Der Klinikarzt 2015; 44(11): 503
DOI: 10.1055/s-0041-109225
Editorial
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Achtung Teenies: Keine „schmutzige Sprite“ bei Husten! – Der Spaß mit dem Hustensaft

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
19 November 2015 (online)

Winterzeit ist Hustenzeit, wem sage ich das. Viele unserer Patienten und auch wir selbst haben jetzt häufig Husten, ob trocken oder schleimig. Medizinisch gesehen ist das eigentlich keine Krankheit, die bekämpft werden muss, sondern der körpereigene Schutzreflex, der die Genesung unterstützt. Die Schleimhäute der entzündeten Atemwege bilden Sekrete, um den Abtransport von Viren zu beschleunigen. Das haben wir alles schon im Studium gelernt.

Allein in Deutschland werden Jahr für Jahr 70 Millionen rezeptfreie Hustenmittel verkauft, mit einem Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro. Sie versprechen Linderung von quälenden Symptomen. Doch ihr Effekt ist von der Wissenschaft kaum belegt. Ein Präparat wurde neulich sogar verboten.

Auch Hustensäfte haben in den Wintermonaten entsprechend Hochkonjunktur. Am häufigsten in den Genuss dieser Präparate kommen unsere Kinder. Eltern wollen das Kind und sich beruhigen. Doch helfen diese Säfte den kleinen Patienten überhaupt? Aus wissenschaftlicher Sicht scheint das nicht der Fall zu sein. Auch eine aktuelle Placebo-Studie der Universität Pennsylvania kommt zu dem Ergebnis, dass Hustensaft für Kinder denselben Effekt habe wie gefärbtes Zuckerwasser: eben gar keinen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat jetzt beschlossen, codeinhaltige Arzneimittelabgabe an Kinder unter 12 Jahren zu verbieten. Ab dem 14. Lebensjahr dürfen Jugendliche die Codein-Säfte aber wieder zu sich nehmen, was einige darunter besonders freuen könnte, denn ein Teil dieser Altersgruppe scheint den Hustensaft für sich entdeckt zu haben.

Wenn es um Trends geht und darum, wie man legal und kostengünstig „high“ werden kann, können Jugendliche äußerst kreativ werden. Codein als Opium-Derivat wirkt in hohen Dosen sedierend und euphorisierend. In den USA und in der Schweiz, hört man, hat sich ein gefährlicher Trend verbreitet. Bei der Zubereitung der „Dirty Sprite“ wird die Zitronenlimonade einfach mit zerstampften Bonbons und rezeptfreiem, codeinhaltigem Hustensaft gemischt. Nach dem Verzehr setzt ein rauschähnlicher Zustand ein. Hierzulande sind Codein enthaltende Hustensäfte nur auf Rezept zu bekommen. Doch Youtube-Videos, in denen amerikanische Kids bei Hip-Hop-Musik „Dirty Sprite Partys“ feiern, verbreiten sich rasant und vermitteln Hustensaftspaß pur. Hausärzte bei uns wundern sich bereits über die häufigen Rezeptwünsche von gekünstelt hustenden jugendlichen Patienten nach bestimmten Hustensaftpräparaten.

In den kommenden Wintermonaten ist also Achtsamkeit gefragt. Man verzichte am besten ganz auf Hustensäfte und Zitronenlimonade. Denn Husten verschwindet meistens ohne Medikamente. Tee mit Honig soll es genauso tun und vielleicht lassen sich auch mit einfachen Kräuterbonbons lustige Partys feiern.