Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(23): 1774
DOI: 10.1055/s-0041-107751
Fachwissen
Pro & Contra
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Pneumokokken-Impfung für Erwachsene unter 60 Jahren? Nein

Pneumococcal Vaccination for Adults – starting before 60? Con
Klaus Dalhoff
1   Medizinischen Klinik III – Pneumologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
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Prof. Dr. med. Klaus Dalhoff
Medizinischen Klinik III – Pneumologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

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Publication Date:
03 November 2015 (online)

 

Pneumokokken-Infektionen gehören weltweit zu den größten impfpräventablen Gesundheitsproblemen. In Deutschland ist Streptococcus pneumoniae der häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie [1]. Daneben sind die invasive Pneumokokken-Infektion (IPD, Erregernachweis in sterilen Medien) und die Meningitis wichtige Manifestationen. Diese Infektionen haben zwar eine höhere Letalität, aber eine wesentlich niedrigere Inzidenz als die Pneumonie. Betroffen von Pneumokokken-Infektionen sind v. a. Kleinkinder, Senioren und Patienten mit chronischen Erkrankungen bzw. Immundefizienz.


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Die seit Jahrzehnten für Erwachsene verwendete 23-valente Vakzine PPV23 schützt gegen die IPD, jedoch nicht gegen die Pneumonie. Die neuere Konjugatvakzine PCV13 mit Schutz gegen 13 Serotypen zeigt eine höhere Immunogenität und reduziert damit auch die nasopharyngeale Kolonisation. Dies ist ein wichtiger Punkt für die sogenannte Herdenimmunität, d. h. den Schutz nichtgeimpfter Personen [2].

Eine aktuelle randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie [3] hat nun gezeigt, dass die PCV13 Senioren vor Pneumonien mit den entsprechenden Serotypen schützt (Nachbeobachtung 3 Jahre). Dieser Effekt wird allerdings dadurch mitigiert, dass die Vakzine-Serotypen in der Zielpopulation seltener werden, während die Verbreitung der Serotypen, die nicht von der Impfung abgedeckt sind, zunimmt („Replacement“).

In Deutschland ist PCV13 derzeit für die Standard-Impfung im Kindesalter von der STIKO empfohlen. Bei Erwachsenen sollte laut STIKO für die Impfung ab 60 Jahren dagegen weiterhin PPV23 verwendet werden. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen können beide Impfstoffe eingesetzt werden, während bei Immundefizienz die sequentielle Impfung (PCV13 gefolgt von PSV23) empfohlen wird.

Ist eine Standardimpfung für Erwachsene unter 60 Jahren ein geeigneter Ausweg aus dieser komplexen Situation, um möglichst viele gefährdete Personen zu schützen? Einiges spricht dagegen. So ist das Risiko an einer Pneumokokken-Pneumonie oder einer invasiven Infektion zu erkranken bei gesunden jüngeren Erwachsenen außerordentlich gering. Die Inzidenz der IPD liegt bei 15–45-Jährigen bei 0,5–2,5 /100 000 Personen [4]. Erst ab einem Alter von etwa 50 Jahren steigt das Risiko progressiv an. Die klinische Erfahrung zeigt, dass unter den jüngeren Erwachsenen häufiger Eltern nichtgeimpfter Kleinkinder an Pneumokokken-Infektionen erkranken. Das spricht eher für die Bedeutung des Herdenschutzes und eine hohe Durchimpfungsquote bei Kindern als für die „Impfung für Alle“.

Bei jüngeren Erwachsenen gibt es dennoch Indikationen für eine Impfung: Komorbiditäten wie Asthma, Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen sind mit einem deutlich erhöhten Risiko assoziiert, an invasiven Pneumokokken-Infektionen zu erkranken (Odds ratio 7,6 [5]). Hier besteht bereits berechtigterweise die Empfehlung zur Vakzinierung. Noch höher liegt das Risiko bei Patienten mit Immundefiziten – auch hier gilt eine eindeutige Impfempfehlung.

Eine „Impfung für Alle“ erscheint insgesamt wenig zielführend. Sie ist zudem schwer durchführbar, da jüngere Erwachsene wenig Arztkontakt haben. Dagegen haben die meisten chronisch Kranken in dieser Altersgruppe einen ärztlichen Ansprechpartner. Dieser kann den Impfstatus leicht überprüfen und ggf. die Impfung vervollständigen. Hier besteht sicher Optimierungsbedarf: Die Erwachsenenmediziner sollten auf diesem Gebiet von der wesentlich stringenteren Impfpraxis der Pädiater lernen.

Hilfreich wäre dagegen aus Anwendersicht eine Bereinigung der komplexen Situation der Zulassungen / Empfehlungen zur Impfung im Erwachsenenalter, z. B. im Sinne einer Ausweitung der Sequenzimpfung (PCV gefolgt von PPV).

Fazit
  • Es gibt keine wissenschaftliche Basis für eine generelle Standardimpfung gegen Pneumokokken im Erwachsenenalter.

  • Die derzeitigen Kriterien für eine Indikationsimpfung bei Personen unter 60 sind klar und sollten besser umgesetzt werden.

  • Allenfalls kann eine Herabsetzung der „Seniorengrenze“ auf 50 Jahre erwogen werden.


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Prof. Dr. Klaus Dalhoff

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ist stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik III – Pneumologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klaus.Dalhoff@uksh.de

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, Vortragshonorare / Reisekostenunterstützungen erhalten zu haben von: Bayer Vital, Intermune, Novartis.


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