Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(10): 613-614
DOI: 10.1055/s-0041-107081
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Quiz intensiv – Stellen Sie die Diagnose!

Lukas Martin
,
Tobias Schürholz
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. med. Lukas Martin
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
PD Dr. med. Tobias Schürholz
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Oktober 2015 (online)

 

Fallbeschreibung

Ein 76-jähriger Mann stellt sich mit Dyspnoe und Palpitationen beim Hausarzt vor, der den Patienten zum Kardiologen überweist. Die durchgeführte transthorakale Echokardiografie (TTE) zeigt das Bild einer chronischen Perikarditis mit Perikarderguss und diastolischer Funktionsstörung, sodass die Indikation zur elektiven Perikardektomie gestellt wird.

Der unmittelbare postoperative Verlauf gestaltet sich unauffällig. In der 2. postoperativen Woche beklagt der Patient während der Mobilisation in den Stuhl akut aufgetretene Dyspnoe und Angina pectoris. Unmittelbar im Anschluss kommt es zur akuten kardialen Dekompensation. Das 12-Kanal-EKG zeigt eine Sinustachykardie mit einer Frequenz von 135 Schlägen/min ohne relevante Erregungsrückbildungsstörungen. Die laborchemischen Untersuchungen ergeben eine Kreatininkinase (CK) von 102 U/l, eine CK-MB (Muscle-Brain type CK) von 22 U/l sowie ein Troponin T von 53 pg/ml. Der Hb-Wert liegt bei 8,6 g/dl, der Hämatokrit bei 24,1 % und die Thrombozytenzahl bei 108/nl. Der Quick-Wert beträgt 67 %, die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) liegt bei 24,9 s. Der Befund der notfallmäßig durchgeführten transösophagealen Echokardiografie (TEE) ist in [Abb. 1] und [Abb. 2] auszugsweise dargestellt.

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Abb. 1 Transösophageale Echokardiografie „mittösophageal lange Achse“.
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Abb. 2 Transösophageale Echokardiografie „mittösophageal 4-Kammerblick“.

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Vorerkrankungen

  • paroxysmales Vorhofflimmern

  • benigne essenzielle arterielle Hypertonie

  • chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

  • chronische Niereninsuffizienz

  • Welche Differenzialdiagnosen müssen in Betracht gezogen werden?

  • Welche Diagnose erlaubt die transösophageale Echokardiografie?

  • Welche weiteren Maßnahmen sind durchzuführen?


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Auflösung

Diagnose

  • akute Perikardtamponade mit organisiertem periventrikulären Hämatom und diastolischer Dysfunktion


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Differenzialdiagnose

  • akute Lungenembolie

  • Aortendissektion

  • Perikardtamponade

  • akuter Myokardinfarkt

  • Spannungspneumothorax

  • Hämatothorax


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Maßnahmen

  • Therapie des kardiogenen Schocks

  • ggf. notfallmäßige Perikardpunktion

  • Herzinsuffizienztherapie

  • operative Ausräumung des periventrikulären Hämatoms


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Weiterer Verlauf

Nach initialer Stabilisierung mittels differenzierter Katecholamin- und Volumentherapie erfolgt die notfallmäßige Ausräumung des periventrikulären Hämatoms. Postoperativ stabilisiert sich die Hämodynamik des Patienten. Am 1. postoperativen Tag kann der Patient vom Respirator entwöhnt und extubiert werden. In der TTE-Kontrolluntersuchung zeigt sich an den Folgetagen kein erneuter Erguss oder ein Hämatom.


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Diskussion

Im Rahmen der akuten Perikardtamponade sammelt sich rasch Flüssigkeit im Herzbeutel an. Diese führt zum Anstieg des transmuralen Drucks und einem reduzierten diastolischen Koronarfluss. Des Weiteren resultiert die Steigung des intraperikardialen Drucks über den rechts-/ linksventrikulären enddiastolischen Druck in einer unzureichenden atrialen und ventrikulären diastolischen Füllung, wodurch das Herzzeitvolumen reduziert wird. Bei rascher Ergussbildung können bereits 100–200ml durch die fehlende Anpassungsmöglichkeit des steifen Perikards zu hämodynamischen Funktionsstörungen führen. Die häufigsten Ursachen sind neben einem Trauma die Ventrikelruptur im Rahmen eines Myokardinfarkts sowie die akute Aortendissektion.

Klinisch manifestiert sich die akute Perikardtamponade in einer Tachykardie, Hypotonie, hohen Werten des zentralen Venendrucks (ZVD > 25 cmH2O) sowie oberer und unterer Einflussstauung. Es besteht ein Pulsus paradoxus, der durch einen Abfall des systolischen Blutdrucks > 10–15 mmHg bei tiefer Inspiration definiert ist.


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Diagnostik und Therapie

Zur Diagnosestellung ist die Echokardiografie das Mittel der Wahl. Hierbei lassen sich ein spätdiastolischer und frühsystolischer Kollaps des rechten Vorhofs sowie eine Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit über der Mitral- und Trikuspidalklappe während der Inspiration darstellen.

Mittel der Wahl bei der akuten Herztamponade ist die Perikardpunktion mit anschließender Perikarddrainage.


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Fazit

Die akute Perikardtamponade ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, das sofortiges Handeln erfordert. Trotz durchgeführter Perikardektomie bleibt ein Restrisiko für das Entstehen einer erneuten Herzbeutetamponade. Daher muss gerade bei kardiochirurgischen Patienten mit hämodynamischer Instabilität und den charakteristischen Zeichen einer oberen und unteren Einflussstauung differenzialdiagnostisch stets an die Perikardtamponade gedacht werden.

Beitrag online zu finden unter http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0041-107081


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Ergänzendes Material


Korrespondenzadresse

Dr. med. Lukas Martin
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
PD Dr. med. Tobias Schürholz
Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen


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Abb. 1 Transösophageale Echokardiografie „mittösophageal lange Achse“.
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Abb. 2 Transösophageale Echokardiografie „mittösophageal 4-Kammerblick“.