Aktuelle Dermatologie 2015; 41(12): 507-508
DOI: 10.1055/s-0041-109089
Das Histologische Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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B. Krahl
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Korrespondenzadresse

Dr. Bettina Krahl
Institut für Dermato-Histo-Pathologie
Mönchhofstr. 52
69120 Heidelberg

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Publication Date:
01 December 2015 (online)

 

Anamnese

Die 47-jährige Patientin stellte sich mit infiltrierten lichenifizierten Erythemen und Papulopusteln submammär und suprapubisch vor. Die Veränderungen seien seit 5 Jahren wechselnd ausgeprägt, bevorzugt in sommerlichen Wärmeperioden, und juckten stark.


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Klinischer Befund

Erytheme mit Papulovesikeln, düsterrotes vegetierendes Infiltrat ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Suprapubische Vesikel, Pustel und vegetierende Plaque mit düsterrotem Erythem.

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Histologischer Befund

Die Epidermis zeigt Akanthose, akantholytische Auflockerung und Ausbildung intraepidermaler Spalträume ohne vollständige Ausbildung größerer unilokulärer Blasen ([Abb. 2]). Dyskeratosen sind nur gering nachweisbar. Die Keratinozyten weisen infolge inkompletter Akantholyse partiell erhaltene Interzellularkontakte mit dem „Bild der einstürzenden Backsteinmauer“ auf. Subepidermal findet sich ein chronisches, vorwiegend lymphozytäres Entzündungsinfiltrat. In der direkten Immunfluoreszenz sind keine intraepidermalen/interzellulären oder subepidermalen Ablagerungen darstellbar.

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Abb. 2 Akanthose mit Parakeratose. Ausgedehnte suprabasale Akantholyse bei überwiegend noch erhaltenem Zellgefüge. Begrenzte akantholytische Blasenbildung intraepidermal. Subepidermales lymphozytäres Entzündungsinfiltrat.

Wie lautet die Diagnose?

(Auflösung nächste Seite)


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Auflösung

Diagnose: Morbus Hailey-Hailey.

Kommentar: Der sog. familiäre Pemphigus ist eine autosomal dominant vererbte Genodermatose, die ausnahmsweise auch als Spontanmutation auftreten kann. Der verantwortliche Gendefekt beruht auf einer Mutation des ATP2C1-Gens, die zu einer Funktionsstörung des zellulären Kalzium-Signalwegs führt und damit die Funktion desmosomaler interzellulärer Kontakte beeinträchtigt [1]. Die unvollständige Akantholyse ist Ausdruck der desmosomalen Insuffizienz bei erhaltenen Restkontakten über Adhärensverbindungen durch das Aktinfasersystem [2].

Die Erstmanifestation des Morbus Hailey-Hailey hat ihren Altersgipfel in der 3. – 4. Dekade. Unter Mitwirkung mechanischer und thermischer Faktoren erkranken vorzugsweise intertriginöse Hautareale. Bei dem typisch chronischen und rezidivierenden Verlauf finden sich häufiger peripher betonte Herde mit zentraler Abheilung. Das klinische Bild kann phasenweise mit Vesikulation, Erosion, Mazeration, Schuppenkrusten und Superinfektion, subjektiv mit Juckreiz und Schmerzen variieren. Schleimhautbeteiligung tritt nur ausnahmsweise auf. Eine in der Mehrzahl der Patienten assoziierte longitudinale Leukonychie betrifft besonders die Fingernägel und ist als klinisches Diagnoseindiz verwendbar.

Differenzialdiagnostischer Abgrenzungsbedarf ergibt sich klinisch gegenüber anderen Formen von Intertrigo, darunter Candidose, intertriginöser Psoriasis, Impetigo, aber auch Kontaktdermatitiden. Klinisch und histologisch sind bullöse Autoimmundermatosen, in erster Linie eine Manifestation des Pemphigus vulgaris und speziell intertriginös des Pemphigus vegetans in Betracht zu ziehen. Histologisch zeigt der Pemphigus vulgaris in der Regel ausgeprägtere akantholytische Blasenbildung direkt suprabasal und mit Beteiligung von Follikelepithelien. Bei Pemphigus vegetans kann die Akantholyse in entzündlich verschleierter Form mit epidermaler Hyperplasie und eosinophilenhaltigen intraepidermalen Pusteln auftreten. Die eindeutige Abgrenzung des Morbus Hailey-Hailey gegenüber bullösen Autoimmundermatosen ist zusätzlich mit der direkten und indirekten Immunfluoreszenz möglich. Der Morbus Darier kann sich klinisch-topografisch gelegentlich ähnlich präsentieren. Histologisch steht die Dyskeratose im Vorder- und Akantholyse im Hintergrund [2].

Die Lokaltherapie des Morbus Hailey-Hailey richtet sich symptomatisch gegen Mazeration, bakterielle und ggf. mykotische Superinfektion sowie den Juckreiz. Dafür können Kombinationen lokaler und systemischer antiseptischer bzw. antibiotischer Maßnahmen eingesetzt werden. Lokale Kortikosteroidanwendung hat das intertriginöse okklusive Milieu zu berücksichtigen. Wie bei Morbus Darier kann eine sekundäre Herpes simplex-Infektion (Eczema herpeticatum) den Einsatz von Aciclovir erfordern. Zur Reduktion des Provokationsfaktors Schwitzen wurde auch Botulinumtoxin verwendet. Ablative Lasertherapie und operative Dermabrasion nutzen die Regenerationsfähigkeit der betroffenen Flächen nach Entfernung der erkrankten Epidermis von den nicht betroffenen Adnexepithelien aus [3].

Der Morbus Hailey-Hailey wird in der gültigen Lehrmeinung nicht zu den Autoimmundermatosen gezählt und daher die Begriffsbildung „Pemphigus“ als irreführend betrachtet. Neuere Publikationen berichten aber über Nachweise von Autoantikörpern bei Morbus Hailey-Hailey, darunter aktuell über Desmocollin 1- und Desmocollin 2-Antikörper in Korrelation mit aktiven Krankheitsphasen [4]. Eine sekundäre Produktion der Autoantikörper wird postuliert, die aber neben anderen Faktoren erst zur klinischen Manifestation des genetischen Defekts bei Morbus Hailey-Hailey beitragen könnten [4].


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  • Literatur

  • 1 Hu Z, Bonifas JM, Beech J et al. Mutations in ATP2C1, encoding a calcium pump, cause Hailey-Hailey disease. Nat Genet 2000; 24: 61-65
  • 2 Metze D. Krankheiten mit intraepidermalen Blasen und Pusteln. In: Kerl H, Garbe C, Cerroni L, Wolff HH, Hrsg. Histopathologie der Haut. Heidelberg, Berlin: Springer; 2003: 247-249
  • 3 Hamm H, Metze D, Bröcker EB. Hailey-Hailey-disease: Eradication by dermabrasion. Arch Dermatol 1994; 130: 1143-1149
  • 4 Ueo D, Ish N, Hamada T et al. Desmocollin-specific antibodies in a patient with Hailey-Hailey disease. Br J Dermatol 2015; DOI: 10.1111/bjd.13661.

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Dr. Bettina Krahl
Institut für Dermato-Histo-Pathologie
Mönchhofstr. 52
69120 Heidelberg

  • Literatur

  • 1 Hu Z, Bonifas JM, Beech J et al. Mutations in ATP2C1, encoding a calcium pump, cause Hailey-Hailey disease. Nat Genet 2000; 24: 61-65
  • 2 Metze D. Krankheiten mit intraepidermalen Blasen und Pusteln. In: Kerl H, Garbe C, Cerroni L, Wolff HH, Hrsg. Histopathologie der Haut. Heidelberg, Berlin: Springer; 2003: 247-249
  • 3 Hamm H, Metze D, Bröcker EB. Hailey-Hailey-disease: Eradication by dermabrasion. Arch Dermatol 1994; 130: 1143-1149
  • 4 Ueo D, Ish N, Hamada T et al. Desmocollin-specific antibodies in a patient with Hailey-Hailey disease. Br J Dermatol 2015; DOI: 10.1111/bjd.13661.

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Abb. 1 Suprapubische Vesikel, Pustel und vegetierende Plaque mit düsterrotem Erythem.
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Abb. 2 Akanthose mit Parakeratose. Ausgedehnte suprabasale Akantholyse bei überwiegend noch erhaltenem Zellgefüge. Begrenzte akantholytische Blasenbildung intraepidermal. Subepidermales lymphozytäres Entzündungsinfiltrat.