlauf des Patienten und dem Rezidiv können prinzipiell eingesetzt werden
(Tab.
[
4
]):
Tab. 4
Therapeutika bei Morbus Crohn.
Therapeutika bei Morbus Crohn
|
Präparat
|
Dosierung
|
Sulfasalazin
|
|
5-ASA
|
|
Budesonid
|
|
Prednisolon
|
|
Azathioprin
|
|
6-Mercaptopurin
|
|
Methotrexat
|
|
Infliximab
|
-
Induktion 5 mg / kg i. v. Woche 0, 2, 6
-
Erhaltung 5 mg / kg i. v. alle 8 Wochen[*]
|
Adalimumab
|
|
Vedolizumab
|
-
Induktion 300 mg i. v. Woche 0, 2, 6
-
Erhaltung 300 mg i. v. alle 8 Wochen[***]
|
* bei sekundärem Wirkverlust auch 5–10 mg / kg alle 4–8 Wochen
** bei sekundärem Wirkverlust auch 40–80 mg alle 1–2 Wochen
*** bei sekundärem Wirkverlust auch 300 mg alle 4 Wochen
-
5-ASA-Präparate
-
Immunsuppressiva
-
Anti-TNF-Antikörper
Ausblick
Klinische Marker bei MC | Der natürliche Verlauf der CED kann sich zwischen
den Patienten stark unterscheiden – deshalb ist eine individualisierte
Therapieentscheidung notwendig. Dabei wird es dringend notwendig sein, den
individuellen Verlauf der Erkrankung bereits bei Diagnosestellung abschätzen zu
können. Bei MC konnte man klinische Marker für einen aggressiven Krankheitsverlauf
identifizieren. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sind:
-
ausgedehnter Befall des Dünndarms
-
tiefe mukosale Ulzerationen
-
perianale Läsionen
-
junges Alter bei Erstdiagnose
-
die Notwendigkeit, systemisch wirkende Glukokortikoide beim 1. Schub
einsetzen zu müssen
Genetische und molekularbiologische Marker | Neben diesen klinischen
Parametern werden zukünftig auch genetische und molekularbiologische Marker
benötigt, die den individuellen Verlauf besser prognostizieren lassen.
Immunsuppressive Therapien | Weiterhin werden dringend Studien benötigt, die
direkt nachweisen, dass eine immunsuppressive oder biologische Therapie den
Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Zuletzt konnten viele Studien einen
Zusammenhang zwischen Serum-Spiegel der Anti-TNF-Antikörper und dem klinischen
Ansprechen auf diese Therapie zeigen. In einigen Fällen könnte daher bei Patienten
mit sekundärem Wirkverlust eine Talspiegel-Bestimmung durchgeführt werden.
Neue Substanzen | Aktuell befinden sich zahlreiche neue Substanzen in der
Entwicklung [10]:
-
Antikörper gegen die p40-Untereinheit von IL-12 und IL-23, sowie gegen die
p19-Untereinheit von IL-23
-
Interleukin-6-Antikörper
-
JAK2-Inhibitoren
-
weitere Anti-Adhäsionsmolekül-Antikörper
-
SMAD-7 Inhibitor
Um diese im Rahmen einer individualisierten Therapie zukünftig einzusetzen, werden
dringend molekulare oder endoskopische (molekulare Bildgebung) Prädiktoren für das
klinische Ansprechen benötigt [22]. So könnte man
effektivere Therapien ermöglichen.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
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Die CED sind klinische Diagnosen, die durch zusätzliche endoskopische,
histologische, radiologische, sonografische und laborchemische
Untersuchungsbefunde ergänzt werden.
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Grundlegendes Behandlungsziel in der medikamentösen Therapie von CED ist
die Induktion und dauerhafte Erhaltung einer steroidfreien
Remission.