Diagnose SHT – nicht immer einfach zu stellen
Diagnose SHT – nicht immer einfach zu stellen
Viele der möglichen Symptome einer Beteiligung des Zentralnervensystems (▶
Tab.
[
1
]) sind beim Tier nur schwer oder nicht nachvollziehbar. Die meisten
übrigen Symptome – wie die Befunde am Auge, eine Bradykardie oder ein Lungenödem – können auch andere
Ursachen haben.
Tab. 1
Mögliche Symptome eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT).
Für die Diagnosestellung beim Tier verfügbar
|
Für die Diagnosestellung beim Tier nur eingeschränkt verfügbar
|
-
Bewusstseinsstörung, zunehmende Eintrübung, Bewusstlosigkeit
-
Vomitus
-
Gleichgewichtsstörungen
-
Anisokorie, Miosis, Mydriasis, Schielen
-
Krämpfe, Status epilepticus
-
Spastizität der Extensormuskulatur (Enthirnungsstarre)
-
Papillenödem
-
Lungenödem
|
-
Kopfschmerz
-
Nausea
-
Schwindel
-
Wortfindungsstörungen
-
Amnesie
-
visuelle Halluzinationen
|
Der intrakranielle Druck als entscheidender Parameter
Die durch ein Trauma des Zentralnervensystems verursachte akute neuronale Schädigung kann therapeutisch
nicht beeinflusst werden. Vielmehr zielen therapeutische Maßnahmen darauf, Sekundärschäden zu
verhindern bzw. zu minimieren. Diese werden durch diverse komplexe pathophysiologische Prozesse
verursacht, die zu einer nicht mechanischen neuronalen Schädigung führen. Diese kann innerhalb von
Minuten bis Tagen nach dem Insult auftreten.
Ein für Entstehung und Ausmaß der Sekundärschäden entscheidender Parameter ist der intrakranielle Druck.
Dessen zentrale Rolle ist durch die einmalige anatomische Situation im Schädel bedingt (▶
Abb.
[
1
]). Das durch Gewebe, Blut und Liquor eingenommene Volumen
ist wegen der festen Schädelkapsel unveränderlich. Eine Raumforderung durch eine Blutung, ein Ödem oder
auch eine Vasodilatation muss eine Volumenminderung an einer anderen Stelle/eines anderen Kompartiments
zur Folge haben (Monro-Kellie-Doktrin). Möglich ist eine gewisse Volumenverschiebung der flüssigen
Komponenten (nur ca. 16 % des Inhalts des Neurokraniums), so kann Liquor in begrenztem Ausmaß in Richtung
Wirbelsäule verschoben oder die Perfusion des Hirngewebes vermindert werden (Kompensationsphase). Sind
diese beschränkten Kompensationsmechanismen erschöpft, kommt es zu einem intrakraniellen
Druckanstieg.
Abb. 1 Inhalt des Neurokraniums, Monro-Kellie-Doktrin. (© M. Alef)
Nach der Erschöpfung der Ausgleichsräume des intrakraniellen Kompartiments droht ein Circulus vitiosus
(▶
Abb.
[
2
]). Steigt der intrakranielle Druck, der
dem arteriellen Blutdruck als zu überwindender Widerstand entgegensteht, sinken der zerebrale
Perfusionsdruck und damit die Durchblutung des Gehirns. Der Körper versucht, der Minderperfusion des
Gehirns entgegenzuwirken und senkt den Widerstand der Hirngefäße. Die entstehende Vasodilatation führt zu
einer Zunahme des zerebralen Blutvolumens. Da diese Volumenzunahme aber nicht mehr kompensiert werden
kann, resultiert eine weitere Zunahme des intrakraniellen Druckes. ▶
Abb.
[
3
] verdeutlicht die dramatischen Folgen.
Abb. 2 Circulus vitiosus nach Erschöpfung der Ausgleichsräume des intrakraniellen
Kompartiments. (© M. Alef)
Abb. 3 Beziehung zwischen intrakraniellem Volumen und intrakraniellem Druck. (© M. Alef)
In der terminalen Phase folgt der intrakranielle Druck passiv dem arteriellen Blutdruck, der zerebrale
Blutfluss sistiert und der Hirntod folgt.
Therapieprinzipien
Der Zusammenhang von zerebralem Perfusionsdruck (CPP), mittlerem arteriellen Blutdruck (MAP) und
intrakraniellem Druck (ICP) ist wichtig für die Ableitung des basalen Therapieprinzips.
CPP = MAP – ICP
Um die Perfusion des Gehirns zu gewährleisten, gilt es, den Blutdruck zu erhalten oder zu steigern und/oder
den intrakraniellen Druck zu senken.
Cushing-Reflex
Die Beziehung zwischen Blutdruck, intrakraniellem Druck und zerebralem Perfusionsdruck erklärt auch den
Cushing-Reflex, dessen Symptome Bradykardie (nicht obligat) und hoher Blutdruck bei einem Traumapatienten
auf das Vorliegen eines SHT hinweisen können.
Steigt der intrakranielle Druck, kommt es zu einer zerebralen Hypoxie. Um diesem Phänomen
vorzubeugen, wird der systemische Blutdruck vom Organismus oft dramatisch gesteigert. So versucht dieser
den zerebralen Perfusionsdruck und damit die Durchblutung des Gehirns aufrechtzuerhalten. Dadurch erhöht
sich jedoch wiederum der intrakranielle Druck (folgt in der Dekompensation dem Blutdruck) und der
Blutdruck muss weiter steigen. Dramatische Blutdrucksteigerungen bis 300 mmHg sind möglich.
Reflektorisch kann die Herzfrequenz bis zu einer Bradykardie sinken.
Zusätzlich können Arrhythmien, eine unregelmäßige Atmung und ein Lungenödem (häufig
in den kaudodorsalen Lungenbezirken) auftreten. Die Pathogenese dieser Symptome ist nicht vollständig
geklärt, möglicherweise spielt eine Beeinträchtigung der Hirnstamm-Funktion eine entscheidende Rolle.
Hat ein Patient mit offensichtlicher oder möglicher Kopfverletzung eine Bradykardie, kann ein SHT mit
erhöhtem intrakraniellem Druck vorliegen!
Zerebraler Blutfluss
Die Durchblutung des Gehirns bleibt über einen weiten Blutdruckbereich von
50–150 mmHg
(mittlerer arterieller Blutdruck, MAP) konstant (▶
Abb.
[
4
]). Diese Autoregulation garantiert Funktion und Integrität des Hirngewebes unabhängig von
akuten, „normalen“ Blutdruckschwankungen. Sinkt der arterielle Mitteldruck unter etwa 50 mmHg, fällt der
zerebrale Blutfluss fast linear steil ab, bis die Durchblutung des Gehirns vollständig sistiert. Bei
einem arteriellen Mitteldruck von über 150 mmHg steigt der zerebrale Blutfluss hingegen steil an. Als
Folge nimmt der Anteil des Blutes am Inhalt des Neurokraniums zu (Anstieg des zerebralen Blutvolumens),
eine Kompensation ist notwendig. Da nur der Liquor als Ausgleichskompartiment zur Verfügung steht, ist
dieser Kompensationsmechanismus bald erschöpft und ein Anstieg des intrakraniellen Druckes ist die
Folge.
Abb. 4 Abhängigkeit des zerebralen Blutflusses (CBF) vom mittleren arteriellen Blutdruck (MAP),
dem arteriellen Sauerstoff- (paO2) und Kohlendioxidpartialdruck (paCO2, jeweils in mmHg). Schematisch
dargestellt ist außerdem die Abhängigkeit des Durchmessers der zerebralen Blutgefäße (rote Punkte) vom
arteriellen Kohlendioxidpartialdruck. (© M. Alef)
Solange der arterielle Sauerstoffpartialdruck (p
a
O
2
) höher als
50 mmHg ist, beeinflusst er den zerebralen Blutfluss ebenfalls nicht. Droht bei niedrigeren Werten eine
Sauerstoffminderversorgung des Gehirns, steigert der Körper den zerebralen Blutfluss drastisch. Auch hier
drohen dieselben negativen Konsequenzen wie oben geschildert: Die Zunahme des intrazerebralen
Blutvolumens muss kompensiert werden, ist dies nicht möglich, steigt der intrakranielle Druck.
Zwischen dem arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (p
a
CO
2
) und
dem zerebralen Blutfluss hingegen besteht über einen weiten Bereich eine nahezu lineare positive
Korrelation. Steigt der Kohlendioxidpartialdruck, steigt auch die Durchblutung des Gehirns. Erreicht wird
dies über eine zerebrale Vasodilatation. Bei einem Abfall des arteriellen Kohlendioxidpartialdrucks wird
die Durchblutung des Gehirns mithilfe einer zerebralen Vasokonstriktion gedrosselt. Dieser Mechanismus
birgt große Gefahren für unsere Patienten (▶ s. Kasten [
1
]), aber auch die Möglichkeit einer relativ einfachen Beeinflussung der Hirndurchblutung
über den arteriellen Kohlendioxidpartialdruck, der wiederum durch Beatmung recht einfach variiert werden
kann.
Konsequenzen eines hohen oder niedrigen arteriellen Kohlendioxidpartialdrucks
(paCO2) für das Gehirn
↑ paCO2 → zerebrale Vasodilatation → ↑ zerebrales Blutvolumen → ↑ intrakranieller Druck
↓ paCO2 → zerebrale Vasokonstriktion → ↓ zerebraler Blutfluss → zerebrale
O2-Minderversorgung
Die Hyperventilation auch eines gesunden Patienten kann über diesen Mechanismus zu einer zerebralen
Hypoxie führen → CAVE: Beatmung ohne adäquate Überwachung!
Bei einem SHT sollten die sogenannten 3 „malignen H“ unbedingt vermieden werden:
-
Hypoxie
-
Hypotonie/Hypertonie
-
Hyperkapnie
Diagnostik und prognostische Faktoren
Diagnostik und prognostische Faktoren
Kommt zu den Weichteil- und/oder Knochenverletzungen am Kopf noch ein SHT dazu, verschlechtert sich die
Prognose des Patienten merklich. Die Behandlung wird aufwändiger und damit auch kostenintensiver. Um
Diagnostik und Therapie adäquat planen zu können, aber auch um ein fundiertes Besitzergespräch führen zu
können, gilt es, nach der Einschätzung des Allgemeinzustands (→
initiale Notfallmaßnahmen) die
Schwere der neurologischen Schädigung zu beurteilen und nach weiteren für Prognose und Therapie
relevanten Verletzungen zu suchen [[13]]. Solche Begleitverletzungen
erhöhen u. U. nicht nur den therapeutischen Aufwand und damit die zu erwartenden Kosten immens, sie können
auch für die Prognose des Patienten noch bedeutender sein als das SHT selbst. So kann ein stumpfes
Thoraxtrauma akut lebensbedrohlich sein, eine abdominelle Verletzung eine baldige Operation notwendig machen
und ein Rückenmarkstrauma, je nach den neurologischen Ausfällen, die langfristige Prognose bestimmen.
Für den Tierarzt besteht die Herausforderung, initiale Notfallmaßnahmen, eine möglichst frühzeitige
Behandlung des SHT, eine fundierte Besitzerkommunikation und die weitere Planung und Durchführung
diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen koordinieren zu müssen. Hierbei kann die Frage, wie viel
Diagnostik zum Ausschluss weiterer Verletzungen notwendig oder sinnvoll ist, nicht allgemeingültig
beantwortet werden. Bei einer Katze bieten sich Röntgen-Übersichtsaufnahmen an, um
-
Thoraxverletzungen
-
ein nicht kardiogenes Lungenödem (Cushing-Reflex)
-
ein mögliches abdominelles Trauma
-
Gliedmaßenfrakturen/-luxationen
-
ein offensichtliches Wirbelsäulentrauma
auszuschließen bzw. zu diagnostizieren. Diese werden durch Laboruntersuchungen ergänzt (Aussagekraft
abhängig vom zeitlichen Abstand nach Trauma). Ein gewisses Restrisiko, Verletzungen nicht erfasst zu haben,
bleibt jedoch bestehen.
Je nach Ausmaß von Begleitverletzungen und neurologischer Schädigung durch das SHT sollte beim
Besitzergespräch auch die Euthanasie des Tieres thematisiert werden. Folgende Symptome sind bei einem SHT
als prognostisch ungünstig zu beurteilen [[13]]:
-
komatöser oder sich zusehends verschlechternder Bewusstseinszustand
-
Enthirnungsstarre (komatös, Opisthotonus, Extensorenspasmus aller Gliedmaßen)
-
unkoordiniertes Atemmuster (Cheyne-Stokes-Atmung)
-
massive, offene Schädelfrakturen
-
stecknadelkopfgroße Pupillen oder beidseitige, nicht licht-responsive Mydriasis
-
Status epilepticus
Für eine Objektivierung der neurologischen Beurteilung schlägt Flegel [[12]] ein an die Humanmedizin (Glasgow Coma Scale) angelehntes Schema vor (Leipziger Coma Scale,
▶
Tab.
[
2
]).
Tab. 2 Leipziger Coma Scale. Die maximale Punktzahl für einen gesunden Patienten beträgt 18 Punkte.
Werden weniger als 9 Punkte erreicht, ist die Prognose des Tieres ungünstig (Flegel, [[12]]).
Bewusstsein
|
Punkte
|
normal
|
5
|
unangemessene Reaktion
|
4
|
schläft, lässt sich aber durch Geräusche wecken
|
3
|
schläft, lässt sich aber durch Schmerz wecken
|
2
|
keine Reaktion (Koma)
|
1
|
Motorik
|
normaler Gang
|
5
|
ohne Hilfe gehfähig
|
4
|
nicht gehfähige Tetraparese/Hemiparese
|
3
|
intermittierender Opisthotonus, Extensorenspasmus
|
2
|
permanenter Opisthotonus, Extensorenspasmus
|
1
|
Pupillengröße
|
beide Pupillen mittlere Größe
|
5
|
bilateral mittelgradige Miosis
|
4
|
Anisokorie
|
3
|
beide Pupillen stecknadelkopfgroß
|
2
|
bilaterale Mydriasis (kein Pupillenlichtreflex)
|
1
|
Summe
|
„Nur“ Kopfverletzung oder SHT – wie unterscheidet sich die Therapie?
„Nur“ Kopfverletzung oder SHT – wie unterscheidet sich die Therapie?
Primäre Therapieziele beim Traumapatienten sind:
Diese decken sich weitgehend mit dem schon angesprochenen Prinzip der Vermeidung von Hypoxie, Hyperkapnie,
Hypo-/Hypertension beim SHT. Allerdings steht bei dieser Patientengruppe darüber hinausgehend die
Verhinderung und Minimierung von Sekundärschäden im Vordergrund der Behandlung. Dadurch ergeben sich
trotz vieler Gemeinsamkeiten an einigen Stellen Besonderheiten und Interessenskonflikte.
Kardiozirkulatorische Stabilisierung
Kardiozirkulatorische Stabilisierung
Anders als beim Hund ist für die Katze eine Trias aus Bradykardie, Hypotension und
Hypothermie typisch für ein Schockgeschehen. Eine niedrige Herzfrequenz sollte den Tierarzt bei einer
traumatisierten Katze deshalb nicht in Sicherheit wiegen, sondern eher warnen. Darüber hinaus kann eine
solche Bradykardie auf den Cushing-Reflex zurückgehen und Anzeichen für einen erhöhten intrakraniellen Druck
sein.
Hat eine kranke Katze eine Herzfrequenz unter 160 Schlägen/Minute, sollte man an ein Schockgeschehen
denken und dies prüfen [[17]].
Infusionstherapie
Basis der kardiozirkulatorischen Stabilisierung ist eine adäquate, zielgerichtete Infusionstherapie (▶
s. Kasten [
2
]), die beim SHT-Patienten einen höheren Blutdruck
anstrebt als bei den übrigen Traumapatienten. Leider ist die Überwachung des Blutdrucks beim Kleintier
problembehaftet, so deuten neuere Untersuchungen darauf hin, dass auch das lange Zeit als verlässlich
geltende Ultraschall-Doppler-Verfahren nicht ausreichend genau arbeitet [[6], [28], [32]].
Therapieziele der Infusionstherapie bei der Traumakatze (Holowaychuk, [
[17]
])
-
Verbesserung des Allgemeinbefindens
-
Herzfrequenz: (85)–160–200/min
-
kräftiger peripherer Puls
-
(blass-)rosa Schleimhäute
-
kapilläre Rückfüllzeit < 2 s
-
MAP: 60–70 mmHg Bei SHT: 90–120 mmHg (zentraler Venendruck 5–10 cmH2O)
Mittel der 1. Wahl ist die balancierte Vollelektrolytlösung (keine glukosehaltige Lösung
verwenden!). In der 1. Stunde können bis zu 45–60 ml/kg KM verabreicht werden. Um eine Volumenüberladung
zu vermeiden, wird für die Katze empfohlen, jeweils 1/4 der Menge (10–15 ml/kg KM) pro 15 Minuten zu
verabreichen und dann den Zustand des Tieres neu zu evaluieren [[17]].
Von Nachteil bei den kristalloiden Lösungen ist ein proteinfreier Typ-1-Shift in den gesamten
Extrazellularraum. Aus diesem Grund beträgt ihr Volumeneffekt nur 20 %. Das Ausmaß dieser
Verschiebung ist abhängig vom kolloidosmotischen Druck. Je mehr Kristalloide verabreicht werden, umso
stärker ist der Typ-1-Shift. Aus diesem Grund sind bei großem Blutverlust große Mengen an Infusionslösung
nötig (Blutverlust: Infusionmenge = 1:2 bis 1:5) [[1], [8], [31]]. Durch diese Flüssigkeitsverschiebung
steigt das Volumen des Extravasalraums und es kommt u. U. zur Ödembildung.
Die Glukoselösung 5 % ist eine stark hypotone Lösung. Man führt praktisch reines Wasser zu und
verstärkt so die Ödembildung. Auch glukosehaltige Elektrolytlösungen sollten vermieden werden, da in
hypoxischen Hirnarealen die Glukose anaerob verstoffwechselt wird. Dies führt zu einer intrazellulären
Laktatazidose und verstärkt den sekundären Hirnschaden in vorgeschädigten Arealen. Klinische Studien beim
Menschen bestätigen diese Hypothese [[23]], neuere experimentelle Studien
sehen hingegen keinen negativen Einfluss von Glukose [[25]].
Wegen der Flüssigkeitsverschiebung in den Extravasalraum bei der Gabe von kristalloiden
Infusionslösungen sollte man bei Patienten mit SHT die Gabe kolloidaler Infusionslösungen (HES) oder
hochkonzentrierter NaCl-Lösung erwägen.
Als kolloidale Infusionslösungen werden heute i. d. R. Hydroxyethylstärke-Präparate (HES) genutzt.
Von diesen werden bei einem Schock-/Traumapatienten 2,5–5 ml/kg KM über 10–15 min verabreicht, die
Maximaldosis beträgt 20–40 ml/kg/Tag. Bei zu schneller Gabe ist bei der Katze Vomitus beschrieben [[17]].
HES ist in der Humanmedizin in die Diskussion geraten, nachdem Belege für seine Überlegenheit gegenüber
den kristalloiden Lösungen bisher fehlen und Risiken – zumindest bei einigen Patientengruppen –
statistisch gesichert wurden. Auch ist die Bedeutung der Speicherung der HES-Moleküle in verschiedenen
Geweben nicht geklärt [[1], [8], [31]]. Aussagekräftige Daten für die Veterinärmedizin zu diesen Aspekten fehlen
[[1], [8]]. Bei Störung der vaskulären
Barriere kommt es bei HES ebenfalls zur Flüssigkeitsverschiebung in den Extravasalraum. Anders als bei
den kristalloiden Lösungen handelt es sich dabei um einen proteinhaltigen Typ-2-Shift (bis 60 %) [[31]].
Beim hämorrhagischen Schock führt hochkonzentrierte Kochsalzlösung (7,5 %) zur schnellen
Restitution der zentralen und peripheren Hämodynamik [[22]]. Erreicht wird
dies durch einen Flüssigkeitsstrom von interstitiell und intrazellulär nach intravasal. Damit erfolgt der
Flüssigkeitsstrom bei dieser Infusionslösung im Vergleich zu der bisher angesprochenen in die
entgegengesetzte Richtung. Hochkonzentrierte Kochsalzlösung ist eine wirkungsvolle Alternative zu
Mannitol zur Senkung des Hirndrucks und diesem möglicherweise sogar überlegen [[5], [20], [35]].
Hochkonzentrierte Kochsalzlösung hat einen positiven Effekt auf die Hämodynamik und den
intrakraniellen Druck bei Katzen mit SHT.
Verabreicht werden bei der Katze 2–4 ml/kg KM über 5–10(–20) min [[15]].
Nach sehr schneller Injektion wird eine Bronchokonstriktion beschrieben [[17]]. Hochkonzentrierte Kochsalzlösung führt zwar zu einer raschen Stabilisierung der Hämodynamik,
aufgrund der relativ kurzen Effektdauer (20 min) muss sich jedoch eine bedarfsgerechte Volumentherapie
mit kristalloiden oder kolloidalen Infusionslösungen anschließen.
Bei einem sehr hohen Blutverlust ist unter Umständen eine Bluttransfusion nötig (bei der Katze
unbedingt Blutgruppe beachten). Steht Blut nicht zur Verfügung, kann die Gabe einer Hämoglobinlösung eine
Alternative sein.
Wärmetherapie
Eine Hypothermie reduziert die Reaktion auf die Katecholamin-vermittelte Sympathikusstimulation und
fördert die Entstehung einer Bradykardie. Es entsteht ein Teufelskreis aus Hypothermie, Bradykardie,
niedrigem Herzzeitvolumen und weiterem Abfall der Körpertemperatur. Bei einer unterkühlten Katze greift
die Infusionstherapie deshalb nicht, es droht sogar eine relative Volumenüberladung. Aus diesen Gründen
ist eine frühe Wärmetherapie bei der Katze sehr wichtig (→ Warmluftdecke, Wärmflasche, Anwärmen
der Infusionslösung).
Beim SHT ist jedoch möglicherweise eine Hypothermie vorteilhaft. Sie senkt den Sauerstoffbedarf und damit
die Gefahr einer Hypoxie. Der zerebrale Metabolismus ist reduziert und infolgedessen sinken der zerebrale
Blutfluss und damit das zerebrale Blutvolumen und das intrakranielle Volumen. Als Konsequenz fällt der
intrakranielle Druck. Dieser theoretische Vorteil einer Hypothermie beim SHT konnte am humanen Patienten
jedoch nicht bewiesen werden, es resultierte sogar eine höhere Komplikationsrate aus einer
therapeutischen Hypothermie [[9]]. Außerdem ist das adäquate Management
eines hypothermen Patienten aufwändig und in der Tiermedizin meist nicht zu leisten, sodass auch beim
SHT-Patienten zum Vorteil der kardiozirkulatorischen Funktion eine Wärmetherapie erfolgen sollte.
Eine Hyperthermie ist beim Patienten mit SHT unbedingt zu vermeiden.
Sauerstoff
Wie wichtig im Hinblick auf die kardiovaskuläre Situation eine ausreichende Sauerstoffaufnahme ist, macht
die moderne Definition des Schocks klar. Schock ist definiert als akutes Missverhältnis zwischen
Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf im Gewebe infolge Verminderung der nutritiven Durchblutung
lebenswichtiger Organe mit der Konsequenz funktioneller und struktureller hypoxischer
Gewebsveränderungen. Dieses Missverhältnis gilt es zu beseitigen.
Das Sauerstoffangebot in Gewebe hängt vom Herzzeitvolumen und dem arteriellen Sauerstoffgehalt ab (▶
s. Kasten [
3
]). Es gibt somit zwei Stellglieder, die genutzt
werden können, um die Situation in der Peripherie zu bessern:
Sauerstoffangebot im Gewebe = Herzzeitvolumen × arterieller O2-Gehalt
Arterieller O2-Gehalt = chemisch gebundener O2 + physikalisch gelöster
O2 = Hb × 1,39 x saO2 + 0,003 x paO2
Bietet man dem Traumapatienten eine erhöhte inspiratorische Sauerstoffkonzentration und damit
einen erhöhten Sauerstoffpartialdruck an, sichert dies eine normale arterielle Sauerstoffsättigung, also
die optimale Beladung des Hämoglobins mit Sauerstoff (im Normalfall auch bei Raumluftatmung gegeben).
Darüber hinaus wird die Menge des physikalisch gelösten Sauerstoffs erhöht. Zwar beträgt diese maximal
2 ml/100 ml Blut, diese Menge entspricht jedoch etwa der Hälfte des Sauerstoffbedarfs in der Peripherie.
Auf diese Weise kann ein niedriges Herzzeitvolumen, aber auch ein reduzierter Hämoglobingehalt (maximal
ein Hämoglobin-Abfall um ca. 1,5 g/dl oder ca. 1 mmol/l Blut) teilweise kompensiert werden. Allerdings
wird der maximale Effekt nur bei einer inspiratorischen Sauerstoffkonzentration von 100 Vol.- % und einer
ungestörten Sauerstoffdiffusion in der Lunge erreicht.
Ein Patient mit einer schlechten Kreislauffunktion profitiert von einer Sauerstoffgabe. Er kann den
physikalisch gelösten Sauerstoff als „add-on“ nutzen.
Respiratorische Stabilisierung
Respiratorische Stabilisierung
Die Gabe von Sauerstoff ist natürlich auch eine Maßnahme zur respiratorischen Stabilisierung, so
gleicht eine Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration auf 30 Vol.- % ein auf 50 % reduziertes
Atemminutenvolumen aus [[27]]. Unbedingt beachtet werden muss, dass die bei
einer Hypoventilation gleichzeitig bestehende Störung der Kohlendioxidabgabe damit nicht beeinflusst wird.
Sie kann nur über eine Normalisierung des Atemzeitvolumens (→ Beatmung) erreicht werden.
Besteht beim Traumapatienten durch Flüssigkeitseinlagerung in der Lunge (Blutung in die Alveole,
Lungenkontusion, Lungenödem) eine Diffusionsstörung, bewirkt eine Erhöhung der Sauerstoffkonzentration in
der Einatemluft ein größeres Partialdruckgefälle zwischen Alveole und Blut und damit eine bessere Diffusion
des Sauerstoffs in das arterielle Blut. Auch in diesem Fall profitiert der Patient.
Viele Patienten mit Störungen der Ventilation profitieren von einer Gabe von Sauerstoff. Die Abgabe von
Kohlendioxid kann jedoch nur durch die Normalisierung des Atemzeitvolumens beeinflusst werden.
Die suffiziente Verabreichung von Sauerstoff ist beim nicht intubierten Patienten jedoch ein Problem.
Mit Nasalkathetern (→ partielle Verlegung der Atemwege, bei kleinen Tieren nicht unproblematisch, vor allem
bei Einengung der Nase durch Trauma/Schwellung), Trachealkatheter (→ Reiz bei hohem Gasfluss, Hustenreiz,
Platzierung nur in Narkose oder am bewusstlosen Tier möglich), Sauerstoffmasken (→ Stress), Kopfkammern (mit
Frischhaltefolie verschlossener Halskragen → Stress) und Sauerstoffboxen (CAVE: Wärmeentwicklung) ist es i.
d. R. schwierig, konstant Konzentrationen über 30 Vol.- % zu erreichen.
Weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Gaswechsels sind abhängig von den vorliegenden (Begleit-)Traumata
und der Schwere der Atemstörung, sie reichen bis zur Intubation und Beatmung. Bei
Gesichtsschädelverletzungen kann es zu einer Verlegung der Atemwege kommen, aus diesem Grund muss die
Notwendigkeit einer Intubation sorgfältig geprüft werden. Allerdings erfordert diese eine Narkose (es
sei denn, der Patient ist schon bewusstlos) und macht in dieser Indikation nur Sinn, wenn in adäquater Zeit
eine Besserung der lokalen Situation erreicht werden kann. Vielen Tieren mit Verletzungen im Bereich der
Nase kann man Erleichterung verschaffen, indem man Blutkrusten und eingetrocknetes Sekret von den Nares
entfernt und/oder die Nase vorsichtig absaugt. Handelsübliches Nasenspray (Oxymetazolin, Xylometazolin u.
ä.) kann versucht werden, um ein Abschwellen der Schleimhaut in der Nase zu erreichen (CAVE: Dosis,
Stress).
Bei einer Katze mit SHT sollte man aufgrund der Zusammenhänge in ▶
Abb.
[
4
] eine Hyperkapnie vermeiden. Eine starke Hypokapnie sollte ebenfalls
wegen der Gefahr der Gewebshypoxie (bedingt durch die zerebrale Vasokonstriktion und die Verschiebung der
Sauerstoffbindungskurve nach links → Sauerstoff wird im Gewebe schlechter abgegeben) und einer schlechteren
Prognose vermieden werden.
Angestrebt wird eine Normo- oder moderate Hyperventilation (paCO2: 30–35 mmHg) [[24], [26]]. Anders als in der Humanmedizin fehlt
dem Tierarzt in vielen Fällen die Möglichkeit zu kontrollieren, ob diese Zielwerte erreicht werden. Eine
arterielle Blutgasanalyse oder alternativ Kapnografie am intubierten Tier ist dafür notwendig. Außerdem
stellt sich für den Tierarzt die Frage, ob er bei einem nicht bewusstlosen Tier gegebenenfalls eine Narkose
einleitet, um es intubieren und ventilieren zu können. Die Risiken und die notwendigen Ressourcen (vor allem
im Hinblick auf eine möglicherweise länger dauernde Ventilation) müssen kritisch überdacht werden.
Adäquate Schmerztherapie
Opioide
Bei Traumapatienten sind die Opioide aufgrund der guten Schmerzausschaltung und der relativ geringen
Herz-Kreislauf-Wirkungen Mittel der 1. Wahl. Da es in der Zwischenzeit eine Reihe zugelassener Präparate
für die Katze gibt (▶
Tab.
[
3
]), ist eine adäquate
und individuell angepasste Schmerztherapie möglich.
Tab. 3 Opioide, die bei der Katze angewendet werden können.
Opioid
|
Opioid-Klasse
|
Indikation
|
Wirkdauer
|
Dosis
|
Methadon
|
µ-Rezeptor-Agonist
|
starke Schmerzen
|
4 h
|
0,1–0,3(–0,5) mg/kg s.c., i.m.
|
Fentanyl*
|
µ-Rezeptor-Agonist
|
starke Schmerzen
|
20–30 min
|
1–2 μg/kg i.v. 1–7 μg/kg/h i.v.
|
Buprenorphin
|
partieller µ-Rezeptor-Agonist
|
schwache bis mittelstarke Schmerzen
|
4–12 h
|
10–20 μg/kg s.c., i.m., i.v. (Eintritt der Wirkung nach 30–45 min)
|
Butorphanol
|
Antagonist/Agonist
|
schwache Schmerzen
|
bis 4 h
|
0,1–0,4(–0,8) mg/kg KM s.c., i.m., i.v.
|
* Zulassung in Deutschland nur für den Hund.
|
Opioide gelten als „kreislaufschonend“, sie können jedoch eine Bradykardie induzieren. Bei einem
kreislaufinstabilen Patienten kann dies problematisch sein, zur Therapie wird ein Parasympatholytikum
eingesetzt. Opioide können bei der Katze eine Hyperthermie verursachen. Eine hohe Körpertemperatur
sollte beim SHT jedoch unbedingt vermieden werden.
Opioide, die an µ–Rezeptoren agonistisch wirken (Methadon, Fentanyl, Buprenorphin), beeinflussen die
Regulation der Atmung. Infolgedessen reagiert der Körper auf einen Anstieg des arteriellen
Kohlendioxidpartialdrucks nicht mit einem adäquaten Anstieg des Atemminutenvolumens und der arterielle
Kohlendioxidpartialdruck steigt. Genau dies sollte beim SHT jedoch verhindert werden (▶
Abb.
[
4
]). Das am µ–Rezeptor antagonistisch wirkende Butorphanol
ist deutlich weniger atemdepressiv und kann deswegen beim Patienten mit Schädel-Hirn- oder Thoraxtrauma
als alternatives Analgetikum erwogen werden. Allerdings ist seine schmerzausschaltende Wirkung ebenfalls
deutlich geringer. Hat der Patient starke Schmerzen, steht der Tierarzt also vor einem
Entscheidungsdilemma.
NSAIDs
Klassische nicht steroidale Analgetika dürfen nur bei kreislaufstabilen Patienten eingesetzt
werden (→ Hemmung der Prostaglandinsynthese → Beeinflussung der Regulation der Nierendurchblutung → evtl.
Entstehung einer Niereninsuffizienz).
Metamizol (20–30 mg/kg KM i.v.) gilt als sehr potent und hinsichtlich der Nierendurchblutung als
unkritisch. Allerdings muss unbedingt auf eine sehr langsame Injektion (über 3 min → Injektionslösung
verdünnen) geachtet werden, um einen Blutdruckabfall zu vermeiden.
Ketamin
Auch beim SHT besteht für niedrige Dosen von Ketamin keine Kontraindikation (Ladedosis: 0,1–0,5 mg/mg KM,
Dauertropfinfusion: 0,1–1 mg/kg/h i.v.). Auf Anzeichen einer Atemdepression sollte geachtet werden.
Lidocain
Beim Menschen gilt die kontinuierliche Verabreichung von Lidocain als vorteilhaft beim SHT.
Untersuchungen zu dieser Fragestellung gibt es für die Katze nicht. Jedoch wird in der Anästhesie die
intravenöse Verabreichung von Lidocain bei der Katze (Ladedosis: 0,25–0,75 mg/kg KM i.v., Erhaltung bis 2
mg/kg/h i.v.) wegen der negativen Herz-Kreislauf-Wirkungen eher als kritisch angesehen [[29]].
Therapieziel beim SHT ist die Verhinderung und Minimierung von Sekundärschäden.
Therapiemaßnahmen sind die Aufrechterhaltung eines physiologischen Blutdrucks, die Sicherung der
Oxygenierung und die Reduktion des intrakraniellen Druckes.
Senkung des intrakraniellen Druckes
Senkung des intrakraniellen Druckes
Eine einfache Maßnahme zur Drucksenkung ist eine leichte Kopfhochlagerung (30 Grad). Sie führt zu
einer Steigerung des venösen Abflusses aus dem Gehirn und damit zu einer Verminderung des zerebralen
Blutvolumens. Im Idealfall resultiert eine Abnahme des intrakraniellen Volumens und daraus folgend auch des
Druckes. Daten zur Effizienz dieser Maßnahme in der Veterinärmedizin fehlen, sie wird jedoch auch für die
Katze empfohlen [[11], [15]]. Zusätzlich
sollte darauf geachtet werden, dass der Hals der Katze nicht abknickt oder die Vena jugularis komprimiert
wird (Halskragen, Halsband), da dies den venösen Abfluss behindert.
Eine weitere einfach durchführbare Maßnahme ist eine Osmotherapie mit hochkonzentrierter
Kochsalzlösung (s. o.) oder Mannitol (0,5–2 g/kg i.v. über 10–30 min) [[11], [15]]. Mannitol führt zu einer passageren unspezifischen
Dehydratation des Gewebes und senkt die Liquorproduktion. Es verbessert außerdem die rheologischen
Eigenschaften des Blutes, dies verbessert die Mikroperfusion im Hirngewebe und damit dessen
Sauerstoffversorgung. Durch die Zunahme des intravasalen Volumens steigt die Auswurfleistung des Herzens,
was wiederum einen positiven Einfluss auf die zerebrale Durchblutung hat. Empfohlen wird eine Bolusgabe,
keine kontinuierliche Infusion. Eine zu schnelle Infusion oder große Boli können eine Vasodilatation und
damit einen hinsichtlich der Hirndurchblutung unerwünschten Blutdruckabfall verursachen. Für den osmotischen
Effekt des Mannitols ist eine intakte Blut-Hirn-Schranke Voraussetzung. Ist diese defekt, kann eine Zunahme
des Ödems resultieren (Rebound-Effekt) [[34]].
Mannitol gilt heute beim Vorliegen einer intrakraniellen Blutung nicht mehr als kontraindiziert.
Außerdem kann die Abhängigkeit des Durchmessers der zerebralen Gefäße vom arteriellen
Kohlendioxidpartialdruck (▶
Abb.
[
4
]) zur Senkung des
intrakraniellen Druckes genutzt werden. Der Patient wird dazu normo- oder moderat hyperventiliert
(paCO2 30–35 mmHg) [[24], [26]]. Eine starke Hyperventilation birgt durch die entstehende zerebrale Vasokonstriktion die Gefahr
einer zerebralen Hypoxie, sie bleibt jedoch als Ultima Ratio, wenn der intrakranielle Druck mit keiner
anderen Maßnahme zu senken ist. Leider ist der therapeutische Ansatz Beatmung mit relativ viel Aufwand und
auch Risiken verbunden: Der Patient muss anästhesiert, intubiert, beatmet und adäquat überwacht sowie
gepflegt und möglicherweise ernährt werden. Die Notwendigkeit zur Intubation beim Schädeltrauma wurde in
einer neueren Untersuchung beim Hund als negativer prognostischer Faktor ermittelt [[33]].
Scheinen Lagerung, Osmotherapie und Beatmung keinen ausreichenden Effekt zu erzielen (Beurteilung häufig
schwer) bzw. verschlechtert sich der Patient weiter, wäre der nächste therapeutische Schritt das
„Barbituratkoma“. Barbiturate senken den zerebralen Stoffwechsel und damit die Hirndurchblutung und
das zerebrale Blutvolumen und so im Endeffekt den intrakraniellen Druck (▶
Abb.
[
2
], ▶
Abb.
[
3
]). Sie
haben außerdem eine antikonvulsive Wirkung. Beschrieben werden zudem eine Hemmung lysozymaler Enzyme und
eine Reduktion der Freisetzung freier Sauerstoffradikale. Beides ist hinsichtlich einer zerebralen
Gewebsschädigung potenziell positiv, die klinische Bedeutung ist jedoch nicht hinreichend geklärt. Von
Nachteil sind die Kreislaufwirkung der Barbiturate (unerwünschter Blutdruckabfall) und ihr atemdepressiver
Effekt (→ evtl. Beatmung nötig), von Vorteil (Gehirn) bzw. Nachteil (Kreislauf) ist ihre hypotherme Wirkung.
Eine solche Maßnahme erfordert eine aufwändige intensivmedizinische Betreuung, auch fehlt in der Tiermedizin
(und Humanmedizin) der Beweis ihrer Nützlichkeit [[2], [5], [11], [30]]. Sie
sollte deswegen sehr kritisch auch im Hinblick auf die Prognose eines solchen Patienten diskutiert werden.
Zwar wird das Barbituratkoma in veterinärmedizinischen Textbüchern regelmäßig erwähnt, es fehlen jedoch
Dosierungskonzepte. Beim Menschen werden Thiopental und Methohexital eingesetzt, eine Alternative wäre
Pentobarbital (CAVE: lange Wirkung).
Beim Menschen und zunehmend in der Tiermedizin werden operative Verfahren (Dekompressionstrepanation,
Kraniotomie) zur Senkung des erhöhten intrakraniellen Druckes eingesetzt, wenn die konservative Therapie
ihre Wirkungen verfehlt bzw. die neurologischen Defizite sehr schwerwiegend sind. Diese bleiben jedoch dem
Spezialisten vorbehalten.
Treten Krampfanfälle auf, müssen diese unbedingt behandelt werden, um weitere negative Effekte auf
das Hirngewebe zu vermeiden. Genutzt werden übliche Therapieschemata mit Diazepam, Phenobarbital,
Levetiracetam und Propofol [[14]].
Glukokortikoide sind beim SHT nicht indiziert!
In humanmedizinischen Untersuchungen zeigte sich ein fehlender Effekt von Glukokortikoiden auf den
Schädel-Hirn-Druck, jedoch ein Anstieg der Letalität [[3]]. Dieser Beurteilung
schließen sich auch veterinärmedizinische Autoren an [[11], [15]].
Sollte eine Anästhesie notwendig sein, variiert das Vorgehen stark abhängig vom Zustand des Tieres, dem
Vorliegen eines SHT und der notwendigen Operation/Maßnahme. Die Grundprinzipien sind die bei Traumapatienten
üblichen, oben angesprochenen, wie die Notwendigkeit einer Stabilisierung und einer adäquaten perioperativen
Analgesie, die Vermeidung kreislaufdepressiver Medikamente und die Sicherung des pulmonalen Gaswechsels.
Auch wenn sie hinsichtlich der Prognose relativ positiv ist, ist eine Feststellung von Hippokrates (zitiert
nach [[13]]) als Fazit gut geeignet: Keine Kopfverletzung ist so
schwerwiegend, dass sie hoffnungslos ist, noch ist sie so banal, dass man sie ignorieren darf.