Zusammenfassung
Der Opiatantagonist Naloxon wird seit über 40 Jahren erfolgreich in der Notfallmedizin
eingesetzt, um Auswirkungen von Opiatüberdosierungen, wie z. B. die Atemdepression,
innerhalb von wenigen Minuten erfolgreich aufzuheben. Vor dem Hintergrund, dass Überdosierungen
in vielen Fällen im privaten Raum im Beisein von anderen Drogengebrauchenden, Familie,
Freunden oder Bekannten passieren, entstanden Mitte der 1990er Jahre in den USA die
ersten Take-Home-Naloxon-Programme (THN). In diesen wird das Notfallmedikament nach
einer Schulung an potentielle Ersthelfende, meist medizinische Laien, abgegeben. Seitdem
wurden weltweit in über 20 Ländern THN in unterschiedlichen Modellen, vor unterschiedlichen
rechtlichen Hintergründen und durch unterschiedliche Finanzierungen implementiert.
Studien zeigen, dass es von medizinischen Laien adäquat und sicher angewendet werden
kann. Zudem gibt es erste Hinweise auf einen Zusammenhang von THN und der Reduktion
opioidbedingter Drogentodeszahlen. Die Abgabe von Naloxon an Drogengebrauchende und
an Personen in ihrem alltäglichen Umfeld wird aufgrund dessen von der WHO und EMCDDA
ausdrücklich empfohlen. Die Möglichkeit der Implementierung von THN wird in Deutschland
noch wenig wahrgenommen, es gibt bisher nur 2 bekannte Projekte. Eine flächendeckende
Versorgung mit Naloxon und besonders die Einführung von THN an konsumbiografischen
Schnittstellen, die ein erheblich höheres Überdosierungsrisiko mit sich bringen sowie
in mit schadensmindernden Maßnahmen unterversorgten Gebieten mit hohen Drogentodeszahlen
sind daher zu empfehlen.
Abstract
Naloxone is an opioid-antagonist that has been used in emergency medical aid since
more than 40 years. It reverses the effects of an opioid-overdose, like respiratory
depression, within minutes. Since most of the cases of opioid-overdoses occur in private
spaces and are witnessed by others (other drug-users, family, friends), the idea of
making it accessible for medical lay-persons emerged in the mid-1990s. Since then,
in more than 20 countries worldwide community-based opioid overdose prevention programs
with naloxone distribution were implemented. Take Home Naloxone Programs (THN) are
very divers, they vary a lot in sizes and forms because of different national legal
restrictions and fundings. Studies show that lay persons are able to administer naloxone
appropriately and savely. Furthermore there are indications for an influence of THN
on reductions of opioid-related deaths. Therefore the distribution of naloxone to
drug users and their families and peers is strongly recommended by WHO and EMCDDA.
To date in Germany there are only two known projects. There is no evidence against
the distribution of naloxone to persons at risk of an opioid-overdose or potential
witnesses of an overdose. A nationwide coverage and particularly the distribution
of naloxone in areas without harm reduction approaches and high rates of overdose
deaths is recommended.
Schlüsselwörter
Opiatabhängigkeit - Drogentodesfälle - Drogennotfallprophylaxe - Opiatüberdosierung
- Naloxon - Schadensminderung
Key words
opiate dependence - drug-related deaths - opiate overdose - naloxone - harm reduction