Kap. 3 Prozessqualität – Patientenvorbereitung
Kap. 3.1 Aufklärung endoskopischer Eingriffe
Anmerkung
Die Empfehlungen wurden durch einen erfahrenen Juristen Dr. Peter Hüttl auf der Basis der in der Praxis wichtigen Themen erstellt. Die Abstimmungsergebnisse spiegeln zwar das Meinungsbild der Leitliniengruppe wieder, die finale Entscheidung über Inhalt und Formulierung der Empfehlungen oblag aber dem Juristen als Experten auf der Basis der gängigen Rechtsprechung.
Grundsätzliches zu Aufklärung/Einwilligung
Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), dass jeder ärztliche Eingriff, auch wenn er lege artis durchgeführt wurde, im Sinne der §§ 223 ff. StGB eine Körperverletzung darstellt. Die Strafbarkeit und zivilrechtliche Haftung entfällt demnach nur, wenn eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten vorliegt. Damit der Patient unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff überhaupt einwilligen kann, muss er über die mit dem medizinischen Eingriff verbundenen Risiken umfassend und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung aufgeklärt werden [98]. Zentrale Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist es daher, dem Patienten Art, Bedeutung, Ablauf und Folgen eines geplanten Eingriffes zu verdeutlichen. Er soll aufgrund dieser Mitteilung der Grundzüge des Eingriffes verstehen, was mit ihm geschieht und unter Zugrundelegung dieser Informationen in die Lage versetzt werden, das Für und Wider des geplanten Eingriffes abzuschätzen.
3.1.1 Aushändigung der Patientenaufklärung an den Patienten
Empfehlung
Dem Patienten soll die Aushändigung einer Kopie des vollständig vom aufklärenden Arzt und vom aufgeklärten Patienten ausgefüllten und unterzeichneten Aufklärungsdokuments angeboten werden. Aus juristischer Sicht soll sowohl die Aushändigung der Aufklärung, als auch ein etwaiger Verzicht hierauf in der Patientenakte dokumentiert sowie ggf. vom Patienten quittiert werden. Sofern der Patient auf die Aushändigung ausdrücklich verzichtet, sollte der Patient aus rechtlicher Sicht darauf hingewiesen werden, dass bei Verlangen die Aushändigung von Abschriften auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.
Starker Konsens
Kommentar
Seit dem durch das Patientenrechtegesetz neu eingefügten § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB besteht für den Arzt gegenüber dem Patienten eine Pflicht zur Aushändigung von Abschriften der Unterlagen, welche dieser im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat. Dem Patienten sind aufgrund der klaren Formulierung des Wortlauts die Abschriften ohne explizites Verlangen oder Nachfragen unaufgefordert auszuhändigen. Zudem wird Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur erfüllt, wenn dem Patienten die vollständigen Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung (also z. B. Aufklärungs-/Einwilligungsbogen) unterzeichnet wurden, in Abschrift mitgegeben werden. Nachdem das Gesetz eine ausdrückliche Regelung eines Kostenerstattungsanspruchs des Arztes vermissen lässt, lässt dies den Schluss zu, dass der Arzt die Abschriften auf eigene Kosten fertigen muss. Die Aushändigung sollte in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Unterschriftsleistung erfolgen.
Selbstverständlich ist jedoch auch ein Verzicht des Patienten auf Aushändigung möglich. Der Verzicht auf die Aushändigung dürfte wohl ebenso wie der Aufklärungsverzicht selbst eine ausdrückliche Erklärung des Patienten erfordern. Der Verzicht darf aber nicht als unabänderlich für die Zukunft gelten, da dem Patienten grundsätzlich ein jederzeitiges Einsichtsrecht in seine Patientenakte zusteht und der Verzicht deshalb widerruflich bleiben muss.
3.1.2 Arten der Aufklärung
Die Aufklärungspflicht des Arztes beschränkt sich nicht nur auf den Eingriff als solchen, sondern es wird vielmehr vom Arzt gefordert, dass er nahezu in allen Bereichen seines Handelns mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch führt, sofern dessen Selbstbestimmungsrecht tangiert ist.
Die Diagnoseaufklärung
Statement:
Gegenstand der Aufklärungspflicht des Arztes ist es auch, dem Patienten den medizinischen Befund mitzuteilen.
Konsens
Kommentar
Dabei gilt es zu betonen, dass bloße Mutmaßungen im Hinblick auf eine Diagnose nicht mitgeteilt werden müssen. Vielmehr ist es dem Arzt sogar untersagt, bei einem bloßen Verdacht einer lebensbedrohenden Krankheit, diese auf bloße Mutmaßungen beruhende Diagnose dem Patienten mitzuteilen [99].
Die Behandlungsaufklärung
Empfehlung
Die Behandlungsaufklärung soll die Art der konkret vorgesehenen endoskopischen Untersuchung bzw. des Eingriffs und auch den Hinweis auf bereits vorhersehbare Erweiterungen des Eingriffs und möglicherweise erforderliche Folgeeingriffe oder Nachoperationen umfassen. Zudem soll über Behandlungsalternativen und über Konsequenzen der Nichtbehandlung aufgeklärt werden.
Konsens
Kommentar
Es muss eine Information des Patienten darüber erfolgen, welche Behandlung infrage kommt. Hierzu gehören die Klarstellung der Art der konkreten Behandlung, die Erläuterung der Tragweite des Eingriffes und auch der Hinweis auf bereits vorhersehbare Operationserweiterungen und möglicherweise erforderliche Nachoperationen [100]. Insbesondere muss klar betont werden, dass der Patient ein Anrecht darauf hat, über Behandlungsalternativen aufgeklärt zu werden. Es muss sich dabei jedoch um tatsächliche Alternativen in der Behandlung handeln, die zudem gleichwertige Chancen bieten, aber jeweils verschiedenen Risiken unterliegen.
Im Rahmen der Behandlungsaufklärung muss auch klargelegt werden, mit welchen Konsequenzen im Fall der Nichtbehandlung zu rechnen ist.
Empfehlung
Bei Durchführung eines gleichartigen Eingriffes kann eine zuvor durchgeführte Aufklärung über 2 – 3 Monate ihre Gültigkeit behalten, sofern sich die Risikoeinschätzung nicht erheblich geändert hat.
Vor dem erneuten Eingriff soll in jedem Fall ein Patientengespräch mit der Erfassung des aktuellen Wissensstandes erfolgen und schriftlich dokumentiert werden.
Konsens
Kommentar
Handelt es sich um eine im Wesentlichen identische Operation mit identischen Risiken, so ist eine erneute Aufklärung entbehrlich, wenn der Patient innerhalb kurzer Zeit wiederholt operiert werden muss, vor der ersten Operation ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist und sich gegenüber der ersten Operation keine wesentlichen neuen Risiken ergeben(4). Das Vorwissen muss dem Patienten somit noch gegenwärtig sein. Der Arzt soll sich deshalb durch detailliertes Nachfragen vor dem Eingriff vom Wissensstand des Patienten überzeugen, ob dem Patienten die erforderlichen Informationen noch präsent sind und ob in der Zwischenzeit weitere Fragen entstanden. Im Zweifelsfall ist anzuraten, nochmals aufzuklären. Zum einen verliert eine Aufklärung nach geraumer Zeit (2 – 3 Monate) ihre Wirksamkeit, zum anderen muss man sich durch detailliertes Nachfragen vom Wissensstand des Patienten informieren, sodass eine erneute Aufklärung der sicherere Weg ist.
Empfehlung
Der ausdrückliche Wunsch des Patienten auf Nichtbehandlung soll schriftlich niedergelegt und vom Patienten oder von Zeugen des Gesprächs gegengezeichnet werden
Konsens
Kommentar
Da auch hier der Arzt die Beweislast dafür trägt, dass der Patient die Einwilligung verweigert hat, sollte auch der ausdrückliche Wunsch des Patienten nach Nichtbehandlung schriftlich niedergelegt und vom Patienten gegengezeichnet werden [102].
Die Risikoaufklärung
Die Aufgabe der Risikoaufklärung besteht darin, dem Patienten diejenigen Gefahren schonungslos zu benennen, die trotz fehlerfreien medizinischen Vorgehens für ihn bestehen, möglich und nicht sicher beherrschbar sind.
Empfehlung
Die Auswahl der aufklärungsbedürftigen Risiken soll sich nicht nach der prozentualen Häufigkeit der Komplikationen richten.
Es soll grundsätzlich unabhängig von deren prozentualer Häufigkeit über alle typischen Risiken eines endoskopischen Eingriffs aufgeklärt werden, deren Realisierung erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Leben des Patienten haben kann.
Konsens
Kommentar
Denn auch über seltene Risiken (Komplikationsdichte kleiner als 0,1 %) muss der Patient aufgeklärt werden, wenn der Eintritt des Risikos erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Patienten haben kann und die Risiken dem Eingriff spezifisch anhaften, auch wenn sie selten sind [103].
Die Sicherungsaufklärung
Die Sicherungsaufklärung spielt gerade bei Sedierungen die größte Rolle.
Empfehlung
Es soll eine Sicherungsaufklärung über das korrekte Verhalten nach Sedierung und Entlassung aus der ambulanten Therapie erfolgen. Diese soll dem Patienten mündlich erklärt und schriftlich dokumentiert werden.
Konsens
Kommentar
Der Patient muss dringend über das korrekte Verhalten nach der Sedierung und der Entlassung aus der ambulanten Therapie aufgeklärt werden. Es ist daher anzuraten, ein entsprechendes Informationsblatt bereits vor der stattgehabten Sedierung und insbesondere nicht nur dem Patienten, sondern auch ggf. entsprechenden Begleitpersonen auszuhändigen.
Der ambulant zu untersuchende Patient sollte zudem bereits bei der Terminvereinbarung darauf hingewiesen werden, dass er mit einer Begleitperson zum Termin erscheinen muss und insbesondere eine Begleitperson benötigt, die ihn sicher nach Hause bringt. Die Begleitperson selbst ist darauf hinzuweisen, dass sie den Patienten auch nach der Operation zu Hause entsprechend beobachtet.
Darüber hinaus ist der Patient darüber aufzuklären, dass er am Untersuchungstag nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen darf, insbesondere nicht ein Fahrzeug führen kann. Er ist zudem darauf hinzuweisen, dass er keine schwierigen Maschinen bedienen und keinen Alkohol trinken darf. Schließlich sollte er noch darauf hingewiesen werden, dass er an diesem Tag keine wichtigen oder rechtlich bindenden Entscheidungen treffen darf.
Grundsätzlich ist allen Patienten mitzuteilen, dass eine telefonische Erreichbarkeit zum Arzt oder zum Klinikum besteht. Hierzu gehört insbesondere das Benennen einer entsprechenden Telefonnummer [104].
Die entsprechenden Verhaltensmaßnahmen müssen dem Patienten sowohl mündlich mitgeteilt werden, als auch in einem schriftlichen Merkblatt zur Kenntnis gebracht werden. Die Aufklärung darüber muss zudem entsprechend dokumentiert werden.
Empfehlung
Bei einem Patienten, der sich zu einem ambulanten Eingriff mit Sedierung vorstellt, sollte die Abholung durch eine Begleitperson sichergestellt sein.
Mehrheitliche Zustimmung
Kommentar
Sollte ein Patient zu einem elektiven Eingriff erscheinen, der eine Sedierung vorsieht, ohne eine Begleitperson mitgebracht zu haben bzw. die Abholung durch eine Begleitperson sichergestellt zu haben, so ist der Eingriff zu untersagen. Ein Schadensersatzanspruch entsteht dem Patienten daraus regelmäßig nicht [105].
Die Rechtslage bezüglich der GI-Endoskopie ist derzeit unsicher, da keine entsprechenden Gerichtsentscheidungen vorliegen. Zudem existiert keine medizinische belastbare Evidenz. Diese Empfehlung wurde daher von dem juristischen Ko-Autors dieser Leitlinie (Herrn Dr. Hüttl) bei Fehlen entsprechender Gerichtsentscheidungen in der vorliegenden Form der Maximalforderung formuliert.
Dem Arzt kommt im Falle der Sedierung aufgrund der ihm bekannten und von ihm geschaffenen gefahrerhöhenden Umstände eine Fürsorgepflicht zu, die es erfordert, die Gefahr eines selbstgefährdenden Verhaltens des Patienten auszuschließen. Der Arzt muss demnach die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz des Patienten treffen. In diesem Fall muss somit sichergestellt werden, dass der Patient im Sinne der Fachterminologie nicht nur „home ready“, sondern auch „street ready“ ist [106]. Der Patient muss in diesem Zusammenhang im Zeitpunkt seiner Entfernung aus der Praxis/dem Krankenhaus in der Lage sein, abgewogene und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Sofern dies nicht der Fall ist und folglich die Sedierung oder ihre Folgewirkungen zu einer erhöhten Gefahr für den Patienten führen können, wenn dieser ohne Begleitperson mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fährt, darf der Arzt den Patienten nicht auf diesem Weg nach Hause schicken. Ansonsten verletzt der Arzt seine Pflicht zur Patientensicherung bzw. Patientenüberwachung. Dies kann zu einer Schadensersatzpflicht des Arztes führen.
Der BGH hat im Jahre 2003 entschieden, dass ein Patient, der bei einer ambulanten Behandlung so stark sediert wird, dass seine Tauglichkeit für den Straßenverkehr für eine längere Zeit erheblich eingeschränkt ist, so überwacht werden muss, dass sich der Patient nach der durchgeführten Behandlung nicht unbemerkt entfernen kann [107].
3.1.3 Das Aufklärungsgespräch
Empfehlung
Das Aufklärungsgespräch soll durch einen fachkundigen Arzt/Ärztin im Rahmen eines mündlichen für den Patienten verständlichen Gespräches mit dem Patienten durchgeführt werden. Die Aufklärung und Einwilligung sollen in der Patientenakte dokumentiert werden. Auch der Verzicht auf eine Aufklärung soll in der Patientenakte dokumentiert werden. Im Falle von Sprachbarrieren soll ein Übersetzter hinzugezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Aufklärungsgespräch muss zunächst einmal von einem Arzt/Ärztin durchgeführt werden. Die Delegation des Aufklärungsgespräches auf einen Nichtarzt bzw. auf ärztliches Hilfspersonal ist nicht statthaft. Darüber hinaus muss der Arzt die notwendige Ausbildung für den Eingriff vorweisen können, damit er überhaupt die intendierenden Risiken für den Patienten in verständlicher Form darstellen kann.
§ 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB stellt hinsichtlich der Zulässigkeit der Aufklärungsdelegation nunmehr auf die Ausbildung des die Aufklärung durchführenden Arztes ab. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat eine abgeschlossene fachliche Ausbildung vorzuliegen, durch die die notwendige theoretische Befähigung zur Durchführung der Maßnahme erworben wurde. Sofern der aufklärende Arzt noch nicht das Maß an praktischer Erfahrung zur eigenständigen Durchführung der Maßnahme besitzt, soll dies nach dem Willen des Gesetzgebers unschädlich sein. Somit wird primär die theoretische Befähigung des Aufklärenden in den Vordergrund gerückt. Folglich muss der aufklärende Arzt aufgrund seiner Ausbildung über die notwendigen Kenntnisse zur umfassenden Aufklärung über sämtliche wesentliche Umstände hinsichtlich der Durchführung der Maßnahme verfügen.
Das Aufklärungsgespräch muss zudem in einer für den Patienten verständlichen Form erfolgen. Die Aufklärung muss auch immer in einem mündlichen, ausführlichen Patientengespräch erfolgen. Gemäß § 630 f Abs. 2 Satz 1 BGB besteht die Verpflichtung, sowohl die Einwilligung als auch die Aufklärung in der Patientenakte zu dokumentieren.
Bei ausländischen Patienten ist dafür Sorge zu tragen, dass keine Sprachbarrieren vorhanden sind. Bei Zweifeln an der Sprachkundigkeit des Patienten ist ggf. eine sprachkundige Person hinzuzuziehen. Hierbei muss es sich nicht um einen Dolmetscher handeln, sondern lediglich um eine Person, die die gleiche Sprache wie der Patient spricht. Dieser ist zudem um sein Einverständnis zu ersuchen, ob diese Person übersetzen darf.
Es empfiehlt sich im Zusammenhang mit der Aufklärung auf standardisierte Aufklärungsbögen zurückzugreifen. Wie gesagt, entbindet dies aber nicht von einem ausführlichen Patientengespräch. Entsprechend § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs.2 BGB kann auf derartige Unterlagen lediglich ergänzend Bezug genommen werden. Die Aufklärungsbogen dienen insbesondere auch der Dokumentation der durchgeführten Aufklärung. Das stattgehabte Gespräch sollte durch individuelle patientenbezogene Nachfragen manifestiert werden (beispielsweise nach Aufgeregtheit, Schlaf etc.).
Sollte der Patient auf die Aufklärung verzichten, so ist dies ebenfalls gesondert zu dokumentieren und mit einer gesonderten Unterschrift des Patienten zu versehen.
3.1.4 Zeitpunkt der Aufklärung
Empfehlung
Bei größeren therapeutischen endoskopischen Eingriffen bzw. schwerwiegenden Eingriffen mit erhöhtem Risiko soll ein Zeitraum von mindestens 24 Stunden gewahrt werden.
Konsens
Kommentar
Die Aufklärung muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient noch selbstbestimmt entscheiden kann, ob er den Eingriff durchführen lassen möchte. Eine pauschale Festlegung verbietet sich, da stets die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls entscheidend sind. Bei einfachen, ambulanten Eingriffen reicht oftmals die Aufklärung am Tag des Eingriffes aus, selbstverständlich beim nicht sedierten Patienten. Insgesamt muss allerdings die Aufklärung so früh wie möglich erfolgen. Es ist daher anzustreben, bereits bei der Indikationsstellung zum Eingriff bzw. bei der Terminvereinbarung das Aufklärungsgespräch zu führen.
Bei größeren operativen Eingriffen bzw. schwerwiegenden Eingriffen soll ein Zeitraum von mindestens 24 Stunden gewahrt werden, da eine Aufklärung erst am Vortag einer risikoreichen und umfangreichen Operation nach ständiger Rechtsprechung des BGH zweifellos verspätet ist [108].
Man geht davon aus, dass die Aufklärung eine Wirksamkeit von zwei bis drei Monaten hat.
3.1.5 Inhalt des Aufklärungsgespräches
Empfehlung
Das Aufklärungsgespräch soll sämtliche typischen Risiken der intendierten endoskopischen Untersuchung/Intervention umfassen. Somit muss stets über Art und Schwere des Eingriffs und die möglichen Folgen aufgeklärt werden [109].
Konsens
Kommentar
Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Je schwerwiegender die mögliche Folge, desto eher ist auch über Risiken geringerer Wahrscheinlichkeit aufzuklären. Gerade in Zusammenhang mit einer zu erfolgenden Sedierung ist auf die hier speziell gegebenen Komplikationen hinzuweisen (Aspiration, arterielle Hypotension, Brachykardie, Apnoe usw.). Gerade diese typischen Komplikationen müssen mit dem Patienten ausführlich besprochen werden [110].
Die Frage, ob ein Patient auch auf den möglichen letalen Ausgang des Eingriffes hinzuweisen ist, ist umstritten. Denn einerseits schuldet der Arzt eine schonende Aufklärung, andererseits darf er nichts verschweigen. Die Rechtsprechung ist hierzu eher uneinheitlich, so wurde von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart [111] und des Oberlandesgerichts Zweibrücken [112] gefordert, dass ein Patient vor einer Koloskopie schonend darüber informiert werden muss, dass er an den Folgen einer Perforation versterben könnte.
3.1.6 Aufklärungsadressat
Empfehlung
Bei der Person des Aufklärungspflichtigen soll grundsätzlich der Patient aufgeklärt werden. Besonderheiten bestehen hier bei Minderjährigen und ggf. psychisch kranken bzw. willensunfähigen Personen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Minderjährigen ist es zwingend, auch die Eltern aufzuklären und von dort die Einwilligung einzuholen, wobei auf entsprechende Äußerungen der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen ist [113].
Da grundsätzlich die Eltern nur gemeinschaftlich das Sorgerecht für das Kind ausüben, können sie auch nur gemeinschaftlich die Einwilligung zu einem Eingriff geben und es müssen daher grundsätzlich beide Eltern aufgeklärt werden. Es ist aber anerkannt, dass die Eltern sich gegenseitig ermächtigen können, für den anderen Elternteil mitzuentscheiden. Der Arzt darf daher auf eine derartige wechselseitige Ermächtigung vertrauen, wenn es sich um einfache, ambulante Eingriffe handelt.
Darüber hinaus haben die Eltern allerdings nicht das Recht in Eingriffe einzuwilligen, die dem Kindeswohl entgegenstehen [114].
Bei psychisch kranken Patienten muss die Aufklärung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter erfolgen. Sofern ein solcher nicht greifbar ist, ist ein gesetzlicher Betreuer zur Entgegennahme der Aufklärung und zur Entscheidung über die Einwilligung zu bestellen. Dies geschieht regelmäßig über das Gericht [115]. Gesetzlich ist in § 630e Abs. 5 BGB nunmehr zudem eine Erläuterungspflicht über die wesentlichen Umstände der bevorstehenden Behandlung gegenüber dem einwilligungsunfähigen Patienten vorgesehen. Somit sind auch Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, allein über die Behandlungsmaßnahme zu entscheiden, grundsätzlich in den Behandlungsprozess einzubinden. Hierdurch wird der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, wonach ein Einwilligungsunfähiger grundsätzlich über das Ob und Wie der Behandlung nicht im Unklaren gelassen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09). Die jeweiligen Umstände im konkreten Einzelfall sind maßgeblich hinsichtlich Art, Umfang und Bestehens der Erläuterungspflicht. Sofern im Einzelfall die Aufnahmefähigkeit der Erläuterungen wenigstens in den wichtigsten Zügen auszuschließen ist, wie wohl bei Komapatienten oder Säuglingen, wird beispielsweise eine Erläuterung entbehrlich sein. Die Erläuterungspflicht hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Aufklärung für die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach Absatz 4. Denn nach wie vor ist der gesetzliche Vertreter ordnungsgemäß aufzuklären und auch nur dieser kann wirksam einwilligen.
3.2 Endoskopische Prozeduren bei erhöhtem Blutungsrisiko
3.2.1. Laborchemie vor Endoskopie
Empfehlung
Ein Routinescreening hinsichtlich einer Koagulopathie vor einem endoskopischen Eingriff mit niedrigem Blutungsrisiko (Bestimmung von Prothrombinzeit [Quick/INR], partieller Thromboplastinzeit, Thrombozyten oder Blutungszeit) sollte in Abwesenheit einer klinischen Anamnese für ein Blutungsereignis, einer Risikoerkrankung oder eines klinischen Verdachtes nicht vorgenommen werden. Ebenso sollte keine Routinetestung bzgl. einer Anämie, Nieren-, Leberfunktionsstörung oder anderer Serumparameter ohne eine klinische Anamnese erfolgen.
Starker Konsens
Statement:
Zur Labordiagnostik vor Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko kann aufgrund mangelnder Evidenz keine eindeutige Empfehlung abgegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Studien zur Routinetestung von Gerinnungsparametern bei Patienten ohne Anamnese für eine prädisponierende Erkrankung oder ein Blutungsereignis vor chirurgischen oder endoskopischen Eingriffen zeigten keine Korrelation zu dem tatsächlichen Auftreten von Blutungsereignissen [116].
Auch für die Bestimmung von Hämoglobin, Hämatokrit, Nieren- und Leberwerten, Glukose oder Urinanalysen vor einem Eingriff konnte kein Benefit bei Gesunden nachgewiesen werden. Abnorme Werte in der Routinetestung fanden sich nur bei 0,2 – 1,0 % der Patienten ohne Einfluss auf den geplanten Eingriff oder dessen Outcome. Dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen der ASGE wider, hier wird kein Routinescreening von Laborchemie oder Blutungszeit empfohlen [117].
Empfehlung
Eine gerinnungsphysiologische Diagnostik vor dem endoskopischen Eingriff soll bei Vorliegen von anamnestischen Faktoren und Vorerkrankungen erfolgen, die auf ein erhöhtes Blutungsrisiko hinweisen.
Starker Konsens
Kommentar
Dies beinhaltet folgende Faktoren:
-
positive Blutungsanamnese nach stattgehabten Eingriffen
-
internistische Vorerkrankungen, die mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen können:
-
vaskulär hämorrhagische Diathese (Morbus Osler, Ehlers Danlos Syndrom, Marfan Syndrom)
-
angeborene Thrombozytopathien
-
angeborene plasmatische Gerinnungsstörung (Von-Willebrand-Syndrom, angeborener Faktor VIII-(FVIII)- oder Faktor IX-(FIX)-Mangel)
-
erworbene Thrombozytenfunktionsstörung und/oder erworbene plasmatische Gerinnungsstörung i. R. von Leber-, Nierenerkrankungen, prolongierter biliärer Obstruktion, prolongierter Antibiotikaeinnahme, Malnutritution oder myeloproliferativen Erkrankungen
-
Medikamentenanamnese: Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern oder oralen Antikoagulantien.
Diagnostische Parameter und weiterführende Korrekturmaßnahmen werden gesondert unter den einzelnen Punkten aufgeführt.
3.2.2 Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe
Empfehlung
Um eine (Nutzen-)Risiko-Abwägung für den Patienten treffen zu können, soll eine Einschätzung des Blutungsrisikos des jeweiligen endoskopischen Eingriffes in Eingriffe mit niedrigem Blutungsrisiko und Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Kategorisierung in Eingriffe mit hohem und niedrigem Blutungsrisiko stellt die Basis für eine Risikoabschätzung bei Vorliegen von weiteren Gefährdungsparametern wie z. B. der Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten oder dem Vorliegen von erworbenen oder angeborenen Gerinnungsstörungen dar. Diese orientiert sich an aktuellen Daten und Leitlinien der BSG, ASGE und ESGE. Das jeweilige Risiko des einzelnen endoskopischen Eingriffes wird im Folgenden detailliert aufgeführt ([Tab. 13]).
Tab. 13
Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe.
niedriges Blutungsrisiko
|
hohes Blutungsrisiko
|
-
diagnostische Endoskopie mit/ohne Biopsie
-
Gastroskopie
-
Kolonoskopie
-
Ballonenteroskopie
-
Kapsel
-
Polypektomie im Kolon < 10 mm
-
ERCP ohne EST mit/ohne Stent
-
EUS mit Feinnadelpunktion solider Läsionen
-
enterale Stentimplantation ohne Dilatation
-
APC von GI Blutungen
-
Thermokoagulation (BARRX)
|
-
Polypektomie > 10 mm
-
EMR/ESD
-
ERCP mit EST oder Ballondilatation > 10 mm
-
EUS + Feinnadelpunktion zystischer Läsionen
-
endoskopische Zystendrainage
-
endosonografisch gestützte Therapie
-
Ballondilatation/Bougierung
-
Varizentherapie (Ligatur, Sklerosierung)
-
PEG
-
diagnostische Laparoskopie mit Organbiopsie
-
PTC/PTCD
|
Diagnostische Endoskopie mit Biopsie
Empfehlung
Die diagnostische Endoskopie mit Zangenbiopsie soll zu den Untersuchungen mit niedrigem Blutungsrisiko gruppiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) (Blutungsrisiko 0,03 %) [118], die diagnostische Kolonoskopie (Blutungsrisiko 0,02 – 0,1 %) [118]
[119], die diagnostische endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) (Blutungsrisiko 0,05 – 1,3 %) [118]
[120] sowie die Push-, Single- oder Double-Ballonenteroskopie (0,2 %) [121] konnte in größeren Fallserien nur ein geringes Blutungsrisiko nachgewiesen werden. Die Entnahme von Zangenbiopsien erhöht das Blutungsrisiko nur minimal [122], unter Verwendung von Kaltschlingen wurden Blutungskomplikationen in nur 0,07 % beschrieben [123].
Endosonografie mit Punktion
Empfehlung
Die rein diagnostische EUS ohne und mit Feinnadelbiopsie solider Läsionen sollte zu den Untersuchungen mit geringem Blutungsrisiko kategorisiert werden. Die EUS-Feinnadelpunktion zystischer Läsionen und die EUS-gesteuerten therapeutischen Verfahren sollen davon abweichend als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische EUS mit Feinnadelbiopsie ist mit einer sehr geringen Mortalität (0,008 %) und einem geringen Risiko für schwere Komplikationen (0,06 %) wie schwere Blutungen, Pankreatitis und Perforation behaftet. In einer Zusammenfassung der Komplikationen einer diagnostischen EUS an 18 Deutschen Zentren traten unter 13 223 untersuchten Patienten nur bei 5 Patienten schwere, transfusionspflichtige Blutungen auf, bei 15 Patienten geringe subklinische Blutungen [124]. Dies entspricht den internationalen Daten, die für die EUS-gesteuerte Feinnadelpunktion unselektierter Läsionen ein Blutungsrisiko unter 1 % ausweisen [125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]. Daher klassifiziert die akutelle LL der ESGE die EUS-FNA solider Läsionen in die Niedrigrisikogruppe für Blutungskomplikationen [131].
Anders verhält es sich mit der Feinnadelpunktion zystischer Pankreasläsionen, hier wurde in zwei prospektiven Studien ein mit 5,5 % erhöhtes Blutungsrisiko festgestellt [130]
[132]. Differenziert betrachtet werden sollte die Verwendung einer EUS-gesteuerten Biopsiebürste, hier traten bei 1,5 % von 130 Patienten schwere Blutungskomplikationen auf [133]
[134]
[135]
[136].
Eine wesentliche Komplikationen der endoskopischen transmuralen Pseudozystendrainage sind Blutungen in bis zu 9 % mit zum Teil auch letalem Ausgang. Hier wurden Blutungen aus der Punktionstelle der Zyste bei Initialpunktion oder Stentwechsel beschrieben (siehe auch Kap. 4.10)
[131].
Endoskopische Abtragung von Kolonpolypen
Empfehlung
Die endoskopische Abtragung von Kolonpolypen unter 10 mm sollte als Eingriff mit niedrigem Blutungsrisiko bewerten. Die endoskopische Abtragung von Kolonpolypen ≥ 10 mm sollte als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Blutungsrisiko für Blutungen nach Abtragung von Kolonpolypen (PPB) lag in zwei größeren representativen Fallserien bei 2,9 % [137]
[138]. 1,1 % davon waren schwere Blutungen [137]. Eine Fallkontrollstudie [138] analysierte 4592 Patienten mit Koloskopie und Polypektomie, davon kam es bei 41 Patienten (0,9 %) zu einer späten Nachblutung im Mittel 6 Tage nach der Intervention. Als Risikofaktoren wurde eine Polypengröße über 10 mm ermittelt mit einem Anstieg des Blutungsrisikos um 9 % je mm Größenzunahme (OR 1,09; 95 % CI 1,0 ± 1,2; p = 0,008). Zudem bestand ein erhöhtes Blutungsrisiko unter Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten (nicht ASS). Eine multivariate zusammenfassende Analyse im Rahmen der publizierten ESGE-Leitlinie [131] analysierte folgende wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer Postpolypektomieblutung bei Kolonpolypen: Patientenfaktoren: Alter > 65 Jahre, koronare Herzkrankheit, Antikoagulation (Nicht ASS!), Polypengröße > 10 mm; technische Faktoren: Benutzung von reinem Schneidestrom zur Abtragung.
Eine Analyse von 9336 Polypektomien im Kolon ergab eine Postpolypektomieblutung bei 2,8 %. Die Multivariate Analyse auf Polypenbasis ermittelte als Risikofaktoren für eine Post Polypektomieblutung folgende Faktoren: Ein Alter ≥ 65 Jahren, kardiovaskuläre oder renale Komorbidität, Polypengröße > 1 cm, gestielte Polypen oder laterally spreading Adenome, die Verwendung reinen Schneidestroms in der Abtragung sowie eine insuffiziente Darmlavage [139].
Eine weitere Fallkontrollstudie identifizierte 2011 als unabhängige Risikofaktoren für eine Postpolypektomieblutung die Polypengröße mit einem Risikoanstieg von 13 % pro 1 mm Größenzunahme (Odds Ratio [OR] 1,13, 95 % confidence interval [CI] 1,05 – 1,20, p < 0,001) und die Lokalisation im rechen Kolon (OR of 4,67, 1,88 – 11,61, p = 0,001) [140]. Eine aktuelle Arbeit [141] untersuchte 7447 Polypektomien bei 3253 Patienten, eine Postpolypektomieblutung trat bei bei 1,3 % auf. Unabhängige Risikofaktoren waren hier die Polypengröße > 10 mm (OR 2,355 (CI 1,225 – 4,528) p = 0,01), der gestielte Polyp (OR 3,473 (CI 1,576 – 7,657) p = 0,002) und die Lokalisation im rechten Kolon (OR 2,690 (CI 1,465 – 4,940) p = 0,001). Zuletzt analysierte eine große multizentrische Fallkontrollstudie 167 208 Polypektomien bei 130 831 Koloskopien [142] mit einer Nachblutungsrate von 0,65 %. Auch hier waren die Polypengröße (OR 3,59 (3,05 – 3,14) p < 0,001), die Lokalisation im Coecum (OR 2,40 (2,52 – 3,78) p < 0,001) und die Verwendung von reinem Schneidestrom (OR 2,02 (1,30 – 3,14) p < 0,01) die entscheidenden Risikofaktoren für eine Blutungskomplikation. [Tab. 14] veranschaulicht Studien und Risikofaktoren zur Polypektomie im Kolon.
Tab. 14
Studien zu Risikofaktoren für Blutungskomplikationen bei Polypektomie im Kolon.
Autor
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Design
|
n
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Risikofaktor Blutung
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Kim HS
AJG 2006 [139]
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Fallkontrollstudie
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9336 PP/5152 KK
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Polypengröße > 1 cm vs. ≤ 1 cm OR 2,38 (1,78 – 3,18) p < 0,001 reiner Schneidestrom OR 6,95 (4,42 – 10,94) p < 0.001 kalte Polypektomie OR 7,15 (3,13 – 16,36) p < 0,001
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Shawney Endoscopy 2009 [138]
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Fallkontrollstudie
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4592 KK mit PP
|
Polypengröße > 10 mm OR 1,1 (1,0 – 1,2) p = 0,008 Vitamin K-Antagonisten OR 5,2 (2,2 – 12,5) p = 0,0002
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Buddingh
AJG 2011 [140]
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retrospektive Fallkontrollstudie
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156 KK mit PP
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Polypengröße Risikoanstieg um 13 % je 1 mm OR 1,13 (1,05 – 1,20) p < 0,001 Lokalsation rechtes Hemikolon OR 4,67 (1,88 – 11,61) p = 0,001
|
Kím JH
JGH 2013 [141]
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retrospektive Fallkontrollstudie
|
7447 PP/3253 KK
|
Polypengröße > 10 mm OR 2,355 (1,225 – 4,528) p = 0,010 gestielter Polyp OR 3,473 (1,576 – 7,657) p = 0,002 Lokalisation rechtes Kolon OR 2,690 (1,465 – 4,940) p = 0,001
|
Rutter
Endoscopy 2014
[142]
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multizentrische Fallkontrollstudie
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167 208 PP/130 831 KK
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Coecum OR 2,40 (2,52 – 3,78) p < 0,001 Polypengröße OR 3,59 (3,05 – 3,14) p < 0,001 Schneidestrom OR 2,02 (1,30 – 3,14) p < 0,01
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Entsprechend dieser Daten können als wesentliche Risikofaktoren die Polypengröße > 10 mm, die Lokalisation im rechten Kolon und die Verwendung von reinem Schneidestrom übereinstimmend herausgearbeitet werden. Die Einschätzung der Polypengröße anhand des Vergleiches mit der Zange oder Schlinge ist zwar eher eine etwas ungenaue Abschätzung, die Abtragung von Polypen unter 10 mm kann anhand der Daten aber in die Niedrigrisikogruppe kategorisiert werden.
Endoskopische Mukosaresektion/endoskopische Submukosadissektion
Empfehlung
Die EMR und ESD sollen als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die endoskopische Mukosaresektion (EMR) rangiert das Blutungsrisiko zwischen 4,4 % im Kolorektum [143] und 12 % im Ösophagus [144] davon 0,6 % mit schwerer Blutung. Die Abtragung von Duodenaladenomen oder duodenalen Polypen ist ebenfalls mit einem erhöhtem Blutungsrisiko für Blutungen von 11,6 % innerhalb von 24 h [145] behaftet.
Für die Großflächen EMR von Kolonadenomen analysierte eine prospektive Studie von 133 Läsionen die Lokalisation im proximalen Kolon (OR 3,72; p < 0,001), die Abtragung mit reinem Schneidestrom (OR 2,03; p = 0,038) und die intraprozedurale Blutung (OR 2,16; p = 0,016) als unabhängige Risikofaktoren für ein postprozedurales Blutungsereignis [146]. Bei einer aktuellen prospektiven multizentrischen Studie [147] von 1029 großflächigen Resektionen im Kolon (Polypektomien und EMR) mit einer mittleren Polypengröße von 26,4 ± 8,6 mm (20 – 120 mm) trat eine postprozedurale Blutung in 16 (1,6 %) und eine Perforation in 8 Fällen (0,78 %) auf. Unabhängiger Risikofaktor für eine Blutung war hier nur ein Alter unter 60 Jahren, Risikofaktoren für eine Perforation waren eine En-bloc-Resektion und die Wien Klassifikation 4 – 5.
Im Vergleich zur EMR verdoppelt die endoskopische Submukosadissketion (ESD) das Risiko. Hier wurden in einer Metaanalyse [148] neun Studien zum Blutungsrisiko von 868 Läsionen in der ESD-Gruppe und 1596 Läsionen in der ESD-Gruppe (Ösophagus, Magen, Kolorektum) ausgewertet. Die Nachblutungsrate lag in der ESD Gruppe (80/868) deutlich höher verglichen mit der EMR (93/1596) (OR 2,20, 95 %CI 1,58 – 3,07, p = 0,000).
Endoskopisch biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie/Ballondilatation
Empfehlung
Die endoskopische biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie sowie die großvolumige Ballondilatation (> 10 mm) der Sphinkteren sollen zu den Eingriffen mit höhem Blutungsrisiko kategorisiert werden. Die Ballondilatation < 10 mm kann als Eingriff mit niedrigem Blutungsrisiko gelten.
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko für eine Blutung nach endoskopischer Sphinkterotomie wird mit 2 % beziffert, 5 % davon waren schwere Blutungsereignisse [149]. Für die endoskopische Sphinkterotomie in Kombination mit einer großvolumigen Ballondilatation (12 – 20 mm) des Sphinkters wurde in einer retrospektiven Serie ein erhöhtes Blutungsrisiko beschrieben [150], dies bestätigte sich in einer randomisiert-kontrollierten Vergleichstudie nicht [151]. Die alleinige kleinvolumigere Ballondilatation des Sphinkters scheint eine Alternative zur Sphinkterotomie mit geringerem Blutungsrisiko zu sein. Die Ballondilatation von 6 – 10 mm zeigte in einem randomisiert-prospektiven Vergleich zur EPT [152] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate in der Ballongruppe (8,1 % [5/62] Pankreatitis n = 5 vs. 11,4 % [8/70] Pankreatitis n = 5, Blutung n = 2, Perforation n = 1).
Endoskopische Stenosebehandlung: Dilatation/Bougierung
Empfehlung
Die endoskopische Behandlung von Stenosen im GI-Trakt durch Bougierung und Ballondilatation kann als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Behandlung benigner Ösophagusstenosen durch Bougierung oder Dilatation ergab in größeren Fallserien keine erhöhten Blutungsrisiken [153]
[154]. Auch die Dilatationsbehandlung von benignen Strikturen im Kolon und Dünndarm (M. Crohn, postoperative Anastomose) zeigte keine Blutungskomplikationen [155]
[156]. Perforationen traten bei 3 % der Behandlungen auf. Keine der Studien war jedoch auf die Untersuchung des Blutungsrisikos bei Dilatationsbehandlungen ausgelegt. Dilatationsbehandlungen können daher weiterhin zu Untersuchungen mit erhöhtem Blutungsrisiko gerechnet werden [131].
(Zu detaillierten Angaben zu Komplikationen bei Metallstenteinlage in Bezug zur jeweiligen Indikation s. a. Kapitel 4.7.)
Endoskopische Stenosebehandlung: Selbst expandierende Metallstents
Empfehlung
Die Einlage von selbst expandierenden Metallstents im GI-Trakt sollte als Eingriff mit niedrigem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die palliative Versorgung maligner Ösophagusstenosen durch selbst expandierende Metallstents (SEMS) wurde nur in einer chinesischen Arbeit Blutungskomplikationen bei 7,8 % beschrieben [157]. Dagegen zeigt die Literatur zur Stentinsertion bei Ösophagus-, Kolon-, Duodenal- oder biliären Stenosen deutlich geringere Blutungsraten zwischen 0,5 und 1 % [158]
[159]
[160]
[161]. Die alleinige Stenteinlage ohne Dilatationsbehandlung gilt daher auch basierend auf anderen internationaler Leitlinien als ein Niedrigrisikoeingriff [131]
[162].
(Zu detaillierten Angaben zu Komplikationen bei Metallstenteinlage in Bezug zur jeweiligen Indikation siehe Kapitel 4.7).
PEG
Empfehlung
Die Anlage einer perkutanen Gastroenterostomie (PEG) sollte als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
In einer kleineren Serie traten Blutungskomplikationen nach PEG in 0,6 % der Fälle auf [163]. Eine große retrospektive Serie an 1625 Patienten [164] mit Anlage einer Durchzugs-PEG wies eine Komplikationsrate von 13,2 % auf, dabei handelte es sich im wesentlichen Fieber, PEG-Infektionen, Aspirationspneumonie und eine Leckage an der PEG-Einstichstelle. Blutungskomplikationen traten in nur 1,2 % der Fälle auf (n = 19) und konnten endoskopisch und angiografisch gestillt werden oder sistierten unter konservativer Therapie. Auch wenn hier die Frequenz der Blutungskomplikationen durch Einnahme von TAH im Gegensatz zu Antikoagulantien nicht gesteigert wurde, sollte die Anlage einer PEG zu den Interventionen mit erhöhtem Blutungsrisiko zählen.
Endoskopische Varizenbehandlung
Empfehlung
Die endoskopische Varizenligatur und Varizensklerosierung soll als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Rezidivblutungen aus Ligaturulzera traten in der Analyse einer Fallserie bei bis zu 3,5 % der Patienten im Mittel 13,5 ± 7,3 Tage [117]
[118]
[119]
[120]
[121]
[122]
[123]
[124]
[125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]
[131]
[132]
[133]
[134]
[135]
[136]
[137]
[138]
[139]
[140]
[141]
[142]
[143]
[144] nach der Ligaturbehandlung von Ösophagusvarizen auf [165]. Das Vorliegen einer früheren Varizenblutung (OR 12,07, 95 % CI [117]
[118]
[119]
[120]
[121]
[122]
[123]
[124]
[125]
[126]
[127]
[128]
[129]
[130]
[131]
[132]
[133]
[134]
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[137]
[138]
[139]
[140]
[141]
[142]
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[144]
[145]
[146]
[147]
[148]
[149]
[150]
[151]
[152]
[153]
[154]
[155]
[156]
[157]
[158]
[159]
[160]
[161]
[162]
[163]
[164]
[165]
[166]
[167]
[168]
[169]
[170]
[171]
[172]
[173]
[174]
[175]
[176]
[177]
[178] eine peptische Ösophagitis [OR 8,9, 95 % CI (1,65 – 47,8)]), ein hoher APRI-Score (OR 1,54, 95 % CI [116]
[131]) und ein niedriger Prothrombin-Index (OR 0,54, 95 % CI [0.31 – 0.94]), aber nicht die Einnahme von ASS, wurden als unabhängige Risikofaktoren für eine Rezidivvarizenblutung analysiert. Das bei portaler Hypertension generell erhöhte Risiko für Blutungen weist die Ligatur oder Sklerosierung als Hochrisikoeingriff aus [131]
[166].
Thermoablative Verfahren
Empfehlung
Thermoablative Verfahren sollten als Interventionen mit niedrigem Blutungsrisiko bewertet werden.
Konsens
Kommentar
Zu Blutungskomplikationen unter Argon-Plasma-Koagulation (APC) oder Radiofrequenzablation des Ösophagus (Ballonsystem zur RFA) liegen nur wenige Daten vor. Da Thermoablation auch therapeutisch bei Blutungen aus vaskulären Läsionen eingesetzt wird [167]
[168]
[169] ist eher mit einem geringeren Risiko an Blutungskomplikationen zu rechnen. Möglicherweise besteht bei der Verwendung des Ballonsystems zur RFA ein etwas höheres Blutungsrisiko. Eine kleine retrospektive Serie beschreibt eine Blutungskomplikation bei der Verwendung des Halo 360 zur Ablation von Long Segment Barrett-Mukosa [170]. In einer aktuellen Studie zum retrospektiven Vergleich von EMR + RFA versus RFA bei insgesamt 169 Patienten traten pro Gruppe je 2 Blutungskomplikationen auf [171]. Eine Serie von 667 RFA-Therapien bei 244 Patienten ermittelte Blutungskomplikationen nach RFA (zirkulär oder fokal) in 0,8 % der Fälle (n = 2) [172].
PTC/PTCD
Empfehlung
Die PTC und insbesondere die PTCD-Anlage soll als Eingriff mit hohem Blutungsrisiko bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Blutungskomplikation nach PTCD treten überwiegend periinterventionell (innerhalb von 24 Stunden nach Anlage) und seltener postinterventionell auf. Eine Fallserie analysierte die Komplikationen im Zeitraum 2000 – 2006 im Vergleich zu 2007 – 2011 [173]. Frühe Butungskomplikationen waren eine Hämobilie aus der Drainage (19,6/20 %), eine Blutung aus Interkostalgefäßen (6,3/0,4 %) und seltener eine Leberkapselverletzung(2,3/0 %) [173]. Späte Blutungskomplikationen treten seltener in Form einer Hämobilie auf (3,1/0 %) [173]. Eine therapeutisch relevante Hämobilie nach akzidenteller Punktion eines größeren intrahepatischen Gefäßes trat nach retrospektiven Daten in etwa 1,5 % der Fälle auf [174]. Eine schwere Hämobilie infolge der Ausbildung einer arteriobiliären oder portobiliären Fistel sowie arterielle Pseudoaneurysmata wurden in einer älteren Fallserie bei 13 von 333 Untersuchungen beschrieben [175]. In einer kürzlich publizierten radiologischen Analyse von 3110 PTCD-Anlagen wurde eine arterielle Punktion mit Hämobilie mit einer insgesamt niedrigeren Inzidenzrate von 2 % [176] beschrieben. In dieser Serie allerdings lag der maximale Drainagedurchmesser bei 8,5 French ohne weitere Dilatation auf ein größeres Volumen. Das Risiko für schwere Blutungskomplikationen steigt mit der Durchführung therapeutischer Maßnahmen signifikant (Traktdilatation) [177].
Daher sollte die Anlage einer perkutanen Drainage mit ggf. nachfolgender Therapie als Eingriff mit erhöhtem Risiko gelten [178]
[179].
Diagnostische Laparoskopie
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie mit Organbiopsie soll als Eingriff mit erhöhtem Blutungsrisiko gelten.
Starker Konsens
Kommentar
Die generelle Komplikationsrate der diagnostische Laparoskopie wird in einer retrospektiven Sammelstatistik von 23 Einzelstatistiken mit insgesamt 204 591 Patienten mit 1,86 % angegeben [180]
[181]. Schwerwiegende Komplikationen, die eine Hospitalisation oder chirurgische Intervention erforderten, traten in 0,15 % auf. Eine aktuellere Analyse von 747 konsekutiven diagnostischen Laparoskopien in konventioneller Technik [182] gibt die Rate schwerwiegender Komplikationen (Blutungen, Darmperforation) mit immerhin 1,5 % (11/747) an. Die Rate der Blutungskomplikationen wird in der Literatur mit 0,09 – 0,1 beschrieben [180]
[182]
[183]
[184].
Ob die Minilaparoskopie durch den geringeren Gerätedurchmesser eine niedrigere Komplikationsrate hat, ist derzeit nicht belegt. Eine prospektiv, randomisierter Vergleich von minilaparoskopisch gesteuerter Leberbiopsie und perkutaner Leberbiopsie bei chronischen Lebererkrankungen resultierte in 0,2 % (n = 1) schweren Komplikationen bei der Minilaparoskopie (perkutane Leberbiopsie in 0,9 % (n = 4, p = 0,88). In dieser Studie waren Patienten mit Gerinnungseinschränkungen allerdings ausgeschlossen.
Die globalen Gerinnungstests sind bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose kein verlässlicher Parameter zur Voraussage des Blutungsrisikos [185]
[186]. So konnte eine ältere Studie bei 200 konsekutiven Patienten, die im Rahmen einer Laparoskopie eine Leberbiopsie mit einer 1,8 mm-Menghini-Nadel erhielten, keine Korrelation der laparoskopisch im Bereich der Einstichstelle beobachteten Blutungszeit mit der Prothrombinzeit, der Blutungszeit und der Thrombozytenzahl dokumentieren [187].
In einer aktuellen retrospektiven Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien (1,9 mm Optik) mit Leberbiopsie lag die Rate ernster Komplikationen bei 1,0 % (n = 27, 0,7 % protrahierte Blutungskomplikationen, beide bei Patienten mit eingeschränkter Lebersyntheseleistung, sowie Dünndarmperforation in 0,3 %). Die Mortalität lag bei 0,07 % (n = 2). Ermittelte Risikofaktoren für schwerwiegende Blutungsereignisse waren eine Thrombopenie < 50 /Nl (OR = 6,1), eine INR > 1,5 (OR = 8,9), eine Leberzirrhose (OR = 1,9) und eine portale Hypertension (OR = 2,1). Die logistische Regression zeigte eine signifikante Korrelation für Thrombopenie und verlängerte INR (p = 0,001; OR = 14,1); die bootstrap Analyse identifizierte eine INR > 1,5 als signifikanten Prädiktor (p = 0,0002) für eine Blutungskomplikation. Auch wenn eine weitere retrospektive Analyse [188] kein erhöhtes Blutungsrisiko bei Vorliegen einer Leberzirrhose und/oder portalen Hypertension im Vergleich zur nicht zirrhotischen Leber zeigte, sollte bei zusätzlich deutlich erhöhter INR und oder Thrombopenie als Ausdruck einer eingeschränkten Lebersynthese eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
3.2.3 Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern, Heparinen, oralen Antikoagulantien (Vitamin K-Antagonisten) und direkten oralen Antikoagulantien (DOAK)
Empfehlung
Bei geplanten endoskopischen Eingriffen unter Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern und/oder oralen Antikoagulantien soll das individuelle Blutungsrisiko des Patienten unter Berücksichtigung des endoskopischen Eingriffes und der bestehenden Medikation gegen das individuelle Risiko für eine thrombembolische Komplikation durch ein Pausieren der Medikation abgewogen werden. Dies gilt auch für die Wiederaufnahme der Medikation ([Tab. 15], [16], [17], [18]). Im Einzelfall sollte das Vorgehen mit dem behandelnden Kardiologen/Gerinnungsspezialisten abgestimmt werden.
Tab. 15
Klassifizierung des Thrombembolierisikos [131]
[196]
[198]
[199].
niedriges Thrombembolierisiko
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hohes Thrombembolierisiko
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koronarer Stent (Drug Eluting Stent) > 12 Monate
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koronarer Stent (Drug Eluting Stent) < 12 Monate
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koronarer Stent (Bare Metal Stent) > 6 Wochen ohne Risikofaktoren[1]
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koronarer Stent (Bare Metal Stent) < 6 Wochen oder > 6 Wochen mit Risikofaktoren1
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Bioklappe
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künstliche Mitralklappe
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künstliche Aortenklappe
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andere Kunstklappe mit vorangegangener Embolie
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VHF ohne Risikofaktoren[2]
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VHF bei Klappenerkrankungen
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VHF mit Risikofaktoren2
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venöse Thromboembolie > 3 Monate
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venöse Thromboembolie < 3 Monate venöse Thrombomebolie mit Lungenembolie < 6 – 12 Monate
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zerebrale Ischämie > 6 Wochen ohne strukturelle Herzerkrankung
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zerebrale Ischämie < 6 Wochen
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1 Risikofaktoren: Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, Malignom, chronische Herzinsuffizienz, komplexe KHK, Z. n. Koronarstentthrombose.
2 Risikofaktoren: CHADS2 Score > 2: Congestive heart failure [1], Hypertension [1], age > 75y [1], diabetes [1], stroke/Tia [2].
Tab. 16
Antikoagulantien: Vorgehen bei Pausieren und Wiedereinnahme.
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Pausieren vor dem Eingriff
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früheste Wiedereinnahme nach der endoskopischen Intervention[1]
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ASS, Clopidogrel, Ticlopidin, Ticagrelor
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5 Tage
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24 Stunden
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Prasugrel
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7 Tage
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24 Stunden
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niedermolekulares Heparin (Prophylaktische Dosierung)
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12 Stunden
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6 – 12 Stunden
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niedermolekulares Heparin (Therapeutische Dosierung)
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24 Stunden
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6 – 12 Stunden
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unfraktioniertes Heparin iv.
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4 Stunden
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2 – 6 Stunden
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Phenprocoumon (INR≤ 1,5)
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7 Tage
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12 – 24 Stunden
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direkte Orale AK (DOAK)
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mind. 24 h[2]
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12 – 24 Stunden
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1 Abhängig von Blutungsrisiko und jeweiligen Komplikationen des Eingriffs.
2 Berücksichtigung von Halbwertszeit und Elimination der DOAK █([Tab. 17]).
Tab. 17
Direkte orale Antikoagulantien: Halbwertszeit und Elimination.
D-OAK Substanz
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HWZ/Elimination
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Rivaroxaban
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7 – 11 h (Elimination 30 % renal, 70 % hepatisch)
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Apixanban
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9 – 14 h (Elimination 25 % renal, 75 % hepatisch)
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Dabigatran
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12 -14- 17 h (Elimination vorwiegend renal)
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Tab. 18
Empfehlung zum Vorgehen bei Einnahme von TAH, Vitamin K-Antagonisten oder DOAK in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikokonstellation. Die Datenlage zum jeweiligen Risiko des einzelnen endoskopischen Eingriffes unter Gerinnungshemmender Medikation wird im Folgenden (Kapitel 3.2.4) detailliert aufgeführt.
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Thrombozytenaggregationshemmung weiterführen (ASS, Clopidogrel/Ticlopidin oder Prasugrel)
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Heparin, niedermolekulares Heparin weiterführen
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Vitamin K-Antagonisten weiterführen (INR Kontrolle)
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DOAK weiterführen
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ASS weiterführen
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ERCP mit EST, Polypektomie im Kolon, PEG, Varizenligatur, EUS-FNA solider Läsionen, Ballondilatation, Bougierung, Stenteinlage, Thermoablation
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ASS 5 Tage Pause
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ADP Rezeptorantagonist: Pause
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Duale TAH (ADP Rezeptorantagonist + ASS): ASS weiter
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Vit K-Antagonist: Pause, kein Bridging
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D-OAK: Pause, kein Bridging
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LMWH Pause
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Eingriff verschieben?
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ASS weiterführen
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Duale TAH Diskussion Kardiologie, Gerinnungsphysiologie
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Vit K-Antagonisten absetzen – Bridging
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D-OAK absetzten ggf. Bridging vor Wiedereinsetzen bei Eingriffen mit höherem Nachblutungsrisiko
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Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko thrombembolischer oder kardiovaskulärer Ereignisse ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und kann in Erkrankungen mit einem niedrigen und in Erkrankungen mit einem hohen thrombembolischen Risiko stratifiziert werden ([Tab. 15]). Der mechanische Aortenklappenersatz bedarf hierbei jedoch gesonderter Betrachtung. Patienten mit einem bicuspiden Aortenklappenersatz ohne Risikofaktoren zeigen ein geringes thrombembolisches Risiko [189]. Bei Vorliegen von zusätzlichen Risikofaktoren wie Vorhofflimmern, anamnestische thrombembolische Ereignisse, angeborene oder erworbene thombophilen Gerinnungsstörungen, ältere Herzklappenmodelle oder Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion < 30 %) oder bei Patienten, die einen Ersatz multipler Herzklappen aufweisen, ist das thrombembolische Risiko erhöht. Hier erscheint eine periinterventionelle Umstellung der Antikoagulation auf unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin sinnvoll, sofern der endoskopische Eingriff unter der Einnahme von Vitamin K-Antagonisten aufgrund des Blutungsrisikos nicht möglich ist [189]. Zur Durchführung einer überbrückenden Antikoagulation (Bridging) wird auf die Literaturempfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen [189].
Auch das Vorhofflimmern wird abhängig vom Vorliegen weiterer Risikofaktoren klassifiziert: Im Rahmen einer retrospektiven Studie lag das Risiko für eine zerebrale Ischämie innerhalb von 30 Tagen nach dem endoskopischen Eingriff bei Pausierung der Antikoagulation bei 0,31 % für Patienten mit unkompliziertem chronischen Vorhofflimmern im Vergleich zu 2,93 % bei chronischem Vorhofflimmern und weiteren kardialen Erkrankungen [190]. Daher muss das Prozedere bezüglich der OAK an die individuelle Risikosituation und den geplanten endoskopischen Eingriff angepasst werden ([Tab. 15], [18]).
[Tab. 16] gibt einen Überblick über Pausierung und Wiedereinnahme von Antikoagulantien.
ASS hemmt irreversibel und unselektiv die Cyclooxygenase von Thrombozyten durch Acetylierung des Enzyms und inaktiviert damit die Aggregationsfähigkeit eines Thrombozyten für dessen Lebenszeit von 8 – 11 Tagen.
Clopidogrel, Prasugrel und Ticlopidin zählen zu den ADP-Rezeptorinhibitoren aus der Gruppe der ADP-Rezeptorantagonisten. Ticlopidin wird aufgrund seiner Nebenwirkungen nur noch selten eingesetzt. Clopidogrel und Prasugrel werden als Prodrug über den Cytochrom P450 Enzymweg in ihre aktive Form überführt. Der pharmakologisch aktive Metabolit blockiert irreversibel die Bindung von Adenosindiphosphat (ADP) an einen der beiden thrombozytären ADP-Rezeptoren (P2Y12-Rezeptor), sodass die ADP-abhängige Thrombozytenaktivierung unterbleibt [191]. Nach Einnahme der üblichen Erhaltungsdosis benötigen diese Stoffe 3 – 5 Tage, um ihre komplette thrombozyteninhibierende Wirkung zu entfalten. Bei einer Thromobozytenlebensdauer von durchschnittlich 10 Tagen und einer täglichen Regeneration von 10 % ist nach Absetzen dieser Wirkstoffe eine Normalisierung der Thrombozytenfunktion nach ca. 5 – 7 Tagen zu erwarten.
Ticagrelor, ein Wirkstoff der neuen Substanzgruppe der Cyclopentyltriazolopyrimidine, ist zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt (ST-Hebungsinfarkt, non-ST-Hebungsinfarkt, instabile Angina pectoris) seit 2010 zugelassen [192]. Ticagrelor bindet reversibel als allosterischer Antagonist am ADP-Rezeptor P2Y12 der Thrombozyten und wird Cytochrom P450-unabhängig in den aktiven Metaboliten überführt. Die Wirkung von Ticagrelor ist reversibel [193]. Daten zum Blutungsrisiko durch endoskopische Eingriffe existieren nicht.
Nach Absetzen von ASS, Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin und Ticagrelor kann eine Wiedereinnahme bei komplikationslosem Verlauf des endoskopischen Eingriffs am nächsten Morgen bzw. 24 Stunden nach dem Eingriff erfolgen. Diese Empfehlungen beziehen sich auf die Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie zum perioperativen Management antithrombotischer Therapie. Daten zu endoskopischen Eingriffen liegen nicht vor [194].
Dipyridamol wird in Kombination mit ASS nach Schlaganfall eingesetzt und führt über eine Hemmung der thrombozytären Phosphodiesterase zu einer verminderten Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten. Das Risiko spontaner gastrointestinaler Blutungen unter Dipyridamol ist geringer als unter einer Therapie mit ASS [195]. In der Leitlinie der BSG wird daher das Fortführen einer Therapie mit ASS und Dipyridamol empfohlen [196], auch wenn keine Daten zum Blutungsrisiko unter Dipyridamol während endoskopischer Eingriffe vorliegen.
Tirofiban, Abciximab und Eptifibatid zählen zur Gruppe der GPIIb/IIIa-Rezeptorinhibitoren und werden intravenös zur Risikoreduktion eines akuten Herzinfarktes bei einer geplanten perkutanen Koronarintervention eingesetzt. Die Rezeptorblockade durch Tirofiban ist nach Absetzen des Medikamentes kurzfristig reversibel. Unter Abciximab normalisiert sich die Thrombozytenfunktion nach ca. 48 Stunden. Elektive endoskopische Eingriffe während einer Therapie mit GPIIb/IIIa-Rezeptorenantagonisten bergen ein Risiko für lebensbedrohliche Blutungen und sollten vermieden werden. Prospektive Daten hierzu existieren jedoch nicht.
Unfraktioniertes Heparin und niedermolekulare Heparine (NMH) werden zur Prophylaxe und Therapie thrombembolischer Ereignisse eingesetzt. Unfraktioniertes Heparin (6 – 30kD Molekulargewicht) wirkt indirekt durch Aktivierung von Antithrombin III, dessen molekulare Aktivität durch die Bindung mit Heparin um den Faktor 1000 verstärkt wird. Der Heparin-ATIII-Komplex hemmt vor allem Thrombin (Faktor IIa) und Faktor Xa. Niedermolekulares, fraktioniertes Heparin (4 – 9kD Molekulargewicht) ist ebenfalls ein indirektes Antikoagulans, das über Antithrombin III vor allem den Faktor Xa und zu einem geringeren Anteil Thrombin inhibiert.
Für endoskopische Eingriffe mit höherem Blutungsrisiko wurde unter niedermolekularem Heparin in einigen wenigen Fallserien eine höhere Rate an Blutungskomplikationen beschrieben [197]. Evidenzbasierte Daten zum Zeitpunkt der letzten und erneuten Gabe von UFH und NMH bei endoskopischen Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko liegen nicht vor. Die Leitlinie der BSG von 2008 [196] empfiehlt das Weglassen der NMH am Eingriffstag, die Leitlinie der ASGE [166] gibt lediglich Empfehlungen zur Wiederaufnahme der Heparinmedikation.
Die Empfehlung zum Absetzten 12 bzw. 24 Stunden vor dem Eingriff basiert auf den Fachinformationen und den von den Firmen erstellten Bridging-Schemata. Dieses Vorgehen wird in einem aktuellen Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zum Bridging bei kardialen Erkrankungen in gleicher Art empfohlen, wobei zwischen endoskopischen therapeutischen Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko und chirurgischen operativen Eingriffen nicht unterschieden wird.
Daher besteht die Empfehlung zur letzten Gabe der NMH in prophylaktischer Dosierung 12 Stunden und in therapeutischer Dosierung 24 Stunden vor einem therapeutischenEingriff. Eine Restart der NMH kann 6 – 12 Stunden nach dem Eingriff erfolgen [196]
[198]. Intravenöses unfraktioniertes Heparin sollte 4 h vor einem therapeutischen Eingriff pausiert werden, eine Restart ist 2 – 6 Stunden nach dem Eingriff möglich [196]
[198].
Etabliert zur dauerhaften OAK sind die oral verfügbaren Cumarinderivate Phenprocoumon oder Warfarin. Beide Substanzen führen über eine Hemmung der Vitamin K-Epoxidreduktase zu einer Verminderung der reduzierten Form von Vitamin K im Hepatozyten und somit zu einer reduzierten Bildung der funktionellen Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Bzgl. der oralen Antikoagulation beziehen sich die Empfehlungen der Fachgesellschaften auf das im angloamerikanischen Raum zur OAK bevorzugte Warfarin mit einer im Vergleich zu Phenprocoumon kürzeren Plasmahalbwertszeit (Warfarin 30 – 40 Stunden, Phenprocoumon 72 – 96 Stunden) [166]
[196]. Die Empfehlung zum Vorgehen wurde im Positionspapier der DGVS [199] im Wesentlichen übernommen.
Da eine orale Antikoagulation regelhaft vor größeren geplanten endoskopischen Eingriffen ab- oder umgesetzt wird, liegen zum Blutungsrisiko unter Vitamin K-Antagonisten wenig Daten vor. In Anlehnung an die Empfehlungen der Fachgesellschaften [166]
[196] erscheint eine Niedrigrisikoendoskopie unter Vitamin K-Antagonisten vertretbar, wenn die INR nicht über dem therapeutischen Bereich liegt. Für endoskopische Eingriffe mit einem hohen Blutungsrisiko sollten Vitamin K-Antagonisten Warfarin 5 Tage und Phenprocoumon 7 Tage zuvor abgesetzt werden, die INR sollte bei maximal 1,5 liegen. Ein Bridging mit unfraktioniertem Heparin bzw. NMH sollte in Abhängigkeit vom jeweiligen thrombembolischen Risiko erfolgen. Eine Wiederaufnahme kann abhängig vom thrombembolischen Risiko und vom Blutungsrisiko am Abend des Eingriffs oder bei erhöhtem Nachblutungsrisiko auch später erfolgen ggf. mit einem Bridging bis zur Wiedereinahme der Vitamin K-Antagonisten zu einem späteren Zeitpunkt.
Die direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) als neue Substanzgruppen konzentrieren sich auf eine selektive Inhibierung von Faktor Xa (Rivaroxaban, Apixaban) oder eine selektive Thrombininhibierung (Dabigatran). Zu beachten ist die unterschiedliche Halbwertszeit in Abhängigkeit vom Eliminationsweg (renal/hepatisch) der jeweiligen Substanz unter Berücksichtigung der Nierenfunktion ([Tab. 17]). Zum Blutungsrisiko unter den neuen direkten oralen Antikoagulantien bei endoskopischen Eingriffen liegen bisher keine Daten vor. Die Empfehlungen zum perioperativen Management stützten sich daher im Wesentlichen auf die Erfahrungen und Empfehlungen mit oralen Antikoagulantien. Die österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie [200] empfiehlt für Dabigatran und Rivaroxaban ein Weiterführen der Medikation für Niedrigrisikoeingriffe (Gastroskopie und Koloskopie mit Mukosabiopsie) und ein Pausieren am Tag vor dem Eingriff (bei eingeschränkter Nierenfunktion auch länger) bei endoskopischen Eingriffen mit höherem Risiko (Gastroskopie oder Koloskopie mit Polypektomie, ERCP mit Papillotomie oder EUS-Punktion). Bei unproblematischem Verlauf wurde die Einnahme am Abend des Eingriffes mit einem Mindestintervall von 4 Stunden angegeben, hier empfehlen wir in Anbetracht der schnellen Kinetik der Substanzen mit Erreichen des vollen Wirkungseintritts innerhalb von 30 Minuten die früheste Wiedereinnahme erst 12 – 24 Stunden nach dem Eingriff vorzunehmen. Für Eingriffe mit sehr hohem Blutungsrisiko, die aber als größere chirurgische Operationen definiert waren, wurde ein längeres Pausieren von 2 Tagen ggf. mit einem Bridging bei erhöhtem thombembolischen Risiko empfohlen. Dieses Vorgehen erscheint zum aktuellen Zeitpunkt bei der gegebenen Datenlage sinnvoll. Im Einzelfall sollte eine Abstimmung des Vorgehens mit dem behandelnden Kardiologen und Nephrologen erfolgen.
Starker Konsens
3.2.4 Empfehlungen zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil bestimmter endoskopischer Eingriffe
Diagnostische Endoskopie mit Biopsie
Empfehlung
Bei Durchführung einer diagnostischen Endoskopie mit Zangenbiopsie soll unabhängig vom thrombembolischen Risiko des Patienten keine Pausierung von TAH oder Antikoagulantien erfolgen. Bei Einnahme von Vitamin K-Antagonisten soll die INR nicht oberhalb der Grenze des therapeutischen Bereiches liegen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine prospektive vergleichende Studie untersuchte die gastrale Blutungszeit nach Zangenbiopsie unter ASS Einnahme für 24 Stunden, für 2 Wochen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne ASS Einnahme [201] ohne Unterschied zwischen den Gruppen. Unter ASS konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe in einer prospektiven Studie zwar eine signifikante Verlängerung der Blutungszeit im Kolon nachgewiesen werden, allerdings ohne klinisch relevante Komplikationen [202]. Eine prospektive Studie zur Zangenbiopsie im Duodenum und Magen unter entweder ASS 80 mg oder Clopidogrel 75 mg ohne PPI Einnahme an 90 Patienten ergab keine erhöhte Rate an klinisch relevanten Nachblutungen [203], wobei 50 % der Zangenbiopsien bis in die Submukosa reichten. Eine prospektive Studie zur Ösophagogastroskopie und Kolonoskopie mit Biopsie unter TAH und oraler Antikoagulation (50 % Einfach-, 50 % Mehrfachantikoagulation; 38 % Warfarin) zeigte keine relevanten Blutungsereignisse akut und im Beobachtungszeitraum von 14 Tagen nach dem Eingriff [204]. Die endoskopische Blutungszeit unterschied sich nicht zwischen Patienten mit Einfach- und Mehrfachantikoagulation oder zwischen Warfarin oder TAH. Entsprechend den aktuellen Leitlinien der BSG, ASGE und ESGE kann daher keine Pausierung von ASS, ADP-Antagonisten oder oralen Antikoagulantien bei endoskopischen Untersuchung mit niedrigem Blutungsrisiko, wie einer ÖGD oder Koloskopie mit Biopsien sowie einer diagnostischen Endosonografie ohne FNA empfohlen werden.
EUS-FNA solider/zystischer Läsionen
Empfehlung
Für eine diagnostische EUS-FNA solider Läsionen soll ASS nicht pausiert werden. Aufgrund fehlender Daten zu ADP-Rezeptorantagonisten sollten diese pausiert bzw. bei erhöhtem thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden.
Für die Punktion zystischer Läsionen sollen ADP-Antagonisten pausiert werden. ASS sollte pausiert werden, wenn es das thrombembolische Risiko des Patienten erlaubt.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollen entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine prospektive Studie zur EUS-FNA an 241 Patienten mit soliden oder zystischen Läsionen oder Aszites konnte kein erhöhtes Blutungsrisiko unter ASS oder NSAR im Vergleich zur Kontrollgruppe nachweisen [197]. Dagegen zeigte sich ein leicht erhöhtes Blutungsrisiko unter Beibehaltung von niedermolekularem Heparin. Zum Blutungsrisiko unter ADP-Antagonisten existieren bisher keine Daten. Vor EUS-FNA wird daher empfohlen ADP-Antagonisten zu pausieren. ASS sollte bei der Punktion einer zystischen Läsion wegen des auch ohne Antikoagulation hier beschriebenen erhöhten Blutungsriko [130]
[132] pausiert werden [131], wenn es das thrombembolische Risiko zulässt. Zum Blutungsrisiko unter oralen Antikoagulantien existieren bisher keine Daten. Es wird daher empfohlen, diese entsprechend der Vorgaben zu pausieren.
Therapeutische EUS-gesteuerte Zystendrainagen sind Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko. Daten zum Blutungsrisiko unter TAH und oralen Antikoagulantien liegen nicht vor. Die Empfehlungen entsprechen denen der EUS-FNA zystischer Läsionen. Hier ist auch die Dringlichkeit der Drainage bei z. B. septischem Abszess zu berücksichtigen.
Polypektomie von Kolonpolypen
Empfehlung
Für eine Polypektomie von Kolonpolypen jeder Größe soll ASS nicht pausiert werden.
Bei Abtragung von Kolonpolypen > 10 mm sollten ADP-Rezeptorantagonisten pausiert werden. Ist dies bei hohem thrombembolischem Risiko nicht möglich sollte eine prophylaktische endoskopische Blutstillung erfolgen.
Zur Abtragung von Kolonpolypen sollten niedermolekulares Heparin und Vitamin K-Antagonisten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Polypen bis 5 mm können unter Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten mit einer nachfolgend endoskopischen Blutungsprophylaxe abgetragen werden, die INR sollte in diesen Fällen nicht über dem therapeutischen Bereich liegen.
Starker Konsens
Kommentar
Der Einfluss von ASS auf die Blutungsraten nach Polypektomie im Kolon wurde in multiplen Fallkontrollstudien an insgesamt 30 000 Patienten untersucht. Mit der Einschränkung unterschiedlicher Studiendesigns konnte in keiner Studie eine erhöhte Blutungsneigung unter ASS nachgewiesen werden [131].
Eine ältere retrospektive Analyse zu Polypektomien unter Clopidogrel zeigte in 5 % sofortige und in bis zu 2 % der Fälle verspätete Blutungen. Sofortblutungen wurden erfolgreich mit endoskopischen Hämoclips behandelt [205]. Neuere allerdings ebenfalls retrospektive Arbeiten konnten den Trend zu einer erhöhten Rate an frühen bzw. intraprozeduralen Blutungen nicht mehr bestätigen ([Tab. 19]).
Tab. 19
Polypektomie von Kolonpolypen unter Antikoagulation.
Autor
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Design
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Blutungskomplikation
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Friedland et al.
Gastroenterol Res 2009
[210]
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Clopidogrel 60 Pat (125 PP)
retrospektiv
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intraproc. Blutung: 5 %, CI 1,7 – 14 % (Clip)
postproc. Blutung: 1,7 %, CI 0,3 – 8,9 % (selbstlim.)
|
Singh et al.
GI End 2010 [206]
|
Clopidogrel 142 Pat (375 PP) vs. Kontrollen 1243 Pat (3226 PP)
retrospektiv
|
intraproc. Blutung: 2,1 % vs. 2,1 %
postproc. Blutung: 2,1 % vs. 0,4 % (p = 0,02)
Risikofaktoren:
Kombi mit ASS: OR 3,7 (95 % CI 1,6 – 8,5)
Polypenanzahl: OR 1,3 (95 % CI 1,2 – 1,4)
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Feagins et al.
Dig Dis Sci 2011 [207]
|
Clopidogrel 118 Pat (360 PP) vs. Kontrolle 1849 Pat. (5671 PP)
retrospektiv
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0,8 % vs. 0,3 %, p = 0,37
(OR = 2,63, 95 % CI 0,31 – 22)
Matched Analyse: 0,9 % vs. 0 %, p = 0,99
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Gandhi et al.
Aliment Pharm Ther 2013
[208]
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Clopidogrel 574 Pat. vs. Kontrolle 6169 Pat.
Metaanalyse
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intraproc. Blutung: RR 1,76
(95 % CI 1,6 – 8,5; p = 0,10)
postproc. Blutung: RR 4,66
(95 % CI 2,37 – 9,17, p < 0,00 001)
|
Friedland et al.
Wolrd J Gastro 2009 [205]
|
Warfarin bis 36 h vor Koloskopie + Hämoclip Proph.
123 Pat (205 PP)
retrospektiv
|
schwere Blutung (n = 1): 0,8 %
(95 % CI 0,1 – 4,5 %)
selbstlimitierend (n = 2): 1,6 %
(95 % CI 0,5 – 5,7 %)
mittl. Polypengröße 5,1 mm ± 2,1
|
Horiuchi et al.
GI End 2014 [209]
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Warfarin bei 70 Patienten (159 PP)
Konvent. Schlinge (n 35) vs. Kaltschlinge (n 35)
RCT
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intraproc. Blutung: 23 % vs. 5,7 % (p = ns)
postproc. Blutung: 14 % vs. 0 % (p = 0,027)
mittl. Polypengröße 6,5 – 6,7 mm
|
Es gibt zwei größere retrospektive Vergleichsstudien zur Frage der Polypektomie unter Clopidogrel im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv und eine Metaanalyse [206]
[207]
[208]. Eine Arbeit zum Vergleich von Clopidogrel an 118 Patienten (360 PP) wies gar keine erhöhte Blutungsneigung unter Clopidogrel-Monotherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe von 1849 Patienten (5671 PP) nach [207]. Die beiden anderen zeigten kein sgnifikant erhöhtes Risiko für intraprozedurale Blutungen bei erhöhtem Risiko für späte Nachblutungen. Der Vergleich von 142 Patienten [206] zeigte in 2,1 % postprozedurale Blutungen (2,1 vs. 0,4 %, p = 0,02). Hier wurden eine duale TAH mit ASS und Clopidogrel und die Anzahl der entfernten Polypen als Risikofaktoren analysiert [206]. Die aktuelle Metaanalayse [208] an 574 Patienten mit Polypektomie unter Clopidogrel analysiserte ein 4,6fach erhöhte Risiko für postprozedurale Blutungen (RR 4,66, 95 % CI 2,37 – 9,17, p < 0,00 001).
Die ESGE-Leitlinie [131] empfiehlt ein Pausieren von Clopidogrel vor endoskopischer Polypektomie bei Polypen > 1 cm. (Kapitel 3.2.2 [Tab. 13]). Ist dies bei hohem thrombembolischen Risiko nicht möglich, sollte eine Blutungsprophylaxe mittels Unterspritzung mit verdünnter Suprareninlösung, Endoloop oder Hämoclipping erfolgen. Einschränkend erscheint die prophylaktische Anwendung von Blutstillungsverfahren nach Polypektomie nach den aktuellen Daten eine späte Postpolypektomieblutung nicht sicher vermeiden zu können Strukturierte Daten zu Risikopatienten z. B. unter Medikation mit Gerinnungshemmern oder bei Vorliegen von Gerinnungsstörungen liegen nicht vor.
(Siehe auch Kapitel 4.4 Therapie/Prophylaxe nicht variköse Blutung).
Eine retrospektive Analyse [205] zeigte ein nur geringes Blutungsrisiko für die Polypektomie von Kolonpolypen bis zu einer mittleren Größe von 5,1 ± 2,2 mm unter Antikoagulation mit Warfarin mit der letzten Einnahme 36 Stunden vor der Intervention. Bei allen Patienten erfolgte ein prophylaktisches Hämoclipping der Abtragungstelle. Ein aktueller RCT [209] untersuchte die Kaltschlingenabtragung im Vergleich zur konventionellen Schlingenabtragung bis zu einer Polypengröße von 10 mm bei 70 Patienten unter Antikoagulation mit Warfarin. Die Rate an intraprozeduralen Blutungen unterschied sich nicht, die Rate an postprozeduralen Blutung bis zu 5 Tage nach dem Eingriff (HB-2 g/dl) lag in der Gruppe mit konventioneller Schlingenabtragung signifikant höher (0 vs. 14 %). Alle Blutungen konnten endoskopisch therapiert werden. In Anlehnung an die Empfehlungen der Fachgesellschaften [166]
[196] erscheint eine Niedrigrisikoendoskopie mit Zangen-PE und die Schlingenabtragung kleinerer Polypen unter Vitamin K-Antagonisten vertretbar, wenn die INR nicht über dem therapeutischen Bereich liegt. Zur Abtragung größerer Polypen oder Polypen in Risikolokalisationen unter Vitamin K-Antagonisten liegen keine Daten vor, daher wird hier ein Absetzten vor der Intervention empfohlen.
EMR/ESD
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko.
ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zu EMR oder ESD unter TAH oder anderer Antikoagulation liegt bisher keine ausreichende Evidenz vor. Das Blutungsrisiko nach EMR und ESD ist auch ohne Antikoagulation erhöht. Eine große retrospektive Fallkontrollstudie zur EMR [211] zeigte frühe Blutungen in 5,3 % und späte Blutungen in 3,1 %. In der multivariate Analyse waren die EMR von Ösophagusläsionen und die zunehmende Läsionsgröße mit einem erhöhten Blutungsrisiko behaftet.
Eine multivariate Analyse [212] wies ein erhöhtes Blutungsrisiko nach ESD für TAH und NSAR nach (OR 2,80; 95 % CI: 1,14 – 6,90, p = 0,039), wobei ASS 3 Tage und Ticlopidin 5 Tage vor dem Eingriff abgesetzt wurde. Eine aktuelle Fallkontrollstudie zur ESD [213]
ohne ASS (439) vs. ASS Pause für 7 Tage (56) im Vergleich zur fortgesetzten ASS Einnahme (19) ergab eine signifikant erhöhte Blutungsrate in der Gruppe mit fortgesetzter ASS Einnahme 21 % (4/19) vs. Ø ASS 3,4 % (15/439)(p = 0,006) vs. ASS Pause 3,6 % (2/56) (p = 0,033).
Das relative Risiko war bei Einnahme von ASS (RR 4,49; 95 % CI 1,09 – 18,38) bzw. Clopidogrel + ASS (RR 26,71, 95 % CI 7,09 – 100,53) deutlich erhöht. Keine der Blutungskomplikationen war letal.
Da das Blutungsrisiko nach EMR und ESD auch ohne Antikoagulation erhöht ist, wird eine generelle Fortführung der dualen TAH bzw. der oralen Antikoagulation nicht empfohlen [131].
Bei erhöhtem Thromembolierisiko und nicht verschiebbarem Eingriff sollte dennoch eine differenzierte Betrachtung erfolgen
: Eine retrospektive Fallserie untersuchte 1716 Ösophagus EMR bei 798 Patienten. Bei Einnahme von Clopidogrel erfolgte eine Pause 7 Tage vor bis 2 Tage nach EMR [214]. Bezüglich der Blutungssereignisse trat kein Unterschied zwischen den Patienten mit Clopidogrel-Pause und den Patienten ohne Antikoagulation auf (0 vs. 1,1 % (ns), allerdings war die Rate für ein erneutes Thromboembolieereignis in der Clopidogrelgruppe signifikant erhöht ↑: 6,3 vs. 0,1 % (p = 0,03). Bei erhöhtem Thromboembilierisiko empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Kardiologen bzw. Gerinnungsspezialisten. Ggf kann der Eingriff unter doppelter TAH und intensivierter Aufklärung und Nachüberwachung durchgeführt werden oder aber unter einem Bridging mit Niedermolekularem Heparin.
Endoskopische biliäre oder pankreatische Sphinkterotomie
Empfehlung
Für eine ERCP mit Sphinkterotomie soll ASS nicht pausiert werden. ADP-Rezeptorantagonisten sollten pausiert bzw. bei erhöhtem thromboembolischem Risiko auf ASS umgestellt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die vorliegenden retrospektiven und prospektiven Daten zu endoskopischer Sphinkterotomie unter ASS zeigen kein erhöhtes Blutungsrisiko [149]
[215]
[216]. Die Therapie mit ASS kann daher bei der reinen Sphinkterotomie und der Verwendung von Mischstrom fortgesetzt werden. Eine kleine Fallserie zu EST unter doppelter TAH zeigte keine erhöhte Blutungsrate [217]. Bei geringer Datenlage wird ein Pausieren der ADP-Rezeptoranatagonisten dennoch empfohlen.
Die Kombination von Sphinkterotomie und großlumiger transpapillärer Ballondilatation zur Konkremententfernung gilt aufgrund einer erhöhten Blutungsrate als Eingriff mit höherem Blutungsrisiko (Kap 3.2.2) Die Ballondilatation mit einem kleineren Volumen (6 – 10 mm) stellt eine mögliche Alternative dar. Diese zeigte im einem randomisiert-prospektiven Vergleich zur EPT [152] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate in der Ballongruppe ohne Blutung bei gleicher Pankreatitisrate (siehe Kap. 3.2.2).
Daher lautet die Empfehlung ADP-Rezeptorantagonisten zu pausieren bzw. alternative Vorgehensweisen wie die mechanische Lithothrypsie oder die passagere Einlage einer Gallengangsendoprothese ohne Sphinkterotomie in Erwägung zu ziehen. Im Falle einer dringlichen Indikation bei erhöhtem Thrombembolierisiko kann unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko auch eine ERCP mit kleiner EPT oder kleinvolumiger Ballondilatation unter ADP-Rezeptorantagonisten erfolgen. Dies praktisch orientierte Vorgehen wird nach einer aktuellen Umfrage unter endoskopisch tätigen Gastroenterolgen angewandt [218].
Endoskopische Stenosebehandlung: Dilatation/Bougierung/Stenting
Empfehlung
Ballondilatation, Bougierung sowie Stenting im GI-Trakt können unter ASS erfolgen.
Für eine Ballondilatation oder Bougierung sollten ADP-Rezeptorantagonisten pausiert bzw. bei erhöhtem thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden. Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es existieren keine Daten zum Blutungsrisiko einer Dilatationsbehandlung oder Stentimplantation unter TAH oder oralen Antikoagulantien. Die Therapie mit ASS kann zur Dilatation von Stenosen im Gastrointestinaltrakt oder zur Einlage eines Enteralstents aufgrund des generell geringen Blutungsrisikos beibehalten werden. Angelehnt an die Einschätzung der Bougierung und Ballondilatation als Eingriff mit höherem Risiko sollten ADP-Rezeptor Antagonisten unter Abwägung des thrombembolischen Risikos des Patienten pausiert werden. Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden
PEG
Empfehlung
Für eine PEG-Anlage soll ASS nicht pausiert werden.
ADP-Rezeptorantagonisten sollten pausiert werden. Ist dies bei hohem thromembolischem Risiko nicht möglich kann die PEG-Anlage anhand der vorliegenden Daten unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko durchgeführt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Einnahme von ASS bei PEG-Anlage zeigte in mehreren Fallkontrollstudien kein erhöhtes Blutungsrisiko. Eine retrospektive Serie konnte für eine prophylaktische Medikation mit Niedermolekularem Heparin (n = 152) vs. Therapeutische Antikoagulation (UFH, LMWH, Phenprocoumon, ASS, Clopidogrel + Kombinationen) (n = 248) und keiner Antikoagulation (50) keine Unterschiede in der Blutungshäufigkeit nachweisen [219]. Eine andere retrospektive monozentrische Studie an 990 Patienten mit 1,6 % an Post-PEG-Blutungskomplikationen ergab ebenfalls keine Korrelation zur Einnahme von Antikoagulation [220]. Eine aktuelle retrospektive Serie an 1625 Patienten [165] wies eine erhöhte Blutungsneigung unter Antikoagulantien (OR 7,26; 95 % CI, 2,23 – 23,68; p = 0,001) aber nicht unter oralen TAH (OR 4,02; 95 % CI, 1,49 – 10,87; p = 0,006) nach. Aufgrund dieser zwar retrospektiven aber großen Fallserien an Patienten mit erhöhtem thrombembolischen Risiko ist eine PEG-Anlage unter ASS vertretbar, ADP-Rezeptorantagonisten sollten unter Abwägung des thrombembolischen Risikos pausiert werden [131]
[166].
Endoskopische Varizenbehandlung
Empfehlung
Eine Ligaturtherapie von Ösophagusvarizen kann unter ASS erfolgen. ADP-Rezeptorantagonisten sollten pausiert bzw. bei erhöhtem thrombembolischen Risiko auf ASS umgestellt werden.
Niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Ligaturtherapie von Ösophagusvarizen zeigt ein 3,5 %iges Risiko für verspätete Blutungen [221], assoziiert mit einer 52 %igen Mortalität. ASS als Risikofaktor wurde in einer multivariaten Analyse ausgeschlossen bei einschränkend kleiner Fallzahl der ASS-Gruppe. Die Beibehaltung von ASS wird daher empfohlen, ADP-Rezeptorantagonisten sollten aufgrund fehlender Daten zum Blutungsrisiko vor endoskopischer Varizentherapie pausiert werden. Als unabhängige Risikofaktoren für Rezidivblutungen wurden in dieser Fallserie [221] eine Varizenblutung in der Anamnese, eine eingeschränkte Lebersyntheseleistung ausgedrückt durch einen erhöhten APRI-Score sowie eine verlängerte Prothrombinzeit ermittelt. Andere Arbeiten korrelierten das Rezidivblutungsrisiko mit dem Vorliegen eines Child-Pugh-C-Stadiums [222].
Die Antikoagulation mit LMWH nach erfolgter Hämostase bei Varizenblutung und Pfortaderthrombose ging in einer kleinen Serie [223] nicht mit einer erhöhten Rate an Blutungskomplikationen einher, daher erscheint eine Pausierung von niedermolekularen Heparinen in prophylaktischer Dosierung 12 Stunden vor dem Eingriff ausreichend.
Thermoablative Verfahren: Argonplasmakoagulation; Radiofrequenzablation Empfehlung
Thermoablative Verfahren können unter ASS erfolgen, ADP-Rezeptorantagonisten sollten bei geringem thrombembolischem Risiko pausiert bzw. auf ASS umgestellt werden.
Vitamin K-Antagonisten, niedermolekulares Heparin und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Anwendung von Thermoablativen Verfahren unter Antikoagulation existieren keine größeren pro- oder retrospektiven Daten. Thermoablative Verfahren werden zum Teil zur Blutungstherapie eingesetzt, hier stützt sich die Empfehlung auf die Einschätzung der Verfahren als Niedrigrisikoeingriff mit Beibehaltung der Antikoagulation.
Unter RFA der Barrett-Neoplasie traten in einer aktuellen Studie [224] zum prospektiven Vergleich von EMR + RFA versus RFA bei insgesamt 169 Patienten pro Gruppe je 2 Blutungskomplikationen auf und eine Serie von 667 RFA-Therapien bei 244 Patienten ermittelte Blutungskomplikationen nach RFA (zirkulär oder fokal) von 0,8 % (n = 2) [172]. Da Daten zum Blutungsrisiko unter ADP-Antagonisten fehlen sollten diese ebenso wie Vitamin K-Antagonisten oder direkt orale Antikoagulatien vor dem Eingriff pausiert werden.
PTC/PTCD
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko.
ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Konsens
Kommentar
Die PTC und insbesondere die PTCD zählen zu den Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko. Die Empfehlungen beziehen sich hier auf die Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie [179]. Hier wird eine präinterventionelle Pausierung von ASS und/ oder Clopidogrel für 5 Tage für Prozeduren mit signifikant erhöhtem Blutungsrisiko insbesondere für biliäre Interventionen empfohlen. Darüber hinaus eine Korrektur der INR < 1,5, eine Heparinunterbrechung bei aPTT-Werten > 1,5fach der Norm, eine Unterbrechung von fraktioniertem Heparin für 24 Stunden bzw. 2 Dosierungen und eine Thrombozytentransfusion bei Werten < 50 000. Das Vorgehen bei hohem thrombembolischem Risiko wird hier allerdings nicht subspezifiziert, daher wurde die Möglichkeit zur Fortführung von ASS in dieser Situation in Anlehnung an die Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie zum perioperativen Management antithrombotischer Therapie getroffen. Daten zur PTCD unter Antikoagulation liegen nicht vor [194].
Diagnostische Laparoskopie
Empfehlung
Bei hohem thrombembolischen Risiko kann der Eingriff unter ASS-Monotherapie erfolgen unter Aufklärung über ein erhöhtes Blutungsrisiko. ADP-Rezeptorantagonisten, niedermolekulares Heparin, Vitamin K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulantien sollten entsprechend der Vorgaben pausiert werden.
Konsens
Kommentar
In einer retrospektiven multizentrischen Analyse [225], die 15 181 bildgebend gestützte perkutane Nadelbiopsien diverser Organe einschloss (darunter Leberbiopsien), war das Blutungsrisiko unabhängig vom Zielorgan in der Gruppe mit ASS-Einnahme innerhalb der letzten 10 Tage vor Biopsie (n = 3195) ohne statistisch signifikanten Unterschied zur Gruppe ohne ASS ([n = 11 986] 0,6 vs. 0,4 %; p = 0,34). Zur diagnostischen Laparoskopie mit Organbiopsie unter Thrombozytenaggregationshemmung liegt nur ein Fallbericht ohne Blutungskomplikationen vor [226]. Dahingegen beschreiben Fallserien zu laparoskopischen Resektionen wie Cholecystektomie, Darmresektion und Prostatektomie unter Thromobozytenaggregationshemmung (meist ASS) keine erhöhte Komplikationsrate [227]
[228]
[229]. In Anlehnung an die chirurgischen Daten ist die Durchführung unter ASS vertretbar, eine Einschätzung des Thrombemolierisikos sollte vor Absetzten der TAH erfolgen [194].
3.2.5. Empfehlung zum Vorgehen bei Patienten mit angeborener oder erworbener nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung
Einleitung: In der Literatur finden sich nur wenige systematische Beobachtungs- und keine kontrollierten Interventionsstudien, die sich im Rahmen endoskopischer Eingriffe spezifisch mit dem hämostaseologischen Vorgehen bei Patienten mit angeborener Blutungsneigung beschäftigen [230]
[231]
[232]. Aus diesem Grund orientieren sich die nachfolgenden Empfehlungen vorrangig an den Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten aus dem Jahr 2008 [233], in denen für Patienten mit Hämophilie oder Von-Willebrand-Syndrom das allgemeine Vorgehen zur Blutungsprophylaxe und -therapie bei invasiven oder operativen Eingriffen geregelt ist, der Leitlinie der World Federation of Hemophilia [234] sowie an der an den meisten hämostaseologischen Zentren gängigen klinischen Praxis (good clinical practice). Hieraus folgt, dass die im Anschluss formulierten Empfehlungen, die sich ausschließlich auf erwachsene Patienten beziehen, nur bedingt dem Anspruch einer evidenzbasierten Leitlinie gerecht werden können und vorrangig Expertenmeinungen entsprechen.
Empfehlung
Vor planbaren endoskopischen Eingriffen bei Patienten mit angeborener oder erworbener nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung sollten die konkreten Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe und -therapie in Rücksprache mit einem in der Behandlung von Hämostasestörungen erfahrenen Zentrum unter Berücksichtigung des spezifischen Risikos individuell festgelegt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Im Folgenden werden Empfehlungen zu den wesentlichen angeborenen und erworbenen Gerinnungsstörungen gegeben, im Einzelfall ist eine Rücksprache zur konkreten Maßnahmen mit einem entsprechend erfahrenen Zentrum dennoch unerlässlich.
Von-Willebrand-Syndrom (VWS)
Einleitung: Das Von-Willebrand-Syndrom (VWS) ist die häufigste angeborene Hämostasestörung. Laboranalytisch kann das VWS bei 1 – 2 % der Bevölkerung nachgewiesen werden. Gemessen an der klinischen Symptomatik ist die Prävalenz jedoch deutlich geringer (1:3000 bis 1:10 000). Die Erkrankung wird autosomal dominant oder rezessiv vererbt und betrifft daher sowohl Männer als auch Frauen (sog. Pseudohämophilie). Das VWS beruht auf einem quantitativen und/oder qualitativen Defekt des Von-Willebrand-Faktors (VWF), der die Adhäsion der Thrombozyten an die verletzte Gefäßwand vermittelt. Somit resultiert das VWS vorrangig in einer Störung der primären Hämostase. In selteneren Fällen ist auch die plasmatische Gerinnung betroffen, da der VWF als Transportprotein für den Faktor VIII fungiert und somit dessen Verweildauer in der Blutzirkulation verlängert. Die Blutungsneigung hängt vom Typ und Schweregrad des VWS ab und ist interindividuell sehr variabel. Auch intraindividuell ist über die Zeit eine Zu- oder Abnahme der Blutungsneigung möglich. Aus diesem Grund können vor planbaren endoskopischen Eingriffen eine kurzfristige Kontrolle der relevanten Laborparameter (Thrombozytenzahl, aktivierte partielle Thromboplastinzeit, Faktor VIII-Aktivität, VWF-Antigen und VWF-Aktivität sowie Blutungszeit oder PFA-100®) und eine standardisierte Erhebung der aktuellen Blutungsanamnese, z. B. mit dem MCMDM1-VWD-Blutungsscore [235], sinnvolle Informationen liefern.
Die moderne Klassifikation unterteilt das VWS in 3 Typen [236].
VWS Typ 1
Der Typ 1 umfasst 60 – 80 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein partieller quantitativer Mangel an VWF und Faktor VIII vor (5 – 40 % Restaktivität). Die Blutungssymptomatik ist in den meisten Fällen gering ausgeprägt.
Empfehlung
Standardmedikament in der Blutungsprophylaxe und -therapie beim VWS Typ 1 soll 1-Desamino-8-D-Arginin-Vasopressin (DDAVP) sein.
Starker Konsens
Kommentar
DDAVP (Desmopressin) ist ein synthetisches Vasopressinanalogon, das über spezifische V2-Rezeptoren die Freisetzung des VWF aus dem Gefäßendothel induziert. Gleichzeitig kommt es zum Anstieg der Faktor VIII-Konzentration. DDAVP sollte 60 – 90 Minuten vor dem Eingriff entweder als Kurzinfusion (z. B. Minirin® parenteral) in einer Dosierung von 0,3 µg/kg Körpergewicht über 30 Minuten (etwa ¾ Ampulle von jeweils 4 µg pro 10 kg Körpergewicht in 50 – 100 ml NaCl 0,9 %) oder als Nasenspray (Octostim®) in einer Dosierung von 1 Sprühstoß pro Nasenloch (Gesamtdosis 300 µg) verabreicht werden. Etwa 30 – 60 Minuten nach DDAVP-Gabe ist mit einem 2 – 4fachen Anstieg des VWF zu rechnen; die Wirkdauer beträgt 6 – 8 Stunden [237]
[238]
[239]. Bei Bedarf kann die Anwendung von DDAVP nach 12 – 24 Stunden wiederholt werden. Nach 3 – 4 Dosierungen ist die Wirkung erschöpft (Tachyphylaxie). Wichtigste Nebenwirkungen sind Kreislaufdysregulation, Wasserretention und Hyponatriämie. Aus diesem Grund sind bei wiederholter Anwendung von DDAVP sowohl Elektrolytkontrollen als auch eine Flüssigkeitsrestriktion zu empfehlen. Ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen ist nicht eindeutig gesichert. Trotzdem sollte DDAVP bei älteren Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren und bei Patienten mit fortgeschrittener Herzerkrankung oder Niereninsuffizient mit Vorsicht angewandt werden. Nach Möglichkeit sind Wirkung und Nebenwirkung von DDAVP vor Erstanwendung durch einen entsprechenden Belastungstest zu überprüfen [239].
Empfehlung
Zusätzlich zu DDAVP kann bei Eingriffen im Schleimhautbereich das Antifibrinolytikum Tranexamsäure zur Anwendung kommen
Starker Konsens
Kommentar
Etablierte Dosierungen für Tranexamsäure (z. B. Cyklokapron®) beim VWS sind drei- bis viermal täglich 10 – 15 mg/kg Körpergewicht per os [239]. Die zusätzliche Einnahme von Tranexamsäure ist sinnvoll, da Schleimhäute generell eine hohe fibrinolytische Aktivität aufweisen und DDAVP eine zusätzliche Freisetzung von tPA (Gewebeplasminogenaktivator) aus dem Gefäßendothel induziert. Bei oraler Anwendung hat sich die Einnahme ab dem Vorabend des Eingriffs bewährt. Alternativ kann die Erstgabe intravenös unmittelbar vor dem Eingriff erfolgen (10 mg/kg Körpergewicht). Die Dauer der Anwendung richtet sich nach dem spezifischen Blutungsrisiko und sollte bis zum weitgehenden Abschluss der Wundheilung erfolgen (in der Regel über 3 – 7 Tage). Bei einigen Patienten mit mildem VWS Typ 1 kann bei endoskopischen Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko der alleinige Einsatz von Tranexamsäure gerechtfertigt sein [232]. Spezifische Empfehlungen zu den unterschiedlichen Dosierungsschemata sind der Packungsbeilage zu entnehmen.
Nur in begründeten Ausnahmefällen, z. B. bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit von DDAVP, ist bei Patienten mit VWS Typ 1 die Substitution eines VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrates in einer initialen Dosierung von 30 – 60 IE/kg Körpergewicht indiziert [239]
[240]. Bei Eingriffen mit einem entsprechend hohen Blutungsrisiko sollte für den Bedarfsfall ein geeignetes Faktorkonzentrat bereitgehalten werden. Als zugelassene Präparate stehen die plasmatischen Faktorkonzentrate Haemate® P, Voncento®, Wilate® und Willfact® zur Verfügung, wobei Letzteres als fast reines VWF-Konzentrat keinen nennenswerten Faktor VIII-Anteil enthält. In Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik ist die Substitution nach 12 – 24 Stunden zu wiederholen. Bezüglich der patienten- und produktbezogenen Chargendokumentationspflicht gelten die Bestimmungen gemäß § 14 des Transfusionsgesetzes.
VWS Typ 2
Der Typ 2 umfasst 10 – 30 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein qualitativer, struktureller Defekt des VWF vor. Der Typ 2 hat die größte Variabilität in der klinischen Ausprägung. Abhängig davon, welche Funktion des VWF gestört ist, wird der Typ 2 in die folgenden Subtypen unterteilt:
Empfehlung
Die meisten Patienten mit VWS Typ 2 sollten zur Blutungsprophylaxe und -therapie ein VWF-haltiges (Faktor VIII-)Konzentrat erhalten.
Starker Konsens
Kommentar
Das Faktorkonzentrat soll 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff verabreicht werden. Bei bekanntem Ansprechen und ausreichender Dosierung kann nach der Substitution auf eine Spiegelkontrolle des VWF verzichtet werden. Beim Typ 2N sollte im akuten Blutungsfall kein reines VWF-Konzentrat eingesetzt werden, da es hierunter nur mit Verzögerung zum Anstieg der Faktor VIII-Aktivität kommt. In einigen Fällen, insbesondere bei Patienten mit VWS Typ 2A und Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko, kann die alleinige Anwendung von DDAVP ausreichend sein. DDAVP sollte bei Patienten mit VWS Typ 2B, die häufig eine Thrombozytopenie aufweisen, nicht zur Anwendung kommen, da die DDAVP-induzierte Freisetzung des hyperaktiven VWF zu einem weiteren Abfall der peripheren Thrombozytenzahlen führen kann. Aus diesem Grund ist DDAVP beim VWS Typ 2B relativ kontraindiziert. Diese Patienten sollten primär mit einem VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrat behandelt werden [239]
[240]. Die Indikation zur Thrombozytentransfusion ist individuell zu überprüfen. Supportiv sollte bei Patienten mit VWS Typ 2 Tranexamsäure zur Anwendung kommen.
VWS Typ 3
Der Typ 3 umfasst 1 – 5 % aller Patienten mit VWS. Es liegt ein (vollständiger) quantitativer Mangel an VWF (< 1 % Restaktivität) und Faktor VIII (1 – 10 % Restaktivität) vor. Die Patienten haben eine schwere Blutungssymptomatik und bedürfen häufig einer dauerhaften medikamentösen Blutungsprophylaxe.
Empfehlung
Die Blutungsprophylaxe vor endoskopischen Eingriffen soll beim VWS Typ 3 mit einem VWF-haltigen (Faktor VIII-)Konzentrat erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Wenn ein reines VWF-Konzentrat zur Anwendung kommt, soll die Substitution 12 – 24 Stunden vor dem Eingriff begonnen werden, um eine ausreichende endogene Faktor VIII-Konzentration zu gewährleisten. DDAVP ist beim VWS Typ 3 nicht wirksam und soll daher nicht zur Anwendung kommen [239]
[240]. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure kann empfohlen werden.
Erworbenes Von-Willebrand-Syndrom (AVWS)
Empfehlung
Bei Patienten mit AVWS sollen vor endoskopischen Eingriffen die Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe und -therapie unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung individuell festgelegt werden.
Starker Konsens
Kommentar. Das AVWS ist eine zwar seltene, aber potenziell unterdiagnostizierte erworbene Blutungsneigung [241]
[242]. Es kann aus verschiedenen kardiovaskulären, myelo- und lymphoproliferativen, Autoimmun- und soliden Tumorerkrankungen resultieren. Pathophysiologisch spielen ein gesteigerter proteolytischer Abbau, eine vermehrte zelluläre Adsorption und/oder eine antikörpervermittelte Funktionsstörung oder verkürzte Halbwertszeit des VWF eine Rolle [241]
[242]. Auch eine verminderte Synthese (z. B. bei Hypothyreose) wird diskutiert. Die Blutungsneigung ist hochgradig variabel. Es ist kein Labortest verfügbar, der allein zur Diagnose oder zum Ausschluss eines AVWS geeignet ist. Der Einsatz der pharmakologischen Maßnahmen richtet sich daher nach dem Mechanismus, der dem AVWS zugrunde liegt. So profitieren Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) in der Regel von der hochdosierten Gabe intravenöser Immunoglobuline (z. B. 1 g/kg Körpergewicht an zwei aufeinander folgenden Tagen). Insbesondere Patienten, bei denen das AVWS Folge einer kardiovaskulären Grunderkrankung ist (z. B. hochgradige Aortenklappenstenose), haben nicht nur ein erhöhtes Blutungs-, sondern auch ein gesteigertes Thromboembolierisiko. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung besonders wichtig. Wenn eine Behandlung der Grunderkrankung nicht möglich ist und der endoskopische Eingriff nicht aufgeschoben werden kann, sollten bei entsprechend hohem Blutungsrisiko und in Abhängigkeit vom jeweiligen Pathomechanismus des AVWS sämtliche zuvor genannten pharmakologischen Maßnahmen zur Anwendung kommen.
Hämophilie A und B
Empfehlung
Vor planbaren endoskopischen Eingriffen sollten die konkreten Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe und -therapie mit dem behandelnden Hämophiliezentrum abgesprochen und schriftlich festgehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die angeborene Hämophilie ist eine X-chromosomal vererbte Blutungsneigung, die durch einen Mangel an Faktor VIII (Hämophilie A) oder Faktor IX (Hämophilie B) gekennzeichnet ist. Es erkranken überwiegend Männer. Die Inzidenz beträgt 1:5000 neugeborene Jungen für die Hämophilie A und 1:25 000 bis 1:30 000 neugeborene Jungen für die Hämophilie B. Nach der Faktorrestaktivität wird die Hämophilie in eine schwere (< 1 %), mittelschwere (1 – 5 %) und milde Verlaufsform (> 5 %) eingeteilt. Spontane Blutungen sind bei Patienten mit milder Hämophilie selten. Dagegen benötigen Patienten mit schwerer Hämophilie meist einer dauerhaften medikamentösen Blutungsprophylaxe. Vor elektiven Eingriffen können eine kurzfristige Kontrolle der Faktorrestaktivität und der Ausschluss eines Inhibitors erforderlich sein.
Hämophilie A
Empfehlung
Bei Patienten mit milder Hämophilie A sollte die Blutungsprophylaxe bei Eingriffen mit geringem Blutungsrisiko mit DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Hämophilie A-Patienten mit einer Faktor VIII-Restaktivität von > 15 – 20 % erscheinen diagnostische Endoskopien mit der Entnahme kleinerer Schleimhautbiopsien auch unter der alleinigen Anwendung von Tranexamsäure vertretbar [232]. Wirksamkeit und Verträglichkeit von DDAVP sollten zuvor durch einen entsprechenden Belastungstest dokumentiert worden sein (zur Anwendung von DDAVP und Tranexamsäure wird auf das Kapitel Von-Willebrand-Syndrom verwiesen). Bei Eingriffen mit einem entsprechend hohen Blutungsrisiko sollte ein Faktor VIII-Konzentrat für den Bedarfsfall bereitgehalten werden.
Empfehlung
Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Hämophilie A oder bei Patienten mit milder Hämophilie A, die aufgrund des Blutungsrisikos des Eingriffs oder einer schlechten Wirksamkeit oder Verträglichkeit nicht mit DDAVP behandelt werden können, soll die Blutungsprophylaxe mit einem Faktor VIII-Konzentrat erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die gewählte Dosis richtet sich nach dem Schweregrad der Hämophilie, dem Körpergewicht des Patienten und dem zu erwartenden Blutungsrisiko. Zudem sind, sofern bekannt, die individuelle Recovery und Halbwertszeit des substituierten Faktors zu berücksichtigen. Eine initiale Standarddosis ist 25 – 40 IE/kg Körpergewicht [233]
[234]
[243]. Das Konzentrat sollte 30 – 60 Minuten vor dem Eingriff als Bolusinjektion verabreicht werden. Bei bekannter Recovery und erst kürzlich erfolgtem Ausschluss eines Inhibitors erscheint nach der Substitution eine Faktor VIII-Spiegelkontrolle nicht zwingend erforderlich. Andernfalls muss durch Bestimmung der Faktor VIII-Aktivität im Plasma (FVIII:C) der Substitutionserfolg überprüft werden. Zur Verfügung stehen rekombinante und aus Plasma hergestellte Faktor VIII-Konzentrate. Bei elektiven Eingriffen sollte jeder Patient das Präparat, das bei ihm bisher zur Blutungsprophylaxe und -therapie eingesetzt worden ist, erhalten. In Abhängigkeit vom Eingriff können weitere Faktor VIII-Substitutionen in 6 – 12-stündigen Intervallen erforderlich sein. Zusätzlich sollte Tranexamsäure risikoadaptiert über 3 – 7 Tage zur Anwendung kommen. Bei Patienten mit Hämophilie A sollten endoskopische Eingriffe bevorzugt unter stationären Bedingungen erfolgen. Vor einer primär diagnostischen Untersuchung sollten die blutungsprophylaktischen Maßnahmen so gewählt werden, dass im Bedarfsfall auch größere Schleimhautbiopsien oder Polypenabtragungen möglich sind.
Hämophilie B
Empfehlung
Patienten mit Hämophilie B sollen zur Blutungsprophylaxe standardmäßig ein Faktor IX-Konzentrat erhalten, da DDAVP (Desmopressin) bei Patienten mit Hämophilie B nicht wirksam ist. Darüber hinaus sollen die gleichen Grundsätze und Empfehlungen wie bei Patienten mit Hämophilie A gelten.
Konsens
Kommentar
Im Bedarfsfall können bei Patienten mit Hämophilie B aufgrund der insgesamt längeren Halbwertszeit von Faktor IX weitere Substitutionen in 12 – 24-stündigen Intervallen erfolgen.
Hemmkörperhämophilie
Empfehlung
Patienten mit Hemmkörperhämophilie sollen zur Blutungsprophylaxe und -therapie sog. Bypass-Präparate erhalten.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Hemmkörperhämophilie liegt bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B vor, wenn diese neutralisierende Alloantikörper gegen den substituierten (exogenen) Faktor VIII oder IX entwickelt haben [244]. Das Auftreten eines Hemmkörpers wird bei 20 – 30 % der Patienten mit schwerer Hämophilie beobachtet und stellt die folgenreichste Komplikation der modernen Substitutionstherapie dar. Betroffen sind überwiegend Kinder und Jugendliche. Bei der erworbenen Hämophilie handelt es sich um eine im höheren Erwachsenenalter auftretende Autoimmunerkrankung, die in den allermeisten Fällen gegen den eigenen (endogenen) Faktor VIII gerichtet ist [245]. Patienten mit Hemmkörperhämophilie benötigen zur Blutungsprophylaxe und -therapie sog. Bypass-Präparate, da selbst hochdosierte Faktor VIII- oder Faktor IX-Konzentrate aufgrund der neutralisierenden Inhibitoren nicht ausreichend wirksam sind. Zur Verfügung stehen rekombinanter aktivierter Faktor VII (NovoSeven®) in einer Dosierung von 90 µg/kg Körpergewicht alle 2 – 3 Stunden und aktiviertes Prothrombinkomplex-Konzentrat (FEIBA NF) in einer Dosierung von 50 – 100 IE/kg Körpergewicht alle 8 – 12 Stunden (maximale Tagesdosis 200 IE/kg). DDAVP ist bei Patienten mit Hemmkörperhämophilie nicht ausreichend wirksam. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure ist sinnvoll. Aufgrund der schweren Blutungsneigung, des unkalkulierbaren Erfolgs der Substitutionstherapie und der nicht vorhandenen Möglichkeit eines Labormonitoring ist die Indikation zu endoskopischen Eingriffen besonders kritisch zu stellen.
Andere angeborene Faktormangelzustände
Faktor VII-Mangel
Empfehlung
Bei einer Faktor VII-Restaktivität von > 30 % und unauffälliger Blutungsanamnese können endoskopische Eingriffe mit geringem Blutungsrisiko ohne blutungsprophylaktische Maßnahmen oder mit der alleinigen Gabe von Tranexamsäure durchgeführt werden.
Bei einer Faktor VII-Restaktivität von < 30 % oder bei auffälliger Blutungsanamnese und/oder bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko sollten zur Blutungsprophylaxe zusätzlich Gerinnungsfaktorkonzentrate verabreicht oder zumindest für den Bedarfsfall bereitgehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der symptomatische angeborene Faktor VII-Mangel ist selten und hat eine geschätzte Prävalenz von 1:500 000. Die Blutungsneigung ist sehr variabel und nur ungenügend mit der gemessenen Faktorrestaktivität korreliert [246]
[247]. Viele Patienten werden durch perioperative Blutungskomplikationen oder durch einen isoliert verminderten Quick-Wert im Rahmen einer routinemäßigen Gerinnungsdiagnostik auffällig. Frauen scheinen häufiger von einer Blutungsneigung betroffen zu sein als Männer [246]. Für den angeborenen Faktor VII-Mangel stehen zwei Gerinnungsfaktorkonzentrate zur Verfügung. Eine Dosis von 1 IE/kg Körpergewicht des plasmatisch hergestellten Faktor VII-Konzentrates Immuseven® hebt den Faktor VII-Spiegel im Plasma um 1 – 2 % an. Angestrebt werden, abhängig vom Blutungsrisiko, Faktor VII-Aktivitäten von > 30 – 50 %. Wiederholte Substitutionen können nach 6 – 8 Stunden erforderlich sein. Alternativ kann das rekombinante Konzentrat NovoSeven® in einer Dosis von 15 – 30 µg/kg Körpergewicht alle 2 – 4 Stunden zur Anwendung kommen.
Hepatische Koagulopathie
Empfehlung
Die Beurteilung des Blutungsrisikos bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung und hepatischer Koagulopathie sollte primär auf der Grundlage anamnestischer und klinischer Daten erfolgen. Ergänzend können hämostaseologische Parameter wie Blutungszeit, Thrombozytenzahl und plasmatische Gerinnungstests (Quick/INR und APTT) herangezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit Leberzirrhose haben ein erhöhtes spontanes und periinterventionelles Blutungsrisiko. Zudem sind bei den meisten Zirrhosepatienten die routinemäßig angeforderten Labortests zur Beurteilung der primären (Thrombozytenzahl und Blutungszeit) und sekundären Hämostase (Quick/INR und APTT) pathologisch verändert. Bisher konnten jedoch weder der kausale Zusammenhang zwischen normabweichenden Hämostasetests einerseits und hämorrhagischen Komplikationen andererseits noch der blutungsprophylaktische Nutzen einer Korrektur derselben belegt werden [248]
[249]
[250]. Auch eine differenziertere Gerinnungsanalyse mit Bestimmung verschiedener Einzelfaktoren (z. B. Fibrinogen, Faktor V, D-Dimere und Von-Willebrand-Faktor) scheint in der Risikostratifizierung von Zirrhosepatienten keine Vorteile zu bieten [251]. Wichtigster Grund hierfür sind die Limitationen der gegenwärtig verfügbaren Labordiagnostik.
Die plasmatischen Gerinnungstests Quick/INR und APTT werden in plättchenarmem oder -freiem Plasma durchgeführt und spiegeln ausschließlich die Konzentration der prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren wider. Da bis auf Faktor VIII sämtliche prokoagulatorische Faktoren in der Leber produziert werden, sind die Werte für Quick/INR und APTT bei Patienten mit eingeschränkter Lebersyntheseleistung typischerweise pathologisch verändert. Bei diesen Tests werden jedoch nicht Integrität und Funktion der inhibitorischen Systeme berücksichtigt, für deren Aktivität entweder endotheliales Thrombomodulin (Protein C) oder zellmembrangebundene Glykosaminoglykane wie z. B. Heparansulfat (Antithrombin) benötigt werden. Da die Inhibitoren Protein C, Protein S und Antithrombin ebenfalls hepatisch synthetisiert werden und bei chronischer Lebererkrankung in verminderter Plasmakonzentration vorliegen, ist bei Patienten mit hepatischer Koagulopathie weiterhin von einer ausbalancierten plasmatischen Gerinnung auszugehen [249]
[250]. Tatsächlich zeigen experimentelle Untersuchungen, dass bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose die gesamte Thrombingenerierung im plättchenreichen Plasma in der Gegenwart von Thrombomodulin gegenüber derjenigen von gesunden Kontrollprobanden nicht vermindert ist [252]. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei kritischer Hypo- oder Dysfibrinogenämie die Werte für Quick/INR und APTT allein messbedingt pathologisch verändert sind, und dass die im klinischen Alltag gebräuchliche Befundausgabe der Prothrombinzeit als INR-Wert zwar für die stabil eingestellte orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten, in den meisten Fällen aber nicht für die hepatische Koagulopathie validiert worden ist [248].
Auch die bei Zirrhosepatienten häufig zu beobachtende Thrombozytopenie und -pathie werden zumindest partiell durch die massive Hochregulierung des Von-Willebrand-Faktors, der unter hohen Scherkräften die Plättchenadhäsion an die verletzte Gefäßwand vermittelt, kompensiert. Aus diesem Grund kann die bei bis zu 40 % der Zirrhosepatienten verlängert gemessene Blutungszeit nicht ausreichend durch eine häufig nur moderate Thrombozytopenie und -pathie erklärt werden [249]. Entsprechend hat sich auch der klinische Nutzen einer Blutungsprophylaxe oder -therapie mit DDAVP (Desmopressin) in selektionierten Patientenkollektiven nicht bestätigt [253]
[254].
Zuletzt ist weiterhin unklar, ob bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose wirklich ein Status der Hyperfibrinolyse vorliegt, da sowohl profibrinolytische (z. B. verminderte Konzentrationen der Inhibitoren TAFI und Alpha2-Antiplasmin und erhöhte Konzentration des Aktivators tPA) als auch antifibrinolytische Veränderungen (z. B. verminderte Konzentration von Plasminogen und erhöhte Konzentration des Inhibitors PAI-1) gefunden werden [249]
[250].
Da die hepatische Koagulopathie eine komplexe und dynamische Gerinnungsstörung darstellt, und da bisher nur unzureichende Ergebnisse von systematischen Untersuchungen mit klinisch relevanten Endpunkten vorliegen, können zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die o. g. Hämostaseparameter keine validierten Grenzwerte angegeben werden, die ein erhöhtes periinterventionelles Blutungsrisiko anzeigen oder die Implementierung blutungsprophylaktischer Maßnahmen rechtfertigen.
Sehr wahrscheinlich wird das Blutungsrisiko von Zirrhosepatienten wesentlich durch andere Faktoren beeinflusst wie z. B. portale Hypertension, endotheliale Dysfunktion, Einschwemmung heparinähnlicher Substanzen im Rahmen bakterieller Infektionen oder Niereninsuffizienz, sodass neben einer gründlichen Anamnese der bestmöglichen Modifikation dieser Faktoren besondere Bedeutung zukommt [249]
[250].
Die unverändert weit verbreitete Praxis, bei Zirrhosepatienten vor elektiven Interventionen routinemäßig die o. g. Hämostaseparameter zu bestimmen und bei normabweichenden Befunden blutungsprophylaktische Maßnahmen zu ergreifen (z. B. Transfusion von Thrombozyten oder Frischplasma), ist am ehesten durch einen Mangel an robuster klinischer Evidenz zu erklären und forensischen Überlegungen geschuldet.
Anhang: Andere Faktormangelzustände
Bei Patienten mit angeborenem Faktor V-Mangel und relevanter Blutungsneigung kann die Faktor V-Aktivität im Plasma durch gefrorenes Frischplasma (GFP) angehoben werden. Der schwere angeborene Faktor V-Mangel ist mit einer geschätzten Prävalenz von 1:1000 000 sehr selten und durch einen hochgradig variablen Blutungsphänotyp gekennzeichnet. Einige Patienten mit nicht messbaren Faktor V-Konzentrationen im Plasma haben nur geringe Blutungssymptome [255]. Typisch sind Schleimhautblutungen im Magen-Darm-Trakt. Für den angeborenen Faktor V-Mangel stehen gegenwärtig keine Gerinnungsfaktorkonzentrate zur Verfügung [256]. Bei der Gabe von 1 ml/kg Körpergewicht GFP ist ein Anstieg der Faktor V-Aktivität im Plasma um 1 – 2 % zu erwarten. Die Halbwertszeit von Faktor V beträgt 12 – 15 Stunden, sodass ggf. zweimal tägliche GFP-Gaben erforderlich sind.
Bei Patienten mit angeborenem Faktor XI-Mangel und relevanter Blutungsneigung sollte die bedarfsgerechte Substitution mit GFP oder einem Faktor XI-Konzentrat erfolgen. Der schwere angeborene Faktor XI-Mangel mit einer Restaktivität von < 20 % (sog. Hämophilie C) ist in der kaukasischen Bevölkerung sehr selten (geschätzte Prävalenz 1:1000 000). Dagegen beträgt die Häufigkeit des partiellen Mangelzustands bei Ashkenazi-Juden etwa 8 %. Die Blutungsneigung ist nur ungenügend mit der Faktor XI-Restaktivität im Plasma korreliert [257]. Selbst bei heterozygoten Anlageträgern mit Faktor XI-Aktivitäten von 30 – 50 % können insbesondere bei Verletzungen oder Operationen Blutungen auftreten. Aufgrund der langen Halbwertszeit von 60 – 80 Stunden sind Substitutionen in der Regel nur alle 1 – 2 Tage erforderlich.
Bei Patienten mit angeborenem Faktor XIII-Mangel und relevanter Blutungsneigung sollte die bedarfsgerechte Substitution mit einem Faktor XIII-Konzentrat erfolgen. Der schwere angeborene Faktor XIII-Mangel (Restaktivität < 1 – 5 %) hat eine Prävalenz von 1:3000 000. Die Patienten leiden von Geburt an unter Spontanblutungen und Wundheilungsstörungen [255]. Bei Frauen wurde zudem eine erhöhte Abortrate berichtet. Zur Verfügung steht ein plasmatisches Faktor XIII-Konzentrat (Fibrogammin® P), das aufgrund der langen Halbwertszeit nur in ein- bis zweiwöchigen Abständen verabreicht werden muss.
Thrombozytenfunktionsstörungen
Angeborene Thrombozytenfunktionsstörungen
Angeborene Thrombozytopathien sind selten. Ihnen können Störungen der Aktivierung, der Adhäsions- oder Aggregationsfähigkeit, der Sekretionsreaktion oder der prokoagulatorischen Aktivität zugrunde liegen.
Bernard-Soulier-Syndrom (BSS)
Bei Patienten mit BSS sollen Blutungsprophylaxe und -therapie risikoadaptiert mit der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erfolgen. Das BSS wird autosomal rezessiv vererbt und tritt bei 1:1000 000 Geburten auf. Es beruht auf einem Defekt des thrombozytären Glykoprotein Ib-Komplexes (GPIb-V-IX), der die Bindung des VWF vermittelt. Im Blutbild ist eine Makrothrombozytopenie auffällig. Die Blutungsneigung ist variabel [258]. Bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten besteht das Risiko einer Alloimmunisierung mit Ausbildung von GPIb-Antikörpern, weswegen HLA-kompatible Konzentrate verwendet werden sollten [259]. Einige Patienten sprechen auch auf DDAVP (Desmopressin) an [260]
[261]. Die Anwendung von DDAVP sollte nach Möglichkeit zuvor im blutungsfreien Intervall auf Wirksamkeit (z. B. Blutungszeit oder PFA-100®) und Verträglichkeit überprüft werden. Supportiv kann der Einsatz von Tranexamsäure sinnvoll sein. Bei refraktärer Blutung kann die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa (NovoSeven®) in einer Dosierung von 90 µg/kg Körpergewicht erwogen werden.
Glanzmann Thrombasthenie (GT)
Bei Patienten mit GT sollen Blutungsprophylaxe und -therapie nach Ausschöpfung aller lokalen hämostyptischen Maßnahmen mit der Transfusion von HLA-kompatiblen Thrombozytenkonzentraten erfolgen. Die GT wird autosomal rezessiv vererbt und hat eine geschätzte Häufigkeit von 1:1000 000 Geburten. Die Erkrankung beruht auf einem Defekt des thrombozytären GPIIb/IIIa-Komplexes, der die fibrinogenabhängige Plättchenaggregation vermittelt. Die Blutungsneigung ist variabel [262]. Maßnahme der Wahl zur Prophylaxe und Therapie von Blutungen ist die Transfusion von HLA-kompatiblen Thrombozytenkonzentraten [259]. Aufgrund des hohen Risikos der Alloimmunisierung sollten zuvor alle lokalen hämostyptischen Maßnahmen ausgeschöpft werden. Der supportive Einsatz von Tranexamsäure ist sinnvoll. Die Wirksamkeit von DDAVP (Desmopressin) ist umstritten [261]. Bei Patienten mit Alloantikörpern ist die Gabe von NovoSeven® (90 µg/kg Körpergewicht) eine zugelassene Alternative [263].
Delta-Storage-Pool-Defekt (DSPD)
Bei den meisten DSPDS kann DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure erreicht werden. Der DSPD kann isoliert oder in Kombination mit komplexen Krankheitsbildern vorliegen. Der Störung liegt ein Fehlen oder ein Mangel der dichten Granula (dense bodies) zugrunde. Im Alltag resultiert der isolierte DSPD zwar in einer eher milden Blutungsneigung; bei invasiven oder operativen Eingriffen kann es aber zu relevanten Blutungskomplikationen kommen. Bei Versagen oder Unverträglichkeit von DDAVP sollte als Zweitlinientherapie die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erfolgen [259].
Erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen
Neben der Behandlung der Grunderkrankung und dem Absetzen auslösender Pharmaka sollen im Rahmen der Blutungsprophylaxe und -therapie primär DDAVP (Desmopressin) und Tranexamsäure zum Einsatz kommen. Erworbene Thrombozytopathien können aus einer Vielzahl von Erkrankungen resultieren (z. B. Leber- und Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre, hämatologische und Autoimmunerkrankungen, DIC, Amyloidose) und sämtliche Aspekte der Plättchenfunktion betreffen. Sehr häufig sind erworbene Thrombozytopathien jedoch medikamentös bedingt (z. B. ASS-haltige Pharmaka, nicht steroidale Antirheumatika, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, Antibiotika, Dextrane). Es überwiegt eine eher milde Blutungsneigung. Bei persistierender Blutung trotz der o. g. Maßnahmen soll die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten erfolgen.
3.3 Antibiotikaprophylaxe
Einleitung
Weltweit nimmt die Rate an Infektionen mit multiresistenten Erregern zu. Besonders hervorzuheben ist die Zunahme resistenter Darmkeime (multiresistente, gramnegative Keime: MRGN). Bei Clostridium difficile-assoziierte Erkrankungen infolge einer Antibiotikagabe hat nicht nur die Zahl der Erkrankungen, sondern insbesondere auch die Erkrankungsschwere zugenommen. Daher ist ein zurückhaltender, evidenzbasierter Antibiotikaeinsatz auch in der Prophylaxe geboten, zumal die Entwicklung neuer Antibiotika stagniert und auch potenzielle allergische Reaktionen zu bedenken sind.
3.3.1 Antibiotikaprophylaxe in Abhängigkeit vom Patientenrisiko
Empfehlung
Eine prophylaktische Antibiotikagabe aufgrund eines erhöhten Risikos für eine Herzklappenendokarditis, bei Vorhandensein von Shunts oder endovaskulären Prothesen etc. sollte nicht empfohlen werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Patienten, die in der Vergangenheit eine Antibiotikaprophylaxe gut vertragen haben, sollte die aktuelle Evidenzlage in einem aufklärenden Gespräch dargelegt werden. Eine Prophylaxe mit einem Enterokokken-wirksamen Antibiotikum sollte nur erfolgen, wenn der Patient nach Aufklärung dies weiterhin wünscht.
Starker Konsens
Kommentar
Bakteriämien durch gastrointestinale Endoskopien/Interventionen sind mit unterschiedlicher Häufigkeit dokumentiert. Für Bougierungen/Dilatationen im Ösophagus sind Bakteriämieraten bis über 20 %, bei der Koloskopie bis 25 % und bei der ERCP bei Cholestase bis 18 % beschrieben. Dagegen müssen aber die Bakteriämieraten banaler Verrichtungen wie Kauen oder Zähneputzen betrachtet werden, die mit bis zu 70 bzw. 50 % deutlich höher liegen. Wie bei diesen einfachen Verrichtungen gibt es keine Evidenz, dass die endoskopieassoziierten Bakteriämien mit einer erhöhten Rate an Endokarditiden oder Protheseninfektionen assoziiert sind [264]
[265]
[266]
[267].
Empfehlung
Bei Patienten mit Leberzirrhose soll im Falle einer gastrointestinalen Blutung unabhängig von einer Endoskopie bereits ab dem Zeitpunkt der Aufnahme eine Antibiotikatherapie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Antibiotikaprophylaxe senkt bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung signifikant bakterielle Infektionen (spontane bakterielle Peritonitis), Ausmaß der Blutung, Risiko einer erneuten Varizenblutung und Frühmortalität [268]
[269]
[270]. Aktuell wird eine Prophylaxe mit einem Cefalosporin der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon 2 g i. v.) bevorzugt, da nach einer randomisierten Studie geringere Raten an Bakteriämien oder spontan bakterieller Peritonitis unter Ceftriaxon i. v. im Vergleich zu Norfloxacin beschrieben wurden. Die Antibiotikaprophylaxe hat keinen Einfluss auf die Spätmortalität (6 Wochen) nach dem Blutungsereignis [271]
[272].
Empfehlung
Patienten mit einer Neutropenie unter 500/µl und/oder fortgeschrittenem Tumorleiden sollten in Absprache mit dem betreuenden Onkologen nur bei therapeutischen Interventionen eine Antibiotikaprophylaxe erhalten. Bei Immunsuppression ohne Neutropenie ist keine Prophylaxe notwendig.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund von Infektionen (Fieber und positive Blutkultur) nach Endoskopie bei Patienten mit Neutropenie nach Knochenmarktransplantation, wird in internationalen Leitlinien eine Prophylaxe bei Prozeduren mit hohem Bakteriämierisko in Absprache mit dem behandelnden Onkologen empfohlen [267]
[273]. Das Risiko erscheint insbesondere in Kombination mit einer Kortisontherapie erhöht.
3.3.2 Antibiotikaprophylaxe in Abhängigkeit vom endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Im Rahmen einer ERCP/PTD soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen, wenn
-
bei Gallenwegsobstruktion oder Stentwechsel ohne Cholangitis eine unvollständige Drainage der Gallenwege zu erwarten ist,
-
eine duktale Endoskopie (+ Therapie) durchgeführt wird,
-
eine PTD neu angelegt wird,
-
bei Darstellung des Pankreasgangsystems mit diesem kommunizierende (Pseudo-) Zysten vorliegen,
-
biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation bestehen,
-
eine Drainage von primär sterilen (Pseudo-)Zysten des Pankreas intendiert ist.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen. Bei vorbestehender Cholangitis oder Zysteninfektion soll die präinterventionell eingeleitete Antibiotikatherapie fortgesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko einer Cholangitis oder Sepsis nach ERCP beträgt 0,13 – 3 % [274]
[275]. Intraduktale Druckerhöhung durch Kontrastmittelapplikation und unzureichender biliärer Ablauf nach ERCP sind Hauptursachen einer infektiösen Komplikation [274]
[276]. Aspiration von Gallensekret vor Injektion des Kontrastmittels, möglichst geringe Mengen appliziertes Kontrastmittel und eine hohe Erfolgsrate der adäquaten biliären Drainage senken das Risiko einer postinterventionellen Infektion [274].
Eine prophylaktische Antibiose als Routinemaßnahme bei unselektierten Patienten beeinflusst das Risiko einer ERCP-induzierten Infektion nicht [274]
[277].
Bei bereits bestehender Cholangitis sollte bereits vor ERCP eine antibiotische Therapie erfolgen, eine zusätzliche Einzeldosisprohylaxe vor der Intervention ist nicht nötig [267].
Bei Patienten mit hochsitzender biliärer Stenose oder multiplen Strikturen (PSC, Caroli Syndrom, Cholangiokarzinom Bismuth Typ III oder IV etc.) kann primär von einer erschwerten biliären Drainage ausgegangen werden, sodass eine antibiotische Prophylaxe durchgeführt werden soll [267]
[278].
Eine antibiotische Prophylaxe vor Intervention wird bei lebertransplantierten Patienten empfohlen [267]
[278], da für dieses Kollektiv ein erhöhtes Risiko einer infektiösen Komplikation nach ERCP besteht [274]
[279].
Das Risiko einer Infektion besteht auch nach Kontrastmittelfüllung von Pankreaszysten und Pseudozysten, die mit dem Hauptgang in Verbindung stehen. Dies gilt vor allem vor geplanter transpapillärer oder transmuraler Zystendrainage. Die postinterventionelle Fortsetzung der Antibiose erscheint bei inkompletter Drainage der Flüssigkeitsansammlung oder Vorliegen einer Nekrose konsequent [280].
Infektiöse Komplikationen in Folge einer Cholangioskopie sind abhängig vom Zugangsweg (peroral 0 – 14 % [281]
[282] vs. perkutan transhepatisch 8 – 35 % [283]), eine Antibotikaprophylaxe ist bei beiden Zugangswegen indiziert. Dies gilt ebenso bei direkter intraduktaler Lithotrypsie und Ballondilatation sowie bei jeder Neuanlage einer perkutanen transhepatischen Drainage, obwohl der Einfluss der Prophylaxe auf die postinterventionelle Infektionsrate nicht belegt ist [283]
[284]. In Analogie erscheint eine Antibiotikaprophylaxe bei direkter Endoskopie des Pankreasganges sinnvoll, auch wenn es hierzu keine Daten gibt.
Haupterreger einer aufsteigenden Cholangitis sind E. coli, Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella supp, Enterokokken, Koagulase negative Staphylokokken und Bacteroides spp. Häufig ist die Galle auch polymikrobiell besiedelt. Bei guter Wirkung im Bereich gramnegativer Erreger werden aktuell entweder Ciprofloxacin p. o. 90 Minuten vor ERCP oder Gentamycin i. v., optional ergänzt durch Amoxicillin i. v. zu Beginn der Intervention empfohlen [267].
Empfehlung
Bei einer Endosonografie soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen, wenn aus einer primär sterilen zystischen Läsion durch Feinnadelaspiration (EUS-FNA)-Material gewonnen oder eine transmurale Drainage durchgeführt wird.
Die prophylaktische Antibiotikagabe bei EUS-FNA sollte über 3 – 5 Tage fortgesetzt werden.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen.
Bei vorbestehender Zysteninfektion soll die präinterventionell eingeleitete Antibiotikatherapie fortgesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Antibiotikaprophylaxe vor Durchführung einer Endosonografie (EUS) oder Endosonografie mit Feinnadelaspiration (EUS-FNA) solider Läsionen des oberen Gastrointestinaltrakts wird aufgrund geringer Bakteriämien ohne klinische Zeichen einer Infektion nicht empfohlen [267]
[278]
[285]
[286]
[287].
Eine prospektive Studie zeigte nach EUS-FNA des perirektalen Raumes weder erhöhte Bakteriämieraten noch klinische Zeichen einer Infektion [286].
Die Rationale einer antibiotischen Prophylaxe vor und nach EUS-FNA zystischer Läsionen entlang des Gastrointestinaltraktes/Mediastinums ist die Risikoreduktion einer Zysteninfektion. In-vitro-Analysen sprechen für ein hohes Infektionspotential durch die Punktion [288]. In einer retrospektiven Studie aus 2 Zentren ist eine niedrige Infektionsrate gezeigt bei Patienten, die eine Antibiotikaprophylaxe erhalten haben [289]. Eine weitere retrospektive Studie konnte keine positiven Effekte belegen. Trotzdem haben internationale Leitlinienempfehlungen für eine Antibiotikaprophylaxe bei Punktion zystischer Läsionen aufgenommen, einschließlich der in dieser Studie durchgeführten Applikationsdauer über 3 – 5 Tage [267]
[278]
[280]
[290]
[291]..
Die Durchführung einer periinterventionellen Antibiotikaprophylaxe wird für die EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen sowie zystischer Läsionen anderer Lokalisation sowohl in der Leitlinie der ASGE [292] als auch der ESGE [291] empfohlen. Die EUS-FNP einfacher zystischer Mediastinalläsionen gilt dagegen wegen des hohen Infektionsrisikos als kontraindiziert [291]. Möglicherweise kann diese Empfehlung auf die transintestinale Punktion auch von Ergüssen übertragen werden, da auch die EUS-FNA von Aszites mit einem signifikanten Infektionsrisiko einhergeht [293].
Prospektive randomisiert-kontrollierte Studien zur Frage der Effektivität einer Antibiotikaprophylaxe bei EUS-FNA zystischer Läsionen liegen nicht vor. Die Empfehlungen beruhen ausschließlich auf historischen Vergleichen und retrospektiven Studien [291]
[293].
In einer großen multizentrischen Studie entwickelten 2 von 18 Patienten nach EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen ohne periprozedurale Antibiotikagabe eine Zysteninfektion [294]. Trotz der sehr großen Anzahl von EUS-FNA, die auch aufgrund aktueller Leitlinienempfehlungen [295] zur diagnostischen Beurteilung und Risikoeinschätzung zystischer Pankreasläsionen weltweit durchgeführt werden, wurden nach EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen insgesamt nur 4 Fälle von Zysteninfektion bei Patienten berichtet, bei denen eine Antibiotikaprophylaxe erfolgte [293]. Von den 909 Patienten mit EUS-FNA zystischer Läsionen, die in der systematischen Review von Wang et al. [296] eingeschlossen wurden, erhielten 93,7 % eine Antibiotikaprophylaxe, und die Inzidenz von Zysteninfektionen wurde mit 0,55 % ermittelt. Eine die Inzidenz infektiöser Komplikationen bei 88 EUS-FNA zystischer Pankreasläsionen mit und 178 Fällen ohne Antibiotikaprophylaxe vergleichende retrospektive Studie konnte keine signifikante Differenz des Auftretens von Zysteninfektionen zwischen beiden Gruppen aufzeigen [297].
Nach EUS-FNP solider Läsionen (insbesondere von subepithelialen Tumoren und Lymphknoten bei Sarkoidose) sind zwar mehrere Fälle septischer Komplikationen berichtet worden [293], dennoch ist bei einer in prospektiven Studien sehr geringen Inzidenz von 0 – 0,6 % eine Antibiotikaprophylaxe nicht erforderlich [291]. Dies gilt auch für die transrektale EUS-FNP solider Raumforderungen und Lymphknoten. In einer prospektiven Studie mit 100 Patienten, bei denen 471 EUS-FNA rektaler und perirektaler Läsionen erfolgte, konnte nur in 2 Fällen eine asymptomatische Bakteriämie, in keinem Fall eine Infektion beobachtet werden [286]. Keine infektiösen Komplikationen traten auch in einer Studie auf, in der über die transrektale oder transkolische EUS-FNA von 316 extramesenterialen oder mesenterialen Lymphknoten berichtet wurde [298].
Empfehlung
Bei perkutaner Anlage einer Ernährungssonde in Magen oder Jejunum mit peroralem Durchzug der Sonde soll eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen.
Die Wahl des Antibiotikums soll die zu erwartende Resistenzlage berücksichtigen.
Bei MRSA-positiven Patienten soll eine lokale Dekontamination versucht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Inzidenz peristomaler Infektionen bei PEG-Anlage wird mit 4 – 30 % angegeben. Offenbar ist die Keimverschleppung bei oropharyngealer Passage der PEG-Sonde der Hauptfaktor für eine peristomale Infektion. Ein Cochrane-Review aus elf vergleichbaren Studien sowie zwei Metaanalysen zeigen eine Reduktion peristomaler Infektionen durch ein standardisiertes intravenöses Antibiotikaregime [299]
[300]
[301]. Eine Antibiotikaprophylaxe soll daher durchgeführt werden (z. B. Cephalosporin/Penicillin 30 min vor PEG Anlage) [267]
[278]. Patienten, die aus anderen Indikationen vor PEG-Anlage bereits eine Breitspektrumantibiose erhalten, benötigen keine zusätzliche antibiotische Prophylaxe [267].
Analog kann die Empfehlung, trotz unzureichender Studienlage, auf die Anlage einer perkutanen endoskopischen Jejunostomie (PEJ) übertragen werden [302].
Das Verfahren der Gastropexie-PEG verlangt keine oropharyngeale Passage mit Kontamination der PEG-Sonde und kann daher ohne eine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden [303].
Ein MRSA-Trägerstatus führt zu einem erhöhten Risiko peristomaler Infektionen nach PEG-Anlage [304]. In Studien an Patienten mit endemischem MRSA-Risiko hat sich ein MRSA-Screening von Nase, Rachen, Perineum, Wunden und – bei Personen mit Blasenkatheter – Urin mit Dekontamination bei positivem MRSA-Nachweis bewährt. Es sollte daher bei allen Patienten, die nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts ein erhöhtes Risiko einer MRSA-Kolonisation haben, vor PEG-Anlage ein MRSA-Screening (mit nachfolgender Dekontamination bei positivem Nachweis) durchgeführt werden [305]. Bei nicht erfolgreicher Dekontamination sollte, bei erfolgreicher kann für die Antibiotikaprophylaxe vor PEG/PEJ ein Glykopeptid-Antibiotikum (z. B. Teicoplanin 400 mg i. v.) ergänzt werden [278]
[306]
[307]
[308].
Bei Personen mit Risiken für das Vorliegen einer Infektion/Kolonisation mit MRSA nach den Empfehlungen des Robert Koch-Institutes sollen Screeningabstriche Bestandteil der präendoskopischen Routine sein. Bei elektiven Eingriffen soll vor der Endoskopie eine Dekolonisation angestrebt werden.
Patienten mit Infektion/Kolonisation durch multiresistente Erreger sollen am Ende des Endoskopieprogramms unter adäquaten Hygienemaßnahmen (Schutzkleidung, hygienische Händedesinfektion) untersucht werden ([Tab. 20]).
Tab. 20
Prophylaxe bei spezifischen endoskopischen Verfahren.
Patient
|
Prozedur
|
Ziel der Prophylaxe
|
periinterventionelle Prophylaxe
|
Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis
|
ERCP mit vollständiger Drainage
|
Prävention Cholangitis
|
nicht empfohlen
|
Gallenwegsobstruktion/Stent-Wechsel Gallenwege ohne Cholangitis
|
ERCP/ PTD mit unvollständiger Drainage
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe, Antibiotikatherapie sollte bis zur vollständigen Drainage fortgesetzt werden
|
mehrfach ERCP mit Z. n. EPT/Stent
|
ERCP/PTD Stentwechsel
|
Prävention Cholangitis
|
Einzelfallentscheidung zur Einzeldosisprophylaxe
|
vorbestehende Cholangitis
|
ERCP/PTD
|
Prävention Bakteriämie
|
Fortsetzung der präinterventionell eingeleiteten Antibiotikatherapie
|
biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation
|
ERCP
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
duktale Endoskopie (Gallenwege)
|
ERCP/PTD
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
intraduktale Lithotrypsie
|
ERCP/PTD
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
alle Patienten
|
PTD-Neuanlage
|
Prävention Cholangitis
|
Einzeldosisprophylaxe
|
mit Pankreasgang kommunizierende Pankreaszysten oder -pseudozysten
|
ERCP
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
Aspiration von pankreatischer Flüssigkeit (Pseudozyste, Nekrose) mit Pankreasgangkommunikation
|
ERCP/EUS-FNA
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
Aspiration von sterilem Pankreassekret
|
transmurale Drainage
|
Prävention Pseudo-/Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe
|
solide Läsionen im oberen GI Trakt
|
EUS-FNA
|
Prävention lokaler Infektion
|
nicht empfohlen
|
solide Läsionen im unteren GI Trakt
|
EUS-FNA
|
Prävention lokaler Infektion
|
unzureichende Datenlage für eine Empfehlung
|
zystische Läsionen GI-Trakt/Mediastinum
|
EUS-FNA
|
Prävention Zysteninfektion
|
Einzeldosisprophylaxe, (verlängerte Applikation über 3 – 5 Tage kann erfolgen)
|
alle Patienten
|
PEG/PEJ mit peroralem Durchzug
|
Prävention peristomaler Infektionen
|
Einzeldosisprophylaxe, MRSA pos.: lokale Dekontamination (Nase/Rachen) soll versucht werden
|
alle Patienten
|
Gastropexie-PEG
|
Prävention peristomaler Infektionen
|
nicht empfohlen
|
3.4 Patientensicherheit durch Checklisten und Team-Time-Out
Einleitung: Im Rahmen von Krankenhausaufenthalten und medizinischen Behandlungen wird immer wieder von unerwünschten Ereignissen und Komplikationen berichtet, die größtenteils vermeidbar gewesen wären. Ein internationales, systematisches Reviews ermittelte, dass unerwünschte Ereignisse bei 1 von 10 stationären Patienten auftreten können [309].
Mögliche Ursachen für Fehler, Versäumnisse und Verwechslungen sind [310]
-
strukturelle Mängel (inadäquate Ausstattung, Personalmangel, ungenügend qualifiziertes Personal)
-
Kommunikations- und Koordinationsdefizite
-
Arbeitsverdichtung und Stress
-
Fehler in der Umsetzung von Wissen
Die Endoskopie bildet dabei keine Ausnahme. Der britische „Report of National Confidential Enquiry into Patient Outcome and Death (NCEPOD) – „Scoping our Practice“ untersuchte 1818 Todesfälle innerhalb 30 Tage nach therapeutischer Endoskopie. Bei 14 % dieser Patienten wurden die Indikationen als unpassend und bei 9 % als nicht indiziert bewertet [311].
Studien aus der Chirurgie zeigen, dass eine systematische Überprüfung vor dem Eingriff hilft, Fehlern zu vorzubeugen und die Zahl der fehlerhaft behandelten Patienten zu reduzieren [312]
[313]
[314]. Im Rahmen der WHO Initiative „Save surgery saves lives“ wurde 2008 eine 19 Punkte umfassende Checkliste veröffentlicht, die einen dreistufigen Sicherheitscheck (vor der Anästhesieeinleitung, vor dem Hautschnitt und nach Abschluss der OP) vorsieht [315]. 2009 untersuchte eine weltweit durchgeführte Multicenterstudie die Effizienz dieser WHO-Checkliste [316]. Dabei wurden bei 3755 Patienten vor OP und 3955 Patienten nach OP die WHO-Checklisten eingesetzt. Als Indikator dienten die Komplikationen im Zeitfenster 30 Tage nach OP. Durch die Nutzung der WHO-Checkliste konnten bei diesen Patienten signifikante Reduzierungen von schweren Komplikationen, Infektionen, Letalität und Mortalität erreicht werden. Die Ergebnisse dieser wegweisenden Studie führten dazu, dass weltweit chirurgische Fachgesellschaften die WHO-Kampagne unterstützten und diese Checklisten sich schnell als Standard für operative Eingriffe etablierten.
Diese Erfahrungen lassen sich auch auf die Endoskopie übertragen. Verschiedene Faktoren erhöhen auch bei endoskopischen Eingriffen das Risiko für unerwünschte Ereignisse und Komplikationen: Es werden mehr ältere und mehr multimorbide Patienten mit komplexen Erkrankungen in der Endoskopie mit aufwendigen Eingriffen behandelt. Sedierung und Patientenbetreuung haben sich in den letzten Jahren verändert und erfordern mehr qualifiziertes Personal.
3.4.1 Standardisiertes Risikoassessment vor dem endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Die Patientenvorbereitung sollte mit einem standardisierten Risikoassessment erfolgen, das eingriffs- und sedierungsbedingte Risiken des Patienten ermittelt.
Starker Konsens
Kommentar
Auf Einverständniserklärungen werden im Rahmen der Aufklärung anhand von standardisierten Fragen mögliche Risiken des Patienten ermittelt. (siehe Kapitel 3.1 Aufklärung endoskopischer Eingriffe). Die S3-Leitlinie zur Sedierung empfiehlt die Nutzung von Scores und ein individuelles Risikoassessment [317]. In der Endoskopie wird routinemäßig die Vollständigkeit der Patientenakte, das Vorliegen von Laborparametern und Befunden sowie die korrekte Vorbereitung des Patienten kontrolliert, bevor der Patient zum Eingriff aufgelegt wird. Entsprechende Checklisten gewährleisten objektiv reproduzierbare Abläufe und tragen somit zur Patientensicherheit bei.
3.4.2 Team-Time-Out vor dem endoskopischen Eingriff
Empfehlung
Das „Time out“ sollte direkt vor endoskopischen Eingriffen durchgeführt werden, um zu überprüfen, dass der richtige Patient, korrekt vorbereitet, zum richtigen Eingriff aufliegt, das korrekte Equipment funktionsbereit mit dem entsprechenden Personal bereitsteht. Individuelle Risiken des Patienten werden kurz genannt.
Starker Konsens
Kommentar
Das Team-Time-Out ist ein hilfreiches Instrument, um unerwünschte Ereignisse und Komplikationen vorzubeugen und einen reibungslosen, zielorientierten Eingriff zu ermöglichen [310]
[315]
[316]. Direkt vor dem endoskopischen Eingriff folgende Details stichpunktartig abgefragt und dokumentiert:
-
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum)
-
ASA-Klassifikation, individuelle Risiken, besondere Medikamente
-
Vollständigkeit der Dokumente (z. B. Einverständniserklärung)
-
Identifikation des Personals (falls Teamfremde anwesend sind)
-
Identifikation des Eingriffs, Besonderheiten
-
Vollständigkeit der Instrumente
In den amerikanischen Guidelines zur Sedierung und zur Pflegedokumentation wird neben dem präendoskopischem Risikoassessment auch das Team-Time-Out als zusätzliches Prüfinstruments genannt [318]
[319].
Erfahrungen mit dem Team-Time-Out in der Endoskopie wurden bislang aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland berichtet [320]
[321]
[322]. Alle drei Abteilungen berichteten von der Wichtigkeit einer Implementierungsphase mit Schulung des gesamten multidsziplinären Endoskopieteams. Nach der Implementierungsphase braucht das Team-Time-Out je nach Eingriff und Risiken des Patienten zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten [321]
[322]. Matharoo zeigte, dass das positive Vorbild des Leitungsteams entscheidend für den Erfolg der Einführung und die fortwährende Konsequenz in der Durchführung ist.
3.4.3 Standardisiertes Entlassmanagement
Empfehlung
Die postendoskopische Phase mit Entlassung auf die Station oder nach Hause sollte durch ein standardisiertes Entlassmanagement erfolgen, das eingriffs- und sedierungsrelevante Parameter berücksichtigt
Starker Konsens
Kommentar
Die S3-Leitlinie zur Sedierung empfiehl bestimmte Parameter vor Verlegung oder Entlassung der Patienten zu dokumentieren, um die Verlegung auf die Station oder die Entlassung der Patienten strukturiert zu dokumentieren und Informationen für nachbereuende Kollegen weiterzugeben [317]. Entsprechende Checklisten gewährleisten objektiv reproduzierbare Abläufe und tragen somit zur Patientensicherheit bei.
Anhang: Checkliste Team-Time-Out für endoskopische Prozeduren ([Tab. 21])
Tab. 21
Checkliste Team-Time-Out für endoskopische Prozeduren.
Patient:
Name/Geburtstag, Patienten ID etc.
|
Sign in Übergabe an Endoskopie
|
✓
|
Team-Time-out direkt vor Beginn des Eingriffs
|
✓
|
Sign out vor Verlegung/Entlassung
|
✓
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Die folgenden Kriterien werden geprüft/bestätigt
|
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum, Pat-ID)
|
❑
|
Team-Vorstellung mit Name und Aufgabe
|
❑
|
vollständige Dokumentation inklusive Hinweise für Nachsorge
|
❑
|
Einverständniserklärung
|
❑
|
Identifikation des Patienten (Name, Geburtsdatum, Pat-ID)
|
❑
|
Präparate versorgt
|
❑
|
alle Dokumente liegen vor (Labor, Befunde, etc.)
|
❑
|
geplanter Eingriff (Indikation, Fragestellung, etc.)
|
❑
|
Patientenzustand dokumentiert (je nach Ausgangszustand)
|
❑
|
Risiskobewertung
|
|
|
|
|
|
ASA-Klassifikation/Komorbidität geprüft
|
❑
|
Notwendige Instrumente vorhanden?
|
❑
|
|
|
Beatmungsprobleme, kardiorespiratorische Probleme
|
❑ ja ❑ nein
|
Monitoring, Medikamente, Equipment zum Atemwegsmanagement zur Verfügung und überprüft
|
❑
|
Gab es Probleme beim Eingriff?
|
❑ ja ❑ nein
|
Allergien
|
❑ ja ❑ nein
|
Infektionen
|
❑ ja ❑ nein
|
Endoskopiker nennt Besonderheiten zum Eingriff?
-
geplante Schritte
-
schwierige Schritte
|
❑ ja ❑ nein
|
Spez. Hinweise zur Nachsorge gegeben?
|
❑ ja ❑ nein
|
Antikoagulantien
|
❑ ja ❑ nein
|
Glaukom
|
❑ ja ❑ nein
|
Besonderheiten zur Sedierung und Lagerung?
|
❑ ja ❑ nein
|
Spez. Hinweise zur Verlegung / Entlassung?
|
❑ ja ❑ nein
|
nüchtern/Vorbereitung
|
❑ ja ❑ nein
|
Unterschrift
|
Unterschrift
|
Unterschrift
|
Kap. 4 Prozessqualität – Standards für endoskopische Prozeduren
4.1. Diagnostische Ösophagogastroduodenoskopie
Einleitung
Eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) sollte erfolgen, wenn eine empirische Therapie bei Verdacht einer benignen Ursache der Beschwerdesymptomatik fehlgeschlagen ist, als Alternative oder Ergänzung zur radiologischen Diagnostik bei Vorliegen pathologischer Befunde oder wenn aus der Untersuchung eine therapeutische Konsequenz resultiert oder primär eine therapeutische Prozedur in Erwägung gezogen wird. Die spezifischen Indikationen resultieren aus den bestehenden Symptomen und Krankheitsbildern unter Verweis auf die bestehenden DGVS-Leitlinien [324]
[325]
[326]
[327]
[328] und internationalen Empfehlungen [329]
[330]
[331].
4.1.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Eine diagnostische ÖGD kann mit Rachenanästhesie oder unter Sedierung erfolgen. Die Durchführung in Sedierung soll immer angeboten werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei endoskopisch suspekten Befunden oder Kontrolluntersuchungen von prämalignen Befunden soll eine ÖGD unter Sedierung empfohlen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Frage der Effektivität der diagnostischen ÖGD hinsichtlich der Detektion von pathologischen Befunden unter Rachenanästhesie im Vergleich zu Sedierung liegen keine retrospektiv oder prospektiv vergleichenden Daten vor. Ältere Arbeiten haben die Patientenakzeptanz der Gastroskopie mit oder ohne Rachenanästhesie an 150 Patienten verglichen [332] ohne Nachweis eines signifikanten Unterschiedes. Der Vergleich zwischen einer hohen oder niedrigen Dosierung für das lokale Anästhetikum [333] erbrachte einen leichten Vorteil für die höher dosierte Rachenanästhesie.
Da die diagnostische Gastroskopie unter Sedierung mit z. B. Propofol eine längere Inspektion mit weniger Würgereiz und Propulsion ermöglicht, sollte bei suspekten Befunden und Kontrolluntersuchung von prämalignen Befunden die Endoskopie unter Sedierung angeboten werden. Dies gewährleistet auch eine ausreichend lange Untersuchungszeit. Eine Studie zur Untersuchungszeit und Detektion von HG-IN oder EAC bei Barrett-Metaplasie zeigte eine signifikante höhere Detektionsrate bei längerer Inspektionszeit [334].
4.1.2 Durchführung
4.1.2.1 Allgemeine Qualitätskriterien
Empfehlung
Jede diagnostische ÖGD soll komplett erfolgen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen (verbliebene Speisereste im Magen, nicht passierbare Stenose).
Starker Konsens
Kommentar
Eine komplette Ösophagogastroskopie beinhaltet die Beurteilung des Ösophagus ausgehend vom oberen Ösophagussphinkter bis ins Duodenum Pars II und stellt ein Qualitätskriterium dar [329].
Bei Vorliegen von Verunreinigungen oder schaumigem Speichel sollte die Mukosa freigespült werden, um eine komplette Inspektion zu gewährleisten. Neben der alleinigen Beurteilung der Mukosa sollte die Inspektion auch die Beweglichkeit der Magenwand während und nach der Entfaltung der Magenfalten unter Luftinsufflation beinhalten. Kardia und Magenfundus werden in Inversion beurteilt. Die Ösophagusschleimhaut wird im Rückzug bis zum oberen Ösophagussphinkter gespiegelt. Die Z-Linie und ggf. das Ausmaß einer axialen Hernie und ggf. Barrett-Metaplasie kann auch bereits beim Vorspiegeln beurteilt und durchgemessen werden.
Klinische Daten zur diagnostischen Effektivität bzw. zur Frequenz übersehener Befunde bei inkompletter Spiegelung liegen nicht vor.
Empfehlung
Neben der Dokumentation von pathologischen Befunden soll eine Bilddokumentation mindestens folgender Landmarken erfolgen: Z-Linie, Antrum, Corpus, Kardia in Inversion, Duodenum Pars II.
Starker Konsens
Kommentar
Die Bilddokumentation von Landmarken in der ÖGD dient in erster Linie als Qualitätsmerkmal. Dadurch wird Vollständigkeit der Untersuchung belegt und eine Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit der Befunde im Verlauf ermöglicht. Zur klinischen Effizienz der Bilddokumentation von Landmarken in der ÖGD liegen keine Daten vor. Dennoch empfiehlt die ESGE bereits 2001 eine strukturierte Bilddokumentation durchzuführen [335]. Im klinischen Alltag stellt dieses Verfahren eine allgemein akzeptierte angewandte Praxis dar.
4.1.2.2 Gerätetechnik
Empfehlung
Die Art des verwendeten Gastroskops (Durchmesser des Endoskops, Größe des Arbeitskanals, Möglichkeit zur integrierten optischen Kontrastverstärkung mit oder ohne Magnifikation) soll in Abhängigkeit von der Indikation zur Gastroskopie bzw. den vorliegenden Vorbefunden gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Gastroskope sind in einem variablen Durchmesser des Gerätes (4,9 – 12,8 mm) und des Arbeitskanals (2,0 – 3,8 mm) erhältlich. So sind Endoskope mit großlumigem Arbeitskanal bei therapeutischen Eingriffen wie z. B. Blutungen oder Bolusentfernungen geeignet. Ultradünne Gastroskope sind mit einem Gerätedurchmesser von 4,9 oder 6 mm (Arbeitskanal 1,5 – 2 mm) und einer Beweglichkeit der Endoskopspitze in 2 oder 4 Richtungen verfügbar. Sie kommen zur Passage von Stenosen oder zur (transnasalen) Endoskopie bei unsedierten Patienten zur Anwendung [336]. Bisher existieren keine vergleichenden Studien zu Gastroskopen verschiedener Hersteller.
Empfehlung
Zur Diagnostik und Verlaufskontrolle von prämalignen Läsionen in Ösophagus und Magen und Duodenum soll die hochauflösende Videoendoskopie Standard sein.
Starker Konsens
Empfehlung
Chromoendoskopie (Indigokarmin, Essigsäure, Plattenephitel: Lugolfärbung) und virtuelle Chromoendoskopie (NBI, FICE, i-Scan) können zur verbesserten Detektion von Dysplasien oder Frühkarzinomen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Video Endoskope der neueren Generation besitzen bzgl. der Bildauflösung „high definition“ (HD) Technik. HD Endoskope generieren Bilder von bis zu einer Million Pixel im Vergleich zu bis zu 400 000 Pixel bei SD Geräten. Für eine komplette HD-TV-Auflösung werden entsprechend HD-kompatible Monitore und Prozessoren benötigt [337].
Systeme zur integrierten optischen Kontrastverstärkung auf Knopfdruck (virtuelle Chromoendoskopie) sind das Narrow Band Imaging (NBI, Olympus Medical Systems®), Multi Band Imaging (MBI, Fujinon®) und i-Scan (Pentax®). Diese nutzen die unterschiedliche Interaktion von Gewebestrukturen auf Licht unterschiedlicher Wellenlänge. NBI verwendet Filter zur Gewebedarstellung bei den Wellenlängen von 415 nm (blau) und 540 nm (grün), dies hebt insbesondere vaskuläre Strukturen hervor. MBI erzielt eine Kontrastanhebung durch digitale Aufsplittung des Lichtes in die verschiedenen Wellenlängen [338].
Die reale Chromoendoskopie verwendet die topische Applikation von Farbstoffen zur Anhebung der mukosalen und vaskulären Oberflächenstruktur. Die absorptiven Farbstoffe Methylenblau oder Krystallviolett werden aufgrund vermuteter toxischer bzw. mutagener Eigenschaften nicht mehr verwendet. Gebräuchlich sind Indigokarmin oder Essigsäure bzw. Lugollösung im Plattenepithel, diese werden nicht in die Zellen aufgenommen sondern kontrastieren lediglich die Oberfläche.
Eine Kombination mit Magnifikationsendoskopen ist möglich. Diese verfügen über eine Zoom Funktion durch eine bewegliche Linse in der Endoskopspitze. Dadurch wird eine bis zu 150fache optische Vergrößerung des endoskopischen Bildes möglich [337].
Zur Frage der Verwendung von SD- oder HD-Gastroskopen sowie Kontrastanhebung und Magnifikation liegen die meisten Studien für die Diagnostik von prämalignen Läsionen in Ösophagus und Magen vor.
SCC
Inoue identifizierte unter Weißlichtendoskopie 4 charakteristische morphologische Veränderungen der oberflächlichen Mikrogefäße (IPCL: Intrapapillary capillary loop) bei mukosalem SCC: Dilatation, gewundene Gefäße, Kaliberunregelmäßigkeiten und Formvariationen [339]. Als ein weiteres diagnostisches Kriterium wurde eine bräunliche Verfärbung des Ephitels unter NBI als Merkmal für ein mukosales SCC definiert [340]. Zur Detektion von Plattenepithelneoplasien liegen verschiedene vergleichende Studien zur Weißlichtendoskopie mit oder ohne Magnifikation versus NBI und/oder Lugolfärbung vor ([Tab. 22]) [341]
[342]
[343]
[344]
[345]
[346]
[347]
[348]
[349]
[350]
[351]
[352]
[353]
[354]. Die Studien resultierten überwiegend in einer höheren Detektion der Neoplasien durch NBI gegenüber der Weißlichtendoskopie. Die Lugolfärbung war der virtuellen Chromoendoskopie gleichwertig. Auch hier könnte die höhere Auflösung der HD-Endoskope den Vorteil der virtuellen Chromoendoskopie schmälern. Wurde zwischen HD- und SD-Endoskopie unterschieden [353], war die Sensitivität für NBI äquivalent zu Lugolfärbung und HD-WLE (Sens. 100 vs. 75 %; ns), bei nicht HD-Endoskopie zeigte sich eine Gleichwertigkeit von NBI zur Lugolfärbung aber eine deutliche Unterlegenheit der WLE (Sens. 88 vs. 100 %; ns, 25 vs. 88 %; p < 0,05).
Tab. 22
Studien zu SCC und Chromoendoskopie (Goda et al. Dig Endoscopy 2013) [341]
[342]
[343]
[344]
[345]
[346]
[347]
[348]
[349]
[350]
[351]
[352]
[353]
[354].[1]
Studie
|
Studien-design
|
n
|
NBI-Endoskop
|
Endpunkt
|
Vergleich
|
Läsion
|
Ergebnis
|
Yoshida 2004
|
retrospektiv
|
22
|
Magnifikation
|
Staging
|
Magnifikations-WLE
|
SCC/IN
|
signifikant höhere Farbkontraste für NBI im Vergleich zu WLE
bessere Bestimmbarkeit der histologischen Tumortiefe bei NBI basierend auf IPCL Veränderungen
|
Goda 2009
|
prospektiv
|
101
|
Magnifikation
|
Staging
|
WLE, EUS
|
SCC
|
submukosales SCC
Sensitivität: WLE 72 %, Magnifikations-NBI 78 %, EUS 83 %
Spezifität: WLI 92 %, Magnifikations NBI 95 %, EUS 89 %
|
Kuraoka 2009
|
prospektiv
|
5
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
LF
|
SCC
|
Sensitivität: NBI und LF beide 100 %
PPV: NBI ohne Magnifikation vs. LF: 9,8 vs. 4,4 %
|
Takenaka 2009
|
prospektiv
|
16
|
Magnifikation
|
Detektion
|
LF
|
SCC/HGIN
|
Sensitivität: NBI 90,9 %; LF 100 % (ns)
Spezifität NBI 95,4 % LF 84,7 % (p sign)
diagn. Genauigkeit NBI 95,1 %, LF 85,9 % (p sign)
|
Lee 2009
|
prospektiv
|
18
|
keine Magnifikation, ultradünn
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Sensitivität: WLE + NBI bzw. + LF (beide bei 88,9 %) vs. WLE allein (55,6 %) (ns.)
|
Huang 2009
|
prospektiv
|
138
|
Magnifikation
|
Detektion
|
Magnifikation WLE, Lf
|
SCC/IN
|
Magnifikations NBI überlegen vgl. Magnifikations-WLE: Darstellung Pit-pattern und Blutkapillaren überlegen
NBI vs. LF: Detektion (p = n. s.)
|
Ishihara 2010
|
retrospektiv
|
26
|
Magnifikation
|
Detektion
|
kein
|
SCC/HGIN
|
bräunliche Epithelien im NBI mukosalem SCC oder HGIN zuzuordnen
Intra- bzw. Inter Observer Übereinstimmung mäßig
|
Muto 2010
|
RCT
|
212
|
Magnifikation
|
Detektion
|
WLE
|
SCC/HGIN
|
Detektion Neoplasie/HG-IN: NBI vs. WLE:
Sensitivität (97,2 vs. 55,2 %)
diagn. Genauigkeit (88,9 vs. 56,5 %)
NPV (72,8 vs. 20,3 %)
|
Lee 2010
|
prospektiv
|
35
|
Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, keine Magnifikation/Magnifikation NBI
|
SCC/IN
|
NBI vs. WLE: Sensitivität (100 vs. 62,9 %), diagn.Genauigkeit. (86,7 vs. 64,4 %)
NBI + Magnifikation vs. NBI: diagn. Genauigkeit (95,6 vs. 86,7 % ns)
|
Ishihara 2010
|
prospektiv
|
42
|
Magnifikation
|
Detektion
|
erfahrenere vs. weniger erfahrene Endoskopeure
|
SCC/HGIN
|
NBI bei erfahreneren Endoskopeuren vs. weniger erfahrenen Endoskopeuren
Sensitivität: läsionbasiert (100 vs. 53 %)
patientenbasiert (100 vs. 69 %).
|
Lecleire 2011
|
prospektiv
|
5
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Detektionsrate: NBI, Lugolfärbung je100 % vs. WLE 80 %
|
Ide 2011
|
prospektiv
|
9
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC
|
Sensitivität: Läsionen < 10 mm WLE 0 %, NBI 100 %, LF 100 %. Läsionen > 10 mm WLE 85,7 %, NBI 100 %, LF 100 %
|
Yokoyama 2012
|
prospektiv
|
12
|
keine Magnifikation
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/IN
|
Sensitivität: gesamt: NBI ohne Magnifikation vs. WLE (92 vs. 42 %; p < 0,05), NBI vs. LF: (92 vs. 100 %; ns)
Nur HD-Technik: NBI equivalent zu LF und WLE (100 vs. 75 %; ns).
|
Kawai 2012
|
prospektiv
|
3
|
keine Magnifikation, ultradünn
|
Detektion
|
WLE, LF
|
SCC/HGIN
|
Detektionsraten: WLE 66,7 %, NBI 100 %, Lugolfärbung 100 %
|
1 WLE: weißlicht Endoskopie, LF: Lugolfärbung, NBI: Narrow band imaging, HD: High Definition, SCC Squamos cell cancer, IPCL: Intrapapillary capillary loop.
Barrett-Metaplasie
Die Daten zur Chromoendoskopie (real und virtuell) in Bezug auf die Detektion von Barrett-Metaplasien sind uneinheitlich. Arbeiten für die Verwendung von SD-Magnifikation in Kombination mit NBI oder Färbung mit Essigsäure konnten eine erhöhte Detektionsrate für Barrett-Metaplasien nachweisen [355]
[356]
[357]
[358], wobei ein einheitliches Klassifikationssystem für die die mukosale Oberflächenstruktur fehlt.
Eine Metaanalyse zur Chromoendoskopie mit Methylenblau schloss 9 Studien mit 450 Patienten ein [359]. Hier resultierte kein signifikanter Vorteil für Methylenblau gegenüber der 4 Quadrantenbiopsie in der Detektion von Barrett-Metaplasie (4 %, 95 % CI –7 – 16 %), Dysplasie (9 %, 95 % CI –1 – 20 %) und HG-IN oder Frühkarzinom (5 %; 95 % CI –1 – 10 %).
Eine Metaanalyse zu NBI aus dem Jahr 2010 [360] schloss 8 Studien mit 446 Patienten ein und zeigte einen signifikanten Vorteil für die Detektion von HG-IN mittels NBI im Vergleich zur SD Weißlichtendoskopie (Sensitivität 0,96 [95 % CI 0,93 – 0,99], Spezifität 0,94 [95 % CI 0,84 – 1,0], area under the curve (AUC) 0,99 [SE 0,01]).
Bei Verwendung von HD-Technik mit oder ohne Magnifikation wird der Effekt unschärfer. Eine prospektive Studie verglich die HD-WL-Endoskopie mit der Magnifikationsendoskopie unter Indigocarmin-, Essigsäurefärbung sowie NBI. Die Bilder der Barrett-Areale wurden extern durch erfahrene Endoskopiker (Experten und nicht Experten) beurteilt. Die additiven Verfahren führten nicht zu einer erhöhten Detektionsrate und besseren Unterscheidung für dysplastische bzw. neoplastische Areale (Diagnostische Genauigkeit: 81 % für HR-WLE, 72 % für NBI and 83 % für HR-WLE + NBI) und die Interoberserverübereinstimmung war auch unter Experten mäßiggradig [361]. Ähnliche Ergebnisse resultierten aus zwei weiteren Multicenterstudien zur Beurteilung der Barrett-Mukosa mit HD-WL-Endoskopie im Vergleich zu NBI [362]
[363]. Die multizentrische randomisierte Cross-over-Studie führte eine Dreifachbeurteilung von Barrett-Mukosa mit histologisch nachgewiesener LG-IN durch. Die Beurteilung mit HD-Endoskopie wurde gefolgt von Autofluorescence imaging (AFI) und Inspektion von fokalen Läsionen mit NBI [363]. Hier ergab sich kein signifikanter Unterschied in der gesamten Neoplasiedetektion zwischen den Gruppen, sondern nur für die Subgruppe der gezielten Biopsieentnahme, wobei Lg-IN, HG-IN und Barrett-Karzinom zusammengefasst wurden (N 17 vs. n = 6, p = 0,023). Eine weitere randomisierte Cross-over-Studie zum Vergleich von HD-Weißlicht-Endoskopie und NBI zeigte in der läsionsbasierten Analyse ebenfalls eine verbesserte Detektionsrate für die Gesamtgruppe der Neoplasien (Lg-/HG-IN und Ca) (30 vs. 21 %, p = 0,01). Für die Detektion von ausschließlich fortgeschrittenen Neoplasien (HG-IN + Karzinom) ließ sich kein signifikanter Vorteil nachweisen [364].
Ein aktueller systematischer Review schloss 13 Publikationen ab 2000 ein – darunter 6 neuere Arbeiten zwischen 2008 und 2013. Damit entsteht ein vermischter Vergleich von Studien mit SD- und HD-Weißlichttechnologie. Hier resultierte die Anwendung von Imaging-Technologien im Vergleich zur Weißlichtendoskopie in einer höheren Neoplasie Detektionsrate (Dysplasie/Karzinom 34 % (95 % CI 20 – 56 %; p < 0,0001). Die Anwendung der Chromoendoskopie (virtuell und nicht virtuell) führte in der Subgruppenanalyse ebenfalls zu einem verbesserten diagnostischen Output [365].
Die Datenlage befürwortet die Addition von Chromoendoskopieverfahren in der Diagnostik der Barrett-Mukosa auch wenn ein klarer Vorteil für die Detektion fortgeschrittener Dysplasien im Vergleich zur HD-Technologie derzeit nicht belegt ist.
Magen
Für die Differenzierung und Diagnostik präneoplastischer Konditionen und Läsionen im Magen (HP-Gastritis, atrophische Gastritis, intestinale Metaplasie) hat die aktuelle ESGE Leitlinie die Weißlichtendoskopie als nicht ausreichend genau eingestuft [366] und eine Verbesserung der Diagnostik durch Verwendung von realer oder virtueller Chromoendoskopie postuliert. Dies basiert auf Studien, die eine erhöhte Detektion und Reproduzierbarkeit präneoplastischer Läsionen im Magen durch Chromoendoskopie mit Magnifikation gezeigt haben [366]
[367]. Auch für die virtuelle CE wurde eine erhöhte diagnostische Genauigkeit in Kombination mit Magnifikation nachgewiesen [368]
[369]. Eine aktuelle Arbeit klassifizierte 122 gastrische Läsionen: Die diagnostische Genauigkeit, Sensitivität, Spezifität für die Diagnose Magenfrühkarzinom und Präkanzerose lag bei 68,9, 95,1, 63,1 % für die WL-Endoskopie, 93,6, 92,7, 94,5 % für Magnifikations-NBI und 91,3, 88,6, 93,2 % für Magnifikations-CE [370].
Weitere neuere Arbeiten belegten die Gleichwertigkeit von Magnifikations-CE und Magnifikations-NBI [371]
[372] und eine bisher nur als Abstrakt publizierte Arbeit die Überlegenheit von Magnifikation-NBI gegenüber alleiniger Chromoendoskopie ohne Magnifikation bei der Detektion von gastrischen Läsionen unter 5 mm [373]. Auch ohne Magnifikation scheint die optische Kontrastanhebung mit virtueller Chromoendoskopie vorteilhaft, jedoch fehlt auch für die Läsionen im Magen ein einheitliches Klassifikationssystem der mukosalen Strukturen [374]
[375]. Es wird daher die Verwendung der besten verfügbaren endoskopischen Diagnostik für den individuellen Patienten mit Präkanzerosen des Magens und die Entnahme von Sampling Biopsien in der endoskopischen Überwachung gefordert [331].
4.1.2.3 Biopsie
Empfehlung
Die Biopsie von entzündlichen, präkanzerösen und malignomsuspekten Läsionen soll basierend auf den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaft/DGVS-Leitlinien erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Endoskopisch auffällige Läsionen beinhalten Schleimhautveränderungen durch Entzündungen, Ulzera, Tumore und Infektionen. Die Diagnostik und Überwachung von Präkanzerosen bezieht sich auf die Barrett-Metaplasie aber auch die atrophische Gastritis mit oder ohne intestinale Metaplasie [331]
[376]. Hier richten sich die Empfehlungen zur Indikation und Durchführung der endoskopischen Biopsie nach den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaft [324]
[325]
[326]
[327]
[328] ([Tab. 23] gibt die aktuelle leitliniengerechte Empfehlung zur Biopsie im GI-Trakt verkürzt wieder [331]
[376]).
Tab. 23
Biopsieempfehlungen nach aktuellen Leitlinien [331]
[376].
Refluxbeschwerden
|
Biopsie aus exophytischen Läsionen, Ulzera, Stenosen + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
v. a. Barrett-Mukosa
|
Quandrantenbiopsie im Abstand von 1 – 2 cm + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
histologisch gesichterte Barrett-Mukosa
|
Biopsie aus allen endoskopisch suspekten Arealen + Quandrantenbiopsie im Abstand von 1 – 2 cm
|
v. a. Ösophaguskarzinom
|
mehrere Biopsien aus dem suspekten Areal
|
v. a. eosinophile Ösophagitis
|
mindestens 5 Stufenbiopsien aus dem Ösophagus in getrennten Gefäßen
|
HP-Diagnostik und Gastritistypisierung
|
je 2 Biopsien aus Antrum/Corpus (klein und großkurvaturseitig) + je 1 Biopsie aus Antrum/Corpus für den Urease-Schnelltest
HP-Diagnostik ≥ 2 Wo nach PPI-Ende und ≥ 4 Wochen nach HP-Eradikation
|
Versagen der HP-Eradikation
|
erneute Biopsie für mikrobiologische Kultur und Empfindlichkeitstestung
|
Ulkus ventrikuli
|
mehrere Biopsien aus Ulkusrand und Ulkusgrund + je 2 PE aus Antrum/Corpus
|
Malt-Lymphom
|
Mindestens 10 Biopsien aus sichtbarer Läsion + Quadrantenbiopsien mit je 4 PE aus Antrum/Corpus und je 2 PE aus Fundus + je eine PE aus Antrum/Corpus für den Urease-Schnelltest
|
Vitamin B 12-Mangel
|
je 2 Biopsien aus Antrum, Corpus und Fundus in getrennten Gefäßen
|
Z. n. Magenteilresektion
|
Biopsien aus der Anastomose und dem Magencorpus
|
lymphozytäre Gastritis
|
+ Biopsien aus dem Duodenum (Ausschluss Sprue)
|
Eisenmangelanämie unklarer Genese
|
2 Biopsien aus dem tiefen Duodenum + Biopsieschema zur HP-Diagnostik
|
v. a. Lambliasis, Morbus Whipple
|
je 2 Biopsien aus Duodenum, Antrum und Corpus
|
v. a. Sprue
|
4 Biopsien aus dem Duodenum + je 2 Biopsien aus Antrum und Corpus
|
v. a. refraktäre Sprue
|
Biopsien aus dem Duodenum + Ileum und Kolon (DD lymphozytäre Kolitis)
|
Empfehlung
Zur Entnahme von Mukosabiopsien können Kaltbiopsiezangen mit oder ohne Dorn eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Kaltbiopsiezangen sind in verschiedenen Formen der Zangenbranchen mit oder ohne Dorn erhältlich [377]. Der Dorn dient der Fixierung der Zange in der Mukosa und der Fixierung des Biopsats mit der Möglichkeit zur Mehrfachbiopsie in einem Arbeitsgang [378]. Die Biopsie selbst erfolgt meist durch eine zum Endoskop gerichtete Ziehbewegung. Alternativ kann ein größeres Biopsat durch eine vom Endoskop wegführende Abscherbewegung erzielt werden. Jumbo-Biopsiezangen erfassen eine 2 – 3fach größere Mukosaoberfläche als die Standardbiopsiezange, benötigen aber ein therapeutisches Endoskop mit einem 3,6 mm Arbeitskanal. Eine prospektiv-randomisierte verblindete Studie ergab keinen Unterschied in der histologischen Qualität der entnommenen Proben zwischen 12 verschiedenen erhältlichen Biopsiezangen [379], Dornzangen erzielten im Vergleich zu Zangen ohne Dorn etwas tiefere Biopsien [378]. Sogenannte „Multi-bite“-Biopsiezangen ermöglichen die Entnahme von bis zu 4 Biopsien je Arbeitsgang ohne signifikanten Unterschied in der Probenqualität im prospektiven Vergleich zur Standardbiopsiezange [380]. Für die Verwendung von Jumbobiopsiezangen in der Polypektomie kleiner Polypen unter 6 mm ergab der Vergleich der histologisch kompletten Abtragung nur einen statistisch nicht signifikanten Trend für die Jumbobiopsiezange gegenüber der konventionellen Biopsiezange [381]. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann derzeit keine Empfehlung für die Verwendung einer bestimmten Biopsiezange ausgesprochen werden.
Empfehlung
Die Knopflochbiopsietechnik kann zur Gewinnung von Proben aus submukösen Läsionen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nach Entfernung der Mukosa mittels Zangenbiopsie, Schlingenabtragung oder Einschnitt mit dem Nadelmesser erfolgt eine Biopsie aus tieferen Wandschichten. Die Gewinnung von histologisch adäquatem Biopsiematerial reicht je nach Studie von 38 – 93 % [382]
[383]
[384]. Für die schlingenbasierte Mukosaresektion wurden therapiepflichtige Nachblutungen um 50 % beschrieben [385]. Das Vorgehen und die Komplikationsrate entsprechen einer endoskopischen Polypektomie bzw. EMR. (siehe auch Kapitel 4.5: Kolospopie und Kapitel 4.6: Endoskopische Resektion).
4.1.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Bei Rachenanästhesie soll eine Nahrungskarenz bis zum vollständigen Abklingen der örtlichen Betäubung eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische Ösophagogastroskopie mit Zangenbiopsie ist eine sichere Untersuchung [386]
[387]. Eine längere Überwachung nach der Aufwachphase erscheint für den diagnostischen Eingriff ohne Risikofaktoren nicht erforderlich. Die Überwachung nach therapeutischen Eingriffen richtet sich nach dem Risikoprofil des jeweiligen Eingriffs.
4.1.4 Komplikationen
Die elektive diagnostische ÖGD ist eine sehr sichere Untersuchung [386]
[387]. Prozedurabhängige Letalität von etwa 0,01 %
Das Komplikationsrisiko steigt in Abhängigkeit von der Durchführung bestimmter therapeutischer Prozeduren oder bei Vorliegen von Risikokonstellationen wie der akuten oberen GI-Blutung.
4.1.5 Spezifische Qualitätsindikatoren Diagnostische ÖGD ([Tab. 24])
Tab. 24
Vorschlag für Qualitätsindikatoren ÖGD.
Qualitätsindikatoren
|
intraprozedural
|
Frequenz der Durchführung einer kompletten Ösophagogastroduodenoskopie
|
Frequenz der Diagnostik und Verlaufskontrolle von prämalignen Läsionen in Ösophagus, Magen und Duodenum mit hochauflösender Videoendoskopie
|
Frequenz der Leitliniengerechten Biopsieentnahme aus entzündlichen, pathologischen oder prämalignen Läsionen
|
Kommentar
Allgemeine Qualitätsindikatoren zu endoskopischen Untersuchungen siehe Kap.7. Spezifische intraprozedurale Qualitätsindikatoren für die ÖGD sind die Frequenz der Durchführung einer kompletten Untersuchung sowie die adäquate leitliniengerechte Beschreibung bzw. Klassifikation pathologischer Befunde wie z. B. die Ausdehnung einer Barrett-Metaplasie nach der Prag-Klassifikation [324].
Die Frequenz der leitliniengereichten Biopsieentnahme bei Vorliegen entzündlichen oder prämaligner Läsionen stellt einen weiteren messbaren Qualitätsindikator dar [324]
[325]
[326]
[328]
[329]
[376].
4.2 Anlage von Sonden zur enteralen Ernährung
Einleitung
Eine ausreichende Ernährung (und Flüssigkeitszufuhr) ist für viele Behandlungsprozesse wesentlich [388]. Eine enterale Zufuhr ist physiologisch, verhindert eine intestinale Zottenatrophie und beeinflusst positiv Barrierefunktion und Infektabwehr [389]. Voraussetzung einer enteralen Ernährung ist, dass ausreichend funktionsfähiger Darm zur Verfügung steht und die intestinale Passage gewährleistet ist [390]. Ist die eigenständige und ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit oder Nahrung über mehrere Tage nicht ausreichend möglich, sollte eine Zufuhr über transnasale Ernährungssonden (TNS) erfolgen. Ist dies über mehr als 2 – 3 Wochen nicht zu erwarten, sollte eine perkutane Sondenanlage durchgeführt werden [390]. Diese grundsätzlichen Indikationen zur enteralen Ernährung werden in Abhängigkeit von Erkrankung und Behandlungssituation spezifiziert (neurologische Erkrankungen, Tumorerkrankungen, wasting syndrome bei HIV u. a.) [391]
[392]
[393]
[394]
[395]
[396]. Die Indikationsstellung zur enteralen Ernährung wird bei einem Patienten auf der Intensivstation mit einer akuten, oft passageren Erkrankung anders zu betrachten sein, als bei einem Patienten, der aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz keine orale Nahrung mehr aufnimmt [397]. Bei solchen chronischen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium müssen daher auch immer ethische Aspekte bei der Prüfung der Indikation/Sinnhaftigkeit einer Ernährungssonde berücksichtigt werden [398]
[399].
Das Risiko von (Aspirations-)Pneumonien unterscheidet sich zwischen TNS und perkutaner Gastrostomie nach einer aktuellen Cochrane-Analyse nicht signifikant, sodass sich hieraus keine Empfehlung für oder gegen eines der beiden Verfahren ableiten lässt [400]. Auch sind die Unterschiede zwischen perkutaner Gastrostomie und Jejunostomie nicht signifikant [401]. Bei isolierter Magenentleerungsstörung sollte eine jejunale Sondenapplikation erfolgen [402].
Die Auswahl zwischen den verschiedenen etablierten Verfahren zur perkutanen Sondenanlage (perkutane endoskopische Gastrostomie: PEG; perkutane endoskopische Gastrostomie mit jejunaler Verlängerung: Jet-PEG; perkutane endoskopische Jejunostomie: PEJ) wird in der Regel davon bestimmt, mit welchem Verfahren vor Ort die meiste Erfahrung besteht. Eine PEG kann in Pull-Technik oder in Push-Technik (jeweils mithilfe eines peroral ausgeleiteten Führungsfadens) oder als Direktpunktionsverfahren erfolgen. Die perkutane, endoskopische Gastrostomie (PEG) im Fadendurchzugsverfahren in Pull-Technik ist das häufigste angewandte Verfahren [403]. Im Direktpunktionsverfahren kann eine PEG auch angelegt werden, wenn eine Passage des Pharynx/Ösophagus mit der PEG-Sonde nicht möglich ist oder eine Tumorzellverschleppung sicher vermieden werden soll (siehe auch Kap. Nr. 4.2.2.3 Durchführung einer PEG).
Kontraindikationen zur enteralen Ernährung reflektieren auf die Grundvoraussetzung einer erhaltenen enteralen Funktion und Passage des Gastrointestinaltraktes. Eine enterale Ernährung soll daher nicht erfolgen bei Ileus, fortgeschrittener chronischer, intestinaler Pseudoobstruktion (CIPO) und rezidivierendem, nicht stillbarem Erbrechen. Eine akute Pankreatitis stellt keine generelle Kontraindikation dar [393]
[404]. Nach chirurgischen Eingriffen am Abdomen kann frühzeitig enteral ernährt werden [405].
Nasogastrische Sonden können zur passageren, gastralen Dekompression bei Magenentleerungsstörung, Ileus etc. eingesetzt werden. Perkutane gastrische Sonden können zur gastralen Dekompression in der Palliativtherapie bei chronischem Ileus/Peritonealkarzinose indiziert sein [402].
4.2.1 Transnasale Sonden
4.2.1.1 Kontraindikationen zur Ernährung über eine transnasale Sonde
Kommentar
Verletzungen und Malformationen des Gesichtsschädels erhöhen je nach Ausprägung die Perforationsgefahr bei der Nasenpassage (siehe Kap. Nr. 4.2.1.5 Komplikationen).
4.2.1.2 Vorbereitung
Empfehlung
Nasoenterische Sonden sollten nach Herstellerangabe vorbereitet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Komplikationen sind bei nasogastrischen und nasoenterischen Sonden nicht selten (s. u.). Aufklärung und Einverständniserklärung sollten sich daher nicht nur auf eine eventuelle Endoskopie zur Platzierung sondern auch auf die Risiken der Sondenplatzierung und ihrer Nutzung beziehen (z. B. Aspirationspneumonie). Da viele Patienten, die einer enteralen Ernährung über eine Sonde bedürfen, nicht eigenständig entscheiden können, muss rechtzeitig an die Information und Zustimmung gesetzlicher Betreuer gedacht werden [390]. Auch bei nicht endoskopischer Platzierung gilt das Nüchternheitsgebot wie bei einer Gastroskopie (Ausnahme: Sondeneinlage zur gastralen Dekompression). Je nach Vorgehensweise und Sondensystem kann eine Vorbereitung der Sonde mit Gleitölinstillation notwendig sein, um später einen Führungsdraht ohne Sondendislokation entfernen zu können.
4.2.1.3 Durchführung
Empfehlung
Eine nasogastrische Sonde kann in der Regel ohne endoskopische Kontrolle platziert werden. Das Verletzungsrisiko soll durch geeignetes Vorgehen und Vorschub ohne Widerstand gering gehalten werden. Die korrekte Lage soll vor Beginn einer enteralen Ernährung überprüft werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Passage bis in den Magen erfolgt durch die Nase, durch den unteren Nasengang und durch den Rachen bei vorgebeugtem Kopf. Der Vorschub sollte immer ohne Widerstand möglich sein und erfordert Erfahrung. Bei gastraler Sondenlage ist die Spitze typischerweise 50 – 60 cm von der vorderen Nasenöffnung vorgeschoben. Es gibt keine Evidenz, dass die Aspirierbarkeit von Sekret oder die Auskultation insufflierter Luft durch die Sonde ausreichend Sicherheit vor einer Fehllage in Atemwegen oder Ösophagus bietet [405]. Ein pH-Wert des Aspirates unter 5,5 gilt als verlässlicher Indikator einer gastralen Sondenlage [405]
[406]. Häufig ist dieser Parameter aufgrund unzureichender Säureproduktion (Medikamente, Atrophie, postoperative Anatomie) aber nicht verwertbar. Trotz verschiedener neuerer technischer Ansätze (z. B. sonografische Kontrolle, Capnometrie etc.) bleibt die radiologische Dokumentation der Sondenlage Goldstandard [407]
[408].
Empfehlung
Transnasale Dünndarmernährungssonden können endoskopisch, radiologisch kontrolliert, aber auch ohne Hilfsmittel platziert werden. Bei Unsicherheit über die korrekte Position soll vor Einleitung einer enteralen Ernährung eine radiologische Lagekontrolle erfolgen. Bei nicht endoskopischer Platzierung soll immer eine radiologische Lagekontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Beispielhafte Vorgehensweisen zur Platzierung von Dünndarmernährungssonden sind:
Endoskopische Platzierung eines Führungsdrahtes möglichst weit postpylorisch und nasale Umleitung. Der Führungsdraht kann alternativ auch primär mithilfe eines transnasalen Gastroskops platziert werden. Anschließend wird die Ernährungssonde in Seldingertechnik eingeführt und der Draht entfernt [409].
Eine Ernährungssonde wird transnasal bis in den Magen platziert. Die Spitze der Sonde wird, nach Intubation des Magens mit einem Gastroskop, mit einer Schlinge oder Fasszange gefasst und unter endoskopischer Kontrolle bis möglichst weit in das postbulbäre Duodenum vorgeschoben. Nach vorsichtiger Extraktion des Endoskops wird der Führungsdraht der Ernährungssonde nach Herstellerangaben entfernt. Die Spitze der Ernährungssonde kann im Dünndarm mit einem endoskopischen Clip fixiert werden [409].
Die Sondenspitze sollte bei korrekter Lage im Dünndarm typischerweise 100 – 110 cm von der vorderen Nasenöffnung vorgeschoben sein. Transnasale Sonden werden hautfreundlich an der Nase und hinter dem Ohr fixiert.
Der technische Erfolg einer transnasalen Sondenplatzierung zur enteralen Ernährung wird mit 86 – 97 % angegeben [409]. Bezogen auf die Intention einer ununterbrochenen enteralen Ernährung sind die Ergebnisse mit Ausfallraten von 40 % durch Bruch, Verstopfung oder akzidenteller Entfernung deutlich schlechter [400].
4.2.1.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Sonden zur enteralen Ernährung sollen vor und nach jedem Gebrauch gespült werden.
Starker Konsens
Kommentar
Sonden, die vor und am Ende einer Nährstoffapplikation, aber auch bei Aspiration von Sekret, regelmäßig mit mindestens 30 ml Wasser gespült werden, okkludieren signifikant seltener. Vor und nach Medikamenten und generell bei immunkompromittierten Patienten sollte steriles Wasser verwendet werden [405].
4.2.1.5 Komplikationen
Mögliche Komplikationen der transnasalen Sondenplatzierung können sein
-
Laryngospasmus
-
Schmerzen/Druckgefühl in Nase und Rache
-
Sinusitis
-
Epistaxis
-
Fehllage in der Trachea/Kranium
-
Perforation (Hypopharynx + Ösophagus)
-
Aspiration/Aspirationspneumonie
-
Refluxösophagitis
-
Druckulzerationen der Schleimhaut
Ein ausgeprägter Laryngospasmus ist eine seltene, aber potenziell bedrohliche Komplikation beim Einführen einer Ernährungssonde (0,5 %). Die mechanische Irritation (mit/ohne Entzündung der Nasennebenhöhlen) durch eine Ernährungssonde ist ein häufiges Problem, das auch durch dünne Sonden aus Silikon bzw. Sonden ohne löslichen Weichmacher nicht vollständig vermieden werden kann. Nasenblutung tritt häufig bei der Anlage, seltener auch im Verlauf auf. Fehleinführung in das Kranium ist selten. Das Risiko dieser Komplikation ist bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma erhöht. Eine Fehlintubation der Trachea wird meist durch anhaltendes Husten des Patienten früh bemerkt (erhöhte Vorsicht gilt auch bei intubierten Patienten ohne Schutzreflexe). Perforationen mit Pneumothorax, Pneumomediastinum und Mediastinitis mit fatalem Ausgang sind beschrieben. Bei (Tumor-)Stenose proximal des Magens erfordert die Sondenplatzierung ein besonders vorsichtiges Vorgehen, ggf. unter endoskopischer Kontrolle. Das Risiko einer (Aspirations-)Pneumonie im Verlauf einer Ernährung über eine transnasale Sonde wird mit bis ca. 39 % angegeben. Refluxösophagitis und Druckulzera korrelieren mit der Dauer der Applikation und der Verwendung von Sonden mit löslichem Weichmacher [400]
[408]
[409]
[410].
4.2.2 Perkutane endoskopische Sonden
4.2.2.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Spezielle Kontraindikationen für eine perkutane, endoskopische Sondenanlage zur Ernährung sind:
Starker Konsens
Kommentar
Ein Ileus ist eine Kontraindikation zur enteralen Ernährung. In der Einleitung zu diesem Kapitel wurde aber bereits darauf verwiesen, dass in palliativer Situation eine PEG zur Entlastung bei Ileus sinnvoll sein kann. Ein dauerhafter Kontakt zwischen gastraler bzw. jejunaler Wand und Bauchdecke ist zur Ausbildung eines stabilen Stomakanals essenziell. Eine Interposition von Leber oder Kolon kann die PEG-Anlage unmöglich machen. Endoskopische Verfahren setzen voraus, dass der luminale Ort der Punktion endoskopisch erreicht werden kann [390]. Fehlende Diaphanie ist dann keine Kontraindikation, wenn der Aspirationstest negativ ausfällt (s. u.). Aszites ist keine grundsätzliche Kontraindikation zur Anlage einer transkutanen Ernährungssonde, sofern durch geeignete Maßnahmen ein dauerhafter Kontakt zwischen intestinaler Wand und Bauchdecke gewährleistet werden kann (wiederholte Aszitespunktion, Gastropexie) [403]. Ulzera und Entzündungen (luminal und peritoneal) im Bereich des zu erwartenden Punktionskanales sollten zunächst therapiert werden [411]. Bei ausschließlicher Magenentleerungsstörung kann eine Ernährungssonde primär jejunal (PEJ) oder als PEG mit jejunaler Verlängerung platziert werden (JetPEG). Zum Blutungsrisiko der PEG Anlage und dem Einfluss von gerinnungshemmender Medikation siehe Kap. 3.2.
4.2.2.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei malignen Tumoren des Hypopharynx oder des Ösophagus mit kurativem Behandlungsansatz soll die Anlage einer PEG im Direktpunktionsverfahren erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Tumorabsiedlungen in der Bauchdecke sind für die Push-/Pull-Verfahren beschrieben, insbesondere für wenig differenzierte Plattenepithelkarzinome des Hypopharynx [412]. Zytologisch sind Tumorzellen im PEG-Kanal auch mit zeitlichem Abstand zur Anlage im Durchzugsverfahren in bis 10 % nachweisbar [413]. Klinisch manifeste Metastasen sind mit unter einem Prozent deutlich seltener publiziert, sodass die o. g. Empfehlung sich ausdrücklich nur auf kurative Behandlungsansätze bezieht [390]
[414].
Empfehlung
Die perkutane Punktion bei der PEG-Anlage soll unter sterilen Bedingungen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die PEG-Anlage stellt einen Eingriff in einem sterilen Bereich (Abdomen) dar. Daraus ergeben sich Händedesinfektion, Mundschutz, Haube, sterile Kittel und Handschuhe für den Untersucher, der für den nicht endoskopischen Part ausführt (Punktion und Durchzug). Das Instrumentarium soll auf einem sterilen Tisch vorbereitet werden. Die Punktionsstelle wird großflächig desinfiziert und die Umgebung steril abgedeckt. Die nicht sterile Pflegeassistenz übernimmt die Assistenz des endoskopierenden Arztes und fungiert ggf. als Springer für den Punkteur.
4.2.2.3 Durchführung
Empfehlung
Zur Anlage einer perkutanen Ernährungssonde soll nach endoskopischer Intubation des Magens/proximalen Jejunums die kutane Punktionsstelle am Ort der besten Diaphanie gewählt werden. Bei fehlender Diaphanie kann die PEG-Anlage durchgeführt werden, wenn der Aspirationstest negativ ausfällt. Bei der Anlage einer PEJ soll immer eine Probepunktion mit (negativem) Aspirationstest erfolgen. Das weitere Vorgehen bei der Anlage soll Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen und Gewebeschädigung beachten.
Starker Konsens
Kommentar
Um das Risiko interponierter Organe zu minimieren, soll die Punktionsstelle am Punkt der besten Diaphanie durch die Bauchdecke gewählt werden (am Magen typischerweise am Übergang zwischen mittlerem zum distalen Korpusdrittel). Weitere Sicherheit kann durch Einfingerpalpation von außen an der Stelle der besten Diaphanie erzielt werden. Bei fehlender Diaphanie wird eine Nadel unter Aspiration an der zu erwartenden Punktionsstelle unter dauerhaftem Sog eingeführt. Kann erstmalig mit Erscheinen der Nadel im Sichtfeld des Endoskops Sekret bzw. Gas aspiriert werden, ist eine Interposition von Darmteilen ausreichend unwahrscheinlich (negativer Aspirationstest). Die PEG-Anlage kann dann fortgesetzt werden [403]
[415]. Nach chirurgischer Hautdesinfektion, steriler Abdeckung und Lokalanästhesie erfolgt eine ausreichende Inzision der Haut, die eine spannungsfreie Lage der Ernährungssonde im Hautdurchtritt gewährleistet, wodurch Drucknekrosen mit erhöhtem Infektionsrisiko vorgebeugt wird.
Platzierung einer PEG in Pull- oder Push-Technik: Nach Punktion des Magens von außen wird ein Faden durch die Punktionsnadel in den Magen eingebracht und peroral ausgeleitet. Beim Pull-Verfahren wird die nach Herstellerangabe am Faden fixierte PEG durch Zug am Faden bis an das luminale Ende der Einführhülse und erst dann zusammen mit dieser durch die Bauchdecke gezogen/an der Bauchdecke platziert. Durch Fixieren der Spitze der PEG-Sonde an die Spitze der Einführhülse wird vermieden, dass der Faden beim Durchzug die intestinale bzw. Bauchwand einschneidet. Beim Push-Verfahren wird die PEG über Führungsdraht als Leitschiene geschoben. Für beide Verfahren gilt, dass die Bauchdecke am Ende des Durchzuges durch die innere Halteplatte (Ballon) nur leicht angehoben werden sollte. Bei zu starkem Zug besteht die Gefahr von Drucknekrosen der Magenwand. Auch bei der Fixierung der äußeren Halteplatte ist darauf zu achten, dass die PEG fest sitzt, ohne zu viel Druck auf das Gewebe auszuüben.
Platzierung einer PEG im Direktpunktionsverfahren (2 Vorgehen sind etabliert): Bei dem einen sollte der Punktionskanal über einen in den Magen eingebrachten Führungsdraht bougiert werden, bis die PEG eingeführt werden kann. Eine Direktpunktion des Magens mit anschließender Bougierung des Punktionskanals über einen Führungsdraht ist prinzipiell ohne Fixierung der Magenwand möglich. Eine Fixierung (Gastropexie) des Magens an der Bauchdecke durch T-Anker oder Nahtverfahren verhindert das Ausweichen des Magens und erleichtert die Intervention. Soll der Kanal für die PEG nicht durch Bougierung, sondern durch einen Trokar ohne Führungsdraht geschaffen werden, ist eine Gastropexie mit sicherer Fixierung des Magens an der Bauchwand zwingend erforderlich. Diese PEG-Sets enthalten spezielle Punktionssysteme zur Anlage der Gastropexie mit Nähten oder T-Ankern. Anschließend sollte der Magen durch einen Trokar punktiert und die PEG durch die Einführhülse des Trokars platziert werden [416]
[417]
[418]. Die PEG wird intragastral durch einen wassergefüllten Ballon fixiert und kutan durch eine Halteplatte (Fixierung nach Herstellerangaben).
Button-PEGs, deren Verschlussansatz in die äußere Halteplatte integriert ist, können als primär im Direktpunktionsverfahren angelegt werden. Der Abstand zwischen Magenlumen und Körperoberfläche wird bei der Intervention vermessen und eine entsprechend lange Button-PEG platziert.
Eine jejunale Ernährung kann über eine durch die PEG vorgeschobene Dünndarmernährungssonde (Jet-PEG) ab einem Durchmesser der PEG von 15 Charriere erfolgen. Diese wird ggf. endoskopisch möglichst weit postbulbär platziert.
Ist eine jejunale Ernährung mit perkutaner Punktion im Jejunum vorgesehen (PEJ), soll das proximale Jejunum distal des Treitzschen Bandes mit einem Koloskop oder (Doppelballon-)Enteroskop intubiert werden. Bei positiver Diaphanie und erfolgreicher Probepunktion mit einer dünnen Kanüle (21 Gauche, negativer Aspirationstest) unter Hypotonie mit Scopolamin, kann die Anlage der PEJ im Fadendurchzug erfolgen, wie bei der PEG.
Die technische Erfolgsrate einer PEG-Anlage wird mit 76 – 100 % angegeben [409], die Frequenz eines funktionellen Sondenausfalls durch Bruch, Verstopfung oder akzidenteller Entfernung mit 10 % [400]. Die Anlage einer Jet-PEG gelingt häufiger als eine direkte PEJ, das Dislokationsrisiko (Zurückrutschen der Sonde in den Magen) ist jedoch deutlich höher.
Zu den Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen gehört zwingend die Beachtung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene bei Anlage einer PEG: sterile Materialien, sterile Abdeckung, für den punktierenden Arzt sterile Handschuhe, OP-Haube, steriler, langärmeliger Kittel, Mund-Nasen-Schutz und für die Assistenz unsterile Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz, ggf. Einwegschürze [419].
4.2.2.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine perkutan platzierte Sonde kann ab dem Tag der Anlage zur Ernährung genutzt werden. In den ersten 7 Tagen nach Anlage sollte ein täglicher Verbandswechsel mit Inspektion und Überprüfung der korrekten Lage erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine PEG/PEJ ohne Gastropexie soll nicht vor Ausbildung einer stabilen Verbindung zwischen Bauchdecke und Magen (Jejunum) entfernt werden. Sonden mit innerer Halteplatte sollten endoskopisch geborgen werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei Sonden, die innen von einem Ballon gehalten werden, sollte dieser Ballon regelmäßig unter Überprüfung des zuvor instillierten Volumens entleert werden, um rechtzeitig Leckagen zu bemerken.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse aus 5 randomisierten Studien, die den Beginn der Nutzung einer PEG innerhalb der ersten 3 Stunden nach Anlage oder später verglichen, ergab keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Komplikationen [420]. Trotzdem wird man in Analogie zu anderen Interventionen geneigt sein, Ernährungslösungen erst nach einigen Stunden zu applizieren. Bei jedem Verbandswechsel wird unter sterilen Bedingungen die innere Halteplatte einer PEG gedreht, 2 – 3 cm nach innen und außen mobilisiert und erneut (nicht zu fest) fixiert, um ein Einwachsen in die Magenwand zu verhindern. In der ESPEN-Leitlinie wird dieses Vorgehen für Tag 1 – 7 beschrieben [403]. Studien, die den Zeitpunkt des ersten Verbandswechsels vergleichen, liegen nicht vor. Bei einigen Sondensystemen wird von Herstellerseite ein Wechsel der Sonde nach 6 Wochen vorgeschrieben.
Wird eine PEG (ohne Gastropexie) entfernt, bevor sich ein fester Kanal zwischen Magen und Bauchdecke ausgebildet hat, besteht die Gefahr einer Peritonitis. In der Regel besteht dieses Risiko nach 10 – 14 Tagen nicht mehr. Bei Patienten mit generell schlechter Wundheilung kann dieses Intervall aber auch länger sein [421]. Ist ein PEG-Wechsel mit Einbringen einer neuen PEG über einen Führungsdraht geplant, sollte der Kanal bereits 2 – 3 Monate eingeheilt sein [411].
Die Datenlage und die Empfehlungen zur Entfernung einer PEG mit innerer Halteplatte mit endoskopischer Bergung oder spontaner Passage durch den Darm sind widersprüchlich. Bei letzterem Vorgehen sind Perforationen beschrieben [421]
[422]
[423]
[424].
4.2.2.5 Komplikationen
Komplikationen bei perkutaner, endoskopischer Gastrotomie (PEG) können sein:
-
Wundinfektion
-
Peritonitis/Pneumoperitoneum
-
Aspiration
-
gastrale Ulzera
-
nekrotisierende Faszitis
-
Buried bumper
-
Fistel zum Kolon (bei Anlage nicht bemerkter Interposition)
-
akzidentelle Sondenentfernung
-
Leckagen neben der Sonde
Die prozedurbezogene Mortalität einer PEG-Anlage liegt bei 0,5 – 1 % [409]
[425]. Aufgrund ihrer Morbidität haben Patienten mit PEG mittelfristig eine deutliche Mortalität. So beschreiben Blomberg et al. [426] eine Mortalität von 18 % innerhalb von 2 Monaten. Die häufigste Komplikation einer PEG-Anlage, die lokale Wundinfektion, wird mit einer Frequenz von 2 – 39 % angegeben. Die große Varianz erklärt sich aus Indikation, Patientenkollektiv, Durchmesser der Sonde, Untersucher-/Abteilungserfahrung [427]. Eine Reduktion des Risikos durch Antibiotikaprophylaxe ist für die Fadendurchzugsverfahren belegt. Direktpunktionsverfahren haben eine geringere Infektionsrate und bedürfen keiner Antibiotikaprophylaxe (siehe Kap 3.3. Antibiotikaprophylaxe).
Die Streubreite in der Häufigkeit wird auch bei anderen Komplikationen berichtet, die aber insgesamt deutlich seltener auftreten.
Ein Pneumoperitoneum ohne Infektion ist per se noch keine Komplikation, statistisch aber mit Komplikationen assoziiert [428]. Bei Zeichen einer Peritonitis ist eine chirurgische Revision indiziert. Bezüglich des Aspirationsrisikos fand sich in einer aktuellen Cochrane-Metaanalyse zu Studien bei Patienten mit Schluckstörungen nur ein statistisch nicht signifikanter Unterschied zwischen transnasalen (39 %) und transkutanen (33 %) Ernährungssonden [400]. Gastrale Ulzera können durch Druck durch die innere Halteplatte, aber auch bei zu lockerem Sitz auftreten. Durch zu festen Sitz der PEG und unzureichende regelmäßige Mobilisierung kann die innere Halteplatte in die Magenwand penetrieren: „buried bumper“ (2 – 6 %) [409]. Dieser – vermeidbare – Befund erfordert eine endoskopische oder chirurgische Intervention [429]
[430]. Die seltene nekrotisierende Faszitis ist mit Risikokonstellationen wie Diabetes, Mangelernährung oder Störungen des Immunsystems assoziiert. Eine Perforation anderer Organe, insbesondere des Kolons, wird in einigen Publikationen häufiger dem Direktpunktionsverfahren zugeschrieben [431], in anderen fanden sich keine Unterschiede [416]
[418]. Akzidentelle Entfernung der Sonde ist insbesondere ein Problem bei verwirrten Patienten. Leckagen neben der Sonde können Ausdruck einer zu großen Beweglichkeit der Sonden, also einer unzureichenden Fixierung sein. Abdominelle Schmerzen in den ersten Tagen/Wochen ohne eine der zuvor benannten Komplikationen und Diarrhoe infolge der Nahrungszufuhr via PEG, sind relativ häufige Beeinträchtigungen (um 10 %), auf die im aufklärenden Gespräch hingewiesen werden sollte [426].
4.3 Endoskopische Varizenbehandlung
Einleitung: Ein Drittel aller Patienten mit Ösophagusvarizen erleidet im Verlauf der Erkrankung eine akute Varizenblutung. Die Varizenblutung auf dem Boden einer fortgeschrittenen Leberzirrhose ist dabei mit einer Mortalität von bis zu 20 % verbunden. Zusätzlich verringert sich das Langzeitüberleben nach Varizenblutung; das 2-Jahres-Überleben liegt hier bei nur 40 %. Dies legt den Fokus insbesondere auf die Prophylaxe der Varizenblutung aber auch auf die optimierte Versorgung im Blutungsereignis.
4.3.1 Endoskopisches Varizenscreening
Empfehlung
Ein endoskopisches Varizenscreening soll bei jedem Patienten mit einer neu diagnostizierten Leberzirrhose erfolgen.
Eine Wiederholungsendoskopie soll im Falle einer kompensierten Leberzirrhose im Child-Pugh-Stadium-A nach 2 Jahren, im Falle einer fortgeschrittenen Zirrhose (Child-Pugh-Stadium-B und -C) nach einem Jahr durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer Zirrhose liegen bei etwa 40 % der Patienten Ösophagusvarizen vor, die Inzidenz für eine Varizenprogression bei initial negativem Screening liegt bei 5 – 10 %/Jahr [432]. Risikofaktoren für die Entwicklung höhergradiger Varizen bzw. für eine Blutung sind eine fortgeschrittene Leberzirrhose Child-Pugh-Stadium-B-C, großlumige Varizen und das Vorliegen von endoskopischen Blutungsbereitschaftszeichen wie red spots oder red wale signs [433]
[434]. Gastrische Varizen repräsentieren eine heterogene Gruppe, wobei gastrische Varizen vom Typ I mit 75 % überwiegen. Diese bluten weniger häufig und weniger schwer als die gastrischen Varizen Typ II, welche im Fundus gelegen sind [435]. In der Regel liegen gastrische Varizen bei Leberzirrhose in Kombination mit Ösophagusvarizen vor. Die Leitlinie der AASLD empfiehlt daher ein endoskopisches Varizenscreening bei Erstdiagnose der Leberzirrhose und eine Wiederholungsendoskopie bei Child-Pugh-A-Stadium nach 2Jahren, bei Child-Pugh-B- und C-Stadium nach 1 Jahr [436] ([Tab. 25]).
Tab. 25
Endoskopische Varizentherapie: Stratifizierung nach Indikation.[1]
primärprophylaxe Ösophagusvarizen
|
Varizen
|
NSBB (Propranolol/Carvedilol)
|
Varizen Grad II–III ohne Risikofaktoren
|
NSBB/EVL bei Unverträglichkeit
|
Varizen Grad II–III mit Risikofaktoren
|
NSBB oder EVL
|
sekundärprophylaxe Ösophagusvarizen
|
Varizen mit Z. n. Blutung
|
EVL + NSBB (EVL bei NSBB Unverträglichkeit)
|
primärprophylaxe Gastrische Varizen
|
GV mit Risikofaktoren
|
NSBB (ggf. Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat)
|
sekundärprophylaxe Gastrische Varizen
|
GV Z. n. Blutung
|
NSBB (ggf. Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat)
|
akute Varizenblutung
|
Ösophagusvarizen
|
EVL/Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat, Interimslösung Blutungsstent, Reserve: TIPS
|
gastrische Varizen
|
Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat, Reserve: TIPS
|
1 Risikofaktoren: Child-Pugh-Stadium-B–C; red spots, red wale signs. NSBB: nicht selektive Beta-Blocker; EVL: endoskopische Varizenligatur; GV: gastrische Varizen.
4.3.2 Elektive endoskopische Varizenbehandlung
4.3.2.1 Endoskopische Primärprophylaxe
Ösophagusvarizen: endoskopische Primärprophylaxe
Empfehlung
Bei Vorliegen von Ösophagusvarizen soll eine Primärprophylaxe erfolgen. Diese kann endoskopisch oder medikamentös erfolgen. Im Falle einer endoskopischen Primärprophylaxe soll eine endoskopische Varizenligatur (EVL) bis zur Varizeneradikation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nicht selektive Beta-Blocker (NSBB) sind der Therapiestandard in der Primärprophylaxe mit einer Verringerung des Blutungsrisikos bis zu 45 % im Vergleich zu Placebo. Im Falle von Ösophagusvarizen Grad I konnte durch Propranolol im Vergleich zu Placebo die Varizenprogression nachweislich vermindert werden: 11 vs. 37 % innerhalb eines 3-Jahres-Follow-up [437]. Problematisch ist, dass NSBB bei einem Teil der Zirrhosepatienten aufgrund der Nebenwirkungen nicht in ausreichender Dosis toleriert werden, um den Pfortaderhochdruck adäquat auf einen Hepatovenösen Druckgradienten (HPVG) unter 12 mmHg zu senken. Ein Versagen der Beta Blocker Prophylaxe ist klinisch mit jüngerem Alter, höherem Durchmesser der Varizen, fortgeschrittener Lebererkrankung und natürlich niedrigeren Propranolol Dosen verbunden [438]. Hier stellt die endoskopsische Varizenligatur eine Alternative dar.
Die Wirksamkeit der endoskopischen Varizenligatur zur Risikoreduktion für ein Blutungsereignis in der Primärprophylaxe konnte in mehreren Metaanalysen nachgewiesen werden. Dies galt sowohl für Studien, die die Ligaturtherapie gegen eine Gruppe ohne Prophylaxe verglichen [439], als auch für den Vergleich von Ligatur und Betablocker [440]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2005 belegte hier mindestens eine Gleichwertigkeit beider Verfahren [440]. Die Ligaturtherapie zeigte ein günstigeres Nebenwirkungsprofil sowie in der Subguppe der Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose eine geringere Blutungsrate im Vergleich zu NSBB, allerdings ohne Einfluss auf das Gesamtüberleben.
Eine aktuelle Cochrane-Analyse wertete 19 RCTs zur Frage Beta-Blocker oder Ligaturtherapie in der Primärprophylaxe von Ösophagusvarizen aus [441]. Eingeschlossen wurden überwiegend Patienten mit höhergradigen Varizen. Bei Analyse aller Studiendaten ergab sich ein signifikanter Vorteil für die Varizenligatur mit einer statistisch signifikant geringeren Rate für die obere GI-Blutung und die erste Varizenblutung (RR 0,69; 95 % CI 0,52 – 0,91; RR 0,67; 95 % CI 0,46 – 0,98). Wurden nur die als Volltext publizierten Studien in die Analyse einbezogen, zeigte sich eine Gleichwertigkeit der Verfahren und der Vorteil für die Ligaturtherapie war nicht mehr nachweisbar. Ein Unterschied hinsichtlich der blutungsabhängigen Mortalität und der unterwünschten Ereignisse konnte ebenfalls nicht gezeigt werden.
Für die Kombination von Ligaturtherapie und Betablocker gegenüber Betablockern alleine konnte eine prospektiv-randomisierte Studie an 140 Patienten keinen Vorteil für die Kombinationstherapie hinsichtlich Blutungsprävention und Überleben nachweisen [442].
Erste Daten geben Hinweise, dass der Einsatz von neueren Betablockern ein sequenzielles Vorgehen in der Primärprophylaxe ermöglichen könnte. Eine aktuelle prospektive Studie [443] zeigte ein Ansprechen für Carvedilol (Non-Selektiver-β1/2 Antagonist und α1-Receptor Antagonist) bei Propranolol-Nonrespondern (HPVG > 12mmHG) in noch 56 % der Fälle. Nur die verbleibenden Carvedilol-Nonresponder wurden einer Ligaturtherapie zugeführt. Im 2-Jahres-Follow-up war die Ligaturgruppe den Beta-Blocker Respondern hinsichtlich Blutungsrate, hepatischer Dekompensation und Mortalität signifikant unterlegen (Blutungsrate: PROP 11 % vs. CARV 5 % vs. EBL 25 % (p = 0,0429); hepatische Dekompensation: PROP 38 %/CARV 26 % vs. EBL 55 %; (p = 0,0789); Mortalität: PROP 14 %/CARV 11 % vs. EBL 31 % (p = 0,0455)).
Gastrische Varizen: endoskopische Primärprophylaxe
Empfehlung
Die Injektion von Gewebekleber n-Butyl-2-Cyanoacrylat kann bei Vorliegen großer oder unter Therapie der Ösophagusvarizen zunehmender gastrischer Varizen mit Blutungsbereitschaftszeichen in der Primärprophylaxe erwogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine kürzlich publizierte prospektive Studie [444] untersuchte erstmals die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat bzw. Histoacryl® im Vergleich zu Beta-Blockern und keiner Therapie in der Primärprophylaxe, bei Vorliegen großer gastrischer Varizen. Hier ergab sich in der Histoacrylgruppe im Vergleich zu Beta-Blockern eine signifikant geringere Blutungsrate (87 % vs. 72 %, p = 0,039) und im Vergleich zum Placeboarm ein signifikanter Überlebensvorteil (90 % vs. 72 %, p = 0,048). Inwiefern diese singuläre Arbeit ausreichende Evidenz für eine generelle prophylaktische Injektion von Gewebekleber in gastrische Varizen bietet, ist unklar. Dies bleibt derzeit bei geringer Evidenz eine Einzelfallentscheidung.
4.3.2.2 Endoskopische Sekundärprophylaxe
Ösophagusvarizen: endoskopische Sekundärprophylaxe
Empfehlung
Die Kombinationstherapie von endoskopischer Bandligatur und Beta-Blocker soll der Standard in der Sekundärprophylaxe sein, im Falle einer Beta-Blocker-Unverträglichkeit die alleinige endoskopische Ligaturtherapie.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse, die 23 kontrollierte Studien zu dieser Thematik auswertete [445], ergab eine deutliche Reduktion der Gesamtblutungsrate unter der Kombination im Vergleich zur endoskopischen Therapie (RR 0,68, 95 % CI 0,.52 – 0,89) bzw. zu Beta-Blockern alleine (RR 0,71, 95 % CI 0,59 – 0,86). Die kombinierte Prophylaxe reduzierte auch die Rezidivblutungsrate sowie das Auftreten von Rezidivvarizen nach Eradikation. Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen traten dabei fast ausschließlich in der Beta-Blocker-Gruppe (bis 7 %) auf. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse [446] von 9 RCTs zur endoskopischen Varizenligatur, bestätigte die Ergebnisse mit einer signifikanten Reduktion der Rezidivblutungsereignisse in der Kombinationstherapie im Vergleich zu NSBB (RR 0,68; 95 % CI 0,54 – 0,85); die „number needed to treat“ lag bei 8 Patienten. Die Daten zeigen einen Vorteil der kombinierten Sekundärprophylaxe auch für die blutungsassoziierte Mortalität, nicht aber für die Gesamtmortalität der Patienten.
Gastrische Varizen: Sekundärprophylaxe
Empfehlung
Die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat kann bei Z. n. Blutung aus gastrischen Varizen in der Sekundärprophylaxe bis zur Varizeneradikation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine aktuelle Arbeit untersuchte prospektiv die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat ± NSBB in der Sekundärprophylaxe [447] gastrischer Varizen. Hier konnte für die Addition von NSBB weder ein Unterschied in der Rezidivblutungsrate noch in der Mortalität gezeigt werden (p = 0,336 und 0,936). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass NSBB bei dieser Indikation keinen Benefit haben. Allerdings, ist die NSBB-Gabe durch das kombinierte Vorliegen von höhergradigen Ösophagusvarizen oder einer portal hypertensive Gastropathie mit Indikation zur Beta-Blocker-Therapie bei den meisten Leberzirrhotikern unabhängig von den gastrischen Varizen indiziert.
Sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprophlyxe (s. u.) sollte das Embolisatrisiko bei Injektion von Gewebekleber bedacht werden, es wurden Thrombosen im Mesenterial- und Pulmonalstromgebiet, septisch embolische Komplikationen oder Ulcera der Injektionsstelle beschrieben [448].
4.3.2.3 Spezielle Kontraindikationen
Hier wird auf die Kapitel 3.2.2: Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffe, 3.2.4: Empfehlungen zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil bestimmter endoskopischer Eingriffe und 3.2.5: Empfehlung zum Vorgehen bei Patienten mit angeborener oder erworbener nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung verwiesen.
4.3.2.4 Durchführung: elektive endoskopische Varizenbehandlung
Endoskopische Varizenligatur
Empfehlung
Vor der Intervention sollte eine aktuelle Beurteilung mittels kompletter Ösophagogastroduodenoskopie erfolgt sein. Es sollen Multibandligatoren verwandt werden und die Varizenligatur sollte möglichst distal am ösophagogastralen Übergang begonnen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Verwendung von Multibandligatoren mit transparenten Aufsatzkappen hat die Verwendung von Singleband-Ligaturen abgelöst. Vorteilhaft sind eine bessere endoskopische Übersicht und die einfachere Applikation mehrerer Ligaturen sowie die geringere Komplikationsrate [449]
[450]. Mit der Verwendung von Übertuben wurden Ösophagusperforationen und Varizenblutungen beschrieben [451]. Da der Multibandapplikator über den Arbeitskanal eingebracht wird, wird die Verwendung eines therapeutischen Gastroskops mit Anschluss für eine Spülvorrichtung empfohlen [452]. Die Varize wird in die montierte Aufsatzkappe des Applikatorsystems eingesaugt und unter Beibehaltung des Sogs ein Gummibandring über die Kappe abgestreift. Es werden im allgemeinen 4 bis maximal 10 Ligaturen im distalen Ösophagusdrittel gesetzt.
Injektion von Gewebekleber
Empfehlung
Die Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat gemischt mit Lipiodol (Röntgenkontrast) soll streng in die Varize erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat in mehreren Portionen in die gastrische Varize wird eine initiale Hämostaserate von über 90 % erreicht [453]
[454]. Langzeitige Hämostaseraten unter Verwendung von, im Mittel, 1,7 ml n-Butyl-2-Cyanoacrylat in, im Mittel, 1,3 Sitzungen liegen bei 74 %. In der praktischen Durchführung ist ein rasches Nachspülen der Injektionsnadel mit 0,5 – 1 ml NaCl 0,9 % zu beachten, um ein Verkleben der Nadel zur vermeiden. Des weiteren Augenschutz für ärztliches und pflegerisches Personal und ggf. für den Patienten zum Schutz vor verspritztem n-Butyl-2-Cyanoacrylat. Der Erfolg der Sklerosierungstherapie kann durch vorsichtiges Tasten des Härtegrades der Varize z. B. mit der geschlossenen Biopsiezange überprüft werden.
Zu Effektivität und Komplikationsrate unter fluoroskopischer Kontrolle im Vergleich zu alleiniger endoskopischer Injektion liegen keine Daten vor. Daher kann Durchführung unter Röntgenkontrolle erfolgen, dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Vorteilhaft ist die radiologische Kontrolle zur Sicherstellung der intravasalen Applikation und zur frühen Diagnostik von Embolisaten.
4.3.2.5 Prozedurabhängige Nachsorge: elektive endoskopische Varizenbehandlung
Endoskopische Varizenligatur
Empfehlung
Nach endoskopischer Varizenbehandlung kann eine stationäre Überwachung abhängig von der Intervention und dem individuellen Risikoprofil des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Rezidivblutungsrate aus Ligaturulzera im Rahmen der endoskopischen Bandligatur wird in einer aktuellen größeren Arbeit mit 3,5 % beziffert [455]. Als unabhängige Risikofaktoren für Rezidivblutungen wurden eine Varizenblutung in der Anamnese, eine eingeschränkte Lebersyntheseleistung in Form eines erhöhten APRI scores sowie eine verlängerte Prothrombinzeit ermittelt. Andere Arbeiten korrelierten das Rezidivblutungsrisiko mit dem Vorliegen eines Child-Pugh-C-Stadiums [456].
Fortführung der Ligaturtherapie
Empfehlung
Die Ligaturtherapie soll in regelmäßigen Abständen bis zur Eradikation fortgesetzt werden. Im Folgenden sollten regelmäßige endoskopische Kontrollen erfolgen und ggf. eine erneute Ligaturtherapie bei Auftreten von Rezidivvarizen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine komplette Varizeneradikation bei Ligaturtherapie alle 2 – 4 Wochen wird nach 2 – 4 Sitzungen erreicht [436]
[457]. Eine Fallserie [458], untersuchte die Effektivität der Ligaturtherapie, verglichen mit der Sklerotherapie, in der Sekundärprophylaxe an 181 Patienten. Eine Varizeneradikation wurde mit der Ligatur in 2,5 ± 1,6 Sitzungen und mit der Sklerotherapie in 6,6 ± 4,0 Sitzungen erreicht. Die Langzeitdaten zum Erfolg der Varizeneradikation und Rekurrenz waren nicht unterschiedlich. Die additive Sklerotherapie verbliebener, kleiner Varizen nach Ligatureradikation, zeigte in einer prospektiven Studie an 45 Patienten keinen signifikanten Vorteil für die Rezidivblutungsrate oder die Varizenrekurrenz [459]. Die Kombinationsgruppe wies vielmehr eine höhere Rate unerwünschter Ereignisse wie Dysphagie und Schmerzen auf.
Injektion von Gewebekleber
Empfehlung
Im Rahmen der Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat sollte eine stationäre Überwachung für mindestens eine Nacht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Kasuistisch wurden Embolisate in die Lungenstrombahn und in die Mesenterialgefäße beschrieben, des Weiteren septische Komplikationen und lokale Ulzerationen an der Injektionstelle [448]
[460]
[461]. Dies rechtfertigt die stationäre Durchführung. Frühe Rezidivblutungen sind eher selten und traten im Zeitraum von Tagen bis Monaten nach der Injektion auf.
4.3.3 Akute Varizenblutung
4.3.3.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei der akuten Varizenblutung soll primär die intensivmedizinische Versorgung mit Stabilisierung des Patienten im Vordergrund stehen.
Starker Konsens
Kommentar
Hier ist die Kreislaufstabilisierung durch Volumensubstitution und die Gabe von Blutprodukten/Gerinnungsfaktoren und ggf. die Schutzintubation bei verminderten Schutzreflexen die Basis für eine endoskopische Therapie [436].
Empfehlung
Die Endoskopie zur Diagnosesicherung und Therapie soll nach intensivmedizinischer Stabilisierung bei v.a eine akute Varizenblutung zeitnah erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine retrospektive Studie [462] an 311 Leberzirrhotikern, die mit akuter Varizenblutung aufgenommen wurden, untersuchte den Einflussfaktor Endoskopiezeitpunkt auf die Mortalität. Die multivariate Analyse analysierte als unabhängige Risikofaktoren für die Mortalität im Krankenhaus vor allem einen Endoskopiezeitpunkt über 15 Stunden nach Aufnahme (aOR 3,67; 95 %; 95 % CI: 1,27 – 10,39) und ein Therapieversagen der ersten Endoskopie (aOR 4,36; 95 % CI: 1,54 – 2,30). Darüber hinaus der Anstieg des MELD-Scores je Punkt (aOR 1,16; 95 % CI: 1,07 – 1,25) und Hämatemesis als Aufnahmegrund (im Vergleich zu Melaena aOR 8,66; 95 % CI: 1,06 – 70,94).
Die Empfehlungen der AASLD beinhalten eine Endoskopie zur Diagnosesicherung und Therapie zeitnah nach Stabilisierung des Patienten [436].
Empfehlung
Die pharmakologische Therapie mit einem Vasopressinanalogon sollte bereits bei begründetem Verdacht auf akute Varizenblutung noch vor der Endoskopie begonnen und bei Bestätigung der Diagnose für eine Zeitdauer von 3 – 5 Tagen fortgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Vasopressinanaloga reduzieren durch Konstriktion der Splanchnikusgefäße den Pfortaderfluss und damit die Durchblutung der Umgehungskreisläufe. Zusätzlich führt die Vasokonstriktion zu einer Kreislaufstabilisierung und verbesserten Nierendurchblutung. Für die pharmakologische Therapie konnte bei akuter Varizenblutung eine der endoskopischen Therapie vergleichbare Hämostaserate nachgewiesen werden. Eine Metaanalyse [463] untersuchte die endoskopische Therapie der akuten Varizenblutung (EVL/Sklerosierung) mit oder ohne pharmakologische Therapie, basierend auf 8 kontrollierten Studien. Die Kombinationstherapie verbesserte signifikant die intiale Blutungskontrolle (RR 1,12; 95 % CI 1,02 – 1,23; NNT 8) sowie die 5 Tages Hämostase (RR, 1,28; 95 % CI, 1,18 – 1,39; NNT 5); ohne Unterschiede in der Gesamtmortalität oder der Nebenwirkungsrate. Daher sollte bei begründetem Verdacht auf eine Varizenblutung (obere GI-Blutung bei klinischem v. a. Leberzirrhose, anamestisch bekannte Leberzirrhose ± Varizen), die Gabe eines Vasopressin Analogons bereits vor der Endoskopie erfolgen.
Etabliert ist die Gabe von Terlipressin iv 1 – 2 mg als Bolus noch vor der Endoskopie, Wiederholung alle 4 – 6 Stunden innerhalb der ersten 72 Stunden. Alternativ kann Terlipressin auch kontinuierlich über Perfusor verabreicht werden um die Verträglichkeit zu verbessern und kardiovaskuläre Nebenwirkungen zu minimieren [464]. Kürzlich untersuchte eine randomisierte kontrollierte Studie inwieweit eine Verkürzung der Terlipressin-Gabe bei akuter Varizenblutung auf 24 h im Vergleich zu 72 h effektiv und sicher ist [465]. Hier zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der intialen Hämostaserate sowie in der 30 Tage Rezidivblutungsrate (3,1 vs. 1,5 %) und Mortalität (9,2 % beide). Ggf. ist eine Verkürzung der Terlipressin-Gabe auf 24 Stunden möglich, dies hat aber derzeit noch keinen Empfehlungscharakter.
Eine aktuelle multizentrische, prospektive Studie [466] verglich verschiedene Vasopressinanaloga für 5 Tage bei akuter Varizenblutung. Zwischen Terlipressin (n = 261) vs. Somatostatin (n = 259) vs. Octreotid (n = 260) wurden keine Unterschiede im Outcome von Blutungskontrolle, Rezidivblutung und Mortalität nachgewiesen.
Empfehlung zur Antibiotikaprophylaxe siehe Kap 3.3. Antibiotikaprophylaxe
4.3.3.2 Durchführung
Ösophagusvarizen
Empfehlung
Die definitive endoskopische Therapie einer akuten Ösophagusvarizenblutung soll bevorzugt in Form einer Ligaturtherapie erfolgen. Alternativ kann eine Sklerotherapie mit n-Butyl-2-Cyanoacrylat erwogen werden.
Die Sklerosierung mit Etoxysklerol/Polidocanol sollte aufgrund der höheren Komplikationsrate nicht angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der klinischen Praxis kann im akuten Blutungsfall bei Ösophagusvarizen die Sicht mit dem Bandligator eingeschränkt sein. Alternativ kann hier eine Erstversorgung mittels Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat erfolgen, wobei das potenzielle Embolisatrisiko bedacht werden muss. Aktuelle Daten zum Vergleich von Injektionstherapie mit n-Butyl-2-Cyanoacrylat und Gummibandligatur in der Akutblutung von Ösophagusvarizen zeigen eine Gleichwertigkeit beider Verfahren in der Blutungsstillung und im Überleben mit einem statistisch nicht signifikanten Trend zu einer höheren Rezidivblutungsrate in der Injektionsgruppe [467].
Für die Sklerosierungstherapie mit Etoxysklerol/Polidocanol ist in vergleichenden Studien zur endoskopischen Gummibandligatur eine höhere Rezidivblutungsrate und höhere Komplikationsrate (Ulzerationen, Perforation, Mediastinitis) belegt, diese wird daher nicht mehr empfohlen [436]
[468].
Gastrische Varizen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von akuten Blutungen aus gastrischen Varizen soll eine Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat in die blutende Varize erfolgen. Im Einzelfall kann hier insbesondere bei gastrischen Varizen Typ I auch eine Gummibandligatur erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse [469] von 7 Studien zum Vergleich der Injektion von n-Butyl-2-Cyanoacrylat versus Ligatur im akuten Blutungsereignis, zeigte für die Injektionstherpaie eine statistisch signifikante höhere initiale Hämostaserate (OR = 2.,32, 95 % CI 1,19 – 4,51 sowie eine längere Rezidivblutungsfreiheit (HR 0,37, 95 % CI 0,24 – 0,56) ohne Einfluss auf die Mortalität.
Endoskopische Interimslösungen bei akuter Varizenblutung
Empfehlung
Bei akuter mit den Standardmaßnahmen nicht beherrschbarer Ösophagusvarizenblutung soll eine alternative Therapie erfolgen. Zur endoskopischen Therapie kann die Insertion eines voll gecoverten selbst expandierenden Blutungsstents erfolgen. Alternativ kann eine Einlage einer Ballontamponade erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Versagt die endoskopische Therapie in Kombination mit der Pharmakotherapie, definiert als fehlende Stabilisierung innerhalb der ersten 6 Stunden oder frühe Rezidivblutung innerhalb von bis zu 72 Stunden, kann die Einlage eines für diese Indikation zugelassenen, voll gecoverten, selbst expandierenden Metallstents (Ella Danis Stent) [470] als vorübergehende Maßnahme erfolgen. Mit einem speziellen Insertionsset ist die Platzierung des Stents ohne Röntgendurchleuchtung am Patientenbett möglich. An der Spitze des Einführinstruments befindet sich ein insufflierbarer Ballon, der nach Luftfüllung an die Cardia gezogen wird. Nach Positionierung (ggf. auch über Führungsdraht) wird der Stent freigesetzt, der Ballon abgelassen und das Set entfernt. Der Stent komprimiert die Ösophagusvarizen.
Die Effektivität des voll gecoverten Blutungsstents wurde in 3 Fallserien mit 62 Patienten nachgewiesen [470]
[471]
[472]. Die Stentliegedauer betrug hier zwischen 2 und 14 Tagen. Eine Stabilisierung war in allen Fällen möglich ohne wesentliche prozedurabhängige Komplikationen. Der Stent kann auch als Bridging Therapie bis zu einer TIPS Anlage (s. u.) gelegt werden.
Alternativ kann eine Ballontamponade [436] (Ösophagusvarizen-Senkstakensonde/Fundusvarizen-Linton-Nachlasssonde) eingelegt werden; diese sollte wegen der Gefahr der Druckulzera aber maximal für 24 Stunden belassen werden. Auch wenn vergleichende Studien zum Blutungsstent versus Ballontamponade nicht vorliegen, erscheint das Nebenwirkungsprofil des Blutungsstents in Anbetracht der möglichen längeren Liegedauer günstig.
Als definitive Therapie ist bei Versagen der endoskopischen Therapie und geeigneten Patienten die Anlage eines früh elektiven transjugulären portosystemischen Shunts (TIPS) [473] zu diskutieren. Hier konnte in einer prospektiv-randomisierten Studie durch TIPS 36 h nach Varizenblutung eine Hämostase in über 90 % erzielt werden. Das 1-Jahres-Überleben in diesem kritisch kranken Patientenkollektiv betrug in der TIPS-Gruppe 86 % im Vergleich zu 61 % in der Pharmako-EVL-Gruppe (p < 0,001). Die Komplikationsrate war vergleichbar bei einschränkend kleiner Patientenzahl und selektioniertem Patientengut.
Eine Alternative zur endoskopisch gezielten Blutstillung bietet die EUS-gestützte Therapie. Longitudinale Echoendoskope ermöglichen die Beurteilung von dem Gastrointestinaltrakt benachbarten Gefäßen einschließlich farbdopplersonografischer Untersuchungen. In einer tierexperimentellen Untersuchung zur endosonografisch gestützten Angiografie vor allem kleinerer venöser und arterieller Gefäße konnte diese mit 22G-Nadeln sicher und in akzeptabler Qualität erfolgen, während sich die Kontrastmittelinjektion über 25G-Nadeln schwierig gestaltete und nach Gefäßpunktion mit einer 19G-Nadel bei 1 von 5 Versuchstieren eine Blutung auftrat [474]. Eine prospektiv-kontrollierte Studie verglich bei Patienten mit Magenvarizenblutung in der Sekundärprophylaxe die EUS-kontrollierte, aber mit einem Gastroskop durchgeführte regelmäßige Obliterationstherapie von Magenvarizen mit Cyanoacrylat mit der rein endoskopischen Cyanoacrylat-Therapie „on demand“ bei Rezidivblutung. In der EUS kontrollierten Obliterationsgruppe war die Rate verzögerter Rezidivblutungen signifikant reduziert [475]. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte die Gleichwertigkeit einer EUS-gestützten Sklerotherapie von Kollateralvenen bei Patienten mit mittelgroßen und großen Ösophagusvarizen in der Sekundärprophylaxe mit der endoskopischen intravasalen Sklerotherapie gezeigt werden; mit einer tendenziell geringeren Rate an Varizenrezidiven [476]. In Kasuistiken oder Fallserien beschrieben wurden die erfolgreiche EUS-gestützte Cyanoacrylatinjektion und Coilembolisation blutender Magenvarizen [477]
[478]
[479]
[480] sowie die Injektionstherapie blutender ektoper Varizen (Coiling, Cyanoacrylat, Thrombin) [481]
[482]
[483]
[484]. Endosonografisch gestützte, intravaskuläre Therapien (Cyanoacrylat, Polidocanol, Thrombin, absoluter Alkohol, Thrombin) endoskopisch nicht beherrschbarer oder rezidivierender arterieller gastrointestinaler Blutungen (Ulcus Dieulafoy, viszerales Pseudoaneurysma, Tumorblutung), sind bisher nicht systematisch evaluiert, sondern nur kasuistisch berichtet worden [485]
[486]
[487]
[488]
[489].
4.3.4 Komplikationen
Endoskopische Varizenligatur
-
Gesamtkomplikationsrate 14 %. Hauptsächlich handelt es sich um transiente, retrosternale Schmerzen und Dysphagie.
-
Rezidivblutungen aus Ligaturulzera treten bei bis zu 3,5 % der Patienten, im Mittel 13,5 Tage nach der Ligaturbehandlung auf [455].
Injektion von Gewebekleber [448]
[460]
[461]
4.3.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 26])
Tab. 26
Vorschlag für Qualitätsindikatoren Varizentherapie.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der Antibiotikaprophylaxe bei akuter Varizenblutung
|
Frequenz der Therapie mit einem Vasopressinanalogon bei akuter Varizenblutung
|
intraprozedural
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Frequenz der endoskopische Gummibandligatur als das Verfahren der 1. Wahl bei der endoskopischen Therapie der akute Ösophagusvarizenblutung
|
Frequenz der endoskopische Gummibandligatur als das Verfahren der 1. Wahl bei der endoskopischen Primär- und Sekundärprophylaxe von Ösophagusvarizen
|
postprozedural
|
Frequenz der Empfehlung zur Kontrolle und Fortführung der endoskopischen Varizenligatur in der Primär- und Sekundärprophylaxe
|
Frequenz spezifischer Komplikationen nach Varizenligatur und Injektion von Gewebekleber
|
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Zur Antibiotikaprophylaxe bei akuter Varizenblutung siehe Kap 3.3. Die Einleitung einer Therapie mit einem Vasopressinanalogon bereits vor der Endoskopie bei akuter Varizenblutung ist Standard und gut belegt [463]
[464]
[465]
[466].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Die endoskopische Gummibandliagur ist sowohl in der elektiven Therapie von Ösophagusvarizen (Primär- und Sekundärprophylaxe) als auch in der Therapie der akuten Ösophagusvarizenblutung aufgrund des besseren Nebenwirkungsprofils im Vergleich mit der Injektion von Gewebekleber die erste Wahl [441]
[445]
[446]
[449]
[450]
[451]
[467]
[468]. Die ASGE [490] spricht sich in den Empfehlungen zur Qualitätsindikatoren in den genannten Punkten für ein Qualitätsziel von > 98 % aus.
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Nach erfolgter endoskopischer Primär- und Sekundärprophylaxe soll der Patient die Empfehlung zu einem Kontrolltermin bzw. zur Fortführung der Therapie erhalten (Kap. 4.4.2.5) [436]
[457]
[458]. Zur Erfassung der Häufigkeit Prozedur spezifischer Komplikationen wird auf die Komplikationen unter Kap. 4.3.5 verwiesen.
4.4 Endoskopische Therapie nicht variköser Blutungen
4.4.1 Zeitpunkt der Endoskopie
Empfehlung
Bei jeder klinisch evidenten gastrointestinalen Blutung sollte eine endoskopische Diagnostik und ggf. Therapie stattfinden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für die obere gastrointestinale Blutung soll eine frühzeitige Endoskopie (innerhalb von 12 – 24 h nach Aufnahme) erfolgen.
Eine schwere obere GI-Blutung sowie eine erhöhte Mortalität sollte bei Vorliegen bestimmter Faktoren wie zusätzliche Komorbiditäten (Herz-, Leber-, Tumorerkrankung), eingeschränkte klinische und laborchemische Parameter (HB < 8 g/dl, INR < 1,5, Albumin < 3 g/dl, RR sys ≤ 90 mmHg) bedacht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die obere GI-Blutung konnte in einer älteren RCT nachgewiesen werden, dass eine frühe endoskopische Diagnostik und Therapie innerhalb von 12 Stunden nach stationärer Aufnahme im Vergleich zu einem späteren Untersuchungszeitpunkt die Krankenhausverweildauer und den Bedarf an Blutprodukten reduziert (mittlerer Transfusionsbedarf 450 ml vs. 666 ml; p < 0,001; mittlere KH-Verweildauer, 4 vs. 14,5 Tage, p < 0,001) [491]. Von einer Endoskopie innerhalb von 12 Stunden profitierten insbesondere Patienten mit Zeichen einer akuten oberen GI-Blutung mit blutigem Aspirat in der Magensonde im Vergleich zu Kaffeesatzerbrechen oder klarem Aspirat in der Magensonde. Eine retrospektive Analyse von 4478 Patienten mit nicht variköser oberer GI-Blutung zeigte keinen Einfluss einer frühen Endoskopie (< 12 h vs. > 24 h) auf Mortalität und Frequenz von chirurgischen Eingriffen (Mortalität OR 0,98, 95 % CI 0,88 – 1,09, p 0,70) [492]. Die spätere Endoskopie war allerdings mit einem verlängerten Krankenhausaufenthalt verbunden (1,7 Tage länger, 95 % CI 1,39 – 1,99, p < 0,001). Dies ergab auch eine randomisiert-kontrollierte Studie an 110 Patienten mit oberer GI-Blutung zur frühen Endoskopie versus Endoskopie innerhalb von 24 – 48h; hier war die sofortige Entlassung von 46 % der Patienten der frühen Endoskopiegruppe möglich [493]. Stabile Patienten mit endoskopisch diagnostiziertem geringem Risiko für eine Rezidivblutung können daher durch die Endoskopie identifiziert und frühzeitig entlassen bzw. als ambulante Patienten geführt werden [494]
[495].
Prädiktive Faktoren für eine schwere obere gastrointestinale Blutung sind eine zugrunde liegende Tumorerkrankung oder Leberzirrhose, Hämatemesis, Hypovolämie und Hypotension sowie Schock und ein HB < 8 g/dl [59. Der Blatchford-Score, der Labor- und Kreislaufparameter (HB, Harnstoff, Puls, RR syst) sowie anamnestische Daten (Synkope, Melaena, Lebererkrankung, Herzerkrankung) beinhaltet, weist eine hohe Sensitivität für die Identifikation einer schweren Blutung (ROC 0,92, 95 % CI 0,88 – 0,95) bei allerdings geringer Spezifität auf [496]. Prädiktive laborchemische und klinische Faktoren für eine erhöhte Mortalität sowie eine verlängerte KH-Verweildauer bei oberer GI-Blutung wurden kürzlich anhand einer großen Datenbasis ermittelt und validiert [497]. Als Risikofaktoren wurden hier ein Albumin < 3,0 g/dL, eine INR > 1,5, RR systolisch ≤ 90 mm Hg und ein Alter > 65 Jahre errechnet. Bei Vorliegen aller 5 Parameter stieg die Mortalität von 0,3 auf 32,8 % (p < 0,001).
Empfehlung
Für die klinisch evidente untere GI-Blutung sollte eine Koloskopie nach adäquater Vorbereitung erfolgen. Die Dringlichkeit orientiert sich an der klinischen Situation.
Bei v. a. eine anorektale Blutungsquelle sollte eine Proktorektoskopie vorgeschaltet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die untere gastrointestinale Blutung ist der ideale Zeitpunkt der Koloskopie nicht klar definiert. 2 randomisierte Studien haben hier keinen eindeutigen Vorteil für eine frühzeitige Endoskopie innerhalb von 12 Stunden ergeben. Es zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich Mortalität, Substitution von Blutprodukten, KH-Verweildauer und Rezidivblutungsrate zwischen der frühen Koloskopie und der Koloskopie innerhalb von 24 – 48 Stunden [498]
[499].
Neuere Techniken mit integrierter endoskopischer Darmspülung während der Koloskopie erlauben eine adäquate Beurteilung hinsichtlich der Blutungsquellensuche auch ohne orale Vorbereitung [500]. Zusammenfassend erscheint, dass in der Regel eine ausreichende, vorbereitende Darmspülung zur Beurteilung der Blutungsquelle gerechtfertigt ist [501]. Ausnahmen stellen Situationen mit bekannter Blutungslokalisation wie akute Blutungen nach vorangegangener Polypektomie oder eine postoperative Anastomosenblutung dar. Hier besteht zudem durch die vorangegangene Darmreinigung eine meist ausreichende Beurteilbarkeit. Bei starken Blutungen orientiert sich die Dringlichkeit der Endoskopie an der klinischen Situation des Patienten. Bei klinischem Verdacht auf eine Hämorrhoidalblutung ist eine frühe Proktoskopie gerechtfertigt.
4.4.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei Kreislaufinstabilität/Schock soll eine intensivmedizinische Betreuung und eine Kreislaufstabilisierung mit Volumensubstitution und ggf. Gabe von Blutprodukten vor/während der Endoskopie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die intensivmedizinische Kreislaufstabilisierung mit ggf. Intubation steht bei instabilen und aspirationsgefährdeten Patienten im Vordergrund; hier wird auf die S3-Leitlinie Sedierung verwiesen [502]. Bei der Gabe von Blutprodukten hat sich ein restriktiveres Transfusionsverhalten durchgesetzt, das aktuellen Daten geschuldet ist. Hier sprechen sich internationale Empfehlungen für die Gabe von Blutprodukten erst bei einem Hämoglobinwert ≤ 7 g /dl aus [503]. Eine große Fallserie [504] evaluierte 4441 Patienten mit oberer GI-Blutung. 44 % der Patienten erhielten Erythrozytenkonzentrate innerhalb der ersten 12 Stunden bei einem Hb Wert von > 8 g/dl oder < 8 g/dl. Auch nach Korrektur bzgl. des initialen Hb-Wertes war die frühe Bluttransfusion mit einem 2fach erhöhten Risiko für eine Rezidivblutung (OR 2,26, 95 % CI 1,76 – 2,90) und einem Anstieg der Mortalität um 28 % (OR 1,28, 95 % CI 0,94 – 1,74) verbunden. Eine aktuelle randomisierte klinische Studie verglich liberales (Bluttransfusion < 9 g/dl) und restriktives Tansfusionsverhalten (Bluttransfusion < 7 g/dl) bei 921 Patienten mit oberer GI-Blutung [505]. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 6 Wochen war signifikant höher in der restriktiven Transfusionsgruppe (95 vs. 91 %; HR für Mortalität 0,55; 95 % CI 0,33 – 0,92; p = 0,02). Dies galt für die Ulkusblutung (HR 0,70; 95 % CI, 0,26 – 1,25) und insbesondere für Patienten mit Leberzirrhose Child-Pugh-Stadium-A/B (HR 0,30; 95 % CI 0,11 – 0,85). Die Rezidivblutungsrate lag in der restriktiven Gruppe niedriger (10 vs. 16 % p = 0,01) ebenso die Rate an unerwünschten Ereignissen (40 vs. 48 % p = 0,02).
Prokinetika bei oberer GI-Blutung
Empfehlung
250 mg Erythromycin iv. sollte 30 – 60 Minuten vor der Endoskopie einer frischen oberen gastrointestinalen Blutung mit zu erwartenden Blutkoageln im Magen zur Verbesserung der Beurteilbarkeit verabreicht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der Motilin-Rezeptoragonist beschleunigt die Magenentleerung und hat in Studien und in einer aktuellen Metaanalyse [506]
[507] ein verbessertes Outcome für die Lokalisation der Blutungsquelle und die endoskopische Therapie bei oberer GI-Blutung gezeigt. Hier reduzierte die Gabe von Prokinetika (Erythromycin in 3 Studien und Metoclopramide in 2 Studien) im Vergleich zu Placebo oder keiner Gabe von Prokinetika, signifikant die Notwendigkeit einer erneuten ÖGD (OR 0,55; 95 % CI, 0,32 – 0,94) ohne Einfluss auf die Gabe von Blutprodukten, Krankenhausverweildauer oder die Frequenz von chirurgischen Eingriffen [506]
[507]. Einschränkend muss erwähnt werden, dass es sich bei der Gabe von Erythromycin um einen Off-label-use handelt.
Protononenpumpeninhibitoren vor der Endoskopie bei oberer GI-Blutung
Empfehlung
Bei Verdacht auf akute Ulkusblutung soll die Therapie mit PPI unverzüglich, unabhängig vom Zeitpunkt der Endoskopie, verabreicht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Cochrane-Metaanalyse [508] zur Frage der PPI-Gabe vor Endoskopie bei oberer GI-Blutung analysierte 6 RCTs mit insgesamt 2223 Patienten. In der Indexgastroskopie der PPI-Gruppe zeigte sich eine geringere Rate akuter Blutungstigmata (aktive Blutung, Blutkoagel oder Gefäßstumpf) und therapeutischer Eingriffe verglichen mit der Kontrolle ohne PPI (Placebo oder H-2 Rezeptorantagonisten) [508]. Auch wenn kein Einfluss auf die Langzeitmorbidität und -mortalität nachgewiesen werden konnte, erscheint die Gabe von PPI in der Wartezeit vor der Endoskopie sinnvoll.
4.4.3 Durchführung
4.4.3.1 Endoskope und Blutstillungstechniken
Empfehlung
Es sollte ein therapeutisches Endoskop mit großlumigem Arbeitskanal verwendet werden, welches eine suffiziente Spülung und Absaugung erlaubt. Der Anschluss einer automatischen Spülvorrichtung sollte möglich sein.
Konsens
Kommentar
Ein Endoskop mit therapeutischem Arbeitskanal gewährleistet die Absaugung von Blutkoageln und, in Kombination mit der Spülvorrichtung, die Lokalisation der Blutungsquelle.
Endoskopische Hämostaseverfahren
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie nicht variköser Blutung können die Injektionstherapie mit NaCl 0,9 %, verdünnter Suprareninlösung oder die Injektion mit Fibrinkleber, sowie thermische Koagulationsverfahren und mechanische Verfahren (Hämoclipping) angewandt werden.
Reserveverfahren stellen der Verschluss mit einem Vollwandverschlussclip und die Sprühapplikation von Hämostasespray dar. Die Verwendung von anderen Sklerosierungssubstanzen zur Therapie der nicht varikösen Blutung kann nicht empfohlen werden.
Starker Konsens
Injektionstherapie
Die Injektion von meist isotonischer Kochsalzlösung erfolgt über einen Injektionskatheter und führt über eine lokale Kompression und bei Zusatz von vasoaktiven Substanzen wie Adrenalin, in einem Verdünnungsverhältnis von 1:10 000 oder 1: 20 000, durch eine zusätzliche Vasokonstriktion zur Hämostase.
Sklerosierende Substanzen wie Polidocanol und Ethanol verursachen keine Gewebetamponade, sondern eine direkte Gewebeulzeration, hier wurden lokale Gewebeschäden, Ulzerationen und Thrombosen beschrieben. Daher werden diese Substanzen nicht mehr empfohlen [495].
Die Injektion von Fibrinkleber verklebt die Blutung und aktiviert die lokale Wundheilung durch einen primären Fibrinclot. Dieser besteht aus zwei Komponenten (Komponente 1: Fibrinogen, Faktor XIII, Aprotinin. Komponente 2: Thrombin, Calciumchlorid), bei Mischung der beiden Anteile kommt es zur Ausbildung eines Fibrinnetzes. Die Injektion erfolgt entweder durch eine spezielle Nadel mit 2 Kammern oder über einen Doppelaufsatz durch die Sklerosierungsnadel. Hier ist auf die parallele, rasche Applikation der beiden Komponenten zu achten, um ein vorzeitiges Verkleben der Nadel zu vermeiden. Ältere Daten liefern Belege für eine Wirksamkeit der Injektion von Fibrinkleber in der Blutstillung von nicht varikösen GI-Blutungen [509]. Dieser ist allerdings kostenintensiv und aktuelle Daten zum Vergleich mit modernen Hämostaseverfahren liegen nicht vor.
Thermische Verfahren
Diese umfassen mono-, bi- und multipolare Koagulationssonden und Heather-Probes zur Koagulation bzw. Verkochung von Gefäßen, kombiniert mit einem lokalen Kompressionseffekt durch den Druck der Sonde. Koagulationszangen kombinieren die Biopsie mit der monopolaren oder bipolaren Koagulation und der Möglichkeit zur gezielten Blutungsstillung durch Verödung der Gefäße. ESD-Messer ermöglichen eine elektrische Koagulation zur Blutungsstillung, neben der Schneide- und Präparationsfunktion.
Bei der Anwendung von Argonplasmakoagulation wird Hochfrequenzstrom durch ionisiertes Argongas über einen flexiblen teflonbeschichteten Katheter auf das Gewebe übertragen. Dabei erfolgt die Koagulation nahe der Zielstruktur ohne Berührung des Gewebes. Die Eindringtiefe der APC-Koagulation und damit die Perforationsgefahr ist begrenzt. Hauptindikation für die gastrointestinale Blutung sind die Verödung von Angiodysplasien und die palliative Therapie von Tumorblutungen. Hier werden Pulsfrequenzen von 1 – 2 s und Energien von 40 – 60 Watt verwendet [495].
Mechanische Therapie
Endoskopisch applizierbare Metallclips in verschiedenen Größen greifen bis in die Submukosa. Sie sind indiziert zum Verschluss von Gefäßstümpfen mit oder ohne aktive Blutung und zur Wundrandadaptation [510]. Der Vollwandverschlussclip ermöglicht einen Vollwandverschluss und wurde entwickelt für die Therapie der schweren GI-Blutung und zum Verschluss von Perforationen [511]
[512]
[513]. Ähnlich einem Bandligatursystem wird die Aufsatzkappe mit dem Clip (12 und 14 mm, traumatisch oder atraumatisch) auf die Spitze eines therapeutischen Endoskops aufgezogen. Mit einer speziellen Doppelzange oder einem Ankersystem wird das Gewebe in die Aufsatzkappe eingezogen und eingesaugt. Anschließend wird der Clip über die Kappe über das Gewebe gestreift. Eine vergleichende Ex-vivo-Studie zur Blutungstherapie zeigte eine höhere Hämostaserate für den Vollwandverschlussclip im Vergleich zu zwei konventionellen Hämoclips [514]. Fallserien berichten über die erfolgreiche Verwendung des Vollwandverschlussclips als Reserveverfahren bei vorangegangener, erfolgloser endoskopischer Therapie von GI-Blutungen [515].
TC 325
Seit kurzem steht als Reserververfahren für die obere und untere GI-Blutung ein nicht organischer Puder (TC 325) zur Verfügung. Die Substanz wird in kurzen Sprühstößen, unter CO2 -Druck, auf die Blutungsquelle aufgesprüht. Dabei hat der Sprühkatheter einen Abstand von 1 – 2 cm von der Blutungsquelle. Das anorganische Material aktiviert die Gerinnung und formiert eine granuläre Hämostase auf der Blutungsquelle. Nach ersten Studien zur Sicherheit und Effizienz im Tiermodell [516] liegt eine prospektive, multizentrische Studie zu First-line- und Second-line-Therapie bei 63 Patienten mit oberer GI-Blutung vor [517]. 57 Patienten wurden nur mit dem Blutungsspray behandelt, hier lag die primäre Hämostaserate bei 47/57 (85 %; 95 % CI: 76 – 94 %) mit einer Rezidivblutungsrate von 15 % im Follow-up 7 Tagen (95 % CI, 5 – 25 %).
Bisher wurde die Substanz bei peptischen Ulkusblutungen, Blutungen unter antithrombotischer Therapie und Tumorblutungen eingesetzt [518]
[519]
[520]
[521].
TC 325 ist bisher nicht zugelassen für die variköse Blutung, da eine Embolisatverschleppung über den Gefäßweg befürchtet wird. Hier wurde der erfolgreiche Einsatz als Reserveverfahren kasuistisch bei Ösophagusvarizenblutung bereits berichtet [522]
.
Endosonografisch gestützte intravaskuläre Therapien (Cyanoacrylat, Polidocanol, Thrombin, absoluter Alkohol, Thrombin) endoskopisch nicht beherrschbarer oder rezidivierender arterieller gastrointestinaler Blutungen (Ulcus Dieulafoy, viszerales Pseudoaneurysma, Tumorblutung, vaskuläre Malformation) sind bisher nicht systematisch evaluiert, sondern nur kasuistisch berichtet worden [578]
[579]
[580]
[581]
[582]
[583]
[584] und können in endoskopisch nicht beherrschbaren Notfallsituationen eine Alternative zu radiologischen und chirurgischen Blutstillungsverfahren sein.
Empfehlung
Ein adhärentes Koagel sollte zur Risikoeinschätzung und zur Durchführung der weiteren endoskopischen Therapie entfernt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ist ein adhärentes Koagel leicht zu entfernen, ist eine endoskopische Therapie und eine genauere Risikoeinschätzung des Rezidivblutungsrisikos bei z. B. Ulkusblutung möglich.
Vergleichende Daten liegen vor allem für die peptische Ulkusblutung vor. Bei nicht leicht ablösbarem Koagel ist die Datenlage uneinheitlich. Eine Metaanalyse zur endoskopischen Therapie von Ulkusblutungen schloss unter anderem 5 randomisierte Studien an 189 Patienten mit adhärentem Koagel ein, hier wurde die endoskopische mit der medikamentösen Therapie verglichen [523]. Bei adhärentem Clot ergab sich, im Unterschied zu den Daten mit aktiver Blutung aus einem Gefäß oder sichtbarem Gefäßstumpf, kein Vorteil für die Endoskopie hinsichtlich der klinischen Endpunkte (Rezidivblutung, chirurgische Intervention) [523]. Bei Einzelbetrachtung der Studien zeigten 2 einen Vorteil für die Endoskopie, 2 keinen Vorteil und 1 Studie bestand nur aus 5 Patienten und war damit nicht repräsentativ für die Fragestellung. Eine andere Metaanalyse [524] zeigte in der Gruppe mit endoskopischer Koagelentfernung und endoskopischer Therapie eine signifikant verminderte Rezidivblutungsrate im Vergleich zur medikamentösen Therapie (8.,2 vs. 24,7 %, p = 0,01; RR 0,35 (95 % CI 0,14–,.83; number needed to treat, 6,3). Daher ist die Ablösung des adhärenten Koagels – falls möglich – sinnvoll, bleibt aber eine Fall zu Fall Entscheidung [495].
4.4.3.2 Endoskopische Hämostaseverfahren in Abhängigkeit von der Blutungsursache
Peptische Ulkusblutung
Empfehlung
Bei Vorliegen von Hochrisikostigmata bei peptischer Ulkusblutung soll eine Injektionstherapie durch ein zweites endoskopisches Hämostaseverfahren (Hämoclip/thermische Verfahren) ergänzt werden, um eine Rezidivblutung zu vermeiden.
Bei ausreichender Beurteilung der Blutungsquelle kann primär eine alleinige Hämoclip-Applikation oder ein thermisches Verfahren angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Hochrisikostigmata für eine Rezidivblutung sind eine spritzende arterielle Blutung bzw. ein sichtbarer Gefäßstumpf.
Für die Therapie der peptischen Ulkusblutungen wurde durch mehrere Metanalysen und eine Cochrane-Analyse belegt, dass die Kombination mit einem zweiten Hämostaseverfahren (Hämoclip oder thermisches Verfahren) der alleinigen Injektionstherapie hinsichtlich Rezidivblutungsrate und der Notwendigkeit zur Operation signifikant überlegen ist [523]
[525]
[526]
[527]
[528]. Unter dualer Therapie zeigte sich zusätzlich in einigen Studien ein statistisch nicht signifikanter Trend zu einer geringeren Mortalität [523]
[525]
[526]
[528]
[529]. Im Vergleich waren Hämoclips und thermische Verfahren auch in der Monotherapie überwiegend gleichermaßen effektiv [523]
[525]
[527]
[528]
[529]. Nur eine Metaanalyse [526] ergab in der Subgruppenanalyse eine Überlegenheit der Hämoclip-Monotherapie bzgl. der Rezidivblutungsrate im Vergleich mit der alleinigen thermischen Therapie. Der Effekt war nicht mehr nachweisbar, sobald die thermische Therapie mit der Injektionstherapie kombiniert wurde.
In der klinischen Praxis dient die Injektionstherapie, neben der akuten Hämostase, der Herstellung einer ausreichenden Beurteilbarkeit der Blutungsquelle. Daran schließt sich die Anwendung eines mechanischen Verfahrens z. B. Hämoclip oder alternativ eines thermischen Verfahrens an. Bei initial guter Sicht kann die Injektionstherapie entfallen. Welches Verfahren zur Anwendung kommt, ist abhängig von der lokalen Expertise.
Mallory-Weiss-Läsionen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus Mallory-Weiss-Läsionen des Ösophagus sollten eine Injektionstherapie und/oder mechanische Verfahren wie z. B. ein Hämoclip-Wundrandverschluss Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die endoskopische Injektion von verdünntem Suprarenin wurde eine effektive Blutstillung bei Blutungen aus Mallory-Weiss-Läsionen nachgewiesen [530]. Für den Hämoclip-Verschluss zeigten vergleichende Studien und prospektive Serien eine mindestens ebenso effektive Blutstillung, bei zusätzlichem Vorteil des Wundrandverschlusses [531]
[532]. In den letzten Jahren wurde auch die Gummibandligatur als Verfahren zur Blutstillung bei Mallory-Weiss-Läsion mit vergleichbarer Effektivität zum Hämoclip-Verschluss bzw. zur Epinephrininjektion publiziert [43, 44[. Der Hämoclip-Verschluss gilt in Deutschland allerdings, neben der Injektionstherapie, als das Standardverfahren.
Vaskuläre Malformation
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus vaskulären Malformationen sollten thermische Verfahren angewandt werden.
Zur endoskopischen Therapie einer GAVE können thermischen Verfahren oder eine endoskopische Gummibandligatur angewandt werden.
Zur endoskopischen Therapie einer Dieulafoy-Läsion können neben thermischen Verfahren auch mechanische Verfahren (z. B. Hämoclip, Ligatur) angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei den endoskopisch zu behandelnden vaskulären Malformationen handelt es sich meist um Angiodysplasien, GAVE oder seltener Dieulafoy-Läsionen. Die endoskopische Therapie von vaskulären Malformationen basiert dabei hauptsächlich auf thermischen Verfahren. Hier ist die Argonplasmakoagulation die meist angewandte Technik. Bis auf Fallserien existieren keine kontrollierten Studien zur endoskopischen Therapie von Angiodysplasien und wenige vergleichende Daten zur GAVE bzw. Ulcus-Dieulafoy [535]. Ein aktueller systematischer Review stellt die Studienlage zu Angiodysplasie und GAVE, inklusive der medikamentösen Therapieoptionen [536], anhand von 50 Studien bei 1790 Patienten mit Angiodysplasien oder GAVE dar. Die Qualität der Daten zu den endoskopischen Therapieoptionen wurde hier allerdings als überwiegend insuffizient bzw. nicht ausreichend beurteilt (Fallserien, keine RCT), um eine finale Einschätzung zur Wirksamkeit zu geben.
Bei einer gastrisch antralen vaskulären Ektasie (GAVE) finden sich meist im Antrum lokalisiert, diffus oder linear angeordnete Erosionen. Histologisch liegen dilatierte mukosale Kapillaren und eine fibromuskuläre Hyperplasie der Lamina propria vor [537]. Die genaue Ätiologie der Veränderungen ist unklar. Eine Senkung des Pfortaderdruckes z. B. durch eine TIPS-Anlage reduziert die Blutungsrate nicht. Die endoskopische Therapie besteht in der endoskopischen Verödung mit thermischen Verfahren z. B. APC oder in der Gummibandligatur des Antrums. Ein kürzlich publizierter retrospektiver Vergleich zur Bandligatur bei GAVE zeigte eine signifikant geringere Rekurrenzrate der Blutungen im Follow-up nach Ligatur im Vergleich zur APC-Therapie (8,3 vs. 68,2 %) [538]. Eine kleine Pilotstudie prüfte die Radiofrequenzablation mittels Halo 90 im Rahmen des Barrx-System bei GAVE. Hier zeigte sich, nach im Mittel 1,7 Ablationssitzungen, eine HB-stabile Situation im Follow-up von 3 Monaten bei 5 von 6 Patienten [539]. Die therapeutische Effektivität dieser seitens der Materialkosten vergleichsweise aufwändigen Methode, bleibt im Rahmen von prospektiven Vergleichsstudien abzuwarten.
Für das Ulcus Dieulafoy wurden neben thermischen Verfahren, Injektionsverfahren und mechanische Verfahren wie der Hämoclipverschluss beschrieben. Eine randomisierte kontrollierte Studie [540] zur Epinephrininjektion im Vergleich zum Hämoclipping an je 16 Patienten zeigte keine Unterschiede in der primären Hämostaserate (87,5 vs. 93,8, p = 1,00). Die Hämoclip-Behandlung erzielte aber eine signifikant höhere Rate an permanenter Hämostase (0 vs. 35,7 %, p < 0,05) mit einer geringeren Rate an Wiederholungseingriffen. Eine kleinere Serie belegte ebenfalls die Wirksamkeit einer endoskopischen Gummibandligatur zur Therapie [541]. Auch eine Anwendung des Vollwandverschluss Clips [542] wurde zur effektiven Blutstillung beschrieben.
Zur Therapie von Blutungen aus erweiterten mukosalen Gefäßen bei Strahlenproktitis ist die Argonplasmakoagulation ein etabliertes Verfahren [543]. Eine Serie von 56 Patienten mit unterer GI-Blutung bei Strahlenproktitis zeigte eine erfolgreiche APC-Therapie bei allen 27 Patienten mit leichter Proktitis und 23/29 (79 %) Patienten mit schwerer Proktitis. Im Follow-up von 17,9 Monaten (Range 6 – 33) blieben 34/38 Patienten (89,5 %) in klinischer Remission. Vergleichende Studien der Argonplasmakoagulation zur hyperbaren Sauerstofftherapie [544] oder zur bipolaren Koagulation [545] resultierten in einer vergleichbaren Effektivität der Verfahren.
Blutung aus GI-Tumoren
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Blutungen aus gastrointestinalen Tumoren können thermische Verfahren Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur palliativen endoskopischen Therapie von Blutungen aus GI-Tumoren liegen im Wesentlichen Fallsammlungen oder kombinierte Daten zur Tumormassenreduktion bzw. Behandlung einer Obstruktion vor. Hier kommen überwiegend thermische Verfahren wie die Argonplasmakoagulation oder die bipolare Koagulation [546]
[547]
[548] zur Anwendung. Alternativ kann bei geeigneter Lokalisation die Einlage eines SEMS erfolgen [549]. Ein Reserveverfahren kann die Applikation von TC 325 sein [520].
Divertikelblutung
Empfehlung
Eine endoskopische Diagnostik und ggf. Therapie sollte bei v. a. Kolondivertikelblutung nach Darmlavage erfolgen. Zur endoskopischen Hämostase einer akuten Divertikelblutung sollten primär Injektionsfahren und mechanische Verfahren (z. B. Hämoclip, Ligatur) angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Kolonoskopie v. a. bei Divertikelblutung dient überwiegend der Diagnosesicherung und dem Ausschluss anderer Ursachen für eine untere GI-Blutung. Die Divertikelblutung sistiert meist spontan, eine endoskopische Intervention ist beim geringeren Teil der Patienten notwendig und möglich. Dies belegt auch eine aktuelle Fallserie von 133 konsekutiven Patienten mit Kolondivertikelblutung. Hier zeigte sich eine spontane Hämostase bei 123 Patienten (92,4 %). Endoskopische Interventionen waren bei den verbleibenden 10 Patienten erforderlich und die Rezidivblutungsrate, innerhalb von im Mittel 47,5 Monaten, lag bei 13,8 % [550]. Dies entspricht älteren Fallserien, die eine Diagnosesicherung durch die Endoskopie in bis zu 90 % und eine erfolgreiche endoskopische Blutstillung in bis zu max. 39 % beschreiben [551]
[552]
[553]
[554]
[555]
[556]. Dabei kommen Injektionsverfahren und thermische Verfahren in den älteren Arbeiten und mechanische Verfahren (Hämoclipping) in Arbeiten jüngeren Datums zum Einsatz.
Eine aktuelle retrospektive Studie an 64 Patienten mit Divertikelblutung resultierte bei 24 Patienten in einer akuten Blutung. Bei 81 % der akuten Divertikelblutungen war eine primäre Hämostase mit Hämoclip-Applikation möglich; die Rezidivblutungsrate aller Patienten, innerhalb von im Mittel 35 Monaten, lag bei 22 % [557]. Die erneute Blutung war überwiegend selbstlimitierend (57 %), wurde endoskopisch erfolgreich geclippt (29 %) oder embolisiert (14 %).
Neuere Arbeiten beschreiben alternativ zum Hämoclipping die endoskopische Gummibandligatur als endoskopisches Hämostaseverfahren bei Kolonodivertikelblutung [558]. Ein retrospektiver Vergleich der Gummibandligatur mit dem Hämoclip-Verschluss (n = 10 vs. n = 48) zeigte eine gleichwertige Rate beider Verfahren bzgl. der primären Hämostase, bei einer höheren frühen Nachblutungsrate in der Hämoclipgruppe (6 vs. 33 %) [559]. Prospektiv-randomisierte Studien zum Vergleich der Hämostaseverfahren liegen für die akute Divertikelblutung nicht vor.
Blutung während/nach endoskopischer Resektion (Post-Polypektomie, EMR, ESD)
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von intraprozeduralen Blutungen während endoskopischer Resektion können Injektionsverfahren, thermische Verfahren und mechanische Verfahren zum Einsatz kommen. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren oder eine Kombination kann basierend auf der aktuellen Datenlage nicht gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Therapie von intraprozeduralen Blutungen bei Polypektomie bzw. endoskopischen Resektionverfahren liegen keine vergleichenden Studien zur Effektivität verschiedener endoskopischer Hämostaseverfahren vor. Bei Großflächenresektion wie der ESD erfolgt meist eine thermische Koagulation blutender Gefäße mit speziellen Koagulationszangen [560], die das weitere Resektionsverfahren weniger behindern als mechanische Verfahren [561]. Für intraprozedurale Blutungen bei Großflächen EMR von 198 Kolonadenomen (mittlere Größe 41,5 mm, 64 % rechtes Kolon) konnte für die Soft-Koagulation blutender Gefäße mit der geschlossenen Schlingenspitze eine effektive Hämostase in 91 % der Fälle gezeigt werden [562]. Andere Daten evaluierten nach Ende der Resektion bei Sickerblutung das Aufsprühen eines Aminosäuregels [563].
Zur Therapie von postprozeduralen Blutungen stehen Injektionstherapie, mechanische und thermische Verfahren zur Verfügung [560]
[564]. Studien zum Vergleich einzelner Hämostaseverfahren liegen nicht vor. Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach dem endoskopischen Befund. Ein Reservefahren bei starker oder diffuser Blutung kann die Applikation von Hämospray sein; dies wurde kasuistisch bereits beschrieben [565].
4.4.3.4 Endoskopische Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion
Empfehlung
Zur Prophylaxe von frühen Blutungen nach Polypektomie und endoskopischer Resektion können singuläre oder kombinierte Blutstillungstechniken angewandt werden. Die Entscheidung zur Anwendung einer Blutungsprophylaxe kann bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren (Läsionsgröße > 10 mm, Lokalisation z. B. im rechten Kolon, Komorbiditäten) getroffen werden.
Starker Konsens
Zur Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion existieren insbesondere Daten zur Polypektomie von Kolonpolypen sowie einige Studien zur endoskopischen Mukosaresektion.
Eine Metaanalyse zur Blutungsprophylaxe, die 8 Studien mit 2595 Polypektomien umfasst, ergab eine verminderte Rate einer frühen Postpolypektomieblutung unter Verwendung einer prophylaktischen Hämostasemethode im Vergleich zur Kontrollgruppe (2,58 vs. 8,15 %, OR 0,34, 95 % CI 0,20 – 0,58, p < 0,0001). Die Verwendung kombinierter Blutungsstillungstechniken im Vergleich zu einer angewandten Technik senkte die frühe Blutungsrate ebenfalls signifikant (0 vs. 8,41 %, OR 0.,12, 95 % CI, 0,03 – 0,47, p = 0,002). Die Rate der späten Postpolypektomieblutung hingegen blieb unbeeinflusst von der Anwendung einer einzelnen oder kombinierten Blutungsstillungstechnik [566]. Für die EMR sessiler und flacher Kolonadenome von mindestens 2 cm Größe, belegte eine retrospektive Analyse von 524 Läsionen die Effektivität des prophylaktischen Hämoclip-Verschlusses hinsichtlich der 30-Tage-Blutungsrate. Die Blutungsrate lag bei 9,7 % ohne Hämoclipping und bei 1,8 % mit Clipverschluss. In der multivariaten Analyse waren kein Hämoclip (OR 6,0, 95 % CI 2,0 – 18,5), eine Lokalisation an der linken Kurvatur (OR 2,9; 95 % CI 1,05 – 8,1) und die Läsionsgröße (OR 1,3, 95 % CI 1,1—1,7 je 10-mm Größenzunahme) mit einer Zunahme der Blutungsrate assoziiert [567]. Ein aktueller RCT zum Vergleich der prophylaktischen Clip-versus-Endoloop-Applikation vor Resektion großer gestielter Kolonpolypen zeigte keine Überlegenheit für eines der beiden Verfahren [568]. Auch für die EMR von Magenläsionen konnte die prophylaktische Effektivität eines Hämoclip-Verschlusses mit einer Senkung der Post-EMR-Blutungsrate gezeigt werden [569]. Eine retrospektive Studie von 1083 ESD-Läsionen analysierte die präventive Koagulation von sichtbaren Gefäßen und die Lokalisation im oberen Magendrittel als unabhängige Risikofaktoren für eine geringe Rate postprozeduraler Blutungen [570].
Ob nach Polypektomie oder endoskopischer Resektion ein prophylaktisches, endoskopisches Hämostaseverfahren zur Anwendung kommt, ist derzeit eine individuelle Entscheidung. Diese kann bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren gestützt werden. Eine Analyse von 9336 Polypektomien im Kolon ergab eine Postpolypektomieblutung bei 2,8 %. Die multivariate Analyse auf Polypenbasis ermittelte als Risikofaktoren für eine Postpolypektomieblutung folgende Faktoren: Ein Alter ≥ 65 Jahren, kardiovaskuläre oder renale Komorbidität, Polypengröße > 1 cm, gestielte Polypen oder laterally spreading Adenome, die Verwendung reinen Schneidestroms in der Abtragung sowie eine insuffiziente Darmlavage [571]. Eine weitere aktuelle Studie identifizierte als unabhängige Risikofaktoren für eine Postpolypektomieblutung die Polypengröße mit einem Risikoanstieg von 13 % pro 1 mm Größenzunahme (OR 1,13, 95 % CI 1,05 – 1,20, p < 0,001) und die Lokalisation im rechen Kolon (OR 4,67 [1,88 – 11,61, p = 0,001]) [572]. Für die Großflächen EMR von Kolonadenomen zeigte eine prospektive Analyse von 1172 Patienten mit Adenomen ≥ 20 mm (mittlere Größe 35,5 mm) eine intraprozedurale Blutung bei 11,3 %. Unabhängige Risikofaktoren waren die Läsionsgröße (OR 1,24/0 mm; p < 0,001), eine Paris Classification von 0–IIa + Is (OR, 2,12, p = 0,004), und eine tubulovillöse oder villöse Histologie (OR 1,84, p = 0,007). Eine postprozedurale Blutung trat bei 6,2 % auf, hier waren die Lokalisation im proximalen Kolon (OR 3,72, p < 0,001), der Gebrauch von reinem Schneidestrom (OR 2,03, p = 0,038) und die stattgehabte intraprozedurale Blutung (OR 2,16, p = 0,016) unabhängige Risikofaktoren für ein postprozedurales Blutungsereignis [564]. Alle Blutungen konnten endoskopisch therapiert werden.
4.4.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Im Falle einer Rezidivblutung sollte ein erneuter endoskopischer Therapieversuch erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei peptischen Ulzera kann in bis zu 25 % eine Rezidivblutung auftreten, hier ist ein erneuter endoskopischer Therapieversuch gerechtfertigt [503]
[573]
[574]. Bei großem und tiefem Ulkus, schwieriger anatomischer Lage mit protrahierter Blutungsstillung und bei rezidivierender Blutung ist generell eine frühzeitige Information und Einbindung der Chirurgie sinnvoll.
Auch wenn zur Fragenstellung der Effektivität einer erneuten endoskopischen Therapie bei Rezidiv einer Postpolypektomieblutung, Post-EMR/ESD oder Divertikelblutung keine gezielten Studien vorliegen, lassen die vorliegenden Fallserien eine zweite endoskopische Blutstillung gerechtfertigt erscheinen [557]
[564]
[571]
[572].
Empfehlung
Nach erfolgreicher endoskopischer Hämostase kann die generelle Second-look-Endoskopie nicht empfohlen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die generelle Durchführung einer endoskopischen Routinekontrolle ist anhand der besehenden Daten und Metaanalysen kontrovers diskutiert. Die überwiegend zu diesem Thema publizierten älteren Studien zur peptischen Ulkusblutung benutzen primär die Epinephrininjektion oder thermische Hämostaseverfahren. Eine aktuelle Metaanalyse schloss 4 voll publizierte Studien und 4 Abstracts ein (938 Patienten) [575]. Die Rezidivblutungsrate war in der Second-look-Endoskopiegruppe generell erniedrigt (OR 0,55; 95 % CI 0,37 – 0,81), ebenso die Frequenz chirurgischer Eingriffe (OR 0.43; 95 % CI 0.19 – 0.96), die Mortalität blieb unbeeinflusst (OR 0,65; 95 % CI 0,26 – 1,62). Wenn eine Hochdosis-PPI-Therapie erfolgte, war der positive Effekt der Routine-second-look-Endoskopie nicht mehr nachweisbar, ebenso bei Ausschluss der Studien mit Hochrisikoblutungsstigmata. Eine weitere Metaanalyse zeigte nur für die Patienten bei denen in der Second-look-Endoskopie ein thermisches Verfahren, im Gegensatz zur Injektionstherapie, angewandt wurde einen Benefit [576]. Mechanische Verfahren wie Hämoclipping wurden nicht untersucht. Ein systematischer Review, welcher die Kosten miteinbezog, bewertet die Second-look-Endoskopie als ineffizient und kostenineffektiv, insbesondere wenn initial eine Hochdosis-PPI-Therapie oder ein Hämoclipping erfolgte [577]. Derzeit stellt die Second-look-Endoskopie daher eine Einzelfallentscheidung bei Vorliegen von Hochrisikostigmata für eine Blutung dar [495]
[503].
Empfehlung
Bei Blutung aus peptischen Ulzera mit Hochrisikostimata sollte eine Hochdosis-PPI-Therapie für 72 Stunden erfolgen. Im Verlauf sollte eine HP-Testung und ggf. HP-Eradikation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die intravenöse oder orale PPI-Therapie über 72 Stunden bei Hochrisikoulcera konnte im Vergleich zu Placebo oder H2-Antagonisten in einer Cochrane-Metaanalyse mit 4273 Patienten eine Senkung der Rezidivblutungsrate (10,6 vs. 17,3 %; OR 0,49, 95 % CI 0,37 – 0,65) und der Frequenz der chirugischen Eingriffe (6,1 vs. 9,3 %; OR 0,61, 95 % CI 0,48 – 0,78) aber nicht der Mortalität nachgewiesen werden [585]. Hochdosis-PPI-Gabe (Definition: 80 mg Bolus gefolgt von 8 mg/h Infusion für 72 Stunden) vs. Nicht-Hochdosis-PPI (Definition: Dosierungen unter der Hochdosis) bei peptischer Ulkusblutung analysierte eine Metaanalyse 7 Studien (1157 Patienten) [586]. Hier zeigten sich keine Unterschiede zwischen Hochdosis- und Nicht-Hochdosis-PPI bzgl. Rezidivblutung (7 Studien, 1157 Patienten, OR 1,30, 95 % CI 0,88 – 1,91), chirurgischen Eingriffen (6 Studien, 1052 Patienten, OR 1,49, 95 % CI 0,66 – 3,37) und Mortalität (6 Studien, 1052 Patienten; 0.,89; 0,37 – 2,13). Die Subgruppenanalyse ergab keine Abhängigkeit von der Schwere der Blutung der Art der PPI-Gabe (iv. oder p. o.) und der PPI-Dosis.
Aufgrund der Datenlage lässt sich eine generelle Empfehlung für eine Hochdosis-PPI-Therapie nicht für jede peptische Ulkusblutung aussprechen, erscheint aber bei Vorliegen von Hochrisikoblutungsstigmata gerechtfertigt. Ein möglicher Weg ist die initiale intravenöse Gabe von 80 mg gefolgt ggf. auch von weiteren peroralen PPI-Gaben. Wenn die HP-Testung nicht bereits während der Akutendoskopie erfolgt ist, sollte eine Empfehlung zur HP-Testung in der Befunddokumentation ausgesprochen werden [587].
4.4.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 27])
Tab. 27
Vorschlag für Qualitätsindikatoren nicht variköser Blutung.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der unverzüglichen PPI-Gabe unabhängig vom Zeitpunkt bzw. vor der Endoskopie bei Verdacht auf akute Ulkusblutung
|
intraprozedural
|
Frequenz der genauen Beschreibung und Dokumentation von Lokalisation und Art der Blutungsquelle
|
Frequenz der Anwendung eines zweiten endoskopischen Hämostaseverfahren (Hämoclip/thermische Verfahren) neben der Injektionstherapie bei Vorliegen von Hochrisikostigmata und peptischer Ulkusblutung
|
postprozedural
|
Frequenz der Empfehlung zur HP-Testung und Fortführung einer PPI-Therapie bei Blutung aus peptischen Ulzera
|
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Bei Verdacht auf eine akute peptische Ulkusblutung soll die unverzügliche iv. PPI-Gabe noch vor der Endoskopie Standard sein [508] (Kap. 4.4.2). Die ASGE [587] setzt das Qualitätsziel hier mit > 98 % an.
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Die Art und Lokalisation der Blutungsquelle z. B. bei peptischen Blutungen nach der Forrest-Klassifikation stellt ein Qualitätskriterium dar und gibt einen Anhalt für das Rezidivblutungsrisiko [587]. Deskription von Art und Lokalisation wird in der ASGE-Empfehlung mit > 80 % eingefordert, die Beschreibung von Blutungstigmata mit > 98 % [587]. Bei peptischen Blutung oder Blutungen bei sichtbarem Gefäßstumpf soll nach Injektionstherapie ein thermisches oder mechanisches Hämostaseverfahren zur Anwendung kommen, um das Rezidivblutungsrisiko zu senken. Dies kann selbstverständlich auch bereits initial erfolgen [523]
[525]
[526]
[528]
[529]. In der ASGE-Empfehlung beträgt das Qualitätsziel hier > 98 % [97 %].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Die Empfehlung zur HP-Testung (falls nicht bereits während der Akutendoskopie erfolgt) und Fortführung einer (ggf. auch Hochdosis)-PPI-Therapie bei Blutung aus peptischen Ulzera stellt ein postprozeduralen Qualitätsparameter dar [587]. Die ASGE spricht sich in beiden Punkten für ein Qualitätsziel von > 98 % aus (97 %).
Kap 4.5 Koloskopie
Vorbemerkung
Im Folgenden werden als durchgängige Qualitätsparameter der Koloskopie die Vollständigkeit (Zoekumrate), Polypenfindungsrate (speziell Adenomdetektionsrate[1]) und die Komplikationsrate als vorwiegende Qualitätsparameter genannt. Sie werden aus den Daten der entsprechenden Studien analysiert, und dann wird die Validität dieser Qualitätsparameter separat analysiert. Es ist klarzustellen, dass auch diese Qualitätsparameter nicht zuletzt indikationsabhängig zu betrachten sind. So spielt beispielsweise die Adenomdetektionsrate bei der Vorsorge und allen Indikationen, bei denen Polypen und Neoplasien relevant sind, eine Rolle, weniger aber bei anderen Indikationen wie z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen, wo die Neoplasiedetektion eine andere Wertigkeit und Ausprägung hat, oder beispielweise bei Notfallkoloskopien wegen Blutungen.
Einleitung
Indikationen
Die Durchführung einer Ileokoloskopie soll auf einer dokumentierten Indikation beruhen. Für die Koloskopie gibt es diagnostische Indikationen und die Indikation als Vorsorgeuntersuchung. Diagnostische Indikationen bestehen, wenn aus der Untersuchung eine diagnostische oder therapeutische Konsequenz resultiert oder primär eine therapeutische Prozedur in Erwägung gezogen wird. Bezüglich der einzelnen Indikationen sei auf krankheitsspezifische Leitlinien und die Empfehlungen der DGVS (www.dgvs.de) und anderer Fachgesellschaft verwiesen (http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-verdauungs-und-stoffwechselkrankheiten.html). Eine sorgfältige Indikationsstellung erhöht die Rate detektierter klinisch relevanter Befunde [588]
[589]
[590]
[591]
[592].
Für das Darmkrebsscreening und die Diagnostik von kolorektalem Karzinome und Kolonadenomen besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität und Spezifität und bietet die gleichzeitige Möglichkeit der Polypenentfernung [593]. Im Gegensatz zur Stuhltests und zur Sigmoidoskopie [594]
[595]
[596] gibt es für die Koloskopie als Vorsorgeuntersuchung derzeit noch keine direkte Evidenz aus randomisierten Studien [597]; die Ergebnisse entsprechender randomisierter Outcome-Studien zur Koloskopie werden nicht vor 2020 vorliegen [598]
[599]. Zur Indikation auch bei Risikoerkrankungen, Screeningintervallen und Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinien (BAnz. Nr. 34.2011) und die oben erwähnten DGVS-Leitlinie Kolorektales Karzinom [593] verwiesen.
4.5.1 Spezielle Kontraindikationen
Relative Kontraindikationen
Im Folgenden werden relative Kontraindikationen aufgeführt, die in Lehrbüchern und in der Literatur immer wieder genannt werden [600]; die Evidenz hierfür ist aber limitiert. Generell sollte der Nutzen der diagnostischen oder therapeutischen Ileokoloskopie die Risiken des Eingriffs für den einzelnen Patienten überwiegen. Relative Kontraindikationen betreffen außerdem vorwiegend Krankheitsbilder, bei denen die Indikation wegen meist fehlender Konsequenzen aus klinischer Sicht eng zu stellen ist:
-
Akute bekannte Divertikulitis: Zu diesem Thema gibt es zwei nachfolgende Serien aus einer Arbeitsgruppe aus Israel, die zum einen zeigen konnte, dass die Koloskopie im Setting der akuten Divertikulitis keine erhöhte Komplikationsrate hat [601], zum anderen einen Benefit für die Patienten nur in der Untergruppe der persistierenden akuten Divertikulitis haben kann (17 % der Patienten hatten eine andere Differenzialdiagnose, Fremdkörper als Ursache etc.) [602].
-
Bestehende Perforation ohne therapeutische Absicht des Verschlusses [603]; dies liegt auf der Hand.
-
Fulminant verlaufende Kolitis bzw. toxisches Megakolon außer zu therapeutischen Zwecken (Entlastung durch Absaugen und/oder Einlage einer Dekompressionssonde [604]
[605]
[606]. Hier ist ansonsten in der Regel der diagnostische Gewinn im Vergleich zum Risiko zu gering; allenfalls kann eine Rektoskopie in Erwägung gezogen werden.
-
Zu Koloskopie bei Einnahme von gerinnungshemmender Medikation: siehe Kapitel 3.2.
-
Zu Koloskopie in der Schwangerschaft: siehe Kapitel 4.16.
4.5.2 Spezielle Vorbereitung/Voraussetzungen
4.5.2.1 Vorbereitungsqualität
Empfehlung
Durch die Vorbereitung sollen bei der Untersuchung keine oder nur noch minimale Stuhlmengen nachzuweisen sein, die während der Untersuchung durch Spülung und Absaugen zu entfernen sind, um eine optimale Untersuchungsqualität zu gewährleisten.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Vorbereitungsqualität soll im Untersuchungsbefund dokumentiert werden, auch wenn gute Evidenz für ihre Eignung als Qualitätsparameter fehlt; hierzu kann ein vereinfachter und auf das gesamte Kolon ausgedehnter Boston-Bowel-Preparation-Score verwendet werden.
Konsens
Empfehlung
Untersuchungen, die eine schlechte Vorbereitungsqualität (Score 1) im vereinfachten Boston-Bowel-Preparation-Score haben, haben eine niedrigere Adenomdetektionsrate und sollten wiederholt werden, wenn es um Vorsorgeaspekte und Neoplasiedetektion geht.
Starker Konsens
Kommentar
Endoskopieeinheiten sollten Patienten und Pflegepersonal über die notwendigen Maßnahmen unterrichten, die bei akzeptablem Komfort eine optimierte Darmvorbereitung erlaubt. Insgesamt sollten mehr als 90 % aller elektiven Koloskopiepatienten ausreichend bis sehr gut vorbereitet und/oder untersuchbar sein. Eine gute Darmvorbereitung ist für alle diagnostischen und therapeutischen Koloskopien unabdingbar; Ausnahmen durch Einzelfälle dem Patienten unmöglicher vollständiger Reinigung und/oder einzelne Indikationen (Ausschluss grober Veränderungen, Notfallendoskopie bei Blutungen etc) müssen individuell entschieden werden.
Insgesamt gesehen verbessert eine gute Vorbereitung des Kolons mit oraler Lavage die Zoekumintubationsrate wie auch die Polypendetektion. Zahleiche Untersuchungen haben im Gesamtkollektiv der Vorsorgen Korrelationen zwischen der Qualität der Vorbereitung und Qualitätsparametern der Untersuchung gezeigt, allerdings ist die Validität der erhobenen Daten trotz des Vorliegens mehrerer Studien begrenzt ([Tab. 28], [29]) [607]
[608]
[609]
[610]
[611]
[612]
[613]
[614]
[615]
[616]
[617]
[618]. In den verschiedenen Studien werden zwei-, dreistufige oder fünfstufige selbstentwickelte, nicht validierte Scores verwendet. Im Gesamtkollektiv der jeweiligen Studien zeigen nur die schlechtere von 2, oder die schlechteste von 3 oder die beiden schlechtesten von 5 Kategorien signifikant niedrigere Zoekumraten und Polypenfindungsraten zeigen, die 2 – 3 „besseren“ Kategorien unterscheiden sich nicht untereinander [608]
[609]
[610]
[615]
[617]. Zusammengefasst: Nur ein wirklich schmutziges Kolon hat eine geringere Adenomdetektionsrate, was nicht überrascht. Keiner der in den erwähnten Studien verwendeten selbst entwickelten (meist einander ähnlichen) Scores wurde intern bezüglich Variabilität zwischen Untersuchern validiert. Es muss zusätzlich angemerkt werden, dass die Dynamik einer Koloskopie mit Spülung und Reinigung meist nicht in die Scores einbezogen wird. Damit ist unklar, ob der Score für den initial vorgefundenen oder durch Reinigungsmaßnahmen erzielten Sauberkeitszustand des Kolons stehen soll; dies wird in kaum einer der Studien thematisiert oder berücksichtigt [609].
Tab. 28
Studien zu Vorbereitung und Koloskopiequalität (ADR = Adenomdetektionsrate; OR = Odds Ratio).
Polypenfindungsrate (ADR) und ähnliche Parameter
|
|
|
Score
|
Ergebnis
|
Harewood [607]
|
CORI database retrospektiv
|
93 004
|
2-stufig (adäquat/nicht adäquat)
|
Korrelation mit Polypen bis 9 mm OR 1,23 keine Korrelation mit Polypen ab 10 mm
|
Froehlich [608]
|
prospektiv
|
5382
|
5-stufig, nicht validiert Auswertung mit Score 3-stufig
|
Vollständigkeit 71 vs. 90 vs. 90 % Polypenrate 24 vs. 33 vs. 29 % (OR 1,7/1,4) Polypen > 1 cm 4,3 vs. 67,0 vs. 6,4 % (OR 1,8/1,7)
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134
|
5-stufig, nicht validiert
|
ADR multivariat von schlechter Vorbereitung abhängig, sign. erst bei Score 4 (OR 0,67)/5 (OR 0,22)
|
Jover [610]
|
RCT (Nebenanalyse)
|
4539
|
5-tufig, nicht validiert
|
ADR multivariat nicht von Darmvorbereitung abhängig
|
Lai [611]
|
prospektiv
|
3 Videos
|
Boston-Bowel-Prep-Scale
|
cot-off von 5 hat ADR-Unterschiede von 40 vs. 24 %
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Kim [612]
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prospektiv
|
482
|
Boston-Bowel-Prep-Scale
|
cut-off von 8 hat ADR-Unterschiede von 45 vs. 33 %
|
Vollständigkeit
|
Aslinia [613]
|
retrospektiv, database
|
5477
|
5-stufig, nicht validiert
|
Vorbereitung multivariat (OR 0,7), 30,5 % der inkompletten Koloskopien
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Bowles [614]
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prospektiv
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9223
|
kein Score
|
19,6 % ungenügende Vorbereitung als Grund für Nichterreichen des Zoekums
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Bernstein [615]
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prospektiv
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587
|
5-stufig, nicht definiert/validiert
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sign. Stufe 3 – 5 vs. Stufe 1 – 2
|
Kim [612]
|
prospektiv (?)
|
909
|
3-stufig, nicht validiert
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96 % komplette Koloskopie, 1,0/% inkomplette wegen schlechter Vorbereitung, verlängerte Einführungszeit bei schlechter Vorbereitung (OR 2,8)
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Nelson [617]
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prospektiv (?)
|
3196
|
3-stufig, nicht validiert
|
bei schlechter Vorbereitung weniger komplette Koloskopien (19,3 vs. 2,8 vs. 2,2 %)
|
Gupta [618]
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retrospektiv, CORI
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129 549
|
4-stufig, nicht validiert
|
multivariat schlechte Vorbereitung OR 9,9
|
Tab. 29
Boston-Bowel-Preparation-Scale [616]
[620].
Score 0 – 9
|
|
jeweils getrennt für rechtes Kolon, Kolon transversum, linkes Kolon
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0
|
unvorbereitetes Kolonsegment, Mukosa wegen festen Stuhls nicht sichtbar, der nicht entfernt werden kann
|
1
|
Teile der Schleimhaut des Kolonsegments sichtbar, aber andere Areale im selben Segment nicht gut einsehbar wegen Belegung mit restlichem Stuhl und/oder dunkler Flüssigkeit
|
2
|
geringe Mengen restlicher Stuhlbelegung, kleine Stuhlfragmente und/oder dunkle Flüssigkeit, aber Schleimhaut des Kolonsegments gut einsehbar
|
3
|
gesamte Schleimhaut des Kolonsegments gut einsehbar, keine restliche Stuhlbelegung, keine kleinen Stuhlfragmente oder dunkle Flüssigkeit
|
Vorschlag für deutschen Gesamtscore (es zählt das schlechteste Segment): Score 0 – 3
|
0
|
unvorbereitetes Kolon gesamt/in Teilen, Mukosa wegen festen Stuhls nicht sichtbar, der nicht entfernt werden kann
|
1
|
Teile der Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen sichtbar, aber andere Areale nicht gut einsehbar wegen Belegung mit restlichem Stuhl und/oder dunkler Flüssigkeit
|
2
|
geringe Mengen restlicher Stuhlbelegung, kleine Stuhlfragmente und/oder dunkle Flüssigkeit, aber Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen gut einsehbar
|
3
|
gesamte Schleimhaut des Kolons gesamt/in Teilen gut einsehbar, keine restliche Stuhlbelegung, keine kleinen Stuhlfragmente oder dunkle Flüssigkeit
|
Unter den
validierten Scores
befinden sich einige in den USA entwickelte [611]
[612]
[619]
[620]
[621]
[622], die zwar intern bezüglich Interobservervariabilität getestet sind – und meist auch nur von der Gruppe, die diesen Score einführen will –, allerdings wurden die wenigsten mit den Qualitätsparameters der Koloskopie (Zoekumrate, Adenomdetektionrate) korreliert. Der am häufigsten verwendete Score ist der
Boston-Bowel-Preparation-Scale
[611]
[619], der für drei Abschnitte des Kolons die Sauberkeit in drei Stufen (0 unvorbereitet bis 3 blitzsauber) festlegt, sodass sich Gesamtscores von 0 – 9 ergeben ([Tab. 29]). Dieser Score zeigte in einer Studie anhand von Koloskopievideos eine sehr gute Konkordanz zwischen Beurteilern (kappa 0,77) und hatte auch bei Werten > und < 5 auch eine unterschiedliche Adenomdetektionsrate, einschränkend wurde dieser Cut-off (wie leider üblich) am selben Kollektiv entwickelt und getestet [611]. In einer jüngeren Studie aus Korea korrelierte die Adenomdetektionsrate zwar mit dem Boston-Score, der Cut-off lag aber bei 8, also ober- und unterhalb einer nahezu perfekten Vorbereitung [612].
Nimmt man all diese Einschränkungen zusammen und addiert die starke subjektive und potentiell auch zielgerichtete Note subjektiver Scores hinzu (bei Unterschreiten des Qualitätsziels kann ein Score leicht angepasst werden), ist es nicht verwunderlich, dass eine kürzlich erschienene Studie aus New York anhand von 11 Untersuchern mit 1649 Koloskopien eine hohe Schwankungsbreite der Raten suboptimaler Vorbereitung (3 – 40 %) und der Adenomdetektionsrate (13 – 31 %), aber keinerlei Korrelation zwischen beiden zeigte [623]. Die Kolonsauberkeit ist also kein gut geeigneter, da im Übrigen auch schwer nachprüfbarer Qualitätsparameter.
Dennoch sollte nicht zuletzt auch aus juristischen Gründen die Qualität der Vorbereitung dokumentiert werden. Am ehesten bietet sich der Boston-Bowel-Preparation-Scale an, der nach Übereinstimmung der Konsensusteilnehmer auf das gesamte Kolon ausgedehnt werden sollte, in dem Sinne, dass das schlechteste Segment zählt ([Tab. 29]). Grund hierfür ist der mit den Patienten zu diskutierende Wiederholungsbedarf der Koloskopie bei schlechter Darmvorbereitung. Zwei jüngere Übersichten über die Literatur zeigen, dass keine Unterschiede in der Adenomdetektionsrate zwischen sehr guter und guter/ausreichender Darmvorbereitung, sehr wohl aber zwischen diesen beiden Kategorien (zusammengefasst) einerseits und schlechter Vorbereitung andererseits bestehen und schlussfolgern daraus auf einen Wiederholungsbedarf der Koloskopie [624]
[625]. Nimmt man die Adenomdetektionsrate als Hauptsurrogatparameter für die Outcome-Qualität der Koloskopie (möglichst wenig übersehene Karzinome) [626]
[627], so ist zu rechtfertigen, die Wiederholung einer Koloskopie bei schlechter (Score 3) Darmvorbereitung zu empfehlen.
Die EU-Leitlinien zur Qualität des kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie [628]
[629] bezeichnen die Dokumentation der Vorbereitung als notwendig, nennen aber den Grad der Sauberkeit nicht unter den Qualitätsparametern.
4.5.2.2 Voraussetzung zur Durchführung (Untersucher)
Empfehlung
Um ausreichende Erfahrung und Kompetenz in der Durchführung von Koloskopien zu haben, sollte nach einer kumulativen Erfahrung in Aus- und Weiterbildung von 300 Koloskopien – im Einklang mit den derzeitigen Festlegungen – eine Mindestmenge von 200 Koloskopien/Jahr durchgeführt werden.
Konsens
Statement
Die Einhaltung der unten genannten Qualitätsparameter Zoekum- und Adenomdetektionsrate erscheint wichtiger als starre Fallzahlgrenzen.
Konsens
Kommentar
Im Gegensatz zur reichlich vorhandenen Literatur zum Kompetenzerwerb bei der Koloskopie – die Zahlen schwanken zwischen 150 und 500 Koloskopien, die zum Erreichen einer > 90 % Zoekumrate berichtet und/oder empfohlen werden [630]
[631]
[632]
[633]
[634]
[635]
[636] (s. a. ein kürzlich publizierter Review [634]) gibt es nur wenige valide Daten zum anschließenden Kompetenzerhalt. In den Trainingsstudien wird eher die Zoekumrate gemessen, beim Kompetenzerhalt eher auf die Adenomdetektionsrate abgehoben.
Eine Studie aus Harvard zeigte einen Anstieg der Adenomdetektionsrate bereits zwischen 50 und 100 Koloskopien, die sich danach im weiteren Verlauf bis 300 Koloskopien nicht mehr erhöhte [637]. Ähnlich zeigte eine weitere Studie, dass sich in der Beobachtung von 11 GI Fellows zwischen den Jahren 1 – 3 die Zoekumrate erhöhte, die Koloskopiezeiten verminderten, nicht aber die Adenomdetektionsrate erhöhte [635]. Offenbar sind Endoskopiker in Ausbildung aufmerksamer [638], sodass anzunehmen ist, dass die Lernkurve in der Adenomerkennung kürzer ist.
Eine ältere US-amerikanische Studie analysierte sowohl die initiale (> 100) wie auch die jährliche Koloskopiefallzahl (> 100) als mit der Zoekumrate korreliert; allerdings wurden beide Parameter nicht miteinander verbunden. Fallzahlvolumen und Adenomdetektionsrate wurden in einigen Studien korreliert, aber der Erfahrungshintergrund war entweder sehr hoch wie in einer Berliner Studie – hier spielte das Fallzahlvolumen im Rahmen der deutschen Minimalmengenbestimmungen keine Rolle [609] – oder die Vorerfahrung war unklar oder begrenzt, wie in einer älteren britischen Studie, bei der die jährliche Fallzahl > 100 einen leichten Anstieg einer primär niedrigen Adenomdetektionsrate zeigte. Allerdings verschwand diese Korrelation in der Multivarianzanalyse [639]. Vermutlich sind Vorerfahrung und jährliches Volumen komplementär zu sehen: So zeigte eine amerikanische Studie bei Endoskopikern mit Erfahrungen von bis zu 5 Jahren noch einen Einfluss der Fallzahl auf die Adenomdetektionsrate (92,5 % bei > 200 vs. 88,5 % bei < 200 pro Jahr), während dieser Effekt bei länger tätigen Kollegen nicht mehr nachweisbar war. Eine andere Studie zeigte die höchste Adenomrate im Mittelfeld der Fallzahlquartilen im Vergleich zu den Kollegen mit sehr wenigen und sehr vielen Koloskopien [640]. Insgesamt hängt die Zoekumrate mehr von der technischen Fertigkeit, die Adenomdetektionsrate eher vom Aufmerksamkeitslevel und der Motivation ab, sodass hier kombinierte Scores entwickelt werden müssten. Zu den Einflussfaktoren siehe auch Kapitel 3.5 und [Tab. 30] [613]
[618]
[639]
[641]
[642]
[643]
[644]
[645]
[646]. Hier wird deutlich, dass das Fallvolumen je nach Studie keinen [646], einen positiven [645] oder sogar einen negativen Einfluss [642] auf die Vollständigkeit der Koloskopie hatte.
Tab. 30
Studien zu Zoekumraten, die Analysen beziehen sich auf Faktoren (OR = Odds Ratio), die die Zoekumrate beeinflussen, manche auch (separat ausgewiesen) umgekehrt auf Risikofaktoren für eine inkomplette Koloskopie.[1]
Zoekumrate und Einflußfaktoren
|
|
n
|
nicht adjustiert
|
adjustiert
|
nach
|
Einflußfaktoren multivariat (OR) für
|
Aslina [613]
|
retrospektiv
|
5477
|
83,4 %
|
88,0 – 89,2 %*
|
C, DV D, S, VZ, T
|
komplette Koloskopie + Zeitverlauf (1,09), Screening (1,65) – Darmvorbereitung (0,17), stationär (0,46), path. Bildgebung (0,53), Frauen (0,67)
|
Bhangu [639]
|
retrospektiv
|
10 026
|
?
|
90,2 %
|
|
komplette Koloskopie + Männer (1,17), Indikation (variabel), > 100 Kolo/Jahr (1,62) – Alter (0,81/0,44), Chirurg (0,71)
|
Dafnis [641]
|
retrospektiv
|
5145
|
|
81 %
|
T, S, DV
|
komplette Koloskopie + Männer (1,68), Alter (jüngere bis 1,87), – Divertikulose (0,79), Komplexität (gering 2,8)
|
Gupta [618]
|
retrospektiv, CORI
|
129 549 (VK)
|
|
95,3 % (?)
|
T
|
inkomplette Koloskopie + Alter (bis 1,88), Klinik (1,4 – 1,9), Indikation (variabel, z. B. Vorsorge 0,69), DV (bis 9,9) – Frauen (0,62)
|
Harris [642]
|
prospektiv
|
6004
|
|
89 % (?)
|
|
komplette Koloskopie + gute Darmvorbereitung (3,7 – 4,4), Privatklinik (3,2) – Frauen (0,74), Indikationen (variabel), stationär (0,54) Sättigungsabfall (0,42), Anteil erfahrener Endoskopiker (bis 0,42, invers!), Fallzahlvolumen (> 1500:0,54, invers!)
|
Kolber [643]
|
prospektiv
|
577
|
|
96,5 %
|
DV, S, GT, C
|
inkomplette Koloskopie + schlechte Darmvorbereitung (4,5), Alter > 65 (2,9)
|
Nagrath [644]
|
retrospektiv
|
1056
|
|
88,5 vs. 93,5 (VK)
|
|
inkomplette Koloskopie + Frauen (1,95), diagnostische vs. Vorsorge (1,78), schlechte Darmvorbereitung (2,0), Karzinom (4,4)
|
Radaelli [645]
|
prospektiv
|
12 835
|
|
80,7 %
|
|
komplette Koloskopie + jüngeres Alter (bis 1,4), Indikationen (variabel) Screening 1,2), Sedierung (1,5 – 2,4) – Zentrumsvolumen < 1000 (0,87), Endoskopikervolumen (0,7 < 300, 0,82 < 500), Frauen (0,72), schlechte Darmvorbereitung (0,6 – 0,01)
|
Shah [646]
|
retrospektiv
|
331 608
|
|
86,9 %
|
–
|
inkomplette Koloskopie + Alter (1,2), Frauen (1,35), Z. n. Bauch-OP (1,07), ambulant (3,6) kein Einfluss des Fallvolumens
|
1 +/– = Faktor beeinflusst Rate positiv/negativ (entweder erhöht die Zoekumrate oder die Rate inkompletter Koloskopien), * task force adjusted (1st line), individual decision (second line), C = schwere Colitis, DVschlechte Darmvorbereitung, D = schwere Diverticulose, S = Striktur, VZ = Vitalzeicheninstabilität T = Therapeutische Prozedur, die keine vollständige Koloskopie nötig macht, GT = Gerätetechnikdefekte, OR = Odds ratio, VK = Vorsorgekoloskopie, CORI = CORI (Clinical Outcomes Research Initiative) database.
Ein Einfluss des Fallvolumens auf die Komplikationsrate konnte in einer kanadischen Studie gezeigt werden [647], doch waren hier vor allem Kollegen mit sehr niedrigem Fallvolumen beteiligt.
Eine kumulative Empfehlung einer initialen Fallzahl zum Kompetenzerwerb und einer subsequenten jährlichen Fallzahl zum Kompetenzerhalt muss deswegen gemeinsam betrachtet, sowie auch im Licht nationaler Aus- und Weiterbildungsbestimmungen gesehen werden. Die technischen und kognitiven Fertigkeiten sind in der Literatur ab etwa 200 – 300 Koloskopien initial gegeben [634], im weiteren Verlauf sind die deutschen Zahlen zum Kompetenzerhalt von 200 jährlichen Koloskopien (KV-Bestimmungen für die Niederlassung, Darmzentren) von der Evidenz mehr als gut gedeckt. Bei auch sonst vorwiegend endoskopisch tätigen Kollegen in anderen Bereichen der diagnostischen und therapeutischen Endoskopie kann die jährliche Fallzahl an Koloskopien auch unterschritten werden. Zu diskutieren ist, ob eine dauerhafte Zielerreichung (Zoekumrate, Adenomdetektionsrate, s. u.) als Parameter zuverlässiger ist als reine Fallzahlen.
Die EU-Leitlinien zur Qualität der kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie [629] nennen eine Zahl von 300 jährlichen Koloskopien aus Gründen einer niedrigeren Komplikationsrate und der statistischen Relevanz eines dann auch zu niedrigen Konfidenzintervalls. Beides halten wir nicht für gerechtfertigt. Die Korrelation zwischen Volumen und Komplikationsrate stammt aus zwei kanadischen Studien [647]
[648]. Die eine ist eine Datenbankanalyse von 97 091 ambulanten Koloskopien aus mehreren kanadischen Provinzen. In einer Multivarianzanalyse von Blutungen und Perforationen wurde die Fallzahl der Kollegen (Vorerfahrung nicht angegeben) in Quintilen unterteilt und die Gruppe mit der höchsten jährlichen Fallzahl (im Mittel 417) als Referenz gesetzt: Im Vergleich hierzu hatten Kollegen in der mittleren (im Mittel 248) und in der niedrigsten Gruppe (im Mittel 63) signifikant höhere Komplikationsraten. Allerdings wurde nicht zwischen diagnostischen und therapeutischen Koloskopien unterschieden, was v. a. in punkto Perforation wichtig gewesen wäre [647]. Die andere Studie aus Winnipeg ist eine retrospektive Datenanalyse von 24 509 Untersuchungen, darunter 13 % Sigmoideoskopien. Kollegen mit jährlichen Prozeduren < 200 hatten eine knapp doppelt so hohe Komplikationsrate (mit einem sehr breiten Spektrum von Komplikationen) wie diejenigen mit mehr Untersuchungen. Hier sind sonstige Qualifikation und Erfahrung nicht berücksichtigt, Diagnose und Therapie nicht getrennt und überhaupt fehlt eine Multivarianzanalyse [648]. Aus beiden Studien lässt sich u. E. keine Grenze von 300 zuverlässig ableiten. Das andere Argument der EU-Leitlinien, dass aus Gründen der Statistik – d. h. um ein niedrigeres Konfidenzintervall zu erreichen – die Zahlen hochgesetzt werden sollen, ist bislang in der Qualitätssicherung nicht Standard und könnte auch durch die Betrachtung längerer Zeiträume kompensiert werden.
4.5.2.3 Sedierung
Empfehlung
Um eine hohe Akzeptanz der Untersuchung zu erreichen aber auch um die Komplettierungsrate der Untersuchung zu optimieren, soll nach Abwägung von Risiko und Nutzen eine Sedierung bei der Untersuchung angeboten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zu Durchführung, Art, Überwachung und Sicherheit der Sedierung wird auf die aktualisierte S3-Leitlinie Sedierung (www.dgvs.de) verwiesen.
4.5.3 Durchführung
4.5.3.1 Zeiterfassung
Empfehlung
Bei einer Koloskopie soll die Zeit, in der das Koloskop unter sorgfältiger Inspektion der Schleimhaut zurückgezogen wird, dokumentiert werden.
Die Zoekumrückzugszeit sollte mindestens 6 Minuten betragen. Hierunter fallen nicht die Zeiten für Biopsie und Polypektomie.
Starker Konsens
Statement
Die zugrunde liegenden Studien sind aber nicht einheitlich, vor allem, was den Einfluss einer höheren Untersuchungszeit einzelner Endoskopiker auf die Adenomdetektionsrate betrifft.
Starker Konsens
Kommentar
Zur rechtlichen Dokumentationspflicht der Untersuchungszeiten inklusive der zeitgenauen Dokumentation der Anwesenheit aller bei einem endoskopischen Eingriff anwesender Personen (Ärzte und Pflegekräfte) wird auf Kapitel 2.3.1 und Kapitel 5 verwiesen.
Ein Erhebungsbogen für die Zeiterfassung der Untersuchung und der Personalbindungszeiten ist in Kapitel 2.3.1 abgebildet.
Im Hinblick auf die Rückzugszeit wurde in mehreren größeren Studien ein positiver Einfluss längerer Rückzugszeiten auf die Adenomdetektionsrate nachgewiesen. Trotz hochrangiger Publikationen ist festzuhalten, dass diese Studien möglicherweise Post-hoc-Analysen und keine prospektiv geplanten Studien darstellen, da keine prospektive Zeitmessung unter Ausschaltung z. B. einer Stoppuhr bei Biopsien und Polypektomien vorgenommen wurde. Deswegen wurden in den einschlägigen Studien zur Rückzugszeiterfassung nur die „negativen“ Koloskopien herangezogen, die keine biopsie- oder abtragungsfähigen Befunde zeigten. Eine Übersicht über die Korrelationsstudien findet sich in [Tab. 31] [609]
[637]
[649]
[650]
[651]
[652]
[653]
[654]
[655]
[656]
[657]
[658]
[659]
[660]
[661].
Tab. 31
Studien zu Rückzugszeiten und Adenomraten (ADR).[1]
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopie/Untersucher
|
RZZ
|
Ergebnis
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134/21
|
ohne Px (78,3 %)
|
kein Einfluss der RZZ multivariat bei mittlerer RZZ von 6 – 11 min
|
Barclay [649]
|
prospektiv (?)
|
2053/12
|
ohne Px (76,5 %)
|
RZZ > 6 min vs. < 6 min: ADR 28,3 % vs. 11,8 %
|
Barclay [650]
|
retro/prospektiv
|
vgl. 2053 vs. 2253/12
|
ohne Px
|
im Vergleich zur obigen Studie prospektive Einführung (76,5 % vs. 65,3 %)von RZZ ≥ 8 min ADR 24,2 % vs. 35,4 %
|
Butterly [651]
|
prospektiv
|
7996/42
|
ohne Px (52,5 %)
|
sign. Einfluss der RZZ ≥ 9 min auf ADR + Detektion von SSA
|
Gellad [652]
|
prospektiv
|
initial 3121 vs. 1441
|
ohne Px (46,2 %)
|
(n = 304, initial ohne Px) keine Korrelation von RZZ und NPL-Rate Follow-up 304/13 Zentren)
|
Gromski [637]
|
prospektiv
|
1210/4
|
RZZ = RZZ ges.– Px (100 %)
|
1. year fellows, WT < 10 min: ADR 9,5 %; > 10 min ADR 32,3 %
|
Lee [653]
|
retro/prospektiv
|
752 und 220/11
|
RZZ = RZZ ges.– Px(100 %)
|
ADR-Gruppierungen (retrospekt.) ohne Unterschiede in RZZ
|
Lee [654]
|
prospektive Daten/
|
31 088/147
|
ohne Px (53,7 %)
|
RZZ < 7 min vs. > 11 min ADR 42,5 vs. 47,1 % retrospektive Analyse
|
Lin [656]
|
retro/prospektiv
|
850 und 541/10
|
ohne Px (%?)
|
Monitoring: RZZ 6,57 min vs. 8,07 min; PDR 33,1 und 38,1 %
|
Moritz [657]
|
prospektiv
|
4429/67
|
ohne Px (56 %)
|
Gruppierung nach pers. RZZ < 6 min oder > 6 min: PDR (< 6 min) 18,2 % vs. PDR (> 6 min) 20,8 %
|
Overholt [658]
|
prospektiv
|
15 955/315
|
inkl. Px* (100 %)
|
RZZ < 6 min und > 6 min: signifikanter Anstieg der ADR und PDR
|
Sawhney [659]
|
prospektiv
|
23 910/42
|
ohne Px (%?)
|
RZZ < 7 min und > 7 min: kein Einfluss auf PDR
|
Simmons [660]
|
retrospektiv
|
10 955/43
|
ohne Px (%?)
|
sign. Einfluss der RZZ auf PDR (multivariat) bei RZZ ≥ 7 min
|
Taber [661]
|
retrospektiv
|
A1405; B1387/Unters?
|
B ohne Px (%?)
|
kein Anstieg der PDR bei RZZ > 10 min im Vgl. zu < 10 min
|
1 RZZ = Rückzugszeit (% bezeichnet die Untersuchungen ohne Polypen, die zur Grundlage der ADR-Berechnung gemacht wurden), Px = Polypektomie, SSA = sessile serrated adenomas. * = RZZ einschließlicher der Zeiten für Polypektomie und Biopsie.
Die hauptsächliche Studie aus den USA [649] korrelierte die Rückzugszeit der normalen Koloskopien (ohne Polypenbefunde) von 12 Kollegen mit der Adenomdetektionsrate im Gesamtkollektiv (d. h. es wurden je weniger Koloskopien einbezogen, je höher die Adenomrate der Kollegen waren). Es ergab sich eine nahezu lineare Korrelation; eine Multivarianzanalyse anderer Faktoren wurde offenbar nicht durchgeführt, da die Parameter von Patienten und Untersuchern nicht unterschiedlich waren. Der Cut-off von 6 min wurde offenbar aus den Studiendaten heraus gewählt, um einen optimalen Unterschied zu erreichen. Dieselben Kollegen wurden in einer Nachfolgestudie angehalten, mindestens 8 min zurückzuziehen, was die Adenomrate insgesamt deutlich erhöhte [650]. Dies konnte jedoch in einer anderen Studie nicht nachvollzogen werden [659]. Auch zeigte eine Studie aus Berlin, dass in einer Spanne zwischen 6 und 11 min Rückzugszeit bei normalen Koloskopien multivariat kein Einfluss auf die Adenomdetektionsrate zu finden war [609]. Andere Analysen aus landesweiten Koloskopieregistern in Norwegen und England [654]
[655]
[657] konnten bei Verwendung unterschiedlicher Cut-offs (>/< 6 min, < 7 vs. > 11 min) zeigen, dass die Adenomrate bei längere Untersuchungszeit stieg. Die Empfehlung der 6-minütigen Rückzugszeit bei Patienten ohne Polypen beruht also nur teilweise auf gut gesicherter Evidenz; zumindest ist die Evidenz bei noch längerer Untersuchungszeit widersprüchlich. Vielleicht geben auch deswegen die EU-Leitlinien zur Qualität der kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie keine klare Zeitvorgabe [629].
4.5.3.2 Parameter zur Erfolgskontrolle der diagnostischen Koloskopie
Empfehlung
Eine Qualitätskontrolle der Koloskopie soll im Hinblick auf die Detektion von Dickdarmneoplasien im ambulanten und stationären Bereich erfolgen.
Konsens
Kommentar
Analog zur den Qualitätssicherungsvereinbarungen für die Koloskopie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V für den vertragsärztlichen Bereich soll auch bei diagnostischen Koloskopien im Krankenhaus eine Qualitätssicherung im Hinblick auf die Vorsorge von Dickdarmneoplasien erfolgen. Diese Empfehlung gilt für diagnostische Koloskopien im Krankenhaus bei Patienten mit einem Lebensalter von derzeit über 55 Jahren. Neben der oben genannten Erfassung der Eingriffszeiten sollen die folgenden Qualitätsparameter in Praxis und Klinik gleichermaßen; spezielle Bedingungen in Kliniken werden im Nachfolgenden gesondert besprochen.
Vollständigkeit/Zoekumintubationsrate
Empfehlung
Eine Zoekumintubationsrate von mehr als 90 % soll bei allen intendiert kompletten Koloskopien erreicht werden. Das Erreichen des Zoekums soll durch Fotodokumentation des Orificium des Appendix und der Ileozökalklappe dokumentiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Als Intubation des Zoekums gilt das Vorschieben des Endoskops hinter die Ileozäkalklappe. Bei Patienten mit ileokolischen Anastomosen ist die Darstellung der Anastomose oder des neoterminalen Ileums als gleichwertig anzusehen. Die Intubation des terminalen Ileums ersetzt nicht die Betrachtung des gesamten Zoekums.
Zoekumintubationsrate
Dass die Zoekumintubationsrate als Marker für die Komplettierung der Untersuchung ein wichtiger Qualitätsindikator ist, steht außer Frage, auch wenn es nur wenige gute Untersuchungen – mit zum Teil widersprüchliche Ergebnissen – zur Korrelation von Vollständigkeit und Adenomdetektionsrate gibt [662]
[663]. Allerdings zeigte eine kanadische Datenbankauswertung von 1260 Intervallkarzinomen, dass Endoskopiker mit hoher Zoekumrate und solche mit höherer Polypektomierate (aus Abrechnungsdaten gezogen) signifikant weniger Intervallkarzinome aufzuweisen hatten, und zwar in einer nahezu linearen Korrelation [664]. Dies wäre – glaubt man an die Validität solcher Datenbanken – eine recht harte Evidenz. Die vollständige Untersuchung des Kolons ist u. a. notwendig, um Adenome proximal der Ileozökalklappe zu detektieren. Möglicherweise ist eine unzureichende Visualisierung des Zoekums und des Colon ascendens einer der Gründe für die in Studien immer wieder gezeigte höhere Zahl der rechtseitigen
Intervallkarzinome
(siehe auch [Tab. 32]) [626]
[665]
[666]
[667]
[668]
[669]
[670]
[671]
[672]
[673]
[674]
[675]
[676]
[677]
[678]
[679]
[680]
[681].
Tab. 32
Studien zu Intervallkarzinomen (KRK = kolorektales Karzinom, OR = Odds ratio).
Autor
|
Studienart
|
n
|
Ergebnisse/Einflussfaktoren
|
Baxter [665]
|
Datenbankanalyse, Fallkontrollstudie
|
10 292 KRK-Fälle, 51 460 Kontrollen
|
7 % der Fallpatienten und 9,8 % der Kontrollen waren koloskopiert worden (83 % komplett), OR für komplette Koloskopie 0,99 für rechtsseitige und 0,33 für linkseitige Karzinome, alters- und geschlechtsunabhängig
|
Brenner [666]
|
Datenbankanalyse, Fallkontrollstudie
|
1688 KRK-Fälle, 1932 Kontrollen
|
41,1 % der Fallpatienten und 13,6 % der Kontrollen waren koloskopiert worden, OR für Koloskopie 0,44 für rechtsseitige und 0,16 für linkseitige Karzinome, alters- und geschlechtsadjustiert
|
Brenner [667]
|
Fallkontrollstudie
|
78 Intervallkarzinome, 433 KRK bei der Vorsorge entdeckt
|
weibliches Geschlecht (OR 2,28) und rechtsseitige Lokalisation (OR 1,98) als Risikofaktoren, häufiger inkomplette Koloskopie (26 vs. 12,9 %)
|
Brenner [668]
|
Fallkontrollstudie
|
3148 KRK-Fälle, 3274 Kontrollen
|
155 Fälle und 260 Kontrollen hatten koloskopische Polypendetektion zuvor. Signifikante Faktoren waren inkomplette Entfernung (OR 3,73), keine Nachsorge (OR 2,96) und 3 oder mehr Polypen initial (OR 2,21)
|
Bressler [669]
|
Datenbankanalyse chir. Krankengut
|
4920 KRK-Fälle re. 2654 mit Koloskopie innerhalb von 3 J
|
4 % Miss-rate rechtsseitige KRK (da Intervall Kloskopie und KRK > 6 Monate)
|
Bressler [670]
|
Datenbankanalyse chir. Krankengut
|
31 074 KRK-Fälle 12 487 mit Koloskopie innerhalb von 3 J
|
Miss-rates KRK (da Intervall Kloskopie und KRK > 6 Monate): rechtes Kolon 5,9 % (n = 3288 KRK-Gesamtzahl), Kolon transv: 5,5 % (n = 777), linke Flexur/Kolon desc. 2,1 % (n = 710), Rekto- Sigmoid: 2,3 % (n = 7712). Risikofaktoren u. a.: Alter (OR 1,05), Divertikelkrankheit (OR 6,88), Polypenabtragung (OR 0,66), prox. KRK-Lage (OR 2,52)
|
Corley [671]
|
Datenbankanalyse
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314 872 Koloskopien
|
772 Intervallkarzinome (0,25 %), definiert als KRK 6 Mo–10 Jahre nach Koloskopie, 12 % Vorsorgekoloskopien. Intervall-Ca Abhängig von ADR der Koloskopiker (siehe 3,5, Adenomdetektionsrate), 60 % proximale Lage
|
Farrar [672]
|
lokales Krebsregister
|
83 KRK
|
5,4 % Intervallkarzinome (Auftreten innerhalb von 5 Jahren), Kontrolle sporadische KRK 27 % Entwicklung an vorheriger Polypektomie-Stelle. Intervall-Ca v. a. rechts, sonst keine Einflussfaktoren
|
Imperiale [673]
|
Koloskopie-Datenbank
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1256 Koloskopien
|
5 Jahre nach negativer Koloskopie (51 % nachuntersucht von 2436 neg. Kolos) kein KRK 16 % Adenome, 1,3 % fortgeschrittene Adenome
|
Kaminski [626]
|
Screening-Datenbank
|
45 026 Koloskopien
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42 Intervallkarzinome (0,01 %), definiert als KRK innerhalb von 5 Jahren nach Koloskopie Intervall-Ca Abhängig von ADR der Koloskopiker (siehe 3,5, Adenomdetektionsrate). Sonstige Risikofaktoren nur Alter, nicht Geschlecht oder Familienanamnese
|
Leaper [674]
|
lokale Datenbank
|
5055 Koloskopien
|
17 Intervallkarzinome (5,9 %), 9/17 inkomplette Koloskopie, andere Gründe Missinterpretation
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Pabby [675]
|
Zweitauswertung Polyp-Prevention-Trial
|
2079 Patienten
|
13 Intervallkarzinome, 4 inkomplette Polypenentfernung, 4 De-novo-Karzinome, 3 übersehen 3 falsch negative Biopsie
|
Pohl [676]
|
Modellrechnung
|
Literaturanalyse
|
Miss-rate pro Koloskopie: 0,07 % übersehene Karzinome, 0,11 % Karzinome, die sich aus übersehenen Adenomen entwickeln. De-novo-Karzinome mit schneller Progression werden zwar als Option genannt, sind in der Analyse aber nicht enthalten
|
Robertson [677]
|
Zweitauswertung 8 Studien mit Follow-up
|
9167 Patienten
|
Follow-up 47 Monate, Intervallkarzinome 0,6 % (n = 54), 52 % übersehene KRK, 19 % inkomplette Kolon Polypenresektion, 24 % De-novo-Karzinome, 5 % falsch negative Biopsie
|
Samadder [678]
|
regionale Kassendaten, Krebsregister
|
126 851 Koloskopien
|
159 Intervallkarzinome 6 – 60 Monate nach Koloskopie (0,12 %), mehr proximal gelegen (OR 2,24) und bei pos. Familienanamnese (OR 2,27), früheres Stadium und niedrigere Mortalität als KRK, die bei der primären Vorsorgekoloskopie gefunden wurden
|
Singh [679]
|
regionale Kassendaten
|
35 975 Koloskopien
|
181 Intervallkarzinome 6 – 60 Monate nach negativer Koloskopie (0,5 %), mehr proximal gelegen (47 vs. 28 %)
|
Singh [680]
|
regionale Kassendaten
|
45 985 Patienten
|
300 Intervallkarzinome 6 – 36 Monate nach negativer Koloskopie (0,65 %), Alter (OR 0,4 60 – 69 J, 0,10 50 – 59 J vs. ≥ 70 J) und Koloskopie durch Nichtgastroenterologen (OR 1,78 – 3,38) als Risikofaktoren. Mehr proximale Karzinome
|
Singh [681]
|
Metaanalyse 12 Studien
|
7912 Intervallkarzinome
|
häufiger im proximalen Kolon (OR 2,4), bei älteren Patienten (OR 1,15 > 65 J), Divertikelkrankheit (OR 4,25), geringeres Stadium (OR 0,79), kein Mortallitätsvorteil
|
Die Zoekumintubationsrate ist von mehreren Faktoren abhängig und wird in unterschiedlichen Studien adjustiert oder unadjustiert angegeben [26, 31, 52, 54 – 59)] ([Tab. 30]). Die EU-Leitlinien zur Qualität der kolorektalen Karzinomscreenings inklusive der Vorsorgekoloskopie determinieren eine Zoekumintubationsrate von mindestens 90 % als Qualitätskriterium mit der Ausnahme obstruierender Kolonprozesse, eine Rate von 95 % sei wünschenswert [629]. Da, wie aus [Tab. 30] ersichtlich, die Raten je nach Adjustierung unter Ausschluss von hinderlichen Faktoren schwanken und anzunehmen ist, dass bei der Vorsorgekoloskopie weniger verschmutzte Därme und weniger Strikturen zu finden sind, ist hier die empfohlene Rate von 95 % zu vertreten.
Die Intubation des terminalen Ileums ist nur bei bestimmten Indikationen zwingend anzustreben (z. B. CED, Durchfallabklärung, Suche nach ilealen Tumoren), aber nicht generell und vor allem nicht unter Vorsorgeaspekten. Wenn bei jeder Koloskopie die Ileumintubation angestrebt wird, so gelingt dies in 70 – 97 % und es werden in 0,3 – 20 % relevante Befunde erhoben, fast ausschließlich entzündlicher Natur und abhängig von der Indikation [682]
[683]
[684]
[685]
[686]
[687]
[688]
[689]
[690]
[691]. Bei einer Fallzahl von insgesamt 15 920 eingeschlossenen Koloskopien zeigen jedoch die Studien mit hoher, d. h. vierstelliger Fallzahl, niedrigere Ergebnisraten, i. d. R. < 5 % relevante Befunde [683]
[688]
[689]
[691]. In einer großen retrospektiven Datenbankerhebung über 21 638 Koloskopien lag die tatsächliche Rate an (intendierten/erreichten) Ileumintubationen bei insgesamt 18 % und je nach Indikation etwas höher (bei Durchfällen aber auch nur 28 %) [692]; letzteres ist wohl weit vom Idealzustand entfernt.
Der Vollständigkeit halber sei die Wasserfüllung des Kolons beim Vorschieben zur Verbesserung der Zoekumrate und Erhöhung des Patientenkomforts erwähnt, die vor allem von einer Arbeitsgruppe teilweise multizentrisch propagiert wird [693]
[694]
[695]
[696]
[697]
[698]
[699]
[700]
[701]
[702]
[703]
[704]
[705]. Die Ergebnisse wurden nur teilweise von anderen Studien bestätigt [704]
[706]
[707]
[708]
[709]. Natürlich gibt es auch hier schon eine Metaanalyse [710].
Adenomdetektionsrate
Empfehlung
Im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie sollen in ≥ 20 % der Untersuchten Adenome detektiert werden. Auch in Kliniken soll die Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mindestens einem Adenom) für die intendiert vollständige diagnostische Koloskopie dokumentiert werden.
Starker Konsens
Dies gilt nicht für Überweisungen mit bekannter Diagnose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Patienten mit Blutungen und Notfallindikationen sowie Patienten mit Zuweisung zur endoskopischen Therapie inklusive Polypektomie aus. Für die Vergleichbarkeit mit der ambulanten Vorsorgekoloskopie ist eine Alterskorrektur wünschenswert.
Konsens
Kommentar
Eine der wichtigsten Ziele bei der Koloskopie ist die Adenomdetektion. Die Adenomdetektionsrate ist i. a. definiert als die Rate von Patienten, bei denen mindestens ein Adenom gefunden wurde, allerdings wurde die mittlere Zahl an entdeckten Adenomen pro Untersucher ebenfalls und sogar als besserer Parameter ins Feld geführt [711]. Trotzdem wird die oben definierte Adenomdetektionsrate (ADR) gemeinhin verwendet und gilt als Surrogatparameter für die Wirksamkeit der Vorsorgekoloskopie, da sie in mehreren und v. a. in zwei großen hochrangig publizierten Studien mit der Rate an Intervallkarzinomen korrelierte (Übersicht über die wichtigsten Studien zu Intervallkarzinomen in [Tab. 32] [626]
[665]
[666]
[667]
[668]
[669]
[670]
[671]
[672]
[673]
[674]
[675]
[676]
[677]
[678]
[679]
[680]
[681]). Die beiden Hauptstudien aus dem New England Journal of Medicie [626]
[671] verdienen aber aufgrund ihrer hohen Relevanz und doch einiger methodischer Einschränkungen eine ausführlichere Diskussion:
-
Zunächst wird in den Studien nicht unterschieden, ob Patienten primär zur Koloskopievorsorge und/oder nach positivem Stuhltest eingeschlossen wurden; in beiden Ländern gibt es sowohl eine primäre Koloskopie- als auch eine Stuhltestvorsorge, gefolgt von der Koloskopie bei positivem Stuhltest.
-
Weiter wird in beiden Studien nur die generelle Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mind. 1 Adenom) und nicht die Rate fortgeschrittener Adenome mit dem Outcome korreliert, sodass die Frage nach dem Warum erlaubt ist. Man müsste ja annehmen, dass fortgeschrittene Adenome (Größe > 1 cm und/oder villöse Anteile und/oder Vorkommen von hochgradigen Dysplasien) viel relevanter für die Karzinomentstehung sind. Allerdings zeigte eine Studie aus den USA, dass bei 14 Koloskopikern mit 1944 Koloskopien zwar Adenomrate und Rate fortgeschrittener Adenome stark schwankten, beide aber nicht miteinander korrelierten [712]. Weiterhin zeigte eine vor kurzem im NEJM veröffentlichte Follow-up-Studie aus Norwegen, dass die Mortalität nach Polypektomie bei 40 826 Patienten insgesamt nicht gesenkt wurde [713]. Hier war eine leichte Senkung bei nicht fortgeschrittenen Adenomen (standardisierte Mortalitätsrate 0,75), bei fortgeschrittenen Adenomen dagegen sogar eine Erhöhung (1,16) zu finden. Bei diesem Kollektiv gab es allerdings keine Follow-up-Empfehlungen bei Patienten mit nicht fortgeschrittenen Adenomen, bei fortgeschrittenen Adenomen betrug sie 10 Jahre [713]. Das könnte bedeuten, dass u. U. ein ungenügendes Follow-up die protektive Wirkung einer hohen ADR überspielen kann (s. u.).
-
Die polnische Studie [626] zeigte im nationalen Vorsorgeprogramm einen klaren Unterschied zwischen Intervallkarzinomen bei Kollegen mit Adenomdetektionsraten < und > 20 %, mit Risikoerhöhungen der niedrigeren Gruppen (< 11 % ADR, 11 – 15 %, 15 – 20 %) von etwa 11 – 12fach gegenüber der Gruppe von 20 % und mehr. Hier wurden 45 026 Koloskopien von 186 Untersuchern ausgewertet und die Patientendaten mit dem polnischen Krebsregister korreliert. Eingeschlossen wurden nur Koloskopien mit adäquater Vorbereitung und ggf. vollständiger Polypektomie sowie Untersucher mit mindestens 30 Vorsorgekoloskopien in einem Studienzeitraum von 4 Jahren. Die mittlere Zahl der Koloskopien der Kollegen über den Studienzeitraum lag bei 145 (Range 30 – 1848), das sind im Schnitt 3 pro Monat. Ob diese Kollegen auch außerhalb des Studienprogramms koloskopierten, ist nicht bekannt. Auch die Vollständigkeit der befragten nationalen und regionalen polnischen Krebsregister wird positiv diskutiert, aber nicht weiter validiert.
-
Die amerikanische Studie [671] dehnte den ADR-Bereich noch über 30 aus und fand bei 136 Gastroenterologen und 314 872 Koloskopien (nur 18 % allerdings mit Vorsorgeindikation) eine nahezu lineare Korrelation: Für jede 1 % mehr Adenomrate ergab sich eine 3 % Mortalitätsverminderung. In Quintilen eingeteilt, war ein signifikanter Unterschied in der Kolonkarzinommortalität aber nur zwischen der Gruppe mit der niedrigsten ADR (7 – 19 %) und den beiden mit der höchsten ADR (33 – 52 %) zu detektieren. Die Korrelation war ähnlich wenn man nicht nur alle kolorektalen Intervallkarzinome, sondern auch die fortgeschrittenen und die tödlich verlaufenden Karzinome auswertete. Ausgeschlossen wurden initial etwa 16 000 Patienten, zur Berechnung der Adenomraten wurden die 314 872 Patientendaten verwendet, Follow-up-Daten für Intervallkarzinome gab es aber nur für 264 972 Patienten, also etwa 2/3. Die Fallzahl und Erfahrung der beteiligten Koloskopiker ist ebenfalls interessant: Nicht berücksichtigt wurden Koloskopiker mit Koloskopiezahlen von unter 300 und Vorsorgeuntersuchungen von unter 75 im Studienzeitraum (12 Jahre!), was zunächst eine sehr niedrige Fallzahlgrenze zu sein scheint. Hier ist zu anzumerken, dass es sich hier um das Patientenkollektiv einer Versicherung handelt. Dieses bildet nicht das gesamte Praxiskollektiv ab, sodass die Adenomrate insgesamt auch ganz anders sein kann. Beispielhaft sei hier aufgeführt, dass ein Kollege mit 100 Vorsorge-Koloskopien in 4 Jahren für Kaiser Permanente in diesem Zeitraum aber noch (Beispiel größere deutsche Praxis) 3000 Vorsorgekoloskopien für anderweitig Versicherte durchführt. Die beteiligten Kollegen rangierten von 355 – 6005 Koloskopien innerhalb des 13-Jahreszeitraums, das sind also 27 bis 461 Untersuchungen pro Jahr.
-
Schließlich zeigte eine interessante Analyse aus den USA, dass Studien, die aufgrund von Datenbanken entstehen, Intervallkarzinome überschätzen können: Hier wurden bei 43 661 Koloskopien zunächst 45 Intervallkarzinome ermittelt (Rate 3,9 %), nach Aktendurchsicht dieser Fälle wurden 21 davon als Fehldokumentation zurückgezogen, sodass die Rate auf 2,1 % sank [714]. Dies entspricht einer 85 %igen Überbewertung.
Trotz der Limitationen der besprochenen Studien ist die Korrelation von Adenomdetektionsrate und Intervallkarzinomen plausibel. Grundsätzlich ist lediglich die Frage einer linearen oder ab einer bestimmten ADR-Höhe dann asymptotischen Korrelation unklar. Von beiden Studien scheint die polnische die validere im Hinblick auf Auswertung und Methodik. Deswegen wird der Cut-off von 20 % für die zu erreichende Adenomdetektionsrate bei der Vorsorgekoloskopie empfohlen. In einer Literaturanalyse wird überdies in einer Modellrechnung für Intervallkarzinome eine mittlere Rate von 0,7 für übersehene Karzinome und 1,1 für eine Karzinomentwicklung aus übersehenen Adenomen errechnet; de novo Karzinome, die weder übersehen wurden noch aus übersehenen Adenomen enstehen, werden dagegen als sehr selten bewertet [676].
[Tab. 33] zeigt eine Übersicht über die hauptsächlichen Einflussfaktoren auf die Adenomdetektionsrate [609]
[610]
[627]
[639]
[642]
[655]
[715]
[716]
[717], die sich in patienten-, untersucher- und gerätebezogen einteilen lassen.
Tab. 33
Studien zu Einflussfaktoren auf die Adenomdetektionsrate bei der (Vorsorge)Koloskopie.[1]
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopien
|
Indikation
|
Ergebnisse (sign. Faktoren)
|
Adler [609]
|
prospektiv
|
12 134
|
Screening
|
Patienten-ass. Einflussfaktoren: Geschlecht, Alter, Darmvorbereitung Untersucher-ass. Einflussfaktoren: Weiterbildung, Gerätegeneration
|
Barret [715]
|
prospektiv
|
3266/1200 529[2]
|
49,6 % Screening/38,9 % abd. Symptome
|
ADR gesamt 17,7 %, Inzidenz von CRC 2,9 %. Faktoren assoziiert mit einer hohen ADR: männl. Geschlecht, > 50 J., fam. Bel., pos. FOBT
|
Bhangu [639]
|
prospektiv
|
10 026
|
9 % Screening
|
ADR maßgeblich abhängig von der Fallzahl/Jahr
|
Bretagne [716]
|
retrospektiv
|
3462
|
Screening
|
ADR bei: 1 Adenom 25,4 % bis 46,8 %; 2 Adenomen 5,1 % bis 21,7 %; 3 Adenomen 2,7 % bis 12,4 %; 1 Adenom ≥ 10 mm 14,2 bis 28,0 %; Karzinom 6,3 bis 16,4 %.
|
Harris [642]
|
prospektiv
|
6004
|
10,2 % Screening
|
Erfahrung des Endoskopikers korreliert mit der Rate an Zoekumintubation und mit der ADR; R/Z korreliert mit der ADR
|
Imperiale [717]
|
retrospektiv
|
2664
|
Screening
|
ADR 7 bis 44 %; maßgeblich beeinflusst durch die Untersuchungszeit
|
Jover [610]
|
prospektiv
|
4539
|
Screening
|
ADR korreliert mit RZZ (≥ 8Min) und Qualität der Darmvorbereitung
|
Lee [655]
|
retrospektiv
|
31 088
|
pos. FOBT
|
ADR korreliert mit Zoekumintubation, RZZ, Qualität der Darmvorbereitung, Spasmolyse, Erfahrung des Endoskopikers, Tageszeit der Untersuchung
|
Regula [627]
|
retrospektiv
|
50 148
|
Screening
|
fortgeschrittene Adenome (≥ 10 mm, HGIN, tubulovillöse) signifikant häufiger bei Männern
|
1 RZZ = Rückzugszeit.
2 n = 3266 absoluten Daten einer Woche, n = 1200 529 extrapolierte Daten bezogen auf ein Jahr.
Es soll ausdrücklich festgehalten werden, dass die Adenomdetektionsrate als Qualitätsparameter nur bei der Vorsorgekoloskopie etabliert ist und deswegen nicht 1:1 auf die diagnostische Koloskopie übertragen werden kann. [Tab. 34] zeigt die Adenomdetektionsraten bei Koloskopien verschiedener Indikationen [718]
[719]
[720]
[721]
[722]
[723]
[724]
[725]
[726]
[727]
[728]
[729]
[730]. Im Großen und Ganzen kann geschlussfolgert werden, dass (oft liegt keine Alterskorrektur vor, oft auch keine direkten Vergleiche) Symptome wie Bauchschmerzen (z. T. als Reizdarm gelabelt), Durchfälle und v. a. Obstipation eine mehr oder minder ähnliche Adenomrate haben wie die der Vorsorgekoloskopie.
Tab. 34
Adenomdetektionsrate bei verschiedenen Koloskopieindikationen in Vergleichsstudien.
Autor
|
Studienart
|
n Koloskopien
[1]
|
Ergebnisse
|
Alterskorrektur
[2]
|
Adler [718]
|
prospektiv
|
1397
|
Karzinome/Polypen: Vorsorge 16,0 %, Blutung 22,1 %, Symptome[3] 7,7 %
|
–
|
Anderson [719]
|
retrospektiv
|
9100
|
Signifikant höhere ADR in Screening-Koloskopie (37 %) vs. Surveillance-Koloskopien (25 %)
|
–
|
Chey [720]
|
prospektiv
|
917
|
IBS vs. gesunde Kontrollen: histologisch signifikant weniger Adenome in der IBS Gruppe
|
+
|
De Bosset [721]
|
prospektiv
|
509[1]
|
Polyp/Neoplasie ≥ 1 cm: Vorsorge 28,5 %, Symptome 15,4 %, FOBTpos. 27,5 %, Hämatochezie 28,8 %
|
–
|
Gupta [722]
|
retrospektiv
|
41 775
|
Indikation nur Obstipation geringes Risiko für relevante Befunde als Obstipation + Screening oder nur Screening
|
+
|
Kueh [723]
|
retrospektiv
|
2633
|
Indikation abdominelle Schmerzen signifikant niedrigeres Risiko für Neoplasien verglichen mit Eisenmangelanämie und rektalem Blutabgang
|
+
|
Lasson [724]
|
prospektiv
|
767
|
Indikation rektale Blutung (n = 405): Karzinome 13,3 % (n = 54), Adenome > 1 cm 20,5 % (n = 83)
|
+
|
Lieberman [725]
|
retrospektiv (CORI)
|
6669[1]
|
Polyp/Neoplasie ≥ 1 cm: Vorsorge 6,5 %, unspez. Symptome 7,3 %, FOBT+ 17,0 %
|
+
|
Minoli [726]
|
prospektiv
|
1123
|
Karzinome: Vorsorge 8 %, Symptome 6,2 %, Hämatochezie 11,9 %
|
–
|
Neugut [727]
|
retrospektiv
|
1172
|
Adenome > 1 cm oder Karzinome in Abhängigkeit der Indikation: rektale Blutung 14,5 %, abdominelle Schmerzen 7,1 %, Änderungen der Stuhlgewohnheiten 7,1 %,
|
–
|
Obusez [728]
|
retrospektiv
|
786
|
nur Indikation Obstipation: Adenome 2,4 % (n = 19), ADR bei Patienten < 40 J. 2,9 %, < 50 J. 1,7 %
|
+
|
Patel [729]
|
prospektiv
|
559
|
Prävalenz von IBS in 559 Patienten mit Rom-III-Kriterien allein 15,4 % (n = 21) mit zusätzlichen Alarmkriterien[4] 27,7 % (n = 117)
|
+
|
Pepin [730]
|
retrospektiv
|
563
|
nur Indikation Obstipation: Karzinome 1,7 %, Adenome 19,6 %, fortgeschrittene Adenome 5,9 %
|
+
|
1 Fallzahlen: für die genannten Indikationen ausgewertete/insgesamt erfasste Koloskopien: 509/1188 [134], 6699/20 475 [138].
2 Vergleich von symptomatischen mit Vorsorgekollektiven.
3 Symptome = i. d. R. Diarrhoe, Obstipation, Schmerzen.
4 Gewichtsverlust, Blutbeimengungen im Stuhl, Anämie.
Auch in
Kliniken
soll zu Zwecken der Qualitätssicherung die Adenomdetektionsrate bestimmt werden; allerdings wird in Deutschland in Kliniken i. d. R. keine Vorsorgekoloskopie durchgeführt. Dezidiert ausgenommen von dieser Regelung sind Vorsorgekoloskopien, die im Krankenhaus nur durchgeführt werden, wenn eine persönliche Ermächtigung der KV vorliegt. In diesem Fall unterliegt die Qualitätssicherung den Regelungen nach § 135 Abs. 2 SGB V und nicht den Empfehlungen dieser Leitlinie. Aufbauend auf den in [Tab. 35] gezeigten Studien, schlagen wir die Erhebung der Adenomdetektionsraten vor, wobei aus der Qualitätssicherung der Koloskopie im Krankenhaus für die Erfassung von Dickdarmneoplasien dann wegen der Vergleichbarkeit ausgenommen sind:
Tab. 35
Komplikationsraten der (Vorsorge-)Koloskopie aus größeren Fallserien und Studien.
Autor
|
n Koloskopien
|
Indikationen
|
Studienzeitraum
|
Studienart/Follow-up
|
Ergebnisse
|
Deutsche Daten
|
Adler [745]
|
12 134
|
Screening
|
2006 – 2008
|
prospektiv
|
Dokumentation von Komplikationen unzureichend., dokumentierte Komplikationen 0,15 %, unter Berücksichtigung der auditierten Daten 0,46 % (ohne Patientenfeedback 0,33 %)
|
Bokemeyer [746]
|
269 144
|
Screening
|
2003 – 2006
|
prospektiv
|
kardiopulmonal 0,10 %. Blutungen (Post-Polypektomie) 0,8 %, chirurgische Intervention in 0,03 %. Perforationen in 0,02 % der Koloskopien und 0,09 % der Polypektomien
|
Crispin [747]
|
236 087
|
Screening/Non-Screening
|
2006
|
prospektiv
|
Komplikationen ges. 0,32 %; kardiopulmonal 0,06 %, Blutungen 0,2 %, Perforationen 0,03 %
|
Eckardt [748]
|
2500
|
Screening/Non-Screening
|
1995 – 1997
|
prospektiv
|
Komplikationen total 2,4 %; kardiopulmonal 2 %, Blutungen und Perforationen 0,3 %
|
Hagel [749]
|
7535
|
64 % diagnostisch/36 % therapeutisch
|
2002 – 2009
|
prospektiv
|
Perforationen 0,33 % (0,14 % diagnostische und 0,67 % therapeutische Koloskopie); 12 % konservative und 88 % chirurgische Therapie
|
Pox [750]
|
2821 392
|
Screening
|
2003 – 2008
|
prospektiv
|
Komplikationsrate ges. 0,28 %, Rate schwerer Komplikationen 0,058 %
|
Sieg [751]
|
82 416
|
k. A.
|
1998 – 1999
|
prospektiv
|
Komplikationen ges. 0,02 % (+ Polypektomie 0,36 %), Perforationen 0,005 % (+ Polypektomie 0,06 %), Blutungen 0,001 %% (+ Polypektomie 0,26 %)
|
Stock [752]
|
33 086
|
26 % Screening/74 % Non-Screening
|
2001 – 2008
|
retrospektiv
|
Perforationen: Screening 0,08 % und Non-Screening 0,07 % Blutungen: Screening 0,05 % und Non-Screening 0,11 %
|
Heldwein [753]
|
2257/3976[1] nur Polypektomien
|
k. A.
|
20 Monate
|
prospektiv
|
Komplikationen in 9,7 % der Patienten; Risikofaktoren für schwere Komplikationen: Polypengröße und rechtsseitige Lage
|
Internationale Daten
|
Bowles [614]
|
9223
|
61,2 % diagnostisch
|
4 Monate
|
prospektiv
|
Perforationen in 0,13 %; Blutungen (KH-Einweisung) in 0,06 %
|
Kang [754]
|
17 102[2]
|
k. A.2
|
2000 – 2007
|
retrospektiv
|
Perforationen: diagnostische Intervention 0,07 %, therapeutische Intervention 0,4 %
|
Ko [755]
|
21 375
|
Screening
|
k. A.
|
prospektiv
|
30-Tages-Komplikationen 0,2 %, Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,02 %
|
Nelson [617]
|
3196
|
Screening
|
1994 – 1997
|
prospektiv
|
Komplikationen 0,3 %; schwere Komplikationen 0,1 %
|
Niv [756]
|
252 064[3]
|
k. A.
|
2000 – 2006
|
retrospektiv
|
bekannte Komplikationen in 0,04 %, davon 86,3 % Perforationen, 8,8 % Blutungen und 4,9 % kardiopulmonal
|
Rabeneck [647]
|
97 091
|
k. A.
|
2002 – 2003
|
retrospektiv
|
Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,085 %, koloskopieassoziierte Todefälle 0,0074 %
|
Singh [648]
|
24 509[4]
|
k. A.
|
2004 – 2006
|
retrospektiv
|
Komplikationen ges. 0,29 %; Blutungen (Post-Polypektomie) 0,64 %, Perforationen (Post-Polypektomie) 0,18 %
|
Warren [757]
|
53 220
|
26 % Screening/53,3 % Polypektomie
|
2001 – 2005
|
retrospektiv
|
Blutungen 0,16 %, Perforationen 0,64 %, schwere Komplikationen (Screening-Koloskopie) 0,28 %
|
Zubarik [758]
|
1196
|
k. A.
|
1997 – 1998
|
prospektive
|
1,7 % Komplikationen die zu einer Wiedervorstellung führten
|
Zubarik [759]
|
466[5]
|
Screening
|
2000 – 2001
|
prospektiv
|
signifikant größere Beschwerden der Sigmoidoskopiegruppe verglichen mit der Koloskopiegruppe
|
1 2257 Patienten mit insgesamt 3976 Schlingenabtragungen.
2 17 102 Koloskopien; 20 660 Sigmoidoskopien; 6772 therapeutische Interventionen; insgesamt 53 Perforationen.
3 252 064 dokumentierte Koloskopien/102 bekannte koloskopieassoziierte unerwünschte Ereignisse.
4 Endoskopien des unteren Gastrointestinaltrakts (inkl. Sigmoidoskopie, ±Polypektomie, APC, Dilatation).
5 466 Interventionen (entweder Koloskopie unter Sedierung oder flexible Sigmoidoskopie ohne Sedierung).
-
Koloskopien mit geplanter therapeutischer Intention.
-
Koloskopien bei Patienten mit bekannten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
-
Koloskopien bei Patienten mit der Indikation einer gastrointestinalen Blutung.
-
Koloskopien mit einer Notfallindikation.
Diese Ausschlusskriterien beruhen auf der mäßig gut abgesicherten Annahme einer der Vorsorge ähnlichen Adenomdetektionsrate bei Patienten mit Bauchbeschwerden, Obstipation oder Durchfällen (wenn kein CED-Verdacht vorliegt) ([Tab. 34]). Ein positiver Hämoccult-Test zählt nicht dazu, da in Deutschland bei der Vorsorgekoloskopie keine strenge Trennung vorgenommen wird und nicht eruiert werden kann, wie viele der im Register erfassten Vorsorgekoloskopie auf eine positiven Hämoccult und wie viele primär erfolgt sind. Die Vergleichbarkeit einer ADR in Kliniken mit der im ambulanten Vorsorgebereich ist allerdings nur gegeben, wenn eine Alterskorrekrtur vorgenommen bzw. nur Patienten aber dem 55. Lebensjahr betrachtet werden.
Tageszeitliche Schwankungen der Adenomdetektionsrate (Absinken im Verlauf des Tagesprogramms) wurden in einigen Studien behauptet (in der Größenordnung von 5 – 7 % weniger „absolute“ ADR) [731]
[732]
[733], von anderen Analysen dagegen verworfen [734]
[735]
[736]. Die praktischen Konsequenzen sind ohnehin begrenzt (Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit durch den Tag, gemischte Programme [731] etc.). Offenbar spielt hierbei vor allem auch die unterschiedliche Vorbereitungsqualität eine Rolle [737]. Im Wochenverlauf gibt es im Übrigen keine Schwankungen zwischen den Tagen [738].
Schließlich soll festgehalten werden, dass möglicherweise die Wirkung einer hohen ADR von anderen Faktoren neutralisiert werden kann. Ein wichtiger solcher Einflussfaktor ist vermutlich die Patientencompliance bezogen auf die Nachsorgeuntersuchungen nach Adenomabtragung. Möglicherweise liegt hier der Grund, warum einige Studien keinen Effekt der Polypenabtragung auf die Karzinomrate in Norwegen und Frankreich gezeigt haben. In Norwegen lag die Nachsorgeempfehlung für fortgeschrittene Adenomen bei 10 Jahren (diese Patienten hatten ein höheres Risiko für Kolorektale Karzinome als die Normalbevölkerung) und eine Nachsorge bei nicht fortgeschrittenen Adenomen wurde nicht empfohlen (hier war eine leichte Absenkung zu sehen) [713]. In einer französischen Follow-up-Studie des dortigen Vorsorgeprogramms (FOBT und dann Koloskopie) von über 5779 abgetragenen Adenomen war die Kolonkarzinomsterblichkeit sogar erhöht (SIR/standardized incidence ratio 1,26), u. a. entscheidend abhängig von der Wahrnehmung des endoskopischen Follow-ups: Bei Patienten mit fortgeschrittenen Adenomen und koloskopischer Nachsorge lag die SIR bei 1,10, im Vergleich zu 4,26 ohne eine solche Follow-up-Untersuchung [739]. Ob bei bestimmten Patienten mit bestimmten Adenomcharakteristika wegen einer erhöhter Lokalrezidivrate besonderer Wert auf die Nachsorge gelegt werden soll, wird derzeit untersucht [740]
[741]
[742].
Komplikationsrate als Qualitätsparameter
Empfehlung
Die Komplikationen der Koloskopie sollen im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe dokumentiert werden.
Starker Konsens
Statement:
Die Komplikationsrate ist zwar ein logischer, aber schwer überprüfbarer Qualitätsparameter; bevor Festlegungen über Art, Definition der Komplikation und den Zeitraum der Erfassung nach dem Eingriff allgemeinverbindlich getroffen, in ihrem Aufwand abgeschätzt und Einigkeit über ein unabhängiges Monitoring getroffen sind, ist die Komplikationsrate bei der diagnostischen und therapeutischen Koloskopie nicht zum breiten Einsatz und zum Benchmarking geeignet.
Starker Konsens
Kommentar
(siehe auch Kapitel 5 und 7): Bezüglich publizierter Komplikationsraten der Koloskopie sei auf eine Übersicht der ASGE [743] und einen spezifisch auf die Vorsorgekoloskopie bezogen Review [744] verwiesen. [Tab. 35] gibt einen Überblick über die wichtigsten deutschen [745]
[746]
[747]
[748]
[749]
[750]
[751]
[752]
[753] und internationalen größeren Serien [614]
[617]
[647]
[648]
[754]
[755]
[756]
[757]
[758]
[759]. Die wichtigste Frage bei der Komplikationsrate im Rahmen der Qualitätssicherung und mehr noch beim Benchmarking ist, wer wie welche Komplikationen über einen wie langen Zeitraum dokumentiert und wie – bei Vergütungsrelevanz („pay for performance“) – diese Daten dann gemonitort werden sollen. Es ist nicht überraschend, dass Datenbanken wie das deutsche Vorsorgeregister Komplikationen unterschätzen, wenn sie im Rahmen einer prospektiven Studie überprüft werden [745]. Auch ist es ein völlig unterschiedlicher Aufwand, ob nur Akutkomplikationen erfasst werden oder – wie in einigen Studien der Fall – ein 2 oder 4 Wochen-Follow-up durchgeführt wird. Ob die Verlinkung von Register- und Kassendaten [752] hier die Lösung bringt, ist angesichts der unklaren Datenqualität noch offen.
Aus diesen Gründen und auch, da der Gesetzgeber keine detaillierten Vorgaben macht, wird lediglich eine Dokumentation der Komplikationen unter allgemeiner Angabe der Erfassungsbedingungen (z. B. akut oder mit Follow-up) als Qualitätsmerkmal gefordert. Die EU-Richtlinien empfehlen drei Methoden der Qualitätssicherung in punkto Komplikationen (Kontakt aller Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt, 30-Tages-Mortalitäts-Review, 8-Tages-Krankenhausaufnahme aus ungeplanten Gründen), geben aber zu, dass dieses nicht alle nationalen oder regionalen Datenbanken erlauben.
Deswegen wird als „key performance indicator“ die ungeplante Aufnahme am selben Tag der Koloskopie empfohlen, unter Angabe des Aufnahmegrunds [629].
4.5.3.3 Geräte- und Untersuchungstechnik
Empfehlung
Koloskopische Untersuchungen sollen mit hochauflösenden Videoendoskopen durchgeführt werden.
Starker Konsens
Statement
Die Anwendung erweiterter Bildgebungsverfahren (z. B. direkte und virtuelle Chromoendoskopie/Zoomendoskopie) stellt in bestimmten Situationen eine Verbesserung dar.
Starker Konsens
Kommentar
Videoendoskope sind Standard in der Endoskopie des unteren GI-Traktes. Es können pädiatrische oder nicht pädiatrische Koloskope unterschiedlicher Länge zum Einsatz kommen. Die Gerätelängen variieren zwischen 1330 und 1700 mm, der Durchmesser des Arbeitskanals zwischen 2,8 – 4,2 mm. Immer noch werden Adenome in signifikantem Ausmaß übersehen – insgesamt 22 %, allerdings vor allem kleine (26 % bis 5 mm, nur mehr 2 % ab 10 mm) [760]. In den letzten Jahren sind zahlreiche randomisierte Studien zu erweiterten Verfahren der Koloskopie erschienen, die meist keinen Vorteil auf die Adenomdetektionsrate gezeigt haben. Eine Übersicht der ASGE im Mai 2015 gibt hier einen guten Überblick vor allem über die eingesetzten und validierten Technologien [761].
Sie lassen sich zusammenfassen als:
-
Moderne (HDTV) und erweiterte Bildgebung wie Narrow Band Imaging (NBI), Fujinon intelligent chromoendoscopy (FICE) und I-Scan. Eine Metaanalyse aus 5 Studien zeigte keinen Vorteil von HDTV [762]. Zum Thema „virtuelle Chromoendoskopie“ überschlagen sich die Metaanalysen [763]
[764]
[765]
[766]
[767]
[768]. NBI wird in keiner der Metaanalysen ein Effekt auf die ADR zugeschrieben, FICE wird in einer der Metaanalysen erfasst, ebenfalls ohne Wirkung auf die ADR [764]. Eine weitere vor kurzem erschienene dreiarmige Studie mit NBI und FICE weist in dieselbe Richtung [769]. Für I-Scan zeigen zwei kleinere (n = 200 und n = 67) randomisierte Studien einen Vorteil [770]
[771], der durch eine größere randomisierte Tandem-Studie (n = 389) nicht bestätigt werden konnte [772]. Interessanterweise wies die jüngste und umfangreichste Metaanalyse basierend auf 9 Studien nur der konventionellen Chromoendoskopie einen Effekt auf die ADR zu [764], hier zeigte sich überwiegend eine Verbesserung der Detektion von nur kleinen Adenomen. Allerdings beschäftigten sich zwei dieser Studien mit Colitis ulcerosa und eine japanische Studie nur mit dem rechten Kolon in einer Art Tandemansatz. Ob eine konventionelle Färbung im Alltag praktikabel ist, sei dahingestellt.
-
Erweiterter Blickwinkel, zunächst von 140 auf 170 Grad und vor kurzem mit teilweiser Rundumoptik. Die 170-Grad–Optik erbrachte in mehreren Studien keine erhöhte ADR [773]
[774]
[775]
[776]
[777]. Das erste Rundumoptikgerät (mit Geradeaus- und zwei Seitoptiken in einer Ebene, sogenannte FUSE-Endoskop) zeigte in einer kleineren, methodisch allerdings kritisierten Tandemstudie eine deutlich erniedrigte Adenoma-miss-Rate, bei allerdings niedriger ADR in der primären Endoskopie der Kontrollgruppe [778]. Wie üblich, erscheinen dann sofort, Kosten-Nutzen-Berechnungen [779]. Hier muss man weitere Daten abwarten, ebenso wie über Rundumoptikgeräte anderer Firmen [780].
-
Mechanische Verfahren wie einfache und erweiterte Aufsatzkappen sowie Verwendung eines Ballons an der Endoskopspitze. Einfache Abstandskappen wurden in bereits 6 Metaanalysen bezüglich ADR analysiert [764]
[781]
[782]
[783]
[784], nur in der ältesten [784] wurde ein Effekt gesehen, der in den neueren Metaanalysen verschwand. Neuere sogenannte Igelkappen scheinen die Adenomrate zu erhöhen, so wurden in zwei aufeinanderfolgenden gleichartigen Studien derselben Gruppe (in der zweiten Studie erweitert) mit jeweils nahezu derselben Patientenzahl (n = 498 und n = 5600) eine Erhöhung und sehr ähnliche Ergebnissen (ADR 36 vs. 28 % bzw. 35 vs. 21 %) gezeigt [785]
[786]. Randomisierte Studien über Konkurrenzprodukte (Endorings) liegen bislang nicht als Originalveröffentlichung vor. Mit einem neuartigen Ballonendoskop, genannt G eye (mit dem Ballon sollen die Kolonfalten für einen besseren Blick hinter die Falten flachgedrückt werden) wurde in einer kleineren (n = 126) Tandemstudie eine dramatisch reduzierte Adenoma-miss-Rate gezeigt [787]
[788]. Das sogenannte Third-eye-Endoskop (retrograder Blick durch ein durch den Arbeitskanal eingeführtes „Baby“-Endoskop) wird hier nur erwähnt, da es sich, obwohl ebenfalls Verbesserungen der ADR gezeigt werden konnten [789]
[790]
[791], bislang nicht durchgesetzt hat.
Aufgrund der begrenzten Datenlage mit neueren Geräten und Aufsatzkappen sind endgültige
Schlussfolgerungen
vermutlich verfrüht; doch scheinen mechanische Hilfen und vielleicht eine deutlich erweiterte Optik größere Vorteile zu erbringen als Bildverstärkungstechniken. Auf jeden Fall bringt der Übergang von einer Gerätegeneration auf die nächste keine messbaren Vorteile für die ADR; erst bei Überspringen einer Generation scheint dies möglich; hierfür gibt es aber bislang nur indirekte Evidenz [609]
[792].
Immer wieder wird eine zusätzliche Untersuchung des Rektums und des (v. a. rechtsseitigen) Kolons in
Retroflexion
empfohlen; die Literatur hierzu ist älter und zahlreich, und wird vor allem im proximalen Kolon ergänzt durch neue Studien.
-
Rektale Retroflexion: Hier gibt es vorwiegend ältere Studien unterschiedlicher Größe (n = 75 bis n = 1502, insgesamt etwa 3600 Patienten), die eine geringe Ausbeute v. a. an Adenomen zwischen 0,3 und 2 % zeigten [793]
[794]
[795]
[796]
[797]. Eine nahezu 30 Jahre alte Vergleichsstudie der Fiberglasendoskopie mit der Anoskopie ergab bei letzterer eine deutlich höhere Detektionsrate an Läsionen [798]. Weitere direkte Vergleichsstudien liegen nicht vor. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Perforationsberichten bei diesem Manöver [799]
[800]
[801]
[802]
[803], in einer großen Multicenterserie lag die Rate aber nur bei 0,01 % von 39 054 Untersuchungen (4 Fälle) [801].
-
Retroflexion im (rechten) Kolon: Hier gibt es in den letzten Jahren mehrere prospektive Studien mit ebenfalls unterschiedlich großen Patientenzahlen (von 200 bis 1000), die eine zusätzliche Adenomentdeckung/miss rate zwischen 2 und 4,5 % erbrachten [804]
[805]
[806], mit Ausnahme einer jüngeren Analyse von 453 Patienten ohne Zugewinn [807]. Interessanterweise zeigten zwei neue randomisierte Studien mit 100 und 850 Patienten denselben Effekt auf die Steigerung der Adenomrate, wenn man
ein zweites Mal
das rechte Kolon in konventioneller
Geradeaus-Manier
spiegelte [808]
[809].
Andere Vorteile wie
längere Geräte
oder
variable Versteifung
erhöhen natürlich nicht direkt die Adenomdetektionsrate, können aber die Zoekumrate erhöhen und/oder die Koloskopie erleichtern. Längere Endoskope führen zu kürzeren Zeiten bis zum Zoekum [810] und/oder zu höheren Zoekumraten [811], vor allem bei Frauen mit gynäkologischen Operationen [812]. Zwei Metaanalysen beschäftigen sich mit versteifbaren Koloskopen und finden einmal eine höhere Zoekumrate (8 RCT) [813], die in der anderen, 3 Jahre älteren Metaanalyse (7 RCT) nicht gefunden wurde [814].
Das Einführen des Koloskops unter
Röntgenkontrolle
ist heute als Ausnahme zu betrachten und nur in speziellen Situationen z. B. zur Therapie (Ballondilatation etc.) gerechtfertigt. Eine Darstellung mittels
magnetischer Bilddarstellung
(„scope guide“) im Endoskop kann bei ungeübten Untersuchern eine hilfreiche Ergänzung darstellen. Generell bietet sie keine konsistenten Vorteile, sodass die aufgrund einer skandinavischen Studie ausgesprochenen EU-Empfehlungen der Verwendung bei Koloskopien ohne Sedierung für Deutschland nicht mitgetragen werden. Eine vor kurzem erschienene Metaanalyse von 13 randomisierten Studien zeigt in der Gesamtauswertung zwar Vorteile in verschiedenen Parametern, doch waren diese vorwiegend minimal (z. B. 4 % mehr Zoekumrate, eine halbe Minute kürzere Zoekumzeiten, minimal weniger Patientenbeschwerden –0,45 cm auf einer Skala von 10 cm) oder bei Berücksichtigung nur der qualitativ guten Studien nicht mehr nachweisbar [815]. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine chinesische Metaanalyse mit 8 eingeschlossenen Studien [816].
Erwähnt seien der Vollständigkeit halber der
Lagewechsel
der Patienten bei der Koloskopie, der geringfügig die Adenomrate erhöhen soll [817], vor allem bei schwieriger Koloskopie [818]
[819]. In einer jüngeren randomisierten Studie war aber kein Vorteil zu sehen [820].
Bezüglich
CED-Diagnostik
und Gerätetechnik sei hier wie auch für andere Kapitel auf die entsprechenden DGVS-Leitlinien verwiesen [821]
[822].
Verwendung von CO2 bei der Koloskopie
Empfehlung
Koloskopien sollten mit CO2-Insufflation durchgeführt werden, da dies den Patientenkomfort durch eine Reduktion der abdominellen Beschwerden nach der Koloskopie erhöht. Wahrscheinliche Vorteile liegen auch bei therapeutischen Eingriffen mit einem erhöhten Risiko für eine Perforation.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt wenig Anwendungsbereiche in der Endoskopie, wo alle durchgeführten randomisierten Studien in dieselbe Richtung weisen, sowohl im Klinik- als auch im niedergelassenen Setting, auch Studien aus dem deutschsprachigen Raum stützen die Anwendung von CO2 [823]
[824]. Der Haupteffekt zeigt sich in verminderten Blähungen am Tag der Koloskopie. Natürlich gibt es auch hier bereits drei Metaanalysen [825]
[826]
[827].
Ob Einschränkungen für CO2 bei Patienten mit manifester COPD erforderlich sind, ist aufgrund der manglenden Daten nicht klar. Eine japanische Studie über kolorektale ESD fand bei 77 Patienten mit obstruktiver Lungenerkrankung keine Unterschiede zu den anderen Patienten [241)]. Kapnografische Messungen zeigten bei sedierten Patienten (allerdings ohne COPD) keine oder nur minimale Anstiege [829]
[830]
[831].
CO2 hat sich (wie auch im oberen GI-Trakt) bei therapeutischen Eingriffen v. a. Resektionen bewährt; der Nutzen ist in Studien aber nicht leicht zu belegen [832]
[833].
Gabe spasmolytisch wirksamer Medikamente während oder vor der Koloskopie
Empfehlung
Spasmolytisch wirksame Medikamente können in Einzelfällen bei fehlenden Kontraindikationen zur besseren Entfaltung des Kolons gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der Nutzen spasmolytisch wirksamer Medikamente vor oder während der Koloskopie ist umstritten. Während einige Studien Vorteile auch in der Rate der erfolgreichen Zoekumintubationen beschreiben, sehen andere nur einen Nutzen in der besseren Beurteilbarkeit der Schleimhaut und dem Patientenkomfort. Die bislang veröffentlichten drei Metaanalysen zeigten keine oder nur marginale Effekte auf die Adenomdetektionsrate [834]
[835]
[836]. Spasmolytika sind deswegen nicht als Standardmedikation bei jeder Koloskopie zu sehen, sondern sind vorwiegend bei entsprechender Indikation (z. B. starke Spasmen bei der Untersuchung) hilfreich. In den USA ist Butylscopolamin nicht zugelassen. Das statt dessen verwendete Glukagon zeigte keine konsistenten Effekte auf Koloskopiedurchführung und Patientenkomfort [837]
[838]
[839], war aber in einer älteren Studie in den hämodynamischen Parametern Butylscopolamin überlegen [837].
4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von Kolonneoplasien
Empfehlung
Karzinomverdächtige Läsionen sollen biopsiert werden, wenn keine primäre Abtragung geplant ist.
Starker Konsens
Vor Polypektomie sollte eine Biopsie nur dann erfolgen, wenn die Art der Läsion unsicher bleibt (Neoplasie oder Entzündung, Hyperplasie) und das weitere Vorgehen beeinflusst wird (z. B. verschiedene Resektionsverfahren).
Starker Konsens
Statement
Es gibt keine ausreichende publizierte Evidenz, dass Biopsien nachfolgende endoskopische Resektionen erschweren.
Starker Konsens
Kommentar
Ob Polypen vor der Abtragung biopsiert werden sollten oder sogar nicht biopsiert werden dürfen, ist komplex. Bzgl. des Managements lassen sich verschiedene Situationen unterscheiden:
-
Die endoskopische Unterscheidung, ob es sich um einen abtragungswürdigen Befund handelt, oder ob die Läsion belassen werden kann. In erfahrenen Händen sollte es mit modernen Endoskopen ggf. mit Bildverstärkung möglich sein, Neoplasien von verdickten Schleimhautfalten zu unterscheiden, wozu dann keine Biopsie nötig ist. Die Differenzialdiagnose zwischen hyerplastischen Polypen und Adenomen wird derzeit intensiv beforscht. Gibt es aber überhaupt Polypen, die nicht abgetragen werden sollen, sondern belassen werden können, z. B. sicher hyperplastische Polypen, wenn sie klein sind? Dies gilt hochwahrscheinlich für kleine linksseitige/distale, makroskopisch gut als solche erkennbaren hyperplastische Polyp(ch)en, die i. a. belassen werden können. Bei allen anderen Polypen liegt der Fokus derzeit auf der Debatte „Abtragen und histologisch analysieren oder nicht“ (DISCARD, s. u.) – aber nicht „Abtragen oder belassen“. Die Diskussion, die derzeit um (v. a. größere und rechtsseitige) serratierte Läsionen – hyperplastische Polypen oder sessil serratierte Adenome [840]
[841]
[842]
[843]
[844]
[845]
[846]
[847] – geführt wird, lässt es angesichts der histopathologischen Unsicherheiten und des unklaren biologischen Verhaltens der serratierten Läsionen, ratsam erscheinen, alle solche erkannten Läsionen abzutragen. Insgesamt kann also, auch aus mediokollegialer Sicht, begründet werden, warum eindeutig makroskopisch als solche erkennbare Polypen/Neoplasien im Kolon nicht belassen, sondern auch ohne vorherige Histologie abgetragen werden können. Hierzu benötigt man
keine Biopsiesicherung
. Ob umgekehrt die vorherige Biopsie eine nachfolgende Abtragung gerade von flachen Läsionen erschwert (z. B. durch vermehrte Fibrose), wird zwar immer wieder behauptet (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/), ist aber nicht sicher belegt. Eine kleine korenanische Studie berichtet dies für Karzinoide [848]. Eine andere Studie aus Japan beobachtete ein non-lifting bei 15/76 Läsionen und in einer Multivarianzanalyse von 4 Faktoren (eigentlich mehr als bei 15 Vorfällen erlaubt) war die Biopsie nach mehr als 21 Tagen knapp signifikant (p = 0,048) [849]. Dass Biopsien schließlich in 10 – 60 % die wahre Natur eines Polypen verkennen können, ist ebenfalls in einigen Studien gezeigt worden [850]
[851]
[852]
[853]
[854] (s. u.).
-
Die Unterscheidung zwischen einem
gut abtragbaren
und nicht mehr oder unter besonderen Umständen (Erfahrung/Technik z. B. ESD) abtragbaren und dann zu operierenden
Kolonpolypen
ergibt sich aus einer gemeinsamen Beurteilung von Endoskopie/Makroskopie und Biopsie und wird im klinischen Alltag unterschiedlich gehandhabt. Bezüglich des weiteren Managements von (gestielten und flachen) malignen Polypen wird auf die DGVS-Leitlinien verwiesen (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/). Dass die primäre Abschätzung der endoskopischen „Abtragbarkeit“ eines Polypen von der Erfahrung des Koloskopikers abhängt und die meisten „nicht abtragbaren“ Polypen in Zentren doch erfolgreich abgetragen werden können, wurde wiederholt gezeigt [855]
[856]
[857]
[858]
[859]
[860]. Zudem wird immer wieder über signifikante Morbidität nach Operation von Kolonadenomen berichtet [861]
[862] wohingegen es auch gegenteilige chirurgische Meinungen bezüglich der onkologischer Sicherheit gibt [863]. Eine deutsche Studie zeigte anhand von 66 Patienten, dass die vorherige endoskopische Resektion von Kolonfrühkarzinomen das onkologische Outcome nicht verschlechtert [864]. Welche endoskopische Resektionstechnik zum Tragen kommen soll und ab welcher Einschätzung bzw. Ausdehnung operiert werden soll, muss aufgrund fehlender guter Evidenz individuell entschieden werden (s. u.). Wenigen Studien zufolge müssen auch in Zentren etwa 10 % der zugewiesenen Patienten doch operiert werden [865]
[866]. Eine entsprechende
Vorstellung in einem Zentrum
ist deswegen zu empfehlen.
Bezüglich der Biopsieprotokolle bei CED siehe entsprechende DGVS-Leitlinien [821]
[822].
Statement
Der endoskopische Aspekt ist als Gesamtbeurteilung vor einer endoskopischen Polypenresektion wichtig und beinhaltet Aspekte der Morphologie (Verlust der Struktur, Ulzeration/Einsenkung, Vulnerabilität) und des Verhaltens bei der Biopsie (Gewebehärte) und ggf. beim versuchten Hochspritzen (non-lifting sign), auch wenn die Treffsicherheit der jeweiligen Einzelparameter beschränkt ist.
Starker Konsens
Kommentar
Die
Abtragbarkeit
von (komplexen) kolorektalen Polypen hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wobei Größe/Ausdehnung, Form, Lage und Abhebbarkeit durch Unterspritzung bei flachen Läsionen (Lifting sign) und die Erfahrung des Untersuchers (s. o.) eine Rolle spielen. Manche dieser Faktoren erweisen sich erst bei der (versuchten) Abtragung als relevant. Bezüglich Histologie der abgetragenen Polypen haben Low- und High-grade-Dysplasien (inklusive Ca in situ, „Mukosakarzinom“, etc.) Relevanz für die Nachsorge, nicht aber für die endoskopische Abtragbarkeit. Sogar bei maligner Karzinomhistologie wird das weitere Management neben weiteren Kriterien von der Vollständigkeit der Abtragung (sogar piecemeal) bestimmt (siehe auch DGVS-Richtlinien (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/)).
Bei der
Beurteilung der Abtragbarkeit
spielt vor allem eine zu erwartende maligne Histologie eine Rolle. Ob dies aus dem endoskopischen Aspekt vorhersagbar ist, ist nach aktueller Datenlage nicht eindeutig. Die verschiedenen potenziell zur Anwendung kommenden
Klassifikationssysteme
werden in [Tab. 36] dargestellt [867]
[868]
[869]. Zur Frage der Malignität werden in der vorwiegend japanischen Literatur leider in der Regel beide Entitäten, nämlich „Mukosakarzinom“ = HGIN und submukosalinvasives Karzinom vermischt. Westliche Daten gibt es wenige: In der großen australischen Polypenstudie (n = 479) wurden als univariate Risikofaktoren für ein submukosalinvasives Karzinom eine Paris-Klassification 0–IIa+c, die Morphologie (nongranuläre Oberfläche) und ein Kudo Pit-pattern Type V genannt [870]. Von den Einzelkriterien wiesen allerdings von den 22 Paris Typ IIc- oder IIa+c-Läsionen nur 31,8 %, von den 98 nicht granulären Wuchsformen nur 15,3 % und von den 25 Kudo Typ V-Läsionen immerhin 56 % eine maligne Histologie (Submukosainvasion) auf. Der prädiktive Wert dieser Kriterien ist also begrenzt [870]. Eine japanische Studie zeigte hohe Treffsicherheiten in der Erkennung von tiefen (also nicht mehr kurativ abtragbaren) Submukosakarzinomen in einer eigens entwickelten Kombination von Pit-pattern und Gefäßmuster (Sensitivität 94,9 %, Spezifität 76,0 %) [871]. Selbst in der initialen Publikation von Kudo, der das Pit-pattern eingeführt hatte, gab es neben einer hohen Treffsicherheit (81.,5 %) des Pit-pattern in der Unterscheidung zwischen Adenom und Hyperplast nur 22 invasive Karzinome, von denen 11, also nur 50 % einen Typ V aufwiesen [868]. Die NICE-Klassifikation ([Tab. 36]) wurde kürzlich in einer japanischen Studie an ausgewählten Standbildern auf die Treffsicherheit einer submukösen Invasion getestet und schnitt mit jeweils 92 % Sensitivität und negativem prädiktivem Wert sehr gut ab [872]. Ob dieses studienmethodisch bedingte etwas artifizielle Vorgehen auf die westliche klinische Routine übertragbar ist, sei dahingestellt. Eine westliche Bildbeurteilung ausgewählter japanischer Bilder erreichte aber ähnlich gute Werte [872].
Tab. 36
Darstellung der Klassifikationssysteme zur endoskopischen Polypencharakterisierung und Differenzialdiagnose.
Paris-Klassifikation der Polypenmorphologie
[867]
|
Typ 0–Ip
|
Polypoid gestielt
|
Typ 0–Is
|
Polypoid sessil
|
Typ 0–IIa
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, gering erhaben
|
Typ 0–IIb
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, völlig flach
|
Typ 0–IIc
|
nicht polypoid, nicht exkaviert, gering eingesenkt (kein Ulkus)
|
Typ 0–III
|
nicht polypoid, ulzeriert
|
Kudo Klassifiation zur Polypendifferenzialdiagnose
[868]
|
hyperplastische Polypen
|
Pit-pattern I und II (A und B), Farbe eher weißlich und homogen
|
Typ I
|
rundliche kleine Kreise, eigentlich Pattern der normalen Schleimhaut; kann auch den hyperplastischen Polyp kennzeichnen
|
Typ II
|
sternartige oder kapillarartige Anordnung, eher klein, rund und regelmäßig
|
Neoplasie/Adenome
|
Pit-pattern III–V, Farbe eher rötlich, kann inhomogen sein
|
Typ III
|
größere longitudinale pits, können auch rundlich sein, dann aber größer als normal. Die seltene Untergruppe kleinerer pits als normal (IIIS) klassifiziert diese größeren pits dann als IIIL
|
Typ IV
|
verzweigt, oder Sulcus-, Gyrus-artig
|
Typ V
|
irregulär, kein Muster, gar keine pits (oft maligne oder prämaligne)
|
NICE-Klassifikation zur Polypendifferentialdiagnose
[869]
|
Typ 1 – charakteristisch für hyperplastischen Polyp
|
Farbe: heller als oder ähnlich wie Umgebung, keine Gefäße oder spärliches Netzwerk, kein Muster erkennbar, Oberfläche: dunkle Flecken mit hellerem Rand
|
Typ 2 – charakteristisch für Adenom
|
Farbe: dunkler (brauner) als Umgebung, Gefäße: zentral hellerer Bereich, umgeben von dickeren braunen Gefäßen
|
NB: serratierte Adenome zählen in der Klassifikation als Hyperplasten, sind aber Adenome. Bitte separat vermerken (Typ 1–HP und Typ1-SSA oder nur HP oder SSA)!
|
Typ 3 – charakeristisch für invasives Karzinom
|
Farbe: dunkler als Umgebung, manchmal inhomogen, Gefäße: Areale mit gestörter oder aufgehobener Gefäßarchitektur, Oberfläche: irreguläre Oberfläche, kein Muster
|
In einer vor kurzem veröffentlichten Metaanalyse von Studien über die Vorhersagekraft des Kudo Pit-patterns ([Tab. 36]) wurde ebenfalls vor allem die Wertigkeit der Bildgebung in der Differenzialdiagnose zwischen Hyperplasten und Adenomen behandelt, die Vorhersagekraft für invasive Karzinome aber nicht erwähnt [873]. Ähnlich verhält es sich mit dem sehr ausführlichen Review der ASGE zu den Anforderungen einer endoskopischen Polypendifferenzialdiagnose, zumal da es hier nur um kleine („diminutive“) Polypen < 5 mm handelt [874], bei denen Malignome extrem selten sind.
Tab. 37
Aussehen und Malignität bei flachen Adenomen (laterally spreading adenoma, LST), G = granulärer Typ, NG = nicht granulärer Typ.
Autor
|
n (LST)
|
Vorkommen von Submukosakarzinomen
|
japanische Daten
|
Imai [875]
|
482
|
1,8 % bei G (n = 316) vs. 15,5 % bei gemischt G/NG (n = 136)
|
Oka [876]
|
1363
|
0,9 % bei G (n = 351), 13,3 % bei gemischten Typen (n = 271), 6,1 % bei NG flach-erhabenen (n = 703) und 42,1 % bei NG eingesenkten Typen (n = 38)
|
Saito [877]
|
257
|
3,7 % massive sm-Invasion bei 82 unruhigen knotigen Veränderungen (NG-Typ?)
|
Saito [1001]
|
432
|
0,6 % bei G (n = 161) und 14 % bei NG (n = 271)
|
Uraoka [879]
|
511
|
7 % bei G (n = 287), 14 % bei NG (n = 224)
|
internationale Daten
|
Moss [870]
|
479
|
40 nicht klassifizierbar. 3,2 % bei G (n = 311), 14,1 % bei NG und gemischt (n = 128)
|
Rotondano [880]
|
254
|
G-Typ n = 211, NG-Typ n = 43; 6 sm-Karzinome, 5 davon in der G-Gruppe
|
Immer wieder wird der prädiktive Wert des sogenannten nicht granulären Typs bei flachen größeren Adenomen (laterally spreading adenomas, LST) für die Prädiktion der Malignität hervorgehoben, vor allem in der japanischen Literatur. Hier werden der benigne granuläre Typ von dem nicht granulären oder gemischten Typ unterschieden, letzterer mit deutlich höherem Malignitätsrisiko. Soweit submukosalinvasive Neoplasien extra ausgewiesen sind, ist das Risiko beim nicht granulären Typ signifikant, aber nicht exzessiv höher als beim granulären Typ ([Tab. 37]), etwa im Verhältnis 15 % zu 1 – 7 %. Dies wird nur zum Teil durch außerjapanische Daten gestützt wird [870]
[875]
[876]
[877]
[878]
[879]
[880] und nicht z. B. durch eine prospektive italienische Studie [880]. Ob die verschiedenen Typen der LST unterschiedliche Rezidivraten nach Endoresektion aufweisen, wird offenbar auch in Japan unterschiedlich gesehen: In einer etwas unübersichtlichen Studie, in der viele Einflussfaktoren (Läsionscharakteristika und Resektionstechniken) leider nur univariat analysiert wurden, wiesen granuläre Typen (n = 179) nach Resektion kein Rezidiv auf [881]. Bei den nicht granulären (n = 80) waren es 7,8 % Lokalrezidive. Zur Anwendung kamen verschiedene Resektionstechniken, mit erwartungsgemäß niedrigeren Rezidivraten bei En-bloc-Resektion. Inwieweit die submukosale Invasion (n = 9) hier einen Einfluss hatte, wird nicht beschrieben. Im Gegensatz dazu war gerade die granuläre Wuchsform einer der Einflussfaktoren für Lokalrezidive in einer großen japanischen Multicenterstudie (n = 1524) mit ebenfalls verschiedenen Resektionstechniken [882].
Das Non-lifting-Zeichen [883]
[884] ist als zuverlässiges Zeichen für Malignität umstritten [883]
[885], kann aber natürlich zu einer technisch erschwerten und unvollständigen Resektion auch bei Low-grade-Adenomen führen [870].
Bei der Adenomgröße und Ausbreitung ist vorwiegend die zirkuläre Ausdehnung von Bedeutung, da hierdurch das eventuelle Strikturrisiko determiniert wird. Dieses wird in den meisten Serien nicht separat analysiert, scheint aber (viel?) geringer zu sein als im oberen GI-Trakt. Zumindest werden klinisch signifikante Strikturen in keiner der größeren Serien inklusive Reviews und Metaanalysen zur EMR/ESD von ausgedehnteren Kolonläsionen berichtet [870]
[886]
[887]
[888]
[889]. Die seitliche Abgrenzung vor allem flacher Läsionen wird durch Chromoendoskopie oder die neuen Bildverstärkungsverfahren verbessert: Auch hier fehlen systematische und kontrollierte Daten, da schwer zu eruieren, dies kann aber als allgemeine Erfahrung gelten.
Im Übrigen ist die endoskopische Größenmessung – wenngleich unvermeidlicherweise Bestandteil zahlreicher, auch großer und hochrangiger Publikationen u. v. a. zur KRK-Vorsorge und Nachsorge nach Polypektomie und in der Definition eines „advanced adenoma“ (> 1 cm) – im Vergleich zur histologischen Größenbestimmungen und anderen Goldstandards bekanntermaßen unzuverlässig [890]
[891]
[892]
[893]
[894]
[895]
[896]
[897]
[898]
[899], mit natürlich entsprechenden Konsequenzen für Nachsorgeempfehlungen nach Polypektomie [900].
Ob die Angabe eines Komplexitätsgrades vor der Polypenabtragung, wie von einer britischen Gruppe vorgeschlagen (SMSA für size, morphology, site, access; hierbei scores 1 – 17 und vier Klassen) bei der Planung und Überweisungsstrategie von schwierigen Polypen hilft [901], sei dahingestellt.
4.5.3.5 Histologie nach Adenomresektion
Empfehlung
Abgetragene Läsionen sollen geborgen und unter Angabe der Lokalisation zur histologischen Untersuchung eingesandt werden. Gelingt dies im Einzelfall nicht, soll dies im Befund vermerkt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die histologische Beurteilung abgetragener Polypen ist beim derzeitigen Wissensstand als Standard zu betrachten. Vor allem aus dem angloamerikanischen Sprachraum ist aber aus Kostengründen [902]
[903] vorgeschlagen worden, Polypen zu resezieren und nicht histologisch zu analysieren („Resect and Discard“ [904]
[905], kurz DISCARD), was aus Gründen der Risikoabwägung bislang auf Polypen bis 5 mm beschränkt bleiben soll. Die Nachsorgeempfehlungen (10 Jahre bei lediglich hyperplastischen Polypen, i. d. R. 3 – 5 Jahre bei Adenomen, je nach Zahl, Größe und Histologie) richten sich dann hauptsächlich nach der endoskopischen Differenzialdiagnose zwischen Adenomen und Hyperplasten, da keine Histologie mehr vorliegt. Diese Überlegungen basieren auf zahlreichen Studien zur endoskopischen Differenzialdiagnose mittels Pit-pattern [868] und haben eine weitere Flut von Publikationen aus Zentren ausgelöst, die u. a. auch neue Klassifikationen eingeführt und getestet haben, z. B. die NICE-Klassifikation [869], die auf der Gerätetechnik einer speziellen Firma beruht. Diese große Zahl von Publikationen mit i. d. R. sehr guten Ergebnissen wurden in mehreren Reviews und „Metaanalysen“ zusammengefasst [906]
[907]
[908]
[909]
[910], so auch in einem kürzlichen Update der ASGE-Empfehlung. Hier wurden zudem die Kriterien für eine qualitätsgestützte endoskopische Differenzialdiagnose von Polypen bis 5 mm festlegt [874]. Gerade letztere sehr ausführliche Übersicht zeigt, dass die Differenzialdiagnose mit verschiedenen Techniken in etwa gleich zu funktionieren scheint, was auch durch die Ergebnisse der meisten randomisierten Studien bestätigt wird [911]
[912]
[913]. Obwohl die meisten Studien mit verschiedensten Techniken aus Referenzzentren diese Anforderungen offenbar erreichen, gibt es in letzter Zeit zunehmend auch hochrangig publizierte Studien, die zeigen, dass dies multizentrisch und unter „Alltagsbedingungen“ nicht funktioniert [913]
[914]
[915]
[916].
Erschwerend ist in den letzten Jahren eine zusätzliche differenzialdiagnostische Unsicherheit bei den hyperplastischen Polypen durch die Aufwertung der sogenannte sessilen serratierten Adenome hinzukommen [840]
[844]
[847]. Diese werden in stark unterschiedlichem Ausmaß nicht nur von Endoskopikern gesehen, sondern auch, wenn biopsiert oder abgetragen, unterschiedlich häufig von Pathologen diagnostiziert [843]
[917]. Eine beträchtliche Anzahl von hyperplastischen Polypen wird in der Zweitmeinung als SSA umklassifiziert [840]
[842]
[845]
[918], zudem ist die Interobservervarianz zwischen Pathologen in den meisten Studien relativ hoch [840]
[846]
[919]. Zwar sind all diese Studien nicht streng größenkorreliert durchgeführt (DISCARD wird nur für Polypen bis 5 mm in Erwägung gezogen), und es sind auch schon neue endoskopische Beurteilungen [920] und Klassifikation vorgestellt [921], doch hält sich aus diesen Gründen die Leitlinie mit Empfehlungen zur Änderung des bisherigen Vorgehens (histologische Beurteilung nach endoskopischer Abtragung) zurück.
Bezüglich des Umgangs mit Polypenkarzinomen, die sich meist erst aus der histologischen Aufarbeitung abgetragener Polypen ergibt (schwieriger noch, wenn vor Abtragung bekannt), wird auf die die DGVS-Leitlinie kolorektales Karzinom verwiesen (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/).
4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien
Adenome im Kolon und Rektum sollen vollständig entfernt werden.
Bis zu einer Polypengröße von 5 mm kann die Polypektomie auch ohne Diathermie, bevorzugt mit einer Schlinge oder mit einer Biopsiezange erfolgen.
Starker Konsens
Statement
Da die vollständige Abtragung mit Zange nur bis etwa 3 mm dokumentiert ist, ist bei grenzwertig großen Polypen um 4 – 5 mm die Kaltabtragung mit einer Schlinge das präferierte Verfahren.
Konsens
Kommentar
Biopsiezangen sind in verschiedenen Formen der Zangenbranchen mit oder ohne Dorn erhältlich [922]. Der Dorn dient der Fixierung der Zange in der Mukosa und der Fixierung des Biopsats mit der Möglichkeit zur Mehrfachbiopsie in einem Arbeitsgang; hier werden etwas tiefere Biopsien erreicht [923]. Eine prospektiv-randomisierte verblindete Studie ergab keinen Unterschied in der histologischen Qualität der entnommenen Proben zwischen 12 verschiedenen erhältlichen Biopsiezangen [924]. Die Biopsie selbst erfolgt meist durch eine zum Endoskop gerichtete Ziehbewegung. Alternativ kann ein größeres Biopsat durch eine vom Endoskop wegführende Abscherbewegung erzielt werden; auch Mehrfachbiopsien (i. d. R. zwei pro Arbeitsgang) sind als nützlich beschrieben [925]. Jumbobiopsiezangen erfassen eine 2fach größere Mukosaoberfläche als die Standardbiopsiezange, benötigen aber ein therapeutisches Endoskop mit einem 3,6 mm Arbeitskanal [926].
Die optimale Abtragungsmethode für kleine Polypen bis 5 mm ist umstritten. Hier wird zwischen Abtragung mit Zange oder Schlinge und bei beiden Methoden zwischen Kaltabtragung und Hot -biopsy unterschieden. In Tierexperimenten [927]
[928]
[929] wurde an Hunden gezeigt, dass durch Hot-biopsy bzw. Polypenkoagulation zum Teil tiefere Schäden in der Wand entstehen, abhängig von der verwendeten Technik [928]. Weiterhin zeigte eine randomisierte Tierstudie von artifiziellen Polypen am lebenden Schwein mit der Hot-biopsy Zange versus Schlingenresektion eine für die Hot -biopsy signifikant erhöhte Rate an histologisch nicht untersuchbaren Resektaten (21 vs. 0 %) und eine höhere Rate einer partiellen Nekrose der Muskularis propria (34 vs. 2 %) [927].Die Anwendung der kalten Schlingenresektion bei künstlichen Läsionen am in vivo Schweinekolon (n = 30) ergab keine Blutungen oder Perforationen [929].
Die entsprechenden klinischen Studien zur Abtragung kleiner Polypen mit Zange und Schlinge, kalt und/oder thermisch, sind in [Tab. 38] zusammengefasst [930]
[931]
[932]
[933]
[934]
[935]
[936]
[937]
[938]
[939]
[940]
[941]
[942]
[943]
[944]
[945]
[946]
[947]
[948]
[949]
[950]. Die Ergebnisse zeigen, dass
-
die kalte Abtragung von kleinen Polypen mit der Zange oft Adenomgewebe zurücklässt [930] und vermutlich abhängig von der Sorgfalt und der Biopsiezahl ist. Zumindest in einer Studie war sie bei Polypenknospen bis 3 mm zuverlässig [931].
-
die Jumbozange bessere Ergebnisse [932]
[933] erzielt, aber meist nicht praktikabel und im deutschen Alltag wohl auch zu teuer ist.
-
die Hot-biopsy-Zange schlechtere histologische Ergebnisse liefert [937]
[940] und teilweise wohl auch Polypenreste zurücklässt [938]. Die im Tierexperiment nahegelegte höhere Gefährlichkeit (s. o.) ließ sich klinisch in den vorliegenden Studien aber nicht bestätigen.
-
die Kaltabtragung am besten beforscht und wohl bei kleinen Polypen vorzuziehen ist. Zum einen hat sie eine sehr niedrige Nachblutungsrate [941]
[947]
[948], in randomisierten Studien im Vergleich mit der thermischen Schlingenabtragung nicht konsistent [942]
[946], bei antikoagulierten Patienten sogar geringer [943]. Zum anderen konnte sie in zwei randomisierten, histologisch nach Kaltschlingenabtragung dann mittels Nachbiopsie und sogar EMR-kontrollierten Studien eine um etwa 15 % bessere Vollständigkeit der Polypenabtragung erreichen [944]
[945].
Tab. 38
Daten über Zangen- und Schlingenabtragung kleiner Polypen (bis 5 mm; Ausnahmen in der Größe werden separat erwähnt).[1]
Autor
|
n (Polyp)
|
Studientyp
|
Zahl der Bx
|
Kontrolle[2]
|
Ergebnisse allgemein
|
Zangenabtragung, kalt
|
normale Zange
|
Efthymiou [930]
|
54
|
prosp.
|
2 (1 – 5)
|
EMR
|
39 % (62 % Adenom, 24 % Hyperplast)
|
Jung [931]
|
86
|
prosp.
|
2 (1 – 5)
|
EMR
|
92,3 % komplette Resektion (100 % bei Größe bis 3 mm)
|
Jumbozange
|
Aslan [932]
|
263
|
RCT vs. konv. Zange
|
k. A.[3]
|
Histo (?)
|
100 % Jumbo vs. 89,4 % konv. (sign), Blutung n = 1 vs. 3
|
Draganov [933]
|
305
|
RCT vs. konv. Zange
|
2.2 vs. 2.55
|
visuell
|
82,4 % Jumbo vs. 77,4 % konv. (n. s.)
|
Uraoka [934]
|
223
|
nur Abstract zitiert
|
1
|
k. A.
|
|
gemischte Serien
|
Liu [935]
|
65
|
retrosp.
|
k. A.
|
Bx sofort
|
Reste: Zange kalt: 2/22, Jumbozange kalt: 2/18 Abtragung Schlinge kalt: 1/7, Schlinge therm. 1/18
|
Weston [936]
|
1964
|
retrosp.
|
k. A.
|
k. A.
|
1525 Hot Biopsy, 436 Zange kalt, 3 Schlinge; 6 sign. Blutungen, alle bei Hot Biopsy (0,39 %), k. A. zur Histologie
|
Zangenabtragung, hot biopsy
|
Mönkemüller [937]
|
87
|
alternativ vs. Zange kalt
|
k. A.
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, histologische Qualität besser bei Zange kalt (Thermoschaden 91,1 vs. 2.2 %)
|
Peluso [938]
|
62
|
prosp.
|
Koag.
|
Endo n. 1/2 Wo
|
17 % Polypenreste
|
Woods [939]
|
156
|
RCT vs. Zange kalt
|
k. A.
|
Endo n. 3 Wo
|
21 % Hot Biopsy vs. 29 % Zange Restgewebe
|
Yasar [940]
|
237
|
RCT vs. Jumbozange kalt
|
k. A.
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, histologische Qualität schlechter bzgl. Thermoschaden, Architektur und Submukosatiefe
|
Schlingenabtragung, kalt
|
Deenadayalu [941]
|
400
|
prosp.
|
–
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, 99 % histologisches Sample
|
Ichise [942]
|
205
|
RCT vs. Schlinge therm. bis 8 mm
|
–
|
k. A.
|
k. A. zur Vollständigkeit, keine Blutung/Perfo, aber mehr Bauchschmerzen für therm. (20 vs. 2.5 %)
|
Horiuchi [943]
|
159
|
RCT bei AK vs. Schlinge therm.
|
–
|
k. A.
|
Studienoutcome Blutung sofort 5,7 vs. 23 %, später 0 vs. 14 %. Gefäßschäden Submukosa 22 vs. 39 %
|
Kim [944]
|
145
|
RCT vs. Zange
|
–
|
EMR
|
96,6 vs. 82.6 % (sign).
|
Lee [945]
|
117
|
RCT vs. Zange
|
mind. 2
|
zus. Bx
|
93,2 vs. 79.2 % (sign)
|
Paspatis [946]
|
1255
|
RCT vs. Schlinge therm.
|
–
|
k. A.
|
keine Nachblutung in beiden Gruppen, Blutung bei Endo 9,1 vs. 0,1 %
|
Repici [947]
|
1015
|
prosp. bis 10 mm
|
–
|
k. A.
|
nur Sicherheit evaluiert (Blutung 30 Tage 1,8 %) k. A. zur Histologie
|
Tappero [948]
|
288
|
?
|
–
|
k. A.
|
keine Blutung oder Perforation, alle Polypen geborgen. A. zur Histologie
|
Uno [949]
|
80
|
prosp.
|
–
|
k. A.
|
Akutblutung 3,75 %; k. A. zur Histologie
|
Schlingenabtragung, thermisch
|
McAfee [950]
|
183
|
7 mm
|
–
|
k. A.
|
88 % abgetragen und geborgen, k. A. zur Vollständigkeit Schlinge
|
1 k. A. = keine Angaben; AK = Antikoagluation; Bx = Biopsie; Koag = Koagulation des Polypen, keine Histo.
2 Der vollständigen Abtragung nach makroskopisch vollständiger Zangenabtragung.
3 Ein Biss 97,1 vs. 46,6 %, 2 Bisse 100 vs. 86,4 %.
Empfehlungen
Bei einer Polypengröße > 5 mm soll eine Schlingenabtragung mit oder ohne Unterspritzung unter Verwendung von Diathermiestrom durchgeführt werden. Bei flachen Adenomen sollte die Abtragung in Form einer EMR (endoskopische Mukosaresektion, besser saline-assisted polypectomy) erfolgen.
Klassische sogenannte EMR-Techniken wie die kappenunterstützte „Suck and cut“-Technik und die „Bandligatur“-Technik sollten nur im Rektum angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der traditionellen
Schlingenresektion
wird die Läsion unter endoskopischer Sicht mit der monopolaren HF-Schlinge gefasst und nach Aktivierung des monopolaren Stromes thermisch (“cut-and-coagulation”) durchschnitten. Eine submukosale Injektion von z. B. NaCl- und/oder verdünnter Adrenalinlösung 1:10 000, ggf. mit Farbstoffzusatz, kann zum Abheben (“lifting”) der Mukosa (“injektionsassisistierte Schlingenresektion” „saline-assisted polypectomy) mit dem Ziel einer kompletten und sicheren Resektion erfolgen; dies gilt vor allem für die Resektion von sessilen flachen Läsionen und wird vorwiegend bei größeren Läsionen (z. B. ab 1 cm) angewandt. Allerdings muss gesagt werden, dass bezüglich Sicherheit (Perforation) und Präparatequalität (Submukosatiefe) erstaunlicherweise keine vergleichenden Studien zwischen Vorgehen mit und ohne Injektion vorliegen; entsprechende Injektionsstudien beschäftigen sich alle mit der Frage der (Nach)Blutung mit oder ohne Injektion [951]
[952]
[953]
[954]
[955]. Zur Frage der submukosalen Injektion bei Schlingenresektion von GI-Läsionen mit einer Größe unterhalb der Indikation für eine EMR hinsichtlich Vollständigkeit und Komplikationen liegen keine vergleichenden Studien vor.
Die Auswahl der Schlinge soll sich nach der Expertise des Untersuchers richten. Es sind eine Vielzahl von endoskopischen Schlingen unterschiedlicher Konfiguration verfügbar (monofil, geflochten). Wenige Studien haben verschiedene Typen von Diathermieschlingen verglichen [956] und zeigten keine konsistente Überlegenheit für eine bestimmte Schlingenart oder -konfiguration [957].
Die Abtragung gestielter Polypen wird in der Regel ohne Unterspritzung durchgeführt. Hier beschäftigt sich die relevante Literatur mit der Blutungsprophylaxe durch verschiedene Techniken (siehe Kapitel 4.4.3.4 Endoskopische Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion).
Bei sessilen oder flachen Polypen wird dagegen in der Praxis meist die Abtragung nach Unterspritzung durchgeführt. Die Literatur der zur Verfügung stehenden Techniken analysiert i. d. R. größere Polypen, definiert als ≥ 2 cm. Zur Verfügung stehen im Wesentlichen:
-
Die reine Schlingenabtragung ohne vorherige Unterspritzung.
-
Die Schlingenabtragung nach Unterspritzung, oft auch endoskopische Mukosaresektion (EMR) genannt. Iim Kolon ist dies ein besonders unscharfer Begriff, besser wären die englischen Begriffe „Inject und Cut Technik“ oder „saline-assisted polypectomy“ [958]. Hier können Läsionen bis zu 2 cm meist en-bloc abgetragen werden. Bei größeren Polypen ist oft eine stückweise Abtragung („piecemeal“) nötig, sodass die Beurteilung der Vollständigkeit endoskopisch erfolgen muss. Ggf. können Polypenreste mit modernen hochauflösenden Endoskopen besser erkannt und sofort entfernt werden.
-
Die endoskopische Submukosadissektion (ESD), bei der die Läsion mit speziellen Messern umschnitten und von der Unterlage abpräpariert wird. Technisch erfolgt nach Markierung und submukosaler Injektion mit Kochsalz oder speziellen Lösungen die zirkumferenzielle Inzision und die anschließende Dissektion innerhalb der unterspritzen Submukosa mit speziellen ESD-Messern. Eine kurze transparente Aufsatzkappe erleichtert die Dissektion und mechanische Präparation in der Submukosa. Derzeit befinden sich eine Reihe von ESD-Messern auf dem Markt inklusive Kombinationsinstrumenten, die HF-Chirurgie und Wasserapplikation kombinieren (siehe Kapitel 4.6). Eine Hämostase der submukosalen Gefäße kann durch Koagulationsstrom über das Messer selbst bzw. mit einer Blutstillungszange (engl. coag grasper/hot biopsy) erfolgen.
-
Eine Kombinationsmethode, genannt endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler Umschneidung (CSI-EMR) [959]
[960]. Sie ist eine Variante der EMR mit dem Ziel, eine „En -bloc“-Resektionen auch bei großen (> 2 cm Durchmesser) Läsionen zu erhalten. Hierbei wird nach der Markierung und submukosalen Unterspritzung in Analogie zur ESD-Technik eine zirkumferenzielle Umschneidung der kompletten Mukosa um die Läsion herum vorgenommen. Anschließend wird eine HF-Schlinge entsprechender Größe in die Inzisionsfalte gelegt, die komplette Läsion gefasst, mit monopolarem Schneidestrom koaguliert und reseziert.
Die klinischen Ergebnisse fasst [Tab. 39] zusammen [886]
[901]
[961]
[962]
[963]
[964]
[965]
[966]
[967]
[968]
[969]
[970]
[971]
[972]
[973]
[974]
[975]. Aufgrund der Fülle der Literatur vor allem für die EMR wurden nur Studien ab 100 Patienten seit 2010 aufgenommen, weitere Daten resultieren aus Reviews und Metaanalysen. Ab einer bestimmten Größe werden Adenome mittels EMR stückweise abgetragen. Die Vollständigkeit der Abtragung ist akut nur endoskopisch und nicht histologisch zu bestätigen. Da sich nicht alle Studien an diese Definition halten (s. u.) variiert die initiale „Vollständigkeit“ teilweise erheblich. Größere neue Studien zeigen – zugegebenermaßen bei Verlusten im Follow-up – eine insgesamt über 90 %ige langfristige Erfolgsrate ([886]
[974]. Diese beruht auf der einfachen Retherapie (Abtragung, Argonbeamer-Ablation) von Polypenresten bzw. Rezidiven, die hohe Erfolgsrate wird somit mit mehr Follow-up-Koloskopien erkauft.
Tab. 39
Daten über Mukosaresektion (EMR) und Submukosadissektion (ESD) bei kolorektalen Läsionen ≥ 2 cm. Nur Studien seit 2010 und mit mind. 100 Patienten (Ausnahme westliche ESD-Studien) sind berücksichtigt, Metaanalysen mit der Gesamtzahl der eingebrachten Patienten. Alle Serien sind Mischserien mit verschiedener Histologie, von Low-grade-Adenom bis zum submukosainvasiven Karzinom.
Autor
|
n (Polypen)
|
Studientyp
|
Ca[1]
|
Erfolgsrate und F-up
|
Erfolgsrate Ca
|
Kompl.
|
EMR
|
japanische/koreanische Daten
|
Puli [961]
|
5221 EMR 1998 – 2006
|
Metaanalyse[2]
|
k. A.
|
kurativ en-bloc 59 % k. A. zu F-up
|
nicht separat analysiert
|
k. A.
|
Kim [962]
|
497
|
retrosp.
|
9
|
en-bloc 72,4 %, komplett 93,7 % kein F-up
|
k. A.
|
2 % Nachblutung 0,4 % Perf.
|
westliche/internationale Daten
|
Ah Soune [963]
|
146
|
retrosp.
|
0
|
89 % 1 Sitzung, 38 % APC 12,5 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 24/146 (median 12 Mo)
|
–
|
8 % Blutung,4 % Perf. 1 Stenose
|
Ahlawat [964]
|
183
|
retrosp.
|
16
|
89 %; 13 % > 1 Sitzung, 12 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 114/174 F-up (≥ 12 Mo). 28 % insgesamt operiert
|
alle operiert
|
5 % Blutung, 2 % Perf. 6 % Bauchschmerzen
|
Cipoletta [965]
|
1012 nur 38,1 % > 2 cm
|
prosp.
|
36
|
86 % komplett; 18 % APC 6,5 % Rezidiv (823/928 F-up)
|
23 operiert 7 F-up (AZ)
|
1,7 % Nachblutung 4,4 % Perf.
|
Conio [966]
|
282
|
retrosp.
|
35
|
|
15 OP 16 F-up (v. a. AZ)
|
7,4 % Blutung keine Perf.
|
Ferrara [967]
|
182/177
|
prosp.
|
5
|
79 en-bloc, 98 piecemeal 6,9 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 147/157 (F-up Ø 19,8 Mo)
|
alle operiert
|
11,3 % Nachblutungen 1,1 % Perforationen
|
Gomez [968]
|
131
|
retrosp.
|
10
|
17 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 70/99 bei F-up 3 – 6 Mo, 5 % Rezidiv – 2 F-up Kolo bei 29/99 bei F-up ? Mo 2 % Rezidiv – 3 F-up Kolo bei 12/99 bei F-up ? Mo 1,5 % Rezidiv – 4 F-up Kolo bei 2/99 bei F-up? Mo
|
3 (sm1 oder L1) operiert
|
2,3 % Nachblutungen 3 % Perforationen
|
Heresbach [969]
|
1210 (24,4 % ≥ 2 cm)
|
prosp.
|
64/18sm1
|
73 % enbloc
|
Operation bei: 9 der sm1 8 der m1
|
4 % Nachblutungen 0,6 % Perforationen
|
Hochdörffer [970]
|
167
|
prosp.
|
17
|
73,6 % piece-meal 26.3 % Rezidiv – Ø 2,7 F-up Kolos bei 99/165 4 der T1-Ca erfolgreiche Endotherapie
|
11 operiert
|
17,4 % Nachblutungen
|
Knabe [886]
|
252
|
prosp.
|
8
|
32 % Rezidiv 1. Kolo[3] bei 58/183 (6 Mo) 16 % Rezidiv 2. Kolo bei 19/126 (12 Mo)
|
7 operiert bei inkompletter ER oder sm1 ≥ 1000μm
|
5,5 % Nachblutungen 1,6 % Perforationen
|
Lim [971]
|
239 (≥ 1 cm)
|
prosp.
|
13
|
20 % Rezidiv – F-up Kolo bei 78/139 (F-up median 6,8 Mo)
|
k. A.
|
2,1 % Komplikationen
|
Longcroft-Wheaton [901]
|
220
|
prosp.
|
17
|
14,5 % Rezidiv – 1 F-up Kolo bei 179/209 (3 Mo) 3,9 % Rezidiv – 2 F-up Kolo bei 179/209 (12 Mo)
|
Indikation zur Op in 17 Fällen, operiert 14
|
8,1 % kompl.
|
Maguire [972]
|
269
|
retrosp.
|
25
|
24 % Rezidiv – F-up Kolo bei 160/231 (3 – 6 Mo)
|
Indikation zur Op in 25 Fällen/21 operiert
|
3 % Nachblutungen 1,3 % Perforationen
|
Mannath [973]
|
121 ≥ 1 cm
|
prosp.
|
2
|
67 piecemeal 13,1 % Rezidiv – F-up Kolo (3 – 6 Mo)
|
k. A.
|
4 % Nachblutungen, 0,8 % Perforationen
|
Moss [974]
|
1000
|
prosp.
|
43
|
16 % Rezidiv 1. Kolo[4] bei 799/1000 (4 Mo) 4 % Rezidiv 2. Kolo bei 426/670 (16 Mo)
|
sm1 alle operiert
|
keine Nachblutungen keine ER-ass. Perf.
|
Woodward [975]
|
423 (47,3 ≥ 2 cm)
|
retrosp.
|
17
|
55,3 % (234) piecemeal 17 % Rezidiv 1. Kolo bei 234/423 (3 – 6 Mo
|
k. A.
|
k. A.
|
ESD
|
japanische/koreanische Daten
|
Repici [887]
|
2841 2007 – 10
|
Syst.Review von 22 Studien[5]
|
18 %
|
88 % R0-Rate/kurativ 0,07 % Rezidive (nur 1 Studie 0,3 %, sonst 0) F-up 13 Studien n = 1397 med. 22 Mo (12 – 34 Mo), k. A. zur Zahl Kolos
|
k. A. spezif.
|
1 % OP-pflichtige Komplikationen
|
Tanaka [984]
|
2718 2007 – 11
|
Review 13 Studien Japan
|
k. A.
|
en-bloc 82,8 %, en-bloc/R0 75,7 % k. A. zu Histo/F-up
|
k. A.
|
1,5 % Nachblutung 4,7 % Perf.
|
Jung [985]
|
163
|
retrosp.
|
29
|
en-bloc 93 %, kurativ 92 % 0 Rezidive bei F-up (% unklar) mittl. 27 Monate (? Zahl Kolo)
|
k. A. spezif keine OP
|
11 % Kompl, nicht näher spez.
|
Lee [986]
|
874
|
retrosp.
|
129
|
en-bloc 97,1 %, R0 90,5 % 0,4 % Rezidive bei F-up 722/874, mittl. 13 Monate
|
1 Rezidiv bei sm-Ca 65/82 OP[6]
|
0,5 % Blutung 6 % Perf.
|
Mizushima [987]
|
134
|
retrosp.
|
16
|
en-bloc R0 86,6 %, kurativ 85,1 % k. A. zu F-up
|
16 OP[7]
|
3,7 % Nachblutung 6,7 % Perf.
|
Nishiyama [988]
|
300
|
retrosp.
|
29
|
en-bloc 89,2 %, R0 79,1 %, 1 Lokalrezidiv (0,4 %) bei F-up von 213/282 mittl. 34 Mo (? Zahl Kolo)
|
89,6 % 8/11 OP3
|
0,7 % Nachblutung 8,1 % Perf. (2/22 OP)
|
Ozawa [989]
|
400[8]
|
retrosp.
|
78
|
37 % zusätzlich Schlinge verwendet en-bloc 75,1 %, R0 basal 89,7 % 37 % hatten aber sm-Invasion > 2000 µm
|
k. A. zur OP
|
21,9 % Blutung 1,3 % Perf.
|
Takeuchi [990]
|
816
|
retrosp.
|
150
|
5 % zus. Schlinge verwendet en-bloc 94 %, R0 78 % k. A. zu F-up
|
k. A.
|
2,2 % Blutung 2,1 % Perf.
|
westliche/internationale Daten
|
Farhat [991]
|
85
|
retrosp.
|
?[9]
|
R0 enbloc 67,1 %
|
keine Differenzierung8
|
insges. 11 % Blutung 18 % Perf. (6/34 OP)
|
Lang [992]
|
11
|
retrosp.
|
3
|
en-bloc 73 %, R0 82 %
|
k. A.
|
0 Blutung/Perf.
|
Probst [993]
|
82
|
retrosp.
|
14
|
en-bloc 81,6 %, R0 69,7 % Lernkurve
|
R0 50 % Sm3 / G3 43 % 13/14 OP
|
7,9 % Blutung 1,3 % Perf.
|
Rahmi [994]
|
45 Rektum
|
retrosp.
|
3
|
en-bloc 64 %, R0 53 % Rezidiv 12 Mo 12 % Lernkurve
|
1 sm1 R0 F-up 1 sm1V1 OP 1 T2 OP
|
13 % Nachblutung
|
Repici [995]
|
40 Rektum
|
prosp.
|
2
|
en-bloc 90 %, R0 80 % Rezidiv 2,5 % 12 Mo
|
0 % R0, OP n = 2
|
5 % Nachblutung 2,5 % Perf.
|
Spychalski [996]
|
55
|
retrosp.
|
2
|
en-bloc 66 %, R0 64 % Rezidiv 4,9 % 3 Mo (1 OP)
|
2 R0 keine OP
|
4,7 % Nachbl. (2 OP) 5,7 % Perf. (1 OP)
|
EMR und ESD im selben Zentrum (japanische und koreanische Vergleichsstudien, keine davon randomisiert)
|
Kim [999]
|
206
|
retrosp.
|
24
|
en-bloc
|
kurativ
|
Rezidiv
|
k.A
|
Blutung/Perf.
|
ESD n = 58
|
|
5
|
96,6 %
|
75,9 %
|
1,7 %
|
|
8,6 %/15,5 %
|
EMR-P n = 91[10]
|
|
11
|
61,5 %
|
51,6 %
|
0
|
|
1,1 %/5,5 %
|
ESD-S n = 57[11]
|
|
8
|
64,9 %
|
54,4 %
|
0
|
|
10,5 %/19,3 %
|
Kobayashi [1000]
|
84
|
retrosp.
|
24
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
F-up
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
ESD n = 28
|
|
10
|
92,9 %
|
0
|
20 Mo
|
|
7,1 %/10,7 %
|
EMR n = 56
|
|
14
|
37,5 %
|
21,4 %
|
38 Mo
|
|
1,8 %/0
|
Saito [1001]
|
373
|
retrosp.
|
k. D.
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
F-up
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 145
|
|
|
84 %
|
2 %
|
26 Mo, 2,4 Kolos
|
|
1,4 %/6,2 %
|
|
EMR n = 228
|
|
|
33 %
|
14 %
|
20 Mo, 2,0 Kolos
|
|
3,1 %/1,3 %
|
Tajika [1002]
|
89
|
retrosp.
|
19
|
en-bloc11
|
rezidiv
|
k. A. zu
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 85
|
|
18
|
83,%
|
1,2 %
|
F-up Details
|
|
2,4 %/5,9 %
|
|
EMR n = 104
|
|
1
|
48,1 %
|
15,4 %
|
|
|
2,9 %/0
|
Terasaki [881]
|
269
|
retrosp.
|
98
|
kurativ
|
rezidiv
|
1. Kolo
|
k. A.
|
k. A. detailliert[12]
|
|
ESD n = 61
|
|
|
91,8 %
|
0
|
7,5 Mo
|
|
|
|
ESD n = 28
|
|
|
100 %
|
0
|
2. Kolo
|
|
|
|
EMR n = 178
|
|
|
98,8 %
|
7,9 %
|
21,5 Mo
|
|
|
Fujiya [1003]
|
2299 2009 – 13
|
Metaanalyse
|
284
|
en-bloc/Kurativ
|
rezidiv
|
OP
|
k. A.
|
Blutung/Perf.
|
|
ESD n = 973
|
|
|
91,7 %/80,3 %
|
0,9 %
|
9,9 %
|
|
1,9 %/5,7 %
|
|
EMR n = 1326
|
|
|
46,7 %/42,3 %
|
120,2 %
|
5,8 %
|
|
3,5 %/1,4 %
|
Wang [888]
|
1642 2011 – 2013
|
Metaanalyse
|
k. A.
|
en-bloc
|
kurativ
|
rezidiv
|
k. A.
|
Komplikationen
|
|
ESD n = 687
|
|
|
87,9 %
|
83,8 %
|
0,%
|
|
8,9 %
|
|
EMR n = 688
|
|
|
44,5 %
|
65,5 %
|
12,7 %
|
|
5,8 %
|
1 Ca = definiert als submukösinvasives Karzinom (sm.-Ca), „Mukosakarzinome“ werden in der HGIN-Gruppe geführt, wenn separat analysiert (siehe Text), k. A. = keine Angaben, APC = Argonplasmakoagulation, AZ = Allgemeinzustand, F-up = Follow-up, k. D. = keine Differenzierung (zwischen “Muksakarzinom” = HGD und Submukosa-Karzinom).
2 Bis auf zwei britische Serien (n = 142) nur japanische Studien.
3 1. Kolo nach 3 – 6 Monaten (183/252), 2. Kolo nach 16 Monaten (126/252); 7 % positive Biopsien aus makroskopisch unauffälligen Narben.
4 1. Kolo nach 4 Monaten (799/1000), 2. Kolo nach 16 Monaten (510/734).
5 Bis auf zwei Studien nur japanische retrospektive Serien, 2 japanische Studien in der Tabelle fälschlich als randomisiert ausgewiesen; 4 Studien behandeln nur Karzinoide.
6 65/82 bzw. 8/11 Patienten folgten den OP-Empfehlungen.
7 8 Patienten mit massisver sm-Infiltration, 8 Patienten mit L+ oder V+ (Infiltrationstiefe nicht genannt).
8 Analyse nur der 78 sm-Karzinome au seiner Serie von 400 kolorektalen ESD.
9 Keine Differenzierung nach Lokalisation, da noch andere Tumorarten in der Studie; insgesamt waren 25 % sm-Tumoren vertreten.
10 Angaben gibt es nur zu R0 lateral, nicht zu R0 basal, deswegen wird der Parameter en bloc genommen.
11 EMR-P = zirkulare Umschneidung mit Messer, dann Schlingenabtragung in einem oder meheren Teilen, ESD-S = ESD mit Umschneidung und Präparation sowie abschließender Schlingenabtragung.
12 2 ESD-Prozeduren wegen Blutung und Perforation abgebrochen.
Studien, die sich nur auf die EMR mit Umschneidung (CS-EMR, s. o.) beziehen [959]
[960], sind nicht in [Tab. 39] enthalten. Sie zeigen bei ähnlicher Effizienz eine höhere En-bloc-Rate. Alternative Substanzen zur submukosalen Injektion wie Hydroxymethylcellulose [976], Hyaluronsäure [977] oder andere, kolloide Substanzen [978]
[979] werden auch gewinnbringend im Kolon verwendet (Kapitel 4.6).
Die
Nachbehandlung
von abgetragenen Polypen mit
thermischen Verfahren
ist vor allem aus Gründen der Blutungsprophylaxe evaluiert. Eine randomisierte Studie konnte 2002 eine verminderte Polypenrezidivrate nach Argonplasmakogaluation der Polypenränder zeigen [980]. Eine neuere Studie aus Australien zur Elektrokoagulation der Ränder nach Resektion ist noch nicht veröffentlicht. Polypenreste in der Nachbiopsie wurden nach Abtragung auch bei 1 – 2 cm großen Polypen gezeigt [981], sodass hier möglicherweise Handlungsbedarf besteht. Schlussendlich können unvollständig abgetragene Polypen erfolgreich mit Argonplasmakoagulation nachbehandelt werden [982]
[983].
Empfehlung
Die endoskopische Submukosadissektion (ESD) ist in westlichen Ländern aufgrund der hohen Komplexität, variablen Erfolgsrate und erhöhten Komplikationsrate keine etablierte Resektionstechnik für kolorektale Läsionen und sollte spezialisierten Zentren vor allem im Rahmen von Studien vorbehalten bleiben.
Starker Konsens
Kommentar
Die ESD gilt als technisch komplex und erkauft sich den möglichen Vorteil einer En-bloc-Abtragung und niedriger primärer Rezidivrate mit einer höheren Komplikationsrate und deutlich längerer Eingriffszeit. Die Abtragung in einem Stück bringt aber bei benignen Läsionen wie Kolonadenomen prinzipiell weniger Vorteile als im onkologischen Setting von (Früh)karzinomen. Die Ergebnisse der ESD bei Kolonpolypen sind in [Tab. 39] aufgelistet [887]
[984]
[985]
[986]
[987]
[988]
[989]
[990]
[991]
[992]
[993]
[994]
[995]
[996]. Leider sind in den meisten Serien Adenome und Karzinome gemeinsam analysiert. Zudem werden in Japan High-grade Adenome von „Mukosakarzinomen“ unterschieden, die es in der WHO-Definition als separate Entität nicht gibt. Dadurch lassen diese Studien eine Analyse der Methoden hinsichtlich der Untergruppe der submukosalinvasiven Karzinome (denn hier beginnt im Gegensatz zum oberen GI-Trakt erst die Karzinomdefinition) oft nicht zu. Zum anderen werden und wurden in EMR-Studien nicht selten alle Patienten mit Karzinomhistologie automatisch operiert, was eine Follow-up-Analyse erschwert. Zwei kleine Studien beschäftigen sich mit Operationspräparaten nach EMR von malignen Polypen: In einer Analyse von 143 Patienten über 17 Jahre (1990 – 2007) nach kompletter endoskopischer Abtragung (keine näheren Angaben) fanden sich 16 Karzinomreste, weitere Details werden nicht gegeben [997]. Eine kleine spanische Studie über 31 Patienten macht keine Angaben über endoskopische Vollständigkeit [998]. Die derzeitigen deutschen KRK-Leitlinien lassen eine EMR von malignen Polypen prinzipiell zu („Eine Entfernung in Piecemeal-Technik erscheint ausreichend“). Hierbei erfolgt die Beurteilung der R-Situation zur Seite endoskopisch-makroskopisch, die Beurteilung zur Tiefe histologisch (basal R0).) (http://www.dgvs.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/); das Update dieser Leitlinien für 2016 wird sich mit diesem Thema nochmals explizit beschäftigen.
Die ESD-Studien auch aus Japan und Korea zeigen eine En-bloc- und R0-Rate (dies ist ja das eigentliche Ziel der Methode) von 76 – 92 % ([Tab. 39]), teilweise werden noch zusätzliche Techniken wie die Schlingenabtragung verwendet [989]
[990]. Separate Resultate für Karzinome (submukosal) gibt es kaum, und wenn, dann zeigt sich hier doch eine hohe Operationsrate [987]
[988]. Die Komplikationsrate ist insgesamt deutlich höher als bei der EMR, die Rezidivrate aber sehr niedrig. Diese Relationen sind in den westlichen meist retrospektiven Studien noch deutlich ins Negative verschoben, mit niedrigeren kurativen Resektionsraten bei höheren Komplikationsraten ([Tab. 39]). Bei den Karzinomen, die in westlichen Studien meist separat analysiert werden, erfolgt bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten allerdings doch eine sekundär Operation. Die Technik erscheint -– abgesehen von der fraglichen Indikation bei Adenomen – für einen breiteren Einsatz im westlichen Kolon (noch ?) nicht geeignet.
Vergleichende
retrospektive und daher nicht randomisierte
Studien der ESD mit der EMR
gibt es nur aus Fernost. Diese sind ebenfalls in [Tab. 39] dargestellt [881]
[888]
[999]
[1000]
[1001]
[1002]
[1003] und zeigen ein ähnliches Bild wie oben beschrieben. Keine dieser Studien macht spezifische Detailangaben zu Resultaten bei (insbesondere submukosalen) Karzinomen, u. a. deswegen, da sich diese Patienten meist in den ESD-Gruppen befinden.
Empfehlung
Die Vollständigkeit der Abtragung soll endoskopisch kontrolliert werden. Diesbezüglich richten sich die Nachsorgeintervalle nach den Empfehlungen der Leitlinie Kolorektales Karzinom der DGVS.
Bei Piecemeal-Abtragung sollen im Rahmen der ersten endoskopischen Nachsorge auch Biopsien aus makroskopisch unauffälligen Narbenarealen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Empfehlung der Biopsie auch aus unauffälliger Narbe resultiert aus einer kürzlich publizierten deutschen bizentrischen Studie aus zwei erfahrenen Zentren, bei der bioptisch in 7 % Adenomgewebe aus unauffälligen Narbe zu gewinnen war [886]. Rezidive gibt es allerdings auch bei normaler Narbe und negativer Biopsie in knapp 3 % [1004]. Möglicherweise hilft hier eine erweiterte endoskopische Bildgebung [1005]
[1006]
[1007].
Blutungsprophylaxe nach endoskopischer Resektion siehe Kapitel 4.4.3.4
4.5.4 Spezifische Qualitätsindikatoren ([Tab. 40])
Tab. 40
Vorschlag Qualitätsindikatoren Koloskopie.
Qualitätsindikatoren Koloskopie
|
präprozedural
|
siehe allgemeine Qualitätsindikatoren Endoskopie
|
intraprozedural
|
Frequenz der Dokumentationsrate der Vorbereitungsqualität (vereinfachter Boston-Score)
|
Zoeumintubationsrate (Dokumentation Appendixabgang/Zoekumboden und Ileozoekalklappe)
|
Frequenz der Dokumentation der Rückzugszeit (im Rahmen der Zeiterfassung)
|
Adenomdetektionsrate (Rate von Patienten mit mind. einem Adenom) bei Vorsorge-Koloskopie oder adäquaten Indikationen
|
Frequenz der Dokumentation der Vollständigkeit bei Polypenabtragung (endoskopische Beurteilung)
|
postprozedural
|
Frequenz der Vollständigkeit der Einsendung von Präparaten zur histologischen Untersuchung nach Polypektomie oder ggf. Biopsie von nicht abtragbaren Polypen
|
sonst siehe allgemeine Qualitätsindikatoren Endoskopie (v. a. Nachsorgeempfehlungen adaptiert an histologische Befunde)
|
Kap 4.6 Endoskopische Resektion
Einleitung
Endoskopische Resektionstechniken umfassen neben der Zangenresektion, die traditionelle Schlingenresektion, die EMR, ESD und die endoskopische Vollwandresektion. Die endoskopische Mukosaresektion (EMR) stellt eine Weiterentwicklung der Schlingenresektion/Polypektomie dar und wird immer dann eingesetzt, wenn die zu resezierende Läsion ihren größten Durchmesser an der Basis aufweist. Die Übergänge und die Verfahrenswahl sind hier fließend und werden durch die makroskopische Wuchsform der Läsion und deren Lokalisation bestimmt. Da jedoch die Ausführung technisch anspruchsvoller und invasiver ist, ist es sinnvoll, eine begriffliche Abgrenzung zur traditionellen Polypektomie vorzunehmen. In der Internationalen Klassifikation operativer Prozeduren (OPS) ist dies auch bereits geschehen.
Während die viszeralchirurgischen Kollegen immer weniger invasiv vorgehen (Laparoskopie, Single-Port, Hybrid-NOTES), werden auf der anderen (endoluminalen) Seite immer invasivere Resektionsverfahren angewandt (Vollwandresektion, submukosale Tunnelung, NOTES).
Diese Empfehlungen behandeln die fortgeschrittenen Techniken der Endoskopischen Resektion (ER). Lokalisationbezogen werden die Daten zum oberen Gastrointestinaltakt dargestellt, die Resektionen im Kolon werden im Kapitel Koloskopie (Kap 4.5) abgehandelt.
Bezgl. der Indikationsstellung zur endoskopischen Resektion von neoplastischen GI-Läsionen wird auf die Kriterien der aktuellen AWMF-Leitlinien verwiesen (Ösophaguskarzinom, Magenkarzinom, kolorektales Karzinom, etc.) Die wesentlichen Kriterien werden im Folgenden kurz dargestellt.
Barrett-Neoplasie
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms (L0, V0, keine Siegelringzellen, keine Ulzerationen, Grading G1 / G2, Infiltrationstiefe ≤ m3) ist die endoskopische Resektion das Verfahren der 1. Wahl, hier spricht die LL einen „soll“ Empfehlungsgrad aus (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Bei Patienten mit oberflächlicher Submukosainfiltration eines Adenokarzinoms und ohne Risikokriterien (pT1sm1; < 500 µm Tiefeninvasion, L0, V0, G1/2, < 20 mm, keine Ulzeration) wird die endoskopische Resektion als ausreichende Alternative zur Operation mit einer „kann“ Empfehlung empfohlen.
In der weiteren Behandlung nach erfolgreicher Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus soll die nicht neoplastische Barrett-Mukosa thermisch abladiert werden, um die Rate an metachronen Neoplasien zu senken.
Plattenephitelneoplasieösophagus
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms (L0, V0, keine Ulzerationen, Grading G1 / G2, Infiltrationstiefe m1 / m2) im Plattenepithel wird in der LL eine endoskopische En-bloc-Resektion mit einem „sollte“ Empfehlungsgrad ausgesprochen. Dies dient neben der angestrebten R0-Resektion auch dem Staging der Läsion. ( www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Mukosales Magenkarzinom
Oberflächliche Magenkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt sind (T1aN0M0), können unter Berücksichtigung folgender Guideline Criteria mit einer endoskopischen Resektion behandelt werden (basierend auf der Japanischen Klassifikation der Magenkarzinome): Läsionen von < 2 cm Größe in erhabenen Typen, Läsionen von < 1 cm Größe in flachen Typen, histologischer Differenzierungsgrad: gut oder mäßig (low grade bzw. G1 / G2), keine makroskopische Ulzeration, Invasion begrenzt auf die Mukosa, keine restliche invasive Erkrankung nach ER. Die LL-Magenkarzinom empfiehlt die endoskopische Resektion von Magenfrühkarzinomen als komplette En-bloc-Resektion mit einem „soll“ Empfehlungsgrad, auch zur vollständigen histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder. (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html)
Die sogenannten Expanded Criteria sollen derzeit nur i. R. von Studien zum Einsatz kommen. Gotoda zeigte an über 5000 Magenfrühkarzinomen, dass unter Berücksichtigung der Expanded Criteria mit 95 % CI keine LK-Metastasen auftraten. Studien zur ESD bei Patienten, die die „Guideline Criteria“ bzw. die „Expanded Criteria“ erfüllten zeigten keinen Unterschied im Überleben [1008]
[1009]. Dennoch lag die En-bloc-Resektionsrate in der „Guidelinegruppe“ höher und das Perforationsrisiko war niedriger als in der „Expanded-Criteria-Gruppe“ [1008]
[1009]
[1010].
Kolonneoplasie
Meist erfolgt die Diagnose eines frühen Kolonkarzinoms erst histologisch nach der endoskopischen Resektion. Nach der AWMF LL-KRK soll auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn nach Entfernung eines Polypen histologisch ein pT1-Karzinom mit Low-risk-Situation (G1, G2, keine Lymphgefäßeinbrüche [L0]) und eine histologisch karzinomfreier Polypenbasis (R0) vorliegt. Bei einer High-risk-pT1-Situation (G3, L1) soll hingegen eine onkologische Nachresektion erfolgen. Bei inkompletter Abtragung eines Low-risk-pT1-Karzinomes soll eine komplette endoskopische oder lokale chirurgische Entfernung erfolgen. Hier ist das Ausmaß der SM-Infiltration entscheidend, wobei sm1, sm2 bzw. Submukosainvasion ≤ 1000 μm mit 0 – 6 % ein geringes Risiko für LK-Metastasen aufweisen. Im Kommentartext der AWMF LL-KRK erscheint die En-bloc-Resektion von Low-risk-Kolonneoplasien „erstrebenswert“, die Piecemeal-Resektion ausreichend. Die R0-Beurteilung der lateralen Ränder erfolgt endoskopisch, in die Tiefe histologisch. (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/).
4.6.1 Spezielle Vorbereitung
4.6.1.1 Endoskopische Beurteilung vor endoskopischer Resektion
Empfehlung
Vor endoskopischer Resektion soll die Läsion in hochauflösender Videoendoskopietechnologie hinsichtlich Ausdehnung, Oberflächenmuster und Vaskularisierung beurteilt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Additiv kann die Beurteilung durch Chromoendoskopie bzw. virtuelle Chromoendoskopie ergänzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine Klassifikation des mukosalen Musters (Pit-Pattern) und der Mikroarchitektur der mukosalen und submukosalen Gefäße („vessel-pattern“) sowie eine Beurteilung nach der Paris-Klassifikation kann sinnvoll sein.
Starker Konsens
Empfehlung
Das Plattenephitelkarzinom des Ösophagus soll in seiner Ausdehnung vor endoskopischer Resektion mittels 1 – 3 %iger Kalium-Jodid-Lösung (Lugollösung) beurteilt werden.
Konsens
Empfehlung:
Ein Endoskopischer Ultraschall (EUS) soll zum Ausschluss eines fortgeschrittenen T-Stadiums und zur Detektion von Lymphknoten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Hochauflösende Videoendoskopie, Magnifikationsendoskopie, Chromoendoskopie
Die Beurteilung von oberflächlichen gastrointestinalen Läsionen dient der Einschätzung des Malignitätsrisikos, der Invasionstiefe und damit der endoskopischen Resektabilität und umfasst die laterale Ausdehnung, das Wachstumsmuster und die Vaskularisation.
Die Beurteilung des mukosalen Musters sowie der Mikroarchitektur der mukosalen und submukosalen Gefäße („vessel-pattern“) von GI-Läsionen unter hochauflösender Videoendoskopie, Magnifikationsendoskopie und Chromoendoskopie kann eine genauere Klassifizierung der lateralen und Tiefeninvasion ermöglichen.
Zur Endozytoskopie und weiteren neuen endoskopischen Verfahren (z. B. konfokale Lasermikroskopie, optische Kohärenztomografie) ist die Evidenz zur Beurteilung von malignen Befunden vor Resektion limitiert, hier sind zur Einschätzung der klinischen Bedeutung weitere kontrollierte Daten erforderlich.
Im Folgenden soll im wesentlichen nicht auf Daten zur Detektion von neoplastischen GI-Läsionen eingegangen werden. Zur Beurteilung der Dignität, Ausdehnung und Invasionstiefe einer Läsion vor endoskopischer Resektion mit oder ohne Chromoendoskopie mittels Pit-Pattern, Vessel-Pattern varriert die Evidenzlage je nach Lokalisation der Läsion.
Für das Plattenephitelkarzinom des Ösophagus und die Magnifikationsendoskopie mit NBI konnte eine spezifische Veränderung des mukosalen Gefäßmusters in Beziehung zur Mukosa- und Submukosainfitration bereits 2004 gezeigt werden [1011]. Zur Prädiktion der Infiltrationstiefe vor endoskopischer Resektion bzw. Ösophagektomie verglich eine nicht randomisierte Studie die Weißlicht-Standardendoskopie, NBI und den endoskopischen Ultraschall bei 101 Läsionen. Hier resultierte kein signifikanter Unterschied in der Sensitivität und Spezifität der Verfahren [1012]. Eine aktuelle retrospektive Studie an 51 Patienten zum Vergleich der Invasionstiefe vor Resektion mittels Magnifikations-NBI und Endoultraschall belegte ebenfalls die Gleichwertigkeit beider Verfahren in der Unterscheidung von mukosaler und submukosaler Infiltration (diagnostische Genauigkeit ME-NBI 76,1 % und EUS 84,8 %, ns). NBI führte zu einer Überschätzung der Infiltrationstiefe in 13 % und zu einer Unterschätzung in 10,9 % der Fälle. Diagnostizierten beide Verfahren eine mukosale Infiltration bestätigte sich dies in der Histopathologie bei 94 % der Fälle [1013]. Daten zur Genauigkeit der Beurteilung der lateralen Ausdehnung vor Resektion fehlen.
Neuere vergleichende Studien zur Detektion des SCC mittels WL, NBI und Lugolfärbung zeigten für beide Verfahren einen klaren Vorteil gegenüber der Weißlicht-Endoskopie ohne Unterschied zwischen NBI und Lugolfärbung [1014]
[1015]
[1016]
[1017]. Die DGVS Leitlinie Ösophaguskarzinom empfiehlt die Chromoendoskopie mit Lugolfärbung zur Detektion bei High-risk-Patienten mit einer „Kann“ Empfehlung (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/). In der Abgrenzung der Tumorausdehnung wird die konventionelle Chromoendoskopie mit Lugolfärbung in einem asiatischen Konsensus zwar weiterhin als das überlegene diagnostische Verfahren gewertet [1018]. In Anbetracht der vorliegenden Daten ist eine gleichwertige Genauigkeit für die virtuelle Chromoendoskopie (NBI) anzunehmen.
Für die Barrett-Metaplasie liegen überwiegend vergleichende Studien zur Detektion und Beurteilung von neoplastischer Barrett-Mukosa vor [1019]
[1020]
[1021].
Wir verweisen dazu auf das Kapitel 4.1.2.2, Diagnostische ÖGD, Gerätetechnik.
Zur Abgrenzung einer Barrett-Neoplasie vor und bei endoskopischer Abtragung können fortgeschrittene endoskopische Darstellungstechnologien hilfreich sein – vergleichende Studien fehlen aber. In einer Fallserie an 16 Patienten wurde die Barrett-Mukosa vor EMR mittels HD-Endoskopie und Autofluoreszenz nach suspekten Läsionen beurteilt, diese mittels Magnifikation und NBI dargestellt und vor EMR markiert. Die Gesamt EMR war hier dennoch in nur 81.2 % der Patienten vollständig [1022].
Für das Magenkarzinom wird die Beurteilung der mukosalen- und der Gefäßarchitektur mittels hochauflösender Vidoeendoskopie und Chromoendoskopie empfohlen [1023]. Zur Beurteilung vor endoskopischer Resektion liegen nur wenige Daten vor. Eine prospektive multizentrische Studie verglich die Größenbeurteilung vor endoskopischer Resektion von Magenadenomen und Karzinomen mittels Weißlicht-Endoskopie und Autofluoreszenz Imaging (AFI) mit der Pathologie. Die Läsionsgröße wurde mit Weißlicht-Endoskopie in 31,4 % und mit AFI in 22,1 % der Fälle unterschätzt (p = ns), wobei die mittlere geschätzte Läsionsgröße unter AFI über der tatsächlichen pathologisch vermessenden Größe lag [1024]. Eine weitere Arbeit untersuchte 151 Läsionen mit nachgewiesenem Magenfrühkarzinom vor ESD mit WLE und Chromoendoskopie mit Essigsäure hinsichtlich der horizontalen Ausdehnung. Verglichen zur Weißlicht-Endoskopie detektierte die Essigsäurechromoendoskopie die horzizontalen Ränder in einem höheren Prozentsatz bei differenzierten Adenokarzinomen (74/108 (68,5 %) vs. 97/108 (89,8 %), p < 0,001). Bei undifferenzierten Karzinomen unterschied sich die Genauigkeit der horizontale Detektion der Randzone nicht (27/43 (62,8 %) vs. 30/43 (70,0 %), p = 0,494). Eine aktuelle Arbeit untersuchte die diagnostische Wertigkeit der Magnifikationsendoskopie mit NBI bei unklarer lateraler Ausdehnung der Läsion nach Chromoendoskopie vor ESD. Eine unscharfe Abgrenzung der lateralen Ränder nach Initialdiagnostik lag in 18,9 % der Fälle vor, hier gelang die korrekte Abgrenzung in 73 %, auch hier in keinem Fall mit undifferenzierter Histologie [1025]. Die Anwendung von virtueller Chromoendoskopie mit anderen Systemen wurde kasuistisch vor Resektion beschrieben [1026] Die Arbeitsgruppe von Yao et al. empfiehlt ein diagnostisches Stufenschema zur Einschätzung der lateralen Ausdehnung eines mukosalen Magenkarzinoms mit endoskopischer Bildgebung in Abhängigkeit von der Histologie, wobei bei undifferenzierter Histologie die laterale Abgrenzung mittels Biopsie gesichert werden sollte [1023].
Zur endoskopischen Dignitätsbeurteilung von kolorektalen Läsionen siehe Kap. 4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von Kolonneoplasien.
Klassifikation nach der endoskopischen Wachstumsform gemäß der Paris-Japan-Klassifikation
Die Paris-Japan-Klassifikation [1027] klassifiziert die oberflächlichen GI-Läsionen (Superficial Typ 0) nach der endoskopischen Wachstumsform in Typ Ip (polypoid gestielt), 0-Is (polypoid sessil), Typ II (nicht polypoid) mit den Unterformen a (slightly elevated), b (flat), c (slightly depressed) und Typ III (ulzeriert) mit Mischformen. Dies dient der Einschätzung für eine mögliche Submukosa (SM) – Infiltration und der endoskopischen Resektabilität. Die Korrelation der Paris-Japan-Klassifikation mit der Tumorinfiltration ist abhängig von der Art und Lokalisation der Läsion. Im Kolon werden zusätzlich flach erhabene Läsionen mit oberflächlichem Wachstum über 10 mm als lateral spreading tumor vom Granular-type (IIa, IIa+Is) oder Non-granular-type (IIa, IIa–IIc) klassifiziert [1028]
[1029].
Für die Neoplasie im Plattenephitel des Ösophagus beschrieb eine große japanische Serie [1030] das höchste Risiko für eine SM-Infiltration für Läsionen vom Typ 0–I und 0–III, das niedrigste Risiko für Typ 0–IIb. Das Risiko für LK-Metastasen lag hier bei 2 % (m1, m2), 19 % (m3 +sm1) und 44 % (sm2 + sm3).
Für die Barrett-Neoplasie untersuchte eine Serie von 344 Patienten [1031] die Korrelation der Paris-Japan-Klassifikation und der SM-Infiltration. Eine SM-Infiltration war bei Typ IIa in 14 %, II b in nur 4 %, Typ II c in 25 % und Typ II a+c in 18 % nachweisbar. Die kleine Fallzahl für Typ III Läsionen ließ keine valide Aussage zu. Insgesamt erscheinen die Typ IIb-Läsionen prognostisch günstiger hinsichtlich T-Stadium und Differenzierung.
Für die Neoplasie des Magens liegen die meisten Arbeiten aus Japan vor. Als häufigster makroskopischer Wachstumstyp wurde der Typ II c mit 78 % gefolgt von Typ IIa mit 17 % [1032] beschrieben, mit dem höchsten Risiko für eine SM-Infiltration bei Typ 0–I und 0–IIc. Eine aktuelle koreanische Arbeit [1033], zeigte eine ähnliche Verteilung mit 16,6 % für Typ I + IIa, 28,6 % für Typ IIb, and 54,8 % für Typ IIc. Erhabene Wachstumsmuster Typ I+IIa wiesen einen höheren Anteil für eine SM-Infiltration, Lymphangioinvasion und LK-Filiae auf.
Zur endoskopischen Dignistätsbeurteilung von Kolonneoplasien siehe Kapitel 4.5.3.4 Biopsieverhalten und endoskopische Differenzialdiagnose von Kolonneoplasien.
EUS-Staging vor endoskopischer Resektion
Der endoskopische Ultraschall ermöglicht mit einer hohen Ortsauflösung eine Beurteilung der lokalen Wandfiltration (T-Stadium) und der lokoregionären Lymphknoten (N-Stadium). Die endosonografische Beurteilung vor endoskopischer Resektion dient hauptsächlich dem Ausschluss eines lokal fortgeschrittenen Tumors sowie der Diagnostik und Einschätzung lokal vorliegender Lymphknoten. Ein EUS-Staging sollte bei Ösophagus-, Magen, und Rektumkarzinomen erfolgen. Eine genaue Beurteilung der lokalen Infiltration zwischen Mukosa und Submukosa (T1a versus T1b) gelingt je nach Tumorlokalisation mit guter bis mäßiger diagnostischer Genauigkeit [1034]
[1035]
[1036] hier sind ggf. Minisonden hilfreich [1038]
[1039]. Die diagnostische Genauigkeit im Staging des N-Stadiums variiert je nach Tumorlokalisation, so liegt diese für das Staging von Ösophaguskarzinomen höher als bei Magenkarzinomen. Zusätzlich kann die EUS-Feinnadelpunktion der Lymphknoten die Detektionsrate verbessern, dies wurde für das Ösophaguskarzinom in einer Metaanalyse nachgewiesen [1040].
Limitationen sind die Untersucherabhängigkeit und ein Overstaging des T-Stadiums insbesondere von T2 in der Abgrenzung zu T3 (Subserosa versus Serosainfiltration) durch lokale inflamatorische bzw. ödematöse Gewebereaktionen auf den Tumor. Dies ist in der Literatur relativ unabhängig von der jeweiligen Tumorlokalisation nachweisbar. [Tab. 41], [42], [43] zeigt die aktuellen Daten zur diagnostischen Genauigkeit der Methode im Staging von Ösophagus-, Magen- und Rektumkarzinom auf der Basis von Metaanalysen.
Tab. 41
EUS-Staging Ösophaguskarzinom: diagnostische Genauigkeit.
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T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
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Puli S.
WJG 2008
[1040]
|
Metaanalyse
49 Studien (n = 2558)
|
T1: 81,6 % (77,8 – 84,9)/99,4 % (99,0 – 99,7)
T2: 81,4 (77,5 – 84,8)/96,3 (95,4 – 97,1)
T3: 91,4 (89,5 – 93,0)/94,4 (93,1 – 95,5)
T4: 92,4 % (89,2 – 95,0)/97,4 % (96,6 – 98,0)
|
EUS:
84,7 (82,9 – 86,4)/84,6 (83,2 – 85,9)
+ FNA:
96,7 (92,4 – 98,9)/95,5 (91,0 – 98,2)
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Van Vlieth E. Br J Cancer 2008
[1041]
|
Metaanalyse
31 Studien (n = 1841)
5 Studien zu coeliakalen LK
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–
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regionale LK
0,80 (0,75 – 0,84)/0,70 (0,65 – 0,75)
Coeliacale LK
0,85 (0,72 – 0,99)/0,96 (0,92 – 1,00)
|
Thossani N. GI End 2012
[1034]
|
Metaanalyse
T1a vs. T1b
19 Studien (n = 1019)
|
T1a 0,85 (0,82 – 0,88)/0,87 (0,84 – 0,90)
AUC 0,93
T1b 0,86 (0,82 – 0,89)/0,86 (0,83 – 0,89)
AUC 0,93
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–
|
Tab. 42
EUS-Staging Magenkarzinom: diagnostische Genauigkeit.
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|
T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
|
Puli S.
WJG 2008
[1036]
|
Metaanalyse
22 Studien (n = 1896)
|
T1: 88,1 % (84,5 – 91,1) 100,0 % (99,7 – 00,0)
T2: 82,3 % (78,2 – 86,0) 95,6 % (94,4 – 96,6)
T3: 89,7 % (87,1 – 92,0) 94,7 % (93,3 – 95,9)
T4: 99,2 % (97,1 – 99,9) 96,7 % (95,7 – 97,6)
|
N1: 58,2 % (53,5 – 62,8) 87,2 % (84,4 – 89,7)
N2: 64,9 % (60,8 – 68,8) 92,4 % (89,9 – 94,4)
|
Mocellin S.
GI End 2011
[1035]
|
Metaanalyse
54 Studien (n = 1841)
|
T1: 0,83 (0,77 – 0,88)/0,96 (0,93 – 0,97)
T2: 0,65 (0,57 – 0,72)/0,91 (0,88 – 0,92)
T3: 0,86 (0,83 – 0,89)/0,85 (0,80 – 0,89)
T4: 0,66 (0,52 – 0,77)/0,98 (0,97 – 0,98)
T1m: 0,83 (0,76 – 0,89)/0,79 (0,65 – 0,88)
T1/2 vs. T3/4: 0,86 (0,81 – 0,90)/0,91 (0,89 – 0,93),
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regionale LK: 0,69 (0,63 – 0,74)/0,84 (0,81 – 0,88)
|
Cardoso R. Gastric Cancer 2012
[1042]
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Metaanalyse
22 Studien (n = 2445)
|
T1: diagn. Genauigkeit 77 % (70 – 84 %)
T2: diagn. Genauigkeit 65 % (57 – 73 %)
T3: diagn. Genauigkeit 85 % (82 – 88 %)
T4: diagn. Genauigkeit 79 %(68 – 90 %)
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74 % (66 – 81 %)/80 % (74 – 87 %)
diagn. Genauigkeit: 64 % (43 – 84 %)
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Tab. 43
EUS-Staging Rektumkarzinom/Kolonneoplasie.
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T-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
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N-Staging
(Sensitivität, Spezifität [95 % CI])
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Puli SR.
Ann Surg Oncol 2009
[1043]
|
Metaanalyse
42 Studien (n = 5039)
|
T1: 87,8 % (85,3 – 90,0 %)/98,3 % (97,8 – 98,7 %)
T2: 80,5 % (77,9 – 82,9 %)/95,6 % (94,9 – 96,3 %),
T3: 96,4 % (95,4 – 97,2 %)/90,6 % (89,5 – 91,7 %),
T4: 95,4 % (92,4 – 97,5 %)/98,3 % (97,8 – 98,7 %)
|
–
|
Puli SR.
Ann Surg Oncol 2009
[1044]
|
Metaanalyse
35 Studien (n = 2732)
|
–
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73,2 % (70,6 – 75,6)/75,8 % (73,5 – 78,0)
|
Puli SR.
Dig Dis Sci 2010 [1036]
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Metaanalyse
11 Studien (n = 1791)
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T1 (Mukosa):
97,3 % (93,7 – 99,1)/96,3 % (95,3 – 97,2)
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74 % (66 – 81 %)/80 % (74 – 87 %)
diagn. Genauigkeit: 64 % (43 – 84 %)
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Gall TM.
Kolorectal Dis 2014
[1039]
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Metaanalyse
10 Studien (n = 642)
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Minisonden-Staging von Rektum und Kolonneoplasien
T1: 0,91/0,98
T2: 0,78/0,94
T3 / T4: 0,97/0,90
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0,63/0,82
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4.6.2 Durchführung
4.6.2.1 Allgemeines
Empfehlung
Interventionelle endoskopische Resektionen sollen in Sedierung durchgeführt werden. Je nach Invasivität und Zeitumfang kann die Durchführung in Intubationsnarkose erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Sedierung/Kurznarkose müssen die Anforderungen der gültigen S3-Leitlinie Sedierung in der Endoskopie berücksichtigt werden. Hier ist bei interventionellen Maßnahmen und/oder entsprechender ASA-Klassifikation ein zweiter, intensiverfahrener Arzt zur Sedierung erforderlich. Daten zum Vergleich von endoskopischen Resektionen in Sedierung und Intubationsnarkose liegen nicht vor. Eine Intubationsnarkose kann bei komplexen Eingriffen und oder schwieriger Lokalisation (z. B. Ösophaguseingriffe) sinnvoll sein. und
Lagerung während der endoskopischen Resektion
Empfehlung
Endoskopische Resektionsverfahren (ER/ESD) sollten bei nicht intubierten Patienten in der Regel in Linksseitenlage ausgeführt werden. Je nach Lokalisation und Konfiguration der Läsion kann aus Gravitätsgründen eine Umlagerung des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Studienlage zu dieser Frage ist begrenzt. Es sollte eine individuelle angepasste Lagerung angestrebt werden, die ein ergonomisch günstiges Arbeiten unter Ausnutzung der Schwerkraft/Gravität zur Vereinfachung der Resektion ermöglicht. Bei Durchführung der Untersuchung in Intubationsnarkose ist die Rückenlage übliche Praxis, wobei eine Umlagerung in Bauch- oder Linksseitenlage hilfreich sein kann [1045]
[1046].
4.6.2.2 Gerätetechnik
CO2-Insufflation
Empfehlung
Zur EMR und ESD sollte CO2 anstelle von Raumluft eingesetzt werden. Bei der endoskopischen peroralen Myotomie (POEM) und bei submukosalen Resektionen und Tunnelungstechniken soll CO2 verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Verwendung von CO2 kann in der Endoskopie postinterventionelle Schmerzen und die abdominelle distensionreduzieren. Eine Metaanalyse zur Verwendung von C02 in der GI-Endoskopie schloss 21 RCT´s, davon 13 zur Koloskopie, ein und resultierte in einer signifikanten Verminderung der abdominellen Distension und der abdominellen Schmerzen 1 Std. post-EMR. Die Rate an Perforationen, Blutungen und Zeitbedarf war nicht unterschiedlich [1047]
. Eine aktuelle Fallkontrollstudie [1048] zur EMR von großflächigen Kolonandenomen analysierte 575 Läsionen ≥ 20 mm, davon 228 unter CO2 bzgl. der Rate an postinterventionellen Schmerzen und stationären Wiederaufnahmen. Die postinterventionelle Schmerzinzidenz (1,0 vs. 5,7 % (p = 0,006) und die Rate an Rehospitalisierungen (Rehospitalisierung 3,4 vs. 8,9 % (p = 0,01) wurden unter CO2 signifikant reduziert, allerdings ohne Einfluss auf die Komplikationsrate. Eine weitere kleinere Fallkontrollstudie zur ESD von kolorektalen Läsionen unter CO2 zeigte ähnliche Ergebnisse [1049]. Ein randomisierte kontrollierte Studie zur ESD von Ösophagusläsionen unter CO2 vs. Luftinsufflation (18 Läsionen vs. 39 Läsionen) [1050]
ergab keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Untersuchungsdauer, dem Anstieg der der Körpertemperatur und Leukozyten am Tag 1 nach Intervention und der Krankenhausverweildauer. Die CO2-Gruppe benötigte allerdings signifikant weniger Midazolam während des Eingriffs (4 mg vs. 6 mg, p = 0,0017). Auch für die submukosale Resektion von GIST-Tumoren ist ein Vorteil für die Verwendung von CO2 hinsichtlich der postinterventionellen Schmerzen belegt [1051]. Im Rahmen von Ösophagus-ESD, POEM und den submukosalen Resektionen und Tunnelierungen ist der Gebrauch von CO2 zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen (Pneumothorax, Embolie, Mediastinitis) empfohlen [1052]
[1053].
Endoskope
Empfehlung
Zur Durchführung einer endoskopischen Resektion sollen Standardendoskope eingesetzt werden. Spezialendoskope mit Elevationseinrichtungen am Arbeitskanal und neue endoskopische Plattformen befinden sich in der Erprobung und sollten innerhalb von Studien eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Aktuelle Standardendoskope verfügen neben einem ausreichen großen Arbeitskanal von 2,8 – 3,7 mm meist auch über einen gesonderten Jetkanal zum Anschluss einer Spüleinheit. Therapeutische Endoskope mit 2 Arbeitskanälen sind andererseits weniger flexibel und besitzen eine eingeschränkte Manövrierbarkeit. Humane Studien zum Vergleich verschiedener Endoskoptypen und neuer Technologien liegen nicht vor. Die Erfahrungen basieren auf kleinen präliminären Fallserien. Das R-Scope mit 2 Albarran-Vorrichtungen an den Arbeitskanälen konnte zumindest im Tierversuch beim Vergleich mit einem traditionellen Doppelkanalendoskop nur hinsichtlich spezieller anatomischer Lokalisationen Vorteile zeigen, bezogen auf En-bloc-Resektionsrate, Komplikationen, Größe des Resektats und Handling zeigten sich keine Unterschiede [1054]
[1055]. Eine Alternative ist das zusätzliche Einführen eines transnasalen Endoskops, dies erfordert jedoch eine hohe persönliche Expertise des Untersuchers und war in einer kleinen humanen Fallserie nur hinsichtlich der postinterventionellen Blutungsrate von Vorteil. In der Regel sollten aus der klinischen Routine gut bekannte Endoskope zum Einsatz kommen.
HF-Chirurgie
Empfehlungen:
Zur Durchführung einer endoskopischen Resektion sollen Mikroprozessor-HF-Generatoren mit automatisierter Schneide- und Koagulationsfunktion verwendet werden.
Starker Konsens
Die elektrochirurgische Einstellung soll in Abhängigkeit von der von der Art des Eingriffs, der Expertise des Untersuchers und den Herstellerangaben zum verwendeten Instrumentarium gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Elektrochirurgische Hochfrequenz (HF)-Einheiten erzeugen thermische Energie, hier kann ein Hochfrequenzschnitt und eine Hochfrequenzkoagulation erzeugt werden. Unterschieden werden kontinuierliche Schneidemodi von modulierten Schneidemodi (Mischstrom), bei denen die Dauer des Schneidestroms, die Dauer des Schnittintervalls und die Höhe des Koagulationseffektes einstellbar ist sowie reine Koagulationsmodi [1056]. Einflussfaktoren sind einerseits die Einstellungen am HF-Gerät (Spannung, Modulation und Leistung), die Gewebeeigenschaften als auch die Kontaktfläche zwischen Elektrode und Gewebe. Hier beeinflusst auch das verwendete elektrochirurgische Instrumentarium. So sind z. B. die thermischen Effekte an den Resektionsrändern bei monofilen Schlingen wegen der geringeren Kontaktfläche geringer als bei polyfilen Schlingen [1056].
Die meisten Studien zur Einstellung von HF-Generatoren in der Endoskopie liegen für die Polypektomie vor. Hier wird z. T. die Verwendung von Mischstrom oder Koagulationsstrom anstelle von reinem Schneidestrom zu Koagulationsszwecken empfohlen (www.esge.com/esge-guidelines.html). Reiner Schneidestrom war in einer großen Serie von über 9000 Polypektomien mit einem erhöhten Risiko für eine intraprozedurale Postpolypektomieblutung (OR 6,95) verbunden [1057]. Eine weitere retrospektive Multicenterstudie an 4735 Polypektomien konnte keinen Unterschied zwischen der Verwendung von reinem Schneidestrom, Misch- oder Koagulationsstrom in der Blutungsrate (1,1 % aller Polypektomien) feststellen [1058]. Eine retrospektive Serie detektierte intraprozedurale Postpolypektomieblutungen bei der Verwendung von Mischstrom (n = 6) und postprozedurale späte Blutungen bei der Verwendung von Koagulationstrom (n = 8) [1059].
Für die komplexeren Abtragungstechniken wie EMR (Injekt and Cut Technik, Suck and Cut Technik, CSI-EMR) und ESD liegen keine vergleichenden Studien zu verschiedenen HF-Einstellungen vor. Die Einstellung für die EMR orientieren sich an der Polypektomie, hier wird meist Mischstrom verwendet. Die Auswahl der Effekte (fast reiner Schneidestrom bis zu überwiegend Koagulationsstrom) richtet sich nach der Lokalisation und Größe der Läsion. In der Regel wird ein Mischstrom Effekt 2 oder 3 verwendet. Der überwiegende Schneidestrom (Effekt 1) wird zur Abtragung bei dünnwandiger Lokalisation (Coecum, Duodenum) und der überwiegende Koagulationsstrom (Effekt 4) bei stark vaskularisierten Läsionen z. B. im Rektum verwandt [1060].
Für die ESD richtet sich die Einstellung des HF-Gerätes nach der Lokalisation der Läsion und nach den Herstellerangaben für das verwendete Intrumentarium zur Markierung, mukosaler Inzision, Dissektion und Hämostase [1061].
Injektionslösungen
Empfehlung
Zur submukosalen Injektion bei ER soll NaCl 0,.9 % Standard sein, ein Zusatz von Adrenalin kann erfolgen. Alternativ können hochvisköse Injektionslösungen inbesondere zur EMR oder ESD angewandt werden, um eine zeitstabileres submuköses Kissen zu bilden. Ein Zusatz von Farbe zur besseren Visualisierung der Wandschichtung kann erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ideale Lösung für die submukosale Injektion bietet eine lang anhaltende Mukosaelevation, um eine endoskopische Mukosaresektion sicher zu ermöglichen. Entscheidender noch ist dieser Lifting-Effekt für die Ausführung der technisch komplexeren endoskopischen Submukosadissektion. Zusätzlich darf die Substanz nicht toxisch sein und keine lokalen Gewebeschäden verursachen. NaCl ist der Standard zur submukosalen Injektion, wird aber rasch vom umgebenden Gewebe resorbiert. Hypertone Injektionslösungen bieten eine stärkere and länger anhaltende Mukosaanhebung. Verschiedene Substanzen wurden in Studien im Vergleich zu NaCL getestet wie hypertone Kochsalzlösung, Dextrose, Hydroxypropylmethylcellullose, Gelatine-polysuccinat, Fibrinogenmischungen und Hyaluronsäure [1062]. Für eine Dextrose-Konzentration über 20 % wurde allerdings eine lokale Gewebetoxizität nachgewiesen, diese sollte in höheren Konzentrationen nicht verwendet werden [1063]. Fibrinogen Mischungen bergen als Serumprodukte ein infektiöses Restrisiko. Einige Arbeiten im Tierversuch berichten über eine lang anhaltende Mukosaelevation bei Verwendung von Hydroxypropylmethylcellullose [1064]
[1065] oder Gelatine-polysuccinat 4 % [1066]. Im Vergleich verschiedener Injektionslösungen zeigt Hyaluronsäure (HA) die deutlich längste Elevationsdauer [1067] Eine akutelle Metaanalyse [1068] von vier RCT (n = 585) zur Effektivität der submukosalen Injektion mit HA ergab keine signifikanten klinischen Vorteile für HA hinsichtlich der Rate an En-bloc- und R0-Resektion, Perforationen, Blutungen oder Schmerzen. HA war effektiver in der Erhaltung der Mukosaelevation. Hier sind die hohen Kosten des Produktes zu bedenken. Der Zusatz einer kleinen Farbstoffmenge (Indigokarmin, Methylenblau) kann eine bessere Unterscheidung der Wandschichten ermöglichen. Eine abschließende Empfehlung für die Verwendung einer bestimmten Injektionslösung ist auf der Basis der vorliegenden Daten nicht gegeben.
4.6.2.3 Endoskopische Resektionstechniken
Zu Endoskopische Zangenresektion und traditionelle Polypektomie mit der Schlinge (±submukosale Injektion) siehe Kapitel 4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien.
Endoskopische Mukosaresektion
Empfehlung
Zur EMR können verschiedene Techniken („inject and cut“, „suck-and-cut“, „band-ligation-EMR“, „zirkumferenzielle C-EMR“) zum Einsatz kommen.
Starker Konsens
Statement
Die Kappen unterstützte „Suck and cut“-Technik und die „Band Ligatur“-Technik sind anhand der Datenlage für die Barrett-Neoplasie gleichermaßen effektiv.
Starker Konsens
Kommentar
Die EMR mit der Inject and Cut-Technik
Die „Inject and cut“-Technik stellt eine Weiterentwicklung der endoskopischen Schlingenresektion dar. Die Läsion wird durch eine submukosale Injektion angehoben und anschließend mit einer HF-Schlinge abgetragen. Die „Inject und cut“-Technik wird überwiegend zur Resektion flacher benigner Kolonadenome [1069]
[1070]
[1071]
[1072]
[1073] sowie Duodenaladenome ausserhalb der Papille [1074]
[1075]
[1076] angewandet. Daten liegen auch für die „Inject and cut-Technik“ mit einem Doppelkanalendoskop bei Läsionen des Ösophagus vor [1077].
Bei Läsionen mit einer Größe > 20 mm ist eine En-bloc-Resektion nicht mehr sicher möglich, hier war in einer Serie von 140 Kolonläsionen die Rate von Piecemeal-Resektionen (OR: 13,7; 95 % CI: 3,8 – 49,6; p < 0,0001) und inkompletten Resektionen (OR: 7,3; 95 % CI: 1,6 – 34,2; p = 0,012) im Vergleich zu Läsionen unter 20 mm signifikant erhöht [1071].
EMR mit der „Suck-and-cut“-Technik
Die EMR in der „Suck-and-cut“-Technik ist eine endoskopische Resektion mit einer speziell geformten monofilen Schlinge und einer transparenten Kappe unterschiedlichen Durchmessers und Form, welche auf das Endoskop aufgesetzt wird. In diese wird die zu resezierende Läsion nach submukosaler Injektion eingesaugt, um einen „Pseudopolypen“ zu bilden, der dann mit der Schlinge umschlossen und reseziert werden kann. Die Kappen sind in unterschiedlichen Größen bis 18 mm und Formen (gerade oder schräg) verfügbar und werden in Abhängigkeit von Größe, Morphologie und Lokalisation der Läsion gewählt (Technology status evaluation report. EMR ESD GI End 2008). Mit dieser Technik können Läsionen bis zu einer Größe von 2 cm en-bloc entfernt werden, bei Läsionen > 2 cm Diameter kann eine Piecemeal-Resektion erfolgen.
Angewandt wird die Methode überwiegend zur Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus (en-bloc und piecemeal) (70, www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/) sowie kleineren Läsionen der Speiseröhre [1079]
[1080]
, Magen, Duodenum [1081] und Rektum [1082] die en-bloc entfernt werden können (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/)
Endoskopische Mukosaresektion (EMR) mit der „Bandligatur“-Technik
Bei der EMR in der „Band-ligation“-Technik wird ein Gummiband am Grund des eingesaugten neoplastischen Befundes platziert und unmittelbar danach ohne Unterspritzung unterhalb des Gummibandes mittels einer HF-Schlinge reseziert.
Für diese Technik wurden spezielle Bandligationsinstrumente (DuetteTM oder Euroligator) entwickelt. Die Bandligatur-Technik kommt hauptsächlich zur EMR von Neoplasien des Ösophagus zum Einsatz, hier liegen die meisten Daten zur Barrett-Neoplasie vor [1078]
[1083]
[1084]
[1085] und weniger zur EMR von Plattenephitelneoplasien [1080].
EMR: „Suck and cut“ versus „Banding ligatur“-Technik
Vergleichende Studien zwischen verschiedenen EMR-Verfahren sind nur für die Barrett-Neoplasie publiziert und hier nur zwischen der der "Suck-and-cut"- versus Multibandligatur-EMR (Duette) ohne Unterschied hinsichtlich Effektivität, Größe und Tiefenausdehnung des Resektats [1086]
[1087].
Ein randomisierter prospektiver Vergleich zwischen Bandligatur-EMR versus Kappen-EMR in Peacemeal-Technik bei 84 Patienten [1087] zeigte keine Unterschiede hinsichtlich Effektivität (Größe Resektate 18 × 13 vs. 20 × 15 mm) und Komplikationsrate (Perforationen), allerdings waren die EMR mit Bandligatur signifikant schneller (34 vs. 50 Min.) und kostengünstiger als die Kappen-EMR.
Endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler Umschneidung (CSI-EMR)
Die endoskopische Mukosaresektion mit vorheriger submukosaler Umschneidung (engl. circumferential submucosal incision prior to EMR- CSI-EMR) ist eine Variante der EMR mit dem Ziel, eine „En-bloc“-Resektionen auch bei großen (> 2 cm Durchmesser) Läsionen zu erhalten. Hierbei wird nach der Markierung und submukosalen Unterspritzung in Analogie zur ESD-Technik eine zirkumferenzielle Umschneidung der kompletten Mukosa um die Läsion herum vorgenommen. Anschließend wird eine HF-Schlinge entsprechender Größe in die Inzisionsfalte gelegt, die komplette Läsion gefasst, mit monopolarem Schneidestrom koaguliert und reseziert. Größere Datenserien liegen für den Magen [1088] und vor allem aus dem Kolon für non-polypoide Typ IIa–c-Läsionen bis zu einer maximalen Größe bis 50 mm vor. En-bloc-Resektionen wurden mit dieser Technik in 61 – 70 % der Läsionen beschrieben [1089]
[1090]
[1091]. Eine Arbeit verglich die CSI-EMR mit der traditionellen Piecemeal-EMR bei der Resektion von Kolonläsionen von 40 × 40 mm im Schwein [1090]. Eine En-bloc-Abtragung gelang nur mit der CSI-EMR bei moderat verlängerter Untersuchungszeit (30,3 ± 19,8 Minuten für CSI-EMR vs. 12,4 ± 6,8 Minuten für die EMR (p = 0,003)) und identischer Komplikationsrate (Blutung/Perforation).
Endoskopische submukosale Dissektion (ESD)
Empfehlung
Die ESD-Technik und die Auswahl des Instrumentariums sollen sich nach der Expertise des Untersuchers richten. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann keine Empfehlung für eine bestimmte Technik oder Instrumentarium gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische submukosale Dissektion (ESD) ermöglicht eine En-bloc-Resektion auch für größere Tumore (> 2 cm) und damit eine präzisere histologische Auswertung und Diagnose.
Technisch erfolgt nach Markierung und submukosaler Injektion die meist zirkumferenzielle Inzision und die anschließende Dissektion innerhalb der unterspritzen Submukosa mit speziellen ESD-Messern. Eine kurze transparente Aufsatzkappe erleichtert die Dissektion und mechanische Präparation in der Submukosa. Eine Hämostase der submukosalen Gefäße kann durch Koagulationsstrom über das Messer selbst bzw. mit einer Blutstillungszange (engl. coag grasper/hot biopsy) (siehe auch Kapitel 4.4.3.4 Endoskopische Therapie von nicht varkösen Blutungen) vorgenommen werden.
Derzeit befinden sich eine Reihe von ESD-Messern auf dem Markt. Die bekanntesten sind das Insulated Tip (IT) knife, das Triangle tip (TT) knife, das Hook knife, und das Dual-knife (alle Olympus). Weiterhin existieren Kombinationsinstrumente, welche HF-Chirurgie und Wasserapplikation kombinieren. Hierzu zählen das Flush knife (Fujinon) und das Hybrid-knife (Erbe). Vergleichende Studien zur Effektivität der verschiedenen Messer liegen nur begrenzt und überwiegend aus Tierversuchen vor [1092]
[1093]
[1094]
[1095]
[1096]. Hier zeigen sich hinsichtlich Effektivität, technischem Erfolg und Komplikationsrate keine signifikanten Unterschiede.
4.6.2.4 Endoskopische Resektionsverfahren in Abhängigkeit von der Läsion
Empfehlung
Ziel der ER soll die vollständige und kurative Resektion der Läsion sein. Die verwendete Technik zur ER soll sich nach der Art, Größe und Lokalisation der GI-Läsion richten.
Starker Konsens
Empfehlung
EMR-Verfahren können zur endoskopischen En-bloc-Resektion von GI-Läsionen bis zu einer maximalen Größe von 20 mm angewandt werden und darüber hinaus zur Piecemeal-Abtragung
Starker Konsens
Kommentar
Die Empfehlung zur endoskopischen Resektion der mukosalen Neoplasie richtet sich nach der Art und Lokalisation der Läsion. Hier wird auf die jeweiligen AWMF-LL verwiesen (AWMF-Empfehlungen).
Zur Effektivität der idealen Resektionstechnik (EMR oder ESD) von GI-Läsionen mit einer Größe über der Indikation zur endoskopischen Zangenresektion oder der traditionellen Polypektomie liegen überwiegend nicht randomisierte Vergleichsstudien sowie Metaanalysen aus retrospektiven Daten vor.
Eine Metaanalyse analysiert 15 nicht randomisierte Studien aus Japan und Korea (7 als Full paper, 8 als Abstract) zum Vergleich beider Techniken und unterschiedlichen gastrointenstinalen Läsionen überwiegend im Ösophagus, Magen und Kolorektum (hier unter Einschluss von LST-Adenomen und mukosalen Karzinomen). Die En-bloc- und R0-Resektionsrate der ESD-Technik (OR 13,87, 95 % CI 10,12 – 18,99; OR 3,53, 95 % CI 2,57 – 4,84) lag unabhängig von der Läsionsgröße über der der EMR bei einer höheren Rate an intraprozeduralen Komplikationen [1097].
Plattenephitelkarzinom des Ösophagus ([Tab. 44])
Eine Fallserie zur EMR mit verschiedenen Techniken bei Plattenephithelkarzinom des Ösophagus (SCCE) mit einer mittleren Läsionsgröße von 24 ± 15 mm resultierte in nur 19,8 % in einer En-bloc-Resektion [1080]. Zur Frage der ESD versus EMR bei SCCE analysierte eine japanische Arbeit aus 2008 168 SCC ≤ 20 mm [1098]. Hier lag die En-bloc-Resektionsrate für die ESD bei 100 %, für die kappengestützte EMR bei 87 % und für die EMR nach der „Injekt and cut“-Technik mit einem 2-Kanal-Endoskop bei 71 %. Bei Läsionen ≤ 15 mm unterschieden sich ESD und kappengestützte EMR nicht mehr signifikant hinsichtlich En-bloc-Resektion und R0-Resektion. Lokalrezidive traten nur in der „Inject and cut“-EMR-Technik mit dem 2-Kanal-Endoskop auf.
Tab. 44
Studien EMR/ESD Plattenepithelneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Läsion
|
Größe
|
En-bloc-Resektion
|
Ergebnisse
|
Katada C. 2007
[1087]
|
104
|
retrospektiv
|
EMR Follow-up
div. Techniken
|
SCC (T1 m)
|
24 ± 15 mm
|
EMR: 19,8 %
|
Lokalrezidiv 20,7 %
LK Filiae 1,9 %, Organ Filia 1,0 %
5-Jahres-Überleben 95 %
|
Ishihara R. 2008
[1098]
|
171
|
retrospektiv
|
EMR vs. ESD
|
SCC (168)
Adenoca (3)
T1 m (169)
T1sm1 (2)
|
≤ 20 mm
|
ESD: 100 %
EMR (Kappe) 87 %
EMR (Inject-cut) 71 %
|
R0-Resektion
Läsion < 15 mm: ESD (100 %)und EMR (Kappe 86 %) gleichwertig, EMR (inject/cut 51 %) unterlegen
Läsion > 15 mm ESD (100 %) beiden EMR Verfahren überlegen (52 %, 35 %)
|
Takahashi H. 2010
[1099]
|
300
|
retrospektiv
|
EMR (suck-cut 184) vs.
ESD (116)
|
SCC (T1 m)
|
ESD. 30 ± 16 mm
EMR. 20 ± 11 mm
|
ESD 100 %
EMR 53,3 % (sign)
|
Lokalrezidiv: ESD 0,9 % vs. EMR 9,8 % (p sign)
LK Filiae ESD 0 % EMR 2,2 % (ns)
Organ Filiae ESD 0 % vs. EMR 2,7 % (ns)
|
Repici A. 2010
[1100]
|
20
|
Kohorte
|
ESD
|
SCC
T1 m (18; 2/18: m3)
T1sm1 (2)
|
32 mm (15 – 60 mm)
|
ESD: 100 %
|
R0: 90 % (histolog. T1sm1-OP. n = 2)
Follow-up 11 – 13 Monate: keine Lokalrezidive oder Filiae
|
Kim JS.
2014 [1101]
|
776
|
Metaanalyse
15 Studien
|
ESD
|
SCC
|
22 mm–52 mm
|
ESD: 95,1 % (95 % CI 92,6 – 96,8 %)
|
R0-Resektion: 89,4 % (95 % CI 86,2 – 91,9 %)
Blutung. 2,1 % (95 % CI, 1,2 – 3,8 %, I2 0,0)
Perforation: 5,0 % (95 % CI 3,5 – 7,2 %, I2 19,5)
Stenose: 11,6 % (95 % CI 8,2 – 16,2 %, I2 6,0)
|
Eine neuere allerdings ebenfalls retrospektive Arbeit untersuchte 300 Patienten mit SCC (T1, N0), die mit EMR in „Suck and cut“-Technik (n = 184) oder ESD-Technik (n = 116) reserziert wurden [1099]. Die Läsionsgröße war in der EMR-Gruppe signifikant kleiner als in der ESD-Gruppe (20 ± 11 mm (4 – 60) vs. 30 ± 16 mm (4 – 95) p > 0,0002). Dennoch lag die En-bloc-Resektionsrate der ESD signifikant über der EMR-Technik (53,3 vs. 100 % p = 0,0009) mit einer geringeren Rate an lokalen Rezidiven (0,9 vs. 9,8 % p = 0,065).
Eine prospektive europäische Fallserie untersuchte die Erfolgsrate der ESD beim SCC des Ösophagus in der westlichen Welt [1100], hier lag die En-bloc-Resektionsrate mit Tumorfreiheit der Resektionsränder bei 90 %. Einschränkend handelte es sich um eine kleinere Fallzahl von 20 Patienten. Eine aktuelle große Metaanalyse zur ESD bei SCC wertete 15 Studien mit über 776 ESDs bei SCC aus [1101], diese zeigte eine En-bloc-Resektionsrate von 95,1 % (95 % CI 92,6 – 96,8 %) bei einer Rate an kompletten Resektionen von 89,4 % (95 % CI 86,2 – 91,9 %).
Prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien zur EMR versus ESD bei Läsionen unter 20 mm fehlen. Basierend auf der aktuellen Datenlage erscheint die EMR Technik für die En-bloc-Resektion von Läsionen bei SCCE unter 15 mm sicher zu sein, bei größeren Läsionen sollte die endoskopische Resektion in ESD-Technik erfolgen.
Barrett-Neoplasie ([Tab. 45])
Für die endoskopischen Resektion der mukosalen Barrett-Neoplasie liegen die überwiegenden Daten zur „endoskopischen Mukosaresektion (EMR) mit der Bandligatur oder Kappenresektionstechnik vor. Hier ist eine En-bloc-Resektion für Läsionen bis 2 cm möglich und eine Piecemeal-Resektion größerer neoplastischer Barrett-Areale.
Tab. 45
Studien EMR/ESD Barrettneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Läsionen
|
Ergebnisse
|
Pech O.
2014
[1101]
|
1000
|
Kohorte
|
EMR (Multiband)
+ APC
|
Barrett-Neoplasie
G1 691; G2 255
G3 54
T1m1 493, T1m2 240
T1m3 124, T1m4 143
|
Follow-up: 56,6 ± 33,4
komplette Remission: 96,3 % (963/1000)
tumorbezogene Mortalität: 0,2 %
Neoplasie Rezidiv: 14,5 % (140/993) mit endoskopischer Retherapie in 115/140
krankheitsfreies 5-Jahres-Überleben: 87,1 %
|
Alvarez Herrerro, L.
2011
[1083]
|
170
|
Kohorte
|
EMR (Multiband)
|
fokale Läsionen 104, totale EMR 69, EMR nach RFA 12
Karzinom: 39,9 %
HG-IN 13,3 %
LG-IN: 14,4 %
No-IN: 21 %
|
En-bloc-Resektion fokaler Läsionen: 31/104
Komplette endoskopische Resektion:
fokale Läsion: 91 % (84 – 96)
Totale EMR: 86 % (80 – 93
EMR nach RFA: 100 % (75 – 100)
|
Chennat J.
2009
[1103]
|
49
|
retrospektiv
|
totale EMR
|
fokale Läsionen: 30
Barrett-Länge: 2 cm (med s. d. 2.2)
T2sm1: 2/49
T1 m, L1: 2/49
|
komplette endoskopische Resektion:
31/32 (Follow-up 22,9 Mo, median 17 SD 16,7 Mo)
totale EMR: 2,1 Sitzungen (median 2, SD 0,9).
Histologie nach EMR
Upstaging: 7/49 (14 %)
Downstaging: 15/49 (31 %)
|
Chung A. 2011
[1104]
|
77
|
Kohorte
|
totale EMR
|
LG-IN: 22 %
HG-In: 53 %
T1m: 18 %
T1sm: 1 %
|
komplette endoskopische Resektion: 94,8 %
totale EMR: Median 2 EMR Sitzungen (IQR 1 – 3).
komplette Remission im Follow-up: 17 Monate (IQR 6 – 44)
Neoplasie: 95 %
intestinale Metaplasie 82 %
|
Anders M. 2014
[1106]
|
90
|
retrospektiv
|
EMR (38)
EMR+APC (48)
EMR + RFA (3)
EMR + APC + RFA (1)
|
Karzinom 47
HG-IN/LG-IN 34
HG-In 31
LG-IN 3
|
komplette endoskopische Resektion: 90 %
Median 2,1 EMR Sitzungen (1 – 7)
Rezidiv: (Follow-up 64,8 Monate (36 – 129 Monate))
Neoplasie: 6,2 %
intestinale Metaplasie: 39,5 %
|
Neuhaus H. 2012
[1110]
|
30
|
prospektiv
|
ESD + RFA
|
Med. Durchmesser 20 mm (10 – 30 mm)
HG-IN: 2
Adenokarzinom:
24 (G1 16, G2 8)
T1m: 21; Sm1: 2, Sm2: 1
|
komplette endoskopische Resektion: 29 (96,7 %)
En-bloc-Resektion: 27 (90,0 %)
histologische R0-Resektion 10/26 (38,5 %)
R1: horizontal: 15; horizontal und vertikal: 1
komplette Remission im Follow-up (17 Mo (4 – 36 Monate))
Neoplasie 27 (96,4 %)
intestinale Metaplasie 15 (53,6 %)
|
Höbel A.
2014
[1111]
|
22
|
Kohorte
|
ESD
|
Med. Durchmesser 44 mm (18 – 120 mm)
pT1m: 20 (90,9 %):
(G1 15 [75,0 %]; G2: 5 [25,0 %])
pT1sm 2 (9,1 %): (G2: 2 [100 %])
|
En-bloc-Resektion: 21/22 (95,5 %)
R0.Resektion: 18/22 (81,8 %)
R1-Resektion: 4/22 (18,2 %)
R1 lateral 4/4 (100 %), R1 vertikal 1/4 (25 %)
kurative Resektionsrate: 17/22 (77,3 %)
Follow-up 1,6 (1 – 4,5) Jahre:
rekurrentes/metachrones Barrett-Karzinom: 1/17 (5,9 %)
|
Chevaux JB.
2015
[1112]
|
75
|
retrospektive Analyse
|
ESD
|
Med. Durchmesser 52,5 mm (IQR 43 – 71)
IM: 1/73 (1,4)
LG-IN: 6/72 (8,3)
HG-IN: 11/72 (15,3)
Karzinom: 55/72 (76,4):
(G3: 14/55 (25,6); > pTm3: 37 /55 (67 %)
|
En-bloc-Resektion: 66 /73 (90 %)
kurative Resektionsrate:
Karzinom: 42 /66 (64 %); HG-IN/Karzinom 47 /55 (85 %)
komplette Remission im Follow-up (20 Monate [IQR 8,5 –37,5]):
Neoplasie: 54/59 (92 %); intestinale metaplasie 43/59 (73 %)
|
Mit der EMR-Technik werden für mukosale Barrett-Neoplasien komplette Langzeitremissionsraten bis zu 96 % erzielt [1083]
[1084]
[1101]. Für Low-risk-SM1-Karzinome wurde nach EMR eine 5-Jahres-Überlebensrate von 84 % kalkuliert [1102].
Die EMR der Barrett-Neoplasie kann neben der gezielten Resektion von fokalen neoplastischen Läsionen eine semitotale oder totale Piecemeal-EMR der Barrett-Mukosa umfassen.
Für eine totale EMR waren in Studien 2 – 2,7 Sitzungen erforderlich, die Strikturrate betrug 1,7 % [1101], 37 % [1103], 50 % [1104] bis zu 70 % [1105]. Risikofaktoren für eine Strikturentwicklung war die Länge der abgetragenen Barrett-Mukosa und die Ausdehnung der EMR-Fläche in der ersten Sitzung. Die Rekurrenzrate für eine Barrett-Neoplasie nach totaler EMR lag in Fallserien bei 3,7 [1101], 4,7 % [1104] bis zu 6,2 % [1106]. Diese konnten überwiegend erneut endoskopisch reseziert werden. Die Rezidivrate für die nicht neoplastische Barrett-Mukosa betrug bis zu 19,5 und 39,5 % [1104]
[1106].
Auch die Kombination von EMR und lokal ablativen Verfahren wie der RFA resultierte in Follow-up-Studien bei einer deutlich geringeren Strikturrate in einer vergleichbaren Rezidivrate für die Barrett-Neoplasie zwischen 7 – 22 % und die nicht neoplastische Barrett-Mukosa zwischen 7 – 38 % [1107]
[1108]
[1109].
Europäische Daten zur ESD der Barrett-Neoplasie variiieren: Eine europäische Studie zur ESD bei Barrett-Neoplasie bis 30 mm mit anschließender RFA [1110] ergab eine histologisch bestätigte komplette Resektionsrate in nur 38,5 % (95 % CI 22 – 57 %) der Patienten mit HG-IN- oder Adenokarzinom. Eine weitere europäische Fallserie [1111] zur ESD bei Barrett-Neoplasie an 22 Patienten führte Resektionen mit einem medianen Durchmesser von 4, mm (18 – 120 mm) durch. Hier wurde eine endoskopische En-bloc-Resektion in 95,5 % erreicht, eine R0, Resektion in 81,8 %. Die kurative Resektionsrate mit einem Follow-up von 1,6 Jahren (1 – 4,5) lag bei 77,3 %. Eine retrospektive Studie aus Belgien [1112] erzielte eine kurative Resektionsrate von 85 % (47 /55) für HG-IN und Karzinome und 64 % (42 /66) für die Karzinome alleine. Hier lag die langfristige Remissionrate für Neoplasien bei 92 % und für intestinale Metaplasien bei 73 %.
Magenneoplasie ([Tab. 46])
Zur Frage der EMR oder ESD bei mukosalen Magenkarzinom existieren zwei Metaanalysen, beide basieren auf überwiegend retrospektiven, nicht randomisierten Daten. Die Metaanalyse aus dem Jahr 2011 [1113] analysierte 3 Kohortenstudien und 9 retrospektive japanische Studien. Die ESD war der EMR signifikant überlegen hinsichtlich der En-bloc-Resektion (OR 8,43; 95 % CI 5,20 – 13,67), der R0-Resektion (OR 14,11; 95 % CI 10,85 – 18,35), der kurativen Resektion (OR 3,28, 95 % CI 1,95 – 5,54) und der Lokalrezidive (RR 0,13, 95 % CI 0,04 – 0,41). Die Mortalität in beiden Gruppen war nicht unterschiedlich, eine Subgruppenanalyse bzgl der Läsionsgröße oder des Wachstumsmusters wie der Paris-Japan-Klassifikation erfolgte nicht.
Tab. 46
Studien EMR/ESD Magenneoplasie.
Autor
|
n
|
Studie
|
Technik
|
Größe
|
Ergebnisse
|
Lian J.
2012
[1114]
|
3548 Läsionen
|
Metaanalyse
(9 retrosp. Studien, davon 2 Abstracts)
|
ESD (1495) vs. EMR (2053).
|
n. a.
|
En-bloc-Resektion: ESD (OR 9,69; 95 % CI, 7,74 – 12,13)
R0-Resektionsrate ESD (OR 5,66; 95 % CI, 2,92 – 10,96)
Rezidivrate ESD (OR 0,10; 95 % CI, 0,06 – 0,18)
Perforationsrate ESD (OR 4,67; 95 % CI, 2,77 – 7,87
|
Park YM.
2011
[1113]
|
3806 Läsionen
|
Metaanalyse
(12 retrosp.Volltextstudien)
|
ESD (1734) vs. EMR (2072)
|
Subgruppenanalyse Größe:
komplette Resektion
< 10 mm (OR 10,62; 95 % CI, 6,00 – 18,80),
10 – 20 mm (OR 11,04; 95 % CI, 4,20 – 29,00),
> 20 mm (OR 20,91;95 % CI, 5,12 – 85,.40)
|
En-bloc-Resektion: ESD (OR, 8,43; 95 % CI, 5,20 – 13,67)
kurative Resektion ESD (OR, 3,28; 95 % CI, 1,95 – 5,54)
Rezidivrate local: ESD (RR, 0,13; 95 % CI, 0,04 – 0,41)
Perforationsrate: ESD (RR, 3,58; 95 % CI, 1,95 – 6,55)
Gesamtblutungsrate gleich (RR, 1,22; 95 % CI, 0,76 – 1,98)
Gesamtmortalität gleich (RR, 0,65; 95 % CI, 0,08 – 5,38)
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Park JC.
2010
[1115]
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239 Läsionen
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retrospektiv
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ESD (189) vs. EMR (50)
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13,92 ± 8,73 mm
(EMR: 11,5 ± 3,68 mm, ESD: 14,56 ± 9,54 mm)
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En-bloc-Resektion: EMR 64 % vs. ESD 86,8 %,
R0-Resektionsrate: EMR 60 % vs. ESD 79,9 %
Prädiktoren (Multivariate Analyse) für:
Lokalrezidiv: inkomplette Resektion (p = 0,013, HR = 5,592) und EMR Methode (p = 0,009, HR = 4,005)
inkomplette Resektion:
Größe > 15 mm (OR = 2,65 (p = 0,004) und EMR Methode (OR = 3,52 (p = 0,001)
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Watanabe K. 2008
[1116]
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245 Läsionen
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retrospektiv
|
ESD vs. EMR
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< 10 mm (120)
> 10 mm (125)
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Läsionsgröße > 10 mm
En-bloc-Resektion: ESD 91,3 % (84/92) vs. EMR 63,6 % (21/33) (p < 0,01).
R0-Resektionsrate: ESD 85,9 % (79/92) vs. EMR 51,5 % (17/33) (p < 0,01)
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Repici A. 2013
[1117]
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42 Patienten
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Kohorte
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ESD
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25 mm (10 – 40 mm)
intramukosale Karzinome: 20
HG-Neoplasie: 17
LG-IN: 2
Andere: 3
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En-bloc-Resektionsrate: 100 %
R0-Resektionsrate: 39 (92,8 %)
Lokalrezidivrate (Adenom): 5 % (Follow-up 19 months (9 – 53 Monate))
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Facciorusso A. 2014
[1118]
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4328 Läsionen
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Metaanalyse
(10 retrospektive Studien, davon 2 Abstracts)
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ESD (1916) vs. EMR (2412)
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mukosale Karzinome
keine Größenangabe
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En-bloc-Resektionsrate ESD (OR = 9,69 (95 %CI: 7,74 – 12,13), p < 0,001)
R0-Resektionsrate ESD (OR = 5,66, (95 %CI: 2,92 – 10,96), p < 0,001)
Lokalrezidivrate ESD: (OR = 0,09, (95 %CI: 0,05 – 0,17) p < 0,001)
Perforationsrate ESD (OR = 4,67, (95 %CI, 2,77 – 7,87), p < 0,001)
Blutungsrate gleich: (OR = 1,49 (0,6 – 3,71), p = 0,39)
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Eine neuere Metaanalyse [1114] untersuchte 9 retrospektive Studien mit 3548 Läsionen, von denen 2 in Abstract-Form vorliegen, mit ähnlichem Ergebnis. Auch hier erfolgte keine Analyse bezüglich der Läsionsgröße und Form. Beide Metaanalysen zeigten eine erhöhte intraprozedurale Rate von Perforationen in der ESD-Gruppe ohne Unterschied in Bezug auf die Blutungskomplikationen.
Eine retrospektive Analyse von 239 Patienten mit Magenfrühkarzinom (ER: 189 ESD, 50 EMR) definierten als Risikofaktor für ein Lokalrezidiv eine inkomplette Resektion und die EMR-Technik. Risikofaktoren in der multivariaten Analyse für eine inkomplette Resektion waren die Läsionsgröße über 15 mm (p = 0,048) und die EMR Technik (p = 0,005) aber nicht die Lokalisation und die Wachstumsmorphologie [1115]. Andere restrospektive Daten analysierten eine höhere En-bloc-Resektionsrate für die ESD-Technik bereits ab eine Läsionsgröße von 10 mm [1116]. Ein aktuelle europäische Fallserie zur ESD von 42 Läsionen im Magen beschreibt eine R0-Resektionsrate von 92,8 % und endoskopisch erneut reserzierbarere Lokalrezidive im Follow-up von 5 % [1117]. Eine Metaanalyse der Studien zur ESD versus EMR [1118] analysierte einen signifikanten Vorteil für die ESD hinsichtlich der En-bloc-Resektionsrate, der R0-Resektionsrate und der Lokalrezidivrate ([Tab. 46]).
Auch hier fehlen prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien. Basierend auf der aktuellen Datenlage erscheint die EMR-Technik für die En-bloc-Resektion von Läsionen bei Magenkarzinom unter 10 mm der ESD vergleichbar, die AWMF-Leitlinie Magenkarzinom spricht sich im Kommentartext ebenfalls für eine ESD-Resektion bei Läsionen über 10 mm aus (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html).
Zu Kolonneoplasie siehe Kapitel 4.5.3.6 Endoskopische Resektion von Kolonneoplasien ([Tab. 40]).
Zu Blutung während/nach endoskopischer Resektion (Intraprozedural, Postprozedural Postpolypektomie, EMR, ESD) siehe Kap. 4.4.3.2 Endoskopische Therapie nicht variköser Blutungen.
4.6.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach endoskopischen Resektionsverfahren sollte in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil des Patienten, der Größe und Lokalisation der Läsion sowie der Komplexität und dem Verlauf der Intervention über eine stationäre Nachsorge entschieden werden. Nach ESD soll die Nachsorge grundsätzlich stationär erfolgen.
Statement:
Bzgl. der Nachsorge nach Resektion neoplastischer Läsionen wird auf die entsprechenden AWMF-LL (www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html) verwiesen.
Konsens
Kommentar
Für die EMR im Ösophagus wurden schwere Komplikationen in 1,5 – 2 % (15/1000 Patienten: 14 Blutungen, 1 Perforation) angegeben [1083]
[1101]. Für die EMR im Magen wurde eine späte Nachblutung im Mittel 33 Stunden nach der Resektion bei 25 von 476 Patienten berichtet [1119].
Die Abtragung von Duodenaladenomen oder duodenalen Polypen ist ebenfalls mit einem erhöhtem Blutungsrisiko bis 11,6 % innerhalb der ersten 10 Stunden [1120] behaftet, Perforationen traten hier in 1 von 37 Resektionen auf.
Im Vergleich zur EMR zeigten 2 Metaanalysen, dass die endoskopische Submukosadissketion (ESD) das Risiko für Blutungskomplikationen verdoppelt (OR 2,20; 95 % Konfidenzintervall 1,58 – 3,07; RR, 2,16; 95 % CI, 1,14 – 4,09) und die Perforationsrate vervierfacht (OR 4,09, 95 % CI 2,47 – 6,80; RR, 3,58; 95 % CI, 1,95 – 6,55) [1113]
[1121]. Die Mortalität beider Verfahren ist nicht unterschiedlich, viele der Blutungen und Perforation treten intraprozedural auf und können endoskopisch beherrscht werden. Nach 1192 ESD-Resektionen von Magenneoplasien wurde eine postoperative Blutung in 5,3 % aller Fälle beschrieben, 1,8 % waren Transfusionspflichtig, 2,7 % traten nach über 5 Tagen auf [1122]. Perforationen wurden in 3,7 % beschrieben, diese konnten endoskopisch/konservativ beherrscht werden.
Das Blutungsrisiko nach Abtragung von Kolonpolypen (PPB) lag in zwei größeren representativen Fallserien bei 2,9 % [1123]
[1124]. 1,1 % davon waren schwere Blutungen [1123]. Als wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer Postpolypektomieblutung bei Kolonpolypen analysierten mehrere Studien ([1125]
[1126], www.esge.com/esge-guidelines.html) zum einen Patientenfaktoren: Alter > 65 Jahre, koronare Herzkrankheit, Antikoagulation (Nicht ASS!), eine Polypengröße > 10 mm zum anderen technische Faktoren wie die Benutzung von reinem Schneidestrom zur Abtragung.
Auch die Anwendung prophylaktischer Hämostaseverfahren nach Polypektomie hat einen Einfluss auf die Rate an frühen Postpolypektomieblutungen innerhalb von 24 Stunden. Diese lag zwischen 0 % bei Verwendung kombinierter prophylaktischer endoskopischer Hämostaseverfahren, 2,5 % unter Verwendung eines Hämostaseverfahrens und 8 % ohne Prophylaxe [1127]. Ein aktuelle retrospektive Analyse von 5981 Polypektomien beschrieb eine späte Nachblutung in 1,1 % der Fälle [1128].
Das Perforationsrisiko lag in einer Kohortenstudie von 3976 Schlingenabtragungen von Kolonpolypen bei 1,1 %. Als Risikofaktoren für eine schwere Komplikation wurden hier die Polypengröße über 1 cm und die Lokalisation im rechten Kolon ermittelt [1123].
Für die endoskopischen Mukosaresektion analysierte eine europäische Fallserie 1210 EMR-Resektionen im Kolorektum, hier lag das Blutungsrisiko bei 4 % (0,4 % bei einer Größe von < 1 cm) und das Perforationsrisiko bei 7 % (0,4 % bei einer Größe < 1 cm). Die gleiche Arbeitsgruppe beschrieb ein Blutungsrisiko von 8 % und eine Perforationsrisiko von 1 % bei 125 EMR-Resektionen im oberen GI-Trakt [1129].
Eine postprozedurale Nachblutung nach EMR großflächiger sessiler kolorektaler Adenome über 20 mm bei 1172 Patienten wurde in 6,2 % beschrieben [1130]. Die multivariate Analyse zeigte eine Assoziation zu der Lokalisation im rechten Kolon (OR 3,72, p < 0,001), unkontrolliertem Schneidestrom ohne Mikroprozessor (OR 2,03, p = 0,038) und einer stattgehabten intraprozeduralen Nachblutung (11,2 % im Gesamtkollektiv OR 2,16, p = 0,016) nicht zu Läsionsgröße und Comorbiditäten.
Ein Postpolypektomie-Koagulationssyndrom durch thermische Schäden wurde in 0,7/1000 Patienten berichtet, wobei die Therapie konservativ mit Nahrungskarenz und antibiotischer Abdeckung unter stationären Bedingungen erfolgte [1131] Risikofaktoren waren eine große Läsionsgröße (OR 2,855, 95 % CI 1,027 – 7,937) und eine flache Läsion (OR 3,332, 95 % CI 1,029 – 10,791). Ein Koagulationssyndrom wurde auch nach ESD von Kolonläsionen hier aber in einer Rate von 40 % berichtet [1132]. Als unabhängige Risikofaktoren wurden eine Läsionsgröße > 3 cm (OR 5, 95 % CI 1,2 – 21,7) und die Lokalisation außerhalb des Rektosigmoid (OR 7,6, 95 % CI 2,1 – 27,9) ermittelt.
Komplikationen
siehe Kommentartext unter 4.6.2.
4.7 Endoskopische enterale Dilatation, Bougierung und Stenteinlage in der Therapie von Stenosen in Ösophagus, Magen, Duodenum, Kolon (benigne/maligne) und postoperativen Leckagen
4.7.1 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Nur GI-Stenosen, die Symptome und/oder eine objektivierbare Passagestörung verursachen, sollen endoskopisch behandelt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Da endoskopische Eingriffe (Bougierung, Dilatation und Stenting) mit einer Komplikationsrate für Blutungen und Perforation behaftet sind, sollten unnötige Interventionen inklusive der damit verbundenen Risiken vermieden werden.
Empfehlung
Vor Behandlung einer GI-Stenose soll sichergestellt sein, dass keine nachgeschalteten (weiter distal gelegenen) oder vorgeschalteten (weiter proximal gelegenen) Stenosen bestehen.
Bei klinischem v. a. auf weitere Stenosen sollte neben der endoskopischen Untersuchung eine geeignete Bildgebung (CT, MRT Sellink, US Abdomen, Gastrografin Kontrast) erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Verbesserung der gastrointestinalen Passage kann nur hergestellt werden, wenn alle relevanten Stenosen behandelt werden. Dies gilt insbesondere für maligne Stenosen, bei denen eine peritoneale Aussaat nachgeschaltete Stenosen im Dünndarm verursachen kann. Oder für den Morbus Crohn mit mehrfacher Lokalisation von Stenosen unterschiedlicher Länge und Entzündungsaktivität in Dünn- oder Dickdarm. Hier sollte eine geeignete Bildgebung der endoskopischen Therapieentscheidung vorgeschaltet werden [1133]
[1134].
4.7.2 Durchführung
4.7.2.1 Ösophagusstenosen, benigne
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von benignen Stenosen des Ösophagus (peptische Stenosen, Anastomosenstenosen) soll primär eine Bougierung oder Ballondilatation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Auswahl des Verfahrens sollte sich nach der Lage, Länge und Komplexität der Stenose richten.
Starker Konsens
Ja 100 %
Empfehlung
Der initial gewählte Durchmesser der Bougierung bzw. Ballondilatation soll sich an der vorliegenden Weite der Stenose orientieren.
Die Bougierung/Ballondilatation kann stufenweise über 2 – 3 Stufen (von je 1 – 1,5 mm) erfolgen, bei einfachen Stenosen kann in einer Sitzung auch eine Dilatation über 3 mm hinaus durchgeführt werden. In ausgewählten Fällen empfiehlt sich eine zwischenzeitige endoskopische Kontrolle.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Bougierung oder Dilatation soll unter endoskopischer oder bei hochgradiger Stenose ohne sichere endoskopische Drahteinlage unter fluoroskopischer Kontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Bougierung erfolgt mit konisch zulaufenden PVC-Bougies von (verfügbar 5 – 20 mm Durchmesser) über einen Führungsdraht (Eder-Püstow-Draht oder steifen Führungsdraht mit weicher Spitze), der unter endoskopischer Kontrolle über die Stenose eingelegt wird. Ist die Stenose zur Einlage des Führungsdrahtes nicht endoskopisch passierbar, empfiehlt sich die Drahteinlage und Bougierung unter radiologischer Kontrolle. Bei der Ballondilatation wird der Ballon über den Arbeitskanal eines therapeutischen Endoskops und ggf. unter Drahtführung über die Stenose vorgeführt. Durch druckgesteuerte Füllung mit Wasser erfolgt eine stufenweise Dilatation unter endoskopischer Beurteilung der Stenose.
Der initial gewählte Durchmesser der Bougies bzw. des Ballons orientiert sich an der vorliegenden Weite der Stenose. In der Regel wird in jeder Sitzung über 2 – 3 Stufen bougiert. Für die Ballondilatation wurde auch eine Dilatation über 3 mm mit einer Endweite über 15 mm bei einfachen Ösophagusstenosen als sicher belegt [1133]
[1135]
[1136].
Vergleichende Daten zur idealen Dauer der Bougieeinlage bzw. zur Balloninsufflationszeit (kurz versus 1 – 2 Minuten) liegen nicht vor. Die Intervalle zwischen den Sitzungen der Bougierungs- bzw. Dilatationstherapie werden individuell festgelegt, abhängig vom initialen Grad der Stenose und insbesondere der erneuten Schrumpfungstendenz der Stenose [1137]
[1138].
Prospektiv-randomisierte Studien, die Bougierung und Ballondilatation bei benignen Ösophagusstenosen verglichen [1137]
[1139]
[1140] zeigten eine vergleichbare Effektivität der Verfahren. Bei peptischen Stenosen und Schatzki-Ringen wurde kein Unterschied hinsichtlich der Dsyphagiereduktion und Eingriffshäufigkeit innerhalb von einem Jahr nachgewiesen [1137]. Zwei kleinere Studien mit einem gemischten Kollektiv von benignen Ösophagusstenosen [1139]
[1140] zeigten ebenfalls keine Unterschiede der Therapieform innerhalb eines Ein-Jahres-Follow-up. Im zweiten Jahr bestand für die Ballondilatation eine signifikant geringere Rezidivrate, sowie eine geringe Eingriffsfrequenz bis zum Erreichen der Endpunktweite von 15 mm (1,1 + 0,1 versus 1,7 + 0,2, p < 0,05) [1139]. Die meisten Patienten benötigen 1 – 3 Dilatationen zur Beseitigung der Stenosesymptomatik, bis zu 35 % aller Patienten benötigen wiederholte Therapien [1141]. Eine retrospektive Serie zur Ballondilatation (n = 117) bei peptischen Stenosen mit einem Follow-up von 51 Monaten berichtete über Rezidivfreiheit nach der 1. Sitzung bei 26 % und nach zwei weiteren Sitzungen bei 20 % der Patienten [1138]. Bei komplexen Stenosen kann diese Rate deutlich höher sein [1138]
[1142]
[1143]. Diesbezüglich liegen allerdings keine größeren prospektiven oder retrospektiven Studien vor.
Die Bougierung und Ballondilatation führen zu vergleichbaren Perforationsraten bis zu 1 % [1140]
[1144]. In einer Serie wurden intramurale Einrisse nach Ballondilatation überwiegend allerdings ohne OP-pflichtige Perforationen bei 38 % der Patienten beschrieben.
Anstelle der Bougierung oder als additives Verfahren scheint eine Inzision der Stenose nach ersten Daten ebenfalls effektiv. Zwei prospektive Studien verglichen die elektrische Inzision mit der Bougierung [1145]
[1146] mit vergleichbarer Effektivität im 6-Monats- Follow-up [1145] und längerer Symptomfreiheit für die Inzisionsgruppe in der kleineren der beiden Studien im 12-Monats-Follow-up [1146].
Empfehlung
Bei therapierefraktärer benigner Ösophagusstenose kann eine temporäre Stentimplantation erfolgen. Verfügbar sind voll gecoverte SEMS, SEPS und biodegradierbare Stents.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Stenteinlage kann drahtgeführt unter fluoroskopischer und/oder endoskopischer Kontrolle erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Partiell gecoverte selbst expandierende Metallstents sollten wegen der erhöhten Komplikationsrate (Einwachsen, Rezidivstrikturen, erschwerte Stentenfernung) nicht verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Wenn es trotz multipler Therapiesitzungen zu rezidivierenden Stenosen kommt, kann eine temporäre Stentimplantation erfolgen, um eine narbige Konsolidierung mit adäquater Weite zu erlauben [1147]
[1148]. Hier sind bisher im Wesentlichen Einzelfallserien und keine größeren vergleichenden Studien publiziert. Verwendet wurden teilgecoverte selbst expandierende Metallstents, selbst expandierende Plastikstents, biodegradierbare Stents und voll gecoverte selbst expandierende Metallstents. Nach Entfernung eines temporären Stents kommt es nur bei etwa 30 – 50 % zu einem dauerhaften (1 Jahr anhaltenden) Therapieerfolg [1149]
[1150]
[1151]. Dies ist insbesondere der durch den Stent induzierten Granulation und Entzündung geschuldet. Da die Stentimplantation gleichzeitig Risiken der Perforation, der Stentmigration, der Blutung und anderer Komplikationen beinhaltet, sollte die Stentimplantation bei benigner Stenose im Einzelfall genau abgewogen werden.
Die Einlage der SEMS erfolgt meist drahtgeführt unter radiologischer Kontrolle nach epikutaner Markierung der Stenose mit röntgendichtem Metall oder durch Lipiodol-Injektion in die Stenose. Je nach Hersteller wird der Stent von distal oder von proximal freigesetzt. Alternativ ist eine Stenteinlage und Freisetzung unter endoskopischer Sicht mit pädiatrischen Endoskopen entweder transnasal oder transoral ohne Fluoroskopie möglich [1152]. Dies wurde für Stents mit distaler und proximaler Freisetzung beschrieben [1153]
[1154].
Partiell gecoverte Metallstents
Partiell gecoverte SEMS wurden in Anlehnung an die Therapie der malignen Ösophagusstenose in mehreren Einzelfallserien bei benigner Ösophagusstenose für wenige Wochen bis zu mehreren Monaten gelegt [1155]
[1156]
[1157]
[1158].
Die initiale Erfolgsrate mit Dysphagierückgang nach Stenteinlage ist hoch. Demgegenüber steht ein erhöhtes Risiko des Einwachsens von Granulationsgewebe durch die Maschen des Stents mit erschwerter Stententfernung und Bildung von Rezidivstenosen. Rezidivstenosen traten in bis zu 40 – 50 % der Fallserien auf [1155]
[1157]
[1158]. Zusätzlich kam es zu Stentmigrationen. Ein Review von 29 Patienten berichtet über Stentmigrationen in 31 %, Rezidivstrikturen in 41 % sowie Schmerzen und Reflux (21 %) sowie neu aufgetretene tracheoösphagelae Fisteln in 6 % [1157]. Daher spricht sich die ACG (American College of Gastroenterology) in einer Practice Guideline aus dem Jahr 2010 gegen die Einlage von partiell gecoverten SEMS bei benignen Indikationen im Ösophagus aus [1148]. Eine aktuelle retrospektive multizentrische Analyse zur Sicherheit der Stententfernung stützt diese Empfehlung. Hier wurden 214 Patienten mit 329 Stententfernungen ausgewertet [1159]. Indikationen waren therapierefraktäre Strukturen (49,2 %) und Fisteln (49,8 %) im Ösophagus. Partiell gecoverte SEMS lagen in 28,6 %, voll gecoverte SEMS in 52 % und selbst expandierende Plastik Stents (SEPS) in 19,5 % für eine mittlere Liegedauer von 37 Tagen. Die Komplikationsrate bei der Stententfernung war für pcSEMS deutlich höher als bei SEPS oder fcSEMS (24,5 vs. 9,4 vs. 3,5 %) [1159]. Die Multivariate Analyse berechnete den pcSEMS als unabhängen Risikofaktor für ein unerwünschtes Ereignis bei der Stententfernung (p < 0,001).
Selbst expandierende Plastikstents (SEPS)
Wegen der Wiederentfernbarkeit und der geringen lokalen Gewebereaktion wurden die SEPS bei benignen Indikationen im Ösophagus in der Vergangenheit häufig eingesetzt. SEPS bestehen aus einem Polyesternetz mit einem kompletten Covering durch eine innere Silikonmembran. Sie werden auf ein Legesystem von 12 – 14 mm Durchmesser aufgebracht. Daher ist ggf. vor der Stenteinlage eine Dilatation auf mindestens 12 mm erforderlich.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2010 zum SEPS bei Ösophagusstrikturen schloss 10 Studien mit 130 Patienten ein. Die Anlage gelang technisch bei 98 % (95 % CI 96 – 100 %). Die klinische Erfolgsrate, definiert als fehlende Notwendigkeit für weitere endoskopische oder operative Therapien, lag bei 52 % (95 % CI 44 – 61 %), mit einer geringeren Erfolgsrate bei zervikalen Stenosen (33 vs. 54 % (p < 0,05). In 23 % kam es zu einer Stentmigration, weitere Komplikationen traten in 9 % auf (Perforation (n = 3), Blutung (n = 3), Schmerzen (n = 2), Tracheale Fistel (n = 1), Eingewachsen-OP (n = 1)). Die Mortalität lag bei 0,8 %. Wegen der Verfügbarkeit von voll gecoverten Metallstents und des vergleichbar rigiden Legesystems ist der Einsatz der SEPS in den letzten Jahren rückläufig. Kasuistisch wurde die Anwendung Stent in Stent zur Entfernung eingewachsener Metallstents beschrieben.
Biodegradierbare Stents
Die Verwendung von selbst auflösenden sogenannten biodegradierbaren Stents zur Weitung benigner Stenosen hat den Charme einerseits die Aufstellkräfte selbstexpandierender Stents für die Dilatation zu nutzen und anderseits den Komplikationsbereich des Stenteinwachsens zu umgehen. Die Stents bestehen aus Polydioxanone und degradieren unter Bildung von Glyoxylsäure, bei einem pH-Wert von 7 beginnt die Degradierung ab Woche 5. Eine bizentrische prospektive Studie untersuchte biodegradierbare Stents bei benigner Ösophagusstenose [1160]. Bei allen 21 Patienten war die Stenteinlage technisch erfolgreich, nach 3 Monaten waren die Stents fragmentiert. Stentmigrationen traten bei 9,5 % auf. Im Verlauf von 53 Wochen blieben 45 % der Patienten frei von Dysphagie. Schwerwiegende Komplikationen traten nicht auf. Eine kleinere prospektive Studie zum Vergleich von biodegradierbaren Stents, SPES und voll gecoverten Metallstents bei benignen Ösophagusstenosen für 12 Wochen ergab eine vergleichbare Effektivität der Stents hinsichtlich der Dysphagiefreiheit [1161]. SPES wiesen hier die höchste Migrationsrate (60 %) und die höchste Reinterventionsrate auf (n = 24). Eine weitere kleine aktuelle Serie, die Patienten mit benigner und maligner Ösophagsstenose einschloss, berichtet über eine klinische Erfolgsrate von 76 %, die allerdings als der Verbesserung des klinischen Dysphagiescores gemessen wurde [1162]. Anhand der aktuellen Datenlage ist eine Überlegenheit der resorbierbaren Stents bei benignen Indikationen nicht belegt [1148]
[1163].
Voll gecoverte selbst expandierende Metallstents
Voll gecoverte SEMS werden aufgrund der atraumatischeren Entfernbarkeit [1159]
[1164] zur intermittierenden Therapie bei benignen Strikturen angewandt. In Fallserien [1165] betrug die Liegedauer der fcSEMS im Mittel 64 ± 74 Tage (Durchmesser:18 – 22 mm). Dennoch blieben nur 21 % der Strikturpatienten im mittleren Follow-up von 111 Tagen ohne weiteren Reinterventionsbedarf. An Komplikationen traten Stentmigration, Invaginationen, Schmerzen und Dysphagie auf [1150]
[1164]
[1165]. Des Weiteren die Bildung von Druckulzera oder Pseuodpolypen an den Stentenden [1150]. Evidenz zum Vergleich verschiedener Stenttypen, Durchmesser oder Liegezeiten liegt nicht vor. Aktuell bleibt die Einlage von Stents daher ein Reserveverfahren in der Therapie refraktären benignen Strikturen.
Empfehlung
Zur Rezidivprophylaxe kann eine Injektion von Steroiden in die Stenose erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Prophylaxe entzündlicher Schrumpfungsprozesse kann eine Injektion von Kortikoiden, z. B. Triamcinolon, in die dilatierte Stenose erfolgen. Dies kann die Intervalle zwischen den Dilatationen verlängern und die Zahl der notwendigen Dilatationen reduzieren [1166]
[1167]
[1168].
Nach erfolgreicher Dilatation oder Bougierung einer Stenose sollte 1 Amp. Triamcinolon 1:1 mit NaCl 0,9 % verdünnt und mittels Sklerosierungsnadel fraktioniert in alle 4 Quadranten der Stenose injiziert werden. Eine randomisierte Studie an 30 Patienten (Steroide 15 vs. Sham 15) mit peptischer Stenose und Indikation zur rezidivierenden resultierte in einer geringeren Notwendigkeit für eine wiederholte Dilatationstherapie in der Steroidgruppe (13 vs. 60 %, (p = 0,011) [1166].
Auch zur Prävention bzw. Therapie von Stenosen nach ESD bei Plattenephitelkarzinomen des Ösophagus erzielte die lokale Steroidinjektion im Vergleich zu einem historischen Kontrollkollektiv eine niedrigere Strikturrate (10 %, 3/30 Pat. vs. 66 %, 19/29 Pat; p < 0,0001) und eine niedrigere Rate an erforderlichen Dilatationsbehandlungen (Median 0, Range 0 – 2 vs. Median 2, Range 0 – 15; p < 0,0001) [1169].
Fallserien berichten auch über ein gutes Ansprechen der lokalen Injektion von Mitomycin C in der Strikturbehandlung von Postresketionsstenosen [1170] und narbig/peptischen Stenosen [1171].
4.7.2.2 Ösophagusstenose, maligne
Empfehlung
In der palliativen Therapie von malignen Stenosen des Ösophagus (Ösophaguskarzinom) und des Magens (Kardiakarzinom) sollte eine endoskopische Therapie (SEMS, Lokalablative Verfahren) erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei gleichzeitiger Radiochemotherapie im palliativen Therapiekonzept kann die Einlage eines SEMS erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Im neoadjuvanten Therapiekonzept von malignen Stenosen des Ösophagus (Ösophaguskarzinom) und des Magens (Kardiakarzinom) sollte bei anhaltender Dysphagie die Einlage eines SEMS sorgfältig abgewogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der palliativen Situation ist die Dysphagie ein wesentliches Symptom, das die Lebensqualität beeinträchtigt. Die endoskopische Therapie der Tumorstenose ist aufgrund ihrer deutlich geringeren Morbidität und Mortalität gegenüber der palliativen chirurgischen Ösophagusresektion im Vorteil. Eine Fallserie von 78 Patienten mit Tumoren des Ösophagus (Plattenephitelkarzinom, Adenokarzinom, Karzinom des gastroösophagealen Übergangs) zeigte eine rasche Dysphagiereduktion innerhalb von 48 Stunden bei allen Patienten [1172]. 11 Patienten benötigten bei rekurrenter Dysphagie und Tumoreinwachsen einen 2. Stent. Das mediane Überleben lag bei 18 Wochen. Im Vergleich zur Lasertherapie ergab sich ein Vorteil in der Lebensqualität für das Stenting (96 versus 71 %).
Die endoskopische Therapie erfolgt allerdings auch im palliativen Setting im Kontext mit den übrigen Therapieoptionen der palliativen Radio- und/oder Chemotherapie. Eine aktuelle Arbeit analysierte das Outcome von 155 nicht operablen Ösophaguskarzinomen [1173] an einem Zentrum. Patienten, die aufgrund ihres Allgemeinzustandes nicht fit genug für eine Radio-/Chemotherapie waren, erhielten einen SEMS. Die Behandlungsart war der einzige unabhängige Prädiktor für das Überleben in der multivariaten Analyse (p = 0,043), wobei die Stentgruppe das kürzeste Überleben und die Radiochemotherapiegruppe das längste Überleben aufwies (6,92 Mo vs. 13,53 Monate). Angesichts dessen ist die endoskopische Therapie eher für Patienten mit fortgeschrittenem Tumorstadium und eingeschränkten anderen Therapieoptionen geeignet.
Die Evidenz hinsichtlich Stentkomplikationen unter Radio-/Chemotherapie ist eher begrenzt. Homs et al. berichten in einer Serie über keinen negativen Einfluss einer vorangegangenen Radiochemotherapie bei Tumoren des ösophagogastralen Übergangs [1174]. Andere größere Serien zeigten eine erhöhte Stentkomplikationsrate in der Gruppe der Patienten mit Radiochemotherapie (frühe Komplikationen 23,2 vs. 3,3 %; p < 0,002; späte Komplikationen 21,6 vs. 5,1 %; p < 0,02) [1175]. Auch bei Einlage eines vollgecoverten Metallstents war die Applikation einer Chemotherapie mit signifikant mehr Stentkomplikationen (Stentmigration p = 0,002; Ausbildung ösophagorespiratorischer Fisteln p < 0,001) verbunden [1176]. Eine aktuelle prospektive RCT-Studie verglich das ösophageale Stenting mit der Kombination von Radiochemotherapie plus Stenting [1177]. In der Kombinationstherapie war das Gesamtüberleben (180 vs. 120 Tage, p = 0,009) und das dysphagiefreie Überleben höher (118,6 ± 55,8 vs. 96,8 ± 43,0 Tage, p = 0,054), ohne Unterschiede in der Komplikationsrate.
In Anbetracht der uneinheitlichen vorliegenden Daten ist eine erhöhte Komplikationsrate bei Stenteinlage unter Radiochemotherapie möglich. Dies sollte im palliativen Konzept im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.
Ein endoskopisches Stenting im neoadjuvanten Behandlungskonzept sollte vermieden werden, um die chirurgische Ösophagusresektion nicht durch Komplikationen zu erschweren [1148]. Zudem verhindert ein Stent die endoskopische Kontrolle des Tumoransprechens nach neoadjuvanter Therapie. Daten zu einer prophylaktischen Stentimplantation vor neoadjuvanter Therapie liegen nicht vor.
Empfehlung
In der endoskopischen palliativen Therapie maligner Stenosen des Ösophagus und des gastroösophagealen Überganges sollte die Einlage eines SEMS den lokal ablativen Verfahren vorgezogen werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Ballondilatation, Bougierung oder lokale Gewebeablation mittels Laser- oder APC-Koagulation können zur Vorbereitung dieser Maßnahme oder bei Unverträglichkeit oder fehlender Platzierbarkeit für einen SEMS eingesetzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine Empfehlung für einen bestimmten SEMS-Typ kann auf der Basis der aktuellen Evidenz nicht gegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ballondilatation, Bougierung und die lokale Ablation von Tumorgewebe mittels Laser oder APC-Koagulation sind effektiv in der Wiederherstellung der Passage bei Tumorstenosen. Der klinische Effekt dieser Maßnahmen hält meist nur kurzfristig an [1178]
[1179], daher sollte primär eine Stentimplantation angestrebt werden. Bei hochgradigen Tumorstenosen kann eines der oben genannten Verfahren zur Vorbereitung der Stentimplantation notwendig sein.
Eine Cochrane-Analyse analysierte 2542 Patienten aus 40 Studien zur endoskopischen Behandlung maligner Ösophagusstenosen [1180]. Im Vergleich von lokalablativen Verfahren (Laser oder fotodynamische Therapie) und Metallstenteinlage zeigte die lokal ablative Therapie vergleichbare Ergebnisse für die Dysphagiereduktion aber eine erhöhte Frequenz für Wiederholungseingriffe und eine höhere Komplikationsrate für Perforationen oder Fistelbildung. SEMS (Wallflex, Z-Stent, Ultraflex, Dua-Z Stent, DO Stent [Antireflux]) waren im Vergleich zu Plastikstents sicherer und effektiver (Dysphagie ↓ [OR 0,36], rekurrierende Dysphagie ↓ [OR 0,25], prozedurabhängige Mortalität ↓[OR 0,36], Komplikationen ↓ [OR 0,25]). Die in der Cochrane-Analyse untersuchten Anti-Refluxstents zeigten eine vergleichbare Verbesserung der Dysphagie wie konventionelle Metallstents.
Auch für maligne Ösophagusstenosen wurde eine sichere SEMS-Einlage unter endoskopischer Sicht für Stents mit distaler und proximaler Freisetzung beschrieben [1153]
[1154]. Eine retrospektiv vergleichende Analyse von endoskopisch und fluoroskopisch gesteuerter Freisetzung ergab keinen Unterschied der Verfahren hinsichtlich des technischen Erfolges und der Komplikationsrate [1181].
Bezüglich der Auswahl des Metallstents ist auf der Basis der derzeitigen Datenlage eine Empfehlung für einen bestimmten Stenttyp nicht möglich, es wurden keine relevanten Unterschiede in Erfolgsrate und Sicherheit gezeigt. Eine systematische Analyse zum Vergleich von gecoverten und ungecoverten SEMS bei malignen Stenosen im GI-Trakt zeigte keinen Unterschied in der Stentoffenheitsrate und dem Überleben [1182]. Nicht gecoverte Stents zeigten häufiger ein Tumoreinwachsen (RR 0,10, 95 % CI 0,01 – 0,77) wohingegen gecoverte Stents eher migrierten (RR 5,01, 95 % CI 1,53 – 16,43). Ähnliche Ergebnisse belegte auch eine aktuelle Serie an 252 Patienten [1183]. Hier waren FCSEMS, eine benigne Grunderkrankung und eine distale Lokalisation unabhängige Prädiktoren für eine Migration (p < 0,001, p = 0,022, and p = 0,008). Randomisierte klinische Studien zum Einsatz von SEMS mit Antirefluxfunktion konnten keinen eindeutigen Benefit nachweisen [1184]
[1185]
[1186].
4.7.2.3 Magenausgangstenose, benigne
Empfehlung
In der endoskopischen Therapie von benignen Magenausgangsstenosen (Pylorus, Duodenum) soll primär eine Ballondilatation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Ballondilatation soll unter endoskopischer Sicht angepasst an die jeweilige Stenose erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Begleitend soll eine säurehemmende Therapie und, wenn H. pylori positiv, eine HP-Eradikation erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Implantation eines SEMS soll bei benigner Magenausgangsstenose ausgewählten Einzelfällen vorbehalten bleiben.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei Versagen der Dilatationstherapie oder Rezidiven nach initial erfolgreicher Dilatation sollte eine chirurgische Therapie (Gastroenterostomie, distale BII-Magenresektion) durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ballondilatation
Narbige Magenausgangsstenosen können mittels Ballondilatation effektiv behandelt werden [1134]. Dazu stehen Ballone mit einem Durchmesser von 6 – 25 mm zur Verfügung, die über den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt werden. Günstig ist eine zusätzliche Führung über einen Draht, insbesondere bei hochgradigen Stenosen. Der Ballon wird dabei unter endoskopischer Sicht platziert und mittels vom Hersteller angegebenem Wasserdruck auf die entsprechende Weite gefüllt. Ballone, die durch verschiedene Druckstufen mehrere Durchmesser realisieren (z. B. 10 – 12 mm oder 15 – 18 mm) vereinfachen die Prozedur, da ein Wechsel des Ballons bei der stufenweisen Dilatation entfällt.
Zur anzustrebenden Dilatationsweite oder der Dauer der jeweiligen Ballondilatation existieren keine vergleichenden Daten. Die meisten Autoren streben eine Dilatation bis mindestens 15 mm an, einige berichten über eine Balloninflationszeit von 60 Sekunden [1187]. Der Untersucher entscheidet aufgrund des endoskopischen Aspekts der Stenose, ob eine Dilatation auf die endgültige Weite in einer Sitzung möglich und sicher ist. In der Regel erfolgt eine stufenweise Dilatation mit Steigerung der Durchmesser in wöchentlichen Abständen in Hinblick auf eine größtmögliche Sicherheit [1187].
Eine retrospektive Serie analysierte 177 Ballondilatationen bei 72 Patienten [1188]. Der mittlere Ballondurchmesser lag bei 18 mm (12 – 25 mm). Endoskopische Kontrollen erfolgten 1 – 3 Wochen später und in 3 monatlichen Abständen. Der mittlere Durchmesser der Stenose lag bei 6 mm (2,0 – 9,5 mm) vor und 16 mm (10 – 20 mm) nach der Dilatation. Ein Symptomrückgang lag nach 3 Monaten bei 70 % der Patienten vor, eine rekurrente Stenose zeigten 16 Patienten innerhalb von 18 Monaten. Die besten Ergebnisse erzielten die postoperativen Anastomosenstenosen mit 100 %, die schlechtesten Ergebnisse die korrosiven Stenosen mit 35 %. An Komplikationen traten 2 Pylorusperforationen und eine arterielle Blutung auf. Eine kleine Fallserie mit 17 Patienten berichtete ebenfalls über gute Ergebnisse ohne Komplikationen bei einer stufenweisen Dilatation von 15 bis auf 25 mm [1189].
Eine andere Serie von 41 Patienten dilatierte stufenweise nur bis auf 15 mm mit einer Inflationszeit von jeweils 60 Sekunden [1190]. 39 Patienten benötigten wiederholte Dilatationen mit einer mittleren Frequenz von 5,8 ± 2,6 Dilatationen (Range 2 – 13) bis zum Endpunkt von 15 mm. Im Follow-up von 35,4 ± 11,1 Monaten wurde ein Patient chirurgisch behandelt. An Komplikationen traten eine OP-pflichtige Perforation, Schmerzen (n = 8) und konservativ therapierbare Blutungen (n = 7) auf.
HP Eradikation und Säuresuppression
Bei peptischen Stenosen mit positivem HP-Nachweis vermindert eine HP-Eradikation signifikant das Auftreten weiterer Ulkuskomplikationen im Langzeitverlauf nach Dilatation [1191] und sollte daher durchgeführt werden. Die HP-Eradikation war in einer weiteren Studie ebenfalls mit einer erfolgreichen Ballondilatationstherapie assoziiert, hier zeigte die fortgesetzte Einnahme von NSAR eine erhöhte Rate an rekurrierenden Stenosen [1192]. Auch eine säuresuppressive Therapie, die bei peptischen Stenosen ohnehin meist erfolgt, erscheint im Rahmen einer Dilatationstherapie sinnvoll für das Outcome [1193].
Operative Therapie
Rezidivstenosen oder primär nicht endoskopisch therapierbare Stenosen sollten chirurgisch therapiert werden (Gastroenterostomie). Als prädiktive Faktoren für eine chirugische Therapie wurden jüngeres Alter, die Notwendigkeit multipler Dilatationen und eine lange Behandlungsdauer beschrieben [1192]. In einer weiteren Studie war die Notwendigkeit von mehr als zwei Dilatationen zum Erreichen einer Symptomkontrolle ein Prädikator für eine notwendige chirurgische Therapie (OR 6857, 95 % CI 1,031 – 45,606) [1194].
SEMS
Obwohl in einzelnen Fallberichten erwähnt, ist die Erfahrung mit selbstexpandierenden Metallstents bei benigner Magenausgangsstenose auf Einzelfallberichte mit Einlage von vollgecoverten oder teilgecoverten SEMS begrenzt [1195]
[1196]
[1197]. Sie kann daher nicht als Standardtherapie empfohlen werden [1134].
4.7.2.4 Magenausgangsstenose, maligne
Empfehlung
Zur Therapie einer malignen Stenose von Magenausgang und/oder Duodenum soll in Abhängigkeit von der individuellen Prognose des Patienten, dem Lokalbefund und der Präferenz des Patienten zwischen konservativer (Ablaufsonde), endoskopischer Therapie und chirurgischer Therapie (Bypass) entschieden werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer malignen Stenose von Magenausgang und/oder Duodenum kann in der palliativen Situation eine Stentimplantation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Im palliativen Therapiekonzept bei Magenausgangsstenose stehen eine duodenale Stentimplantation sowie eine chirurgische Gastroenterostomie zur Verfügung. Vor Implantation eines Duodenalstents sollten nachgeschaltete weitere Stenosen ausgeschlossen werden.
Endoskopisches Stenting
Die Verwendung von Through-the-Scope-Stentsystemen ermöglicht bei der Stentanlage eine zeitgleiche endoskopische und ggf. radiologische Kontrolle, dazu ist ein Therapieendoskop mit Arbeitskanal von mindesten 3,7 mm erforderlich [1198]. Wegen der Nähe zum Gallengang werden meist ungecoverte SEMS angelegt, die einen Abfluss der Galle oder ein endoskopisches Stenting durch die Maschen des Metallstents erlauben.
Der primäre technische Erfolg der Stentimplantation ist hoch (> 90 %), der klinische Erfolg mit der Nahrungsaufnahme von weicher Kost liegt zwischen 60 – 95 % [1147]. Eine systematische Analyse von 32 Serien (davon 10 prospektiv) an 606 Patienten wies bereits 2004 eine klinische Erfolgsrate von 87 % für die Einlage eines SMES nach [1199]. Das mittlere Überleben der Patienten lag bei 12,1 Wochen. Schwere Komplikationen (Blutung, Perforation) traten bei 1,2 % auf, Stentmigration bei 5 % und Stentobstruktion bei 18 % infolge Tumorinfiltration. 61 % der Patienten benötigten gleichzeitig auch einen Gallengangsstent. Dieser wurde in 41 % vor dem Duodenalstent, in 18 % in einer Sitzung und in 2 % nach dem Duodenalstenting gelegt. Eine aktuellere multizentrische Analyse verfolgte 74 Patienten nach Stenteinlage bei gastroduodenaler Obstruktion. Der technische und klinische Erfolg lag bei 100 bzw. 97,2 %. 95,9 % der Patienten konnten oral bis zum Lebensende ernährt werden, 63,5 % mit festen Speisen. 78,4 % benötigten keine weiteren Interventionen. Die mittlere Stentoffenheit lag bei 76,6 Wochen [1200].
Vergleichende Studien zwischen verschiedenen Stenttypen liegen nicht vor. Serien mit Einlage verschiedener ungecoverter Stentfabrikate zeigen ähnliche klinische Erfolgsraten gemessen an der Verbesserung des Gastric outlet obstruction (GOO)-Scores vor und nach Stenteinlage zwischen 77 und 91 % [1200]
[1201]
[1202]
[1203]
[1204]
[1205]
[1206].
Gecoverte Stents können bei Tumoreinbruch in einen ungecoverten Stent oder primär, wenn wegen eines intraluminalen Tumors ein rasches Einwachsen vom Tumor zu befürchten ist, eingesetzt werden. Serien, die partiell gecoverte [1207] bzw. gecoverte [1208] Stents untersuchten, berichten über klinische Erfolgsraten von 90 bzw. 88 % und eine Stentmigrationsrate von 6 bzw. 10 %, meist in den ersten 2 Wochen nach Anlage. Vergleichende Studien zwischen ungecoverten und gecoverten Stents liegen nicht vor. Andere Daten analysierten die klinische Effektivität der Stents in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation. Eine Analyse von 71 Patienten [1209] mit maligner gastroduodenaler Obstruktion ergab eine deutlich erniedrigte klinische Effektivität bei antraler Tumorlokalisation [29,4 %] im Vergleich zum duodenalen Stenting [70,2 %] und Stenting bei Tumorrezidiv der gastrojejunalen Anastomose [86,6 %]. Eine andere Serie verglich das palliative Stenting bei Magenausgangsstenose zwischen Magen- und Pankreaskarzinomen ohne signifikante Unterschiede in der klinischen Erfolgsrate, der Komplikationsrate und der kumultativen Stentoffenheitsrate [1210].
Endoskopisches Stenting oder Gastroenterostomie
Eine prospektiv-randomisierte Studie (n = 36) verglich die chirurgische Gastrojejunostomie mit dem endoskopischen Stenting [1211]. Die Patienten nach Stentimplantation konnten häufiger und früher kostaufgebaut werden, die Langzeitergebnisse waren aber in der Gastroenterostomiegruppe besser mit mehr Patiententagen mit einem GOO-Score ≥ 2 (72 vs. 50 Tage p = 0,05). In der Stentgruppe kam es häufiger zu Reobstruktion (8 vs. 5 Pat p = 0,02) mit Reinterventionen (10 vs. 2 p < 0,01). Keine Unterschiede zeigten sich im Überleben (56 Tage v.s 78 Tage n. s.) und in der Lebensqualität. Ähnliche Ergebnisse erzielte auch ein vorangegangener systematischer Review der gleichen Arbeitsgruppe [1212].
Eine aktuelle retrospektive Analyse schloss 113 Patienten [1213] mit vergleichbaren Ergebnissen in der ersten Woche nach Intervention ein, aber einer erhöhten Rate an Stentkomplikationen (44,4 vs. 12,2 %, p < 0,001) sowie Reinterventionen (43,0 vs. 5,5 % p < 0,001) im Langzeitverlauf. Stentkomplikationen waren Tumoreinwachsen (n = 29), Migration (n = 2) und Perforation (n = 1). Die mittlere Offenheitsrate betrug 125 Tage in der Stentgruppe vs. 282 Tage in der Gastroenterostomiegruppe (p = 0,001). Das mittlere Überleben in der Stentgruppe lag bei gutem klinischen Performancestatus (ECOG 0 – 1) signifikant niedriger als in der Gastroenterostomiegruppe; ab einem ECOG von 2 war dieser Unterschied nicht mehr nachweisbar.
In Anbetracht der vorliegenden Daten scheint die chirurgische Gastroenterostomie somit eine längere Symptompalliation zu ermöglichen und ist daher für Patienten mit einer längeren Lebenserwartung von über 2 Monaten und einem guten klinischen Performancestatus zu diskutieren [1134]
[1214]. Die Entscheidung hängt letztlich von der Erfahrung des Behandlers, der individuellen Prognose des Patienten und auch der Präferenz des Patienten ab [1134].
4.7.2.5. Benigne Stenose des unteren GI-Traktes
Empfehlung
In der endoskopischen Therapie von benignen Stenosen des ileozökalen Übergangs und des Kolons sollte bei technischer Machbarkeit (gute Erreichbarkeit, kurzstreckige Stenose) eine Ballondilatation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Endoskopische Dilatation von entzündlichen Stenosen sollte immer in eine antiinflammatorische Therapie eingebunden werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur Rezidivprophylaxe kann eine simultane Steroidinjektion durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei rezidivierender oder therapierefraktärer Stenose sollte eine Operation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Therapie von Stenosen im Ileozökalbereich, Kolon und Rektum zielt auf die Resolution einer (Sub)Ileussymptomatik hin.
Ballondilatation/Bougierung
Für die Ballondilatation in der Therapie von (post-)entzündlichen und postoperativen Stenosen des ileozökalen Übergangs und des Kolons wurde eine Langzeiteffizienz von 70 % [1215] nachgewiesen. Eine größere Fallserie [1215] analysierte 133 Dilatationen bei 57 Patienten mit überwiegend postoperativen und postentzündlichen Stenosen in Anus (n = 4), Rektum (n = 45), Kolon (n = 7) und terminalen Ileum (n = 1). Der Durchmesser der Stenosen wurde von 7,2 (Range 1 – 14) mm auf 19,7 (Range 14 – 25) mm erweitert. 17 von 57 (29 %) Patienten wurden im Verlauf bei rezidivierender Stenose operiert.
Die (post-)entzündlichen Stenosen bei Morbus Crohn bedürfen aufgrund der entzündlichen Aktivität der Grunderkrankung einer gesonderten Betrachtung. Hier ergab ein systematischer Review von 13 Studien mit 347 Crohn-Patienten einen technischen Dilatationserfolg bei 86 % [1216]. Der klinische Langzeiterfolg, definiert als OP-freies Outcome innerhalb eines mittleren Follow-up von 33 Monaten, lag nur bei 58 % und war in der multivariaten Analyse mit einer Strikturlänge ≤ 4 cm assoziiert (OR 4,01, 95 % CI 1,16 – 13.8; p < 0,028). Keine Assoziation fand sich zur Crohn-Aktivität, zum Ballondurchmesser oder zu einer Steroidinjektion in die Stenose. Die Rate ernster Komplikationen lag bei 2 %. Eine aktuellere Analyse von 93 Ballondilatation bei 55 Patienten mit Morbus Crohn ergab einen klinischen Langzeiterfolg bei 76 % der Patienten im Follow-up von 44 Monaten (1 – 103) [1217]. Die Patienten, die im Verlauf eine Operation benötigten, wiesen neue Stenosen im terminalen Ileum auf, die zudem signifikant länger waren als die endoskopisch erfolgreich behandelten Strikturen (7,5 cm (1 – 25 cm) vs. 2,5 cm (1 – 25 cm); p = 0,006). Auch in neueren Serien liegt die Relapserate der Crohn-Stenosen bei 46 – 74 % mit erneuter Notwendigkeit zur endoskopischen Dilatation [1218]
[1219]
[1220]
[1221]. Ob eine simultane Steroidinjektion plus Ballondilatation die Rezidivstenoserate senkt, kann anhand der vorliegenden Daten nicht abschließend beurteilt werden, 3 negativen Studien [1216]
[1222]
[1223] steht eine kleine prospektiv-randomisierte Studie bei Kindern mit Vorteil für die Ballondilatation mit Steroidinjektion in die Stenose bei Morbus Crohn gegenüber [1224].
Für postoperative Anastomosenstenosen konnten mehrere Fallserien mit 1 – 3 Dilatationssitzungen eine gute klinische Effektivität der Ballondilatation nachweisen [1215]
[1225]
[1226].
Vergleichende Daten zum verwendeten Ballonsystem liegen kaum vor. Eine prospektive Studie verglich randomisiert die Ballondilatation „through the Scope“ (TTS 18 mm) mit der fluoroskopischen drahtgeführten Ballondilatation (OTW 35 mm) bei kolorektalen Anastomosenstenosen über je 2 Minuten Inflationszeit. Angestrebt wurde eine Dilatation auf mindestens 13 mm mit erfolgreicher Passage des Koloskops. Hier war die Erfolgsdauer in der drahtgeführten Gruppe höher als in der „Through the scope“-Gruppe mit 560,8 (248,5) Tagen vs. 294,2 (149,3) Tagen (p = 0,016). Ursächlich ist hier aber weniger die Ballontechnik als der unterschiedliche Durchmesser der Ballons zu diskutieren. Komplikationen traten nicht auf. Eine ältere Arbeit evaluierte die Ballondilatation versus Bougierung bei postoperativen Stenosen nach Rektumresektion mit einem Vorteil für die Ballondilatation in der ersten Behandlungssitzung (76,9 versus 51,8 %) [1227]. Häufigste Komplikationen nach Ballondilatation im unteren GI-Trakt sind Blutung, Infektion und Perforation in unter 2 % [1215]
[1216].
SEMS
Für den Einsatz von SEMS bei therapierefraktären benignen Stenosen im unteren GI-Trakt liegen bisher nur limitierte Daten in Form einiger Fallserien vor. Eine Studie implantierte 25 SEMS (4 partiell gecovert, 21 voll gecovert) in Stenosen < 8 cm des Kolon und Ileums bei Morbus Crohn. Die mittlere Stentliegedauer lag bei 28 Tagen (1 – 112 Tage), die klinische Erfolgsrate betrug 64,7 % nach einem Follow-up von 60 Wochen [1228]. Allerdings war die Stentextraktion bei 4 Patienten deutlich erschwert und eine proximale Stentmigration erforderte eine operative Entfernung. Eine andere Arbeit implantierte 23 SEMS in 21 Patienten mit Anastomosenstenosen (n = 10), radiogener Stenose (n = 1) und Divertikulitisstenosen (n = 10). Die klinische Erfolgsrate betrug 76 % bei einer Komplikationsrate von 43 % [1229]. 2 kleinere Fallserien an jeweils 3 und 7 Patienten mit Rektum- oder Kolonstenose weisen auf die Möglichkeit zur Einlage eines biodegradierbaren Stents zur Stenosedilatation hin [1230]
[1231]. Hier fehlen derzeit größere Studien und Langzeitergebnisse. Insgesamt aber limitieren Stentmigration, Obstruktion und Impaktierung bislang den breitflächigen Einsatz von Stents bei benignen Stenosen [1232]
[1233]. Die Einlage von voll gecoverten SEMS oder biodegradierbaren Stents bei benigenen Stenosen im unteren GI-Trakt bleibt daher ausgewählten Einzelfällen vorbehalten.
Chirurgische Therapie
Bei rezidivierender oder therapierefraktärer narbiger Stenose nach mehrfacher endoskopischer Dilatation sollte eine operative Therapie diskutiert werden. Bei Morbus Crohn ist dies nach Optimierung der antiinflammatorischen Therapie bei technisch schwieriger Erreichbarkeit der Stenose und langstreckigen Stenosen abzuwägen [1216]. Eine vergleichende Analyse zwischen endoskopischer Dilatation und operativer Revision bei Anastomosenstenosen sowie einer gesunden Kontrollgruppe bzgl. der Lebensqualität, in die gastrointestinale Symptome einflossen, zeigte die schlechtesten Werte in der endoskopisch behandelten Gruppe (GIQLI-Scores, 104 ± 20, 119 ± 24, und 121 ± 16, p = 0,005) [1234]. Die finale Entscheidung für eine operative Therapie der Stenose ist in Zusammenschau der Häufigkeit der endoskopischen Dilatationen sowie der Klinik und dem Allgemeinzustand des Patienten zu treffen.
4.7.2.6 Maligne Stenose des Kolons
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer malignen Stenose des Kolons kann in der Notfallsituation (akute Obstruktion) die Implantation eines selbst expandierenden Metallstents („bridge to surgery“) durchgeführt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
In der palliativen Situation kann bei Patienten mit hoher Komorbidität, geringer Lebenserwartung und hohem operativen Risiko als Alternative zur chirurgischen Resektion oder zur Stuhldeviation (Bypass, Stoma) eine Stentimplantation erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Therapie der Wahl des kolorektalen Karzinoms ist die chirurgische Resektion (Leitlinie Kolorektales Karzinom der DGVS). Die Einlage eines SEMS wird im Notfall als Bridge to Surgery diskutiert. Im Fall der tumorbedingten kolorektalen Stenose analysiert eine Cochrane-Übersichtsarbeit fünf randomisierte Studien, die bei akuter maligner kolorektaler Stenose einen notfälligen chirurgischen Eingriff mit einer vorübergehenden Stentimplantation und dann elektiver Chirurgie verglichen – mit einer höheren klinischen Erfolgsrate der Notfalloperation [1235]. Komplikationsrate, Morbidität und Mortalität waren in beiden Verfahren vergleichbar, der Vorteil der Stentimplantation lag in einer kürzeren Aufenthaltsdauer, in einer kürzeren Prozedur und einem geringeren Blutverlust. Eine weitere Metaanalyse von Tan et al. aus dem Jahr 2012 findet dahingegen in vier randomisiert-kontrollierten Studien zur gleichen Frage lediglich eine klinische Erfolgsrate der Stentimplantation von 69 % [1236]. Die Perforationsrate nach Stentimplantation betrug hierbei bis zu 14 %, zwei Studien wurden aufgrund der Komplikationen bei Stentimplantation und eine Studie aufgrund zu vieler Anastomoseninsuffizienzen in der Resektionsgruppe frühzeitig geschlossen. Eine andere Metaanalyse aus dem Jahr 2012 [1237] unter Einschluss von 8 Studien und Fallserien zeigte für die Stentgruppe einen Vorteil hinsichtlich der primären Anastomosenrate (RR, 1,62; 95 % CI 1,21 – 2,16, p = 0,001).
Eine Stentimplantation kann als Überbrückung bis zur chirurgischen Resektion („bridge to surgery“) die Rate primärer Anastomosen erhöhen und die Rate von notwendigen Stomaanlagen reduzieren [1236]
[1237]
[1238]. Obwohl die Kosten einer Stentimplantation im Vergleich zu einer notfälligen Operation sicherlich niedriger sind [1239] lässt sich auf der Basis der derzeitigen Datenlage nicht abschließend ein Verfahren favorisieren. Bei entsprechender Expertise kann – alternativ zur notfälligen Chirurgie – zur Überbrückung der Zeit bis zur elektiven Resektion bei ausgewählten, zum Beispiel komorbiden und mit hohem Operationsrisiko behafteten Patienten eine Stentimplantation erfolgen [1236]
[1237]
[1238]
[1240]
[1241]
[1242]. Im Fall einer im Verlauf dann etwaigen palliativen Situation kann ein etablierter Stent gegebenenfalls in situ verbleiben und die Anlage eines Stomas überflüssig machen [1243].
Wenn ein Stent implantiert wird, sollte dieser mindestens 5 cm oberhalb der Anokutanlinie platziert werden und der Patient kontinent sein [1244]. Vor Stentimplantation sollte keine Dilatation einer malignen Stenose erfolgen, da dies das Perforationsrisiko um das 6fache erhöht. Zudem sollte bei malignen Stenosen in der Regel ein nicht gecoverter Stent implantiert werden, um das Risiko einer Migration zu reduzieren [1245]
[1246].
In der Palliativsituation kann eine Stentimplantation bei Patienten, die keine geeigneten Kandidaten für eine chirurgische Resektion sind, mit einem klinischen Soforterfolg von 90 – 93 % durchgeführt werden. Die Stentimplantation führt auch hier im Vergleich zu einer palliativen Operation, zum Beispiel einer Stomaanlage, zu kürzeren Liegedauern, damit verbunden niedrigeren Kosten und einem früheren Beginn einer Chemotherapie [1247]
[1248]
[1249]. Eine kleine prospektiv-randomisierte Studie an 22 Patienten zur Stenteinlage versus Stomaanalge zeigte eine kürzere mittlere Krankenhausverweildauer für die Stentgruppe (2,6 Tage vs. 8,1 Tage p < 0,05) bei vergleichbarem mittleren Überleben (297 Tage vs. 280 Tage, n. s.) [1248]. Hauptkomplikationen der Stentimplantation in der Palliativsituation sind die Perforation, Obstruktion und Migration, was in einer niederländischen Studie zum frühzeitigen Abbruch geführt hat [1250]. In einer spanischen Fallserie traten Stentobstruktion in 17 % (n = 7), Stentmigration in 22 % (n = 9) und Perforation in 7 % (n = 3) auf. Stentmigration und Perforation waren überwiegend assoziiert mit einer vorangegangenen Chemotherapie und alle Patienten mit Perforation verstarben [1251]. Auch in einer älteren Serie kam es in 2/31 Patienten nach kolonischer Stenteinlage und nachfolgender Chemotherapie zu Perforation mit Notfallchirurgie [1249]. Langzeitauswertungen und größere vergleichende Daten zur palliativen Stenteinlage und nachfolgend Chemotherapie fehlen bislang.
Daher kann die palliative Einlage eines SEMS derzeit für Patienten mit hoher Komorbidität, erniedrigter Lebenserwartung und erhöhtem operativen Risiko eine Alternative darstellen. Bei länger zu erwartendem Überleben des Patienten und gutem klinischem Performancestatus sollte die chirurgische Therapie auch in der Palliativsituation präferiert werden.
4.7.2.7 Postoperative Leckage
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer postoperativen Leckage am oberen Gastrointestinaltrakt kann die Einlage eines komplett gecoverten Stents oder eine endoskopische Vakuumtherapie erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie einer postoperativen Leckage am unteren Gastrointestinaltrakt kann die endoskopische Vakuumtherapie erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei geeigneten Leckagen (kleiner Durchmesser, keine infizierte Insuffizienzhöhle) im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt kann ein Verschluss mit Clipping-Devices erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Therapie einer postoperativen Leckage nach Ösophagektomie oder Gastrektomie wurde die Einlage von selbstexpandierenden Plastikstents in Einzelfallberichten beschrieben [1252]
[1253]
[1254]
[1255]
[1256]. Der Stent lag für eine Dauer von 7 – 242 Tagen mit einer Heilungsrate von 80 – 95 %. Hauptkomplikation war eine Migrationsrate bis zu 23 %.
Mit der Verfügbarkeit von gecoverten Metallstents in verschiedenen Durchmessern und Längen ist im Vergleich zu den rigiden SPES eine an die postoperative Anatomie besser angepasste Stentanlage möglich. Hier wurden in Fallserien Heilungsraten von 78 – 100 % beschrieben [1257]
[1258]
[1259]
[1260]
[1261]. Die größte Fallserie von 115 Patienten mit Leckagen nach Ösophagogastrostomie, Ösophagojejunostomie und Ösophagokolostomie beschreibt eine komplette Heilung nach Einlage von voll gecoverten Metallstents in 70 % der Fälle; die elektive Stententfernung erfolgte endoskopisch in 80 % der Fälle nach 54 d (17 – 427 d), in 3 % via Laparotomie. Stentdislokation trat in 53 % auf (ösophagogastrische Anastomose: 49 %; ösophagojejunale Anastomose: 61 %, ösophagokolonische Anastomose in allen Fällen). Eine Anastomosenstenose bildete sich in 12 % aus, die Mortalität betrug 9 % [1262]. Für die Einlage eines voll gecoverten Metallstents bei Anastomosenleckage nach bariatrischer Chirurgie liegt eine Metaanalyse von 7 Studien (67 Patienten) vor [1263]. Die Leckageverschlussrate lag bei 87,77 % (95 % CI 79,39 – 94,19 %), die Rate erfolgreicher endoskopischer Stententfernungen bei 91,57 % (95 % CI 84,22 – 96,77 %). Eine Stentmigration trat in 16,94 % (95 % CI 9,32 – 26,27 %) auf.
Alternativ ist bei Leckagen im oberen Gastrointestinaltrakt eine endoskopische Vakuumtherapie mit Einlage eines Schwamms in die Leckage oder endoluminal auf Höhe der Leckage möglich. Das Prinzip ist die Absaugung von Wundsekret, die Verbesserung der Durchblutung und die Erzeugung von Granulationsgewebe. Der Schwamm wird dazu an einen kontinuierlichen Unterdruck über eine Vakuumpumpe angeschlossen, ein regelmäßiger Schwammwechsel kann bis zu 2 – 3 ×/Woche erforderlich sein. Nachdem die ersten Fallserien mit selbst hergestellten Sonden-Schwamm-Kombinationen durchgeführt wurden, steht neuerdings auch ein kommerziell erhältliches und für die Therapie von ösophagealen Leckagen zugelassenes System zur Verfügung, das mit dem Overtube-Prinzip arbeitet (Eso-Sponge®, Braun Melsungen AG). In einem systematischen Review von 7 Studien [1264] erzielte die endoskopische Vakuumtherapie bei 76 von 84 Patienten (90 %) mit einer Leckage im oberen Gastrointestinaltrakt eine erfolgreiche Ausheilung, wobei keine mit der endoskopischen Vakuumtherapie assoziierten Komplikationen auftraten.
Die Therapieentscheidung Stent vs. endoskopische Vakuumtherapie kann aufgrund der eingeschränkten Datenlage für die Vakuumtherapie noch nicht endgültig beantwortet werden. Zwei retrospektive Studien verglichen die Stenttherapie mit der endoskopischen Vakuumtherapie bei ösophagealen Leckagen. Schniewind et al. [1265] untersuchte 62 Patienten mit Anastomosenleckagen nach Ösophagusresektion. Nach Matching der APACHE-Scores zu Beginn der Komplikationstherapie hatte die Gruppe mit endoskopischer Vakuumtherapie eine signifikant niedrigere Mortalität (12 %) im Vergleich zu chirurgisch therapierten (50 %) und mittels Stent therapierten (83 %) Patienten. Brangewitz et al. [1266] verglichen 39 Patienten, die einen Stent erhielten, mit 32 Patienten, die mit endoskopischer Vakuumtherapie behandelt wurden. Die Heilungsrate der Leckagen war nach endoskopischer Vakuumtherapie signifikant höher (84 vs. 54 %). Anders als in der Studie von Schniewind et al. [1265] war die Mortalität aber nicht unterschiedlich. Obwohl beide retrospektiven Studien einen Vorteil für die endoskopische Vakuumtherapie sehen, sind die Vergleiche mit Vorsicht zu betrachten. Die in diesen Studien berichteten Daten für die Stenttherapie (83 % Mortalität, bzw. 54 % Heilungsrate) sind weit schlechter als die oben genannten Ergebnisse in großen Serien zur Stenttherapie. Insofern sind weitere vergleichende Studien, insbesondere randomisierte Studien, notwendig, um die vielversprechenden ersten Ergebnisse der Vakuumtherapie zu bestätigen und mit der langjährig etablierten Stenttherapie zu vergleichen.
Für postoperative Leckagen im unteren Gastrointestinaltrakt ist die endoskopische Vakuumtherapie bereits seit Jahren fest etabliert. Hier liegen Erfolgsraten zwischen 56 und 97 % vor. Die Schwammtherapie war für 21,5 – 34,4 Tage, mit 5,7 – 13 Schwammwechsel [1267]
[1268]
[1269]
[1270]. Die Stenttherapie spielt bei postoperativen Leckagen im unteren Gastrointestinaltrakt keine Rolle.
Der endoskopische Verschluss von Leckagen und Fisteln mit Clips war lange nur Einzelfallberichten vorbehalten; technisch scheiterte der Verschluss meist an der kleinen Spannbreite und der geringen Kompressionskraft der Through-the-Scope Clips (TTSC). Mit der Verfügbarkeit der Vollwandverschluss-Clips (OTSC®; Ovesco Endoscopy AG, Tübingen) wurden diese Beschränkungen überwunden. Die auf eine Plastikkappe geladenen Clips werden, ähnlich einer Gummibandligatur, nach Einsaugen oder Hereinziehen der Läsion in die Kappe über den Zug an einem Faden abgesetzt. Durch ihre hohe Spannbreite und Kompressionskraft sind auch sichere Vollwandverschlüsse, auch nach natural-orifice-transluminal-surgery (NOTES)-Zugängen, möglich. Voraussetzungen für die Anwendung eines Vollwandverschluss-Clips bei postoperativen Leckagen sind dabei: Erreichbarkeit mit dem kappenarmierten Endoskop, Leckage klein genug, um mit einem Vollwandverschlussclip gefasst zu werden, ausreichend vitale und tragfähige Ränder und Ausschluss einer hinter der Leckage gelegenen Höhle, die nach Verschluss nicht ausreichend drainiert wäre. In einem systematischen Review [1271] erzielte der Vollwandverschluss-Clip bei Leckagen im Gastrointestinaltrakt eine Gesamterfolgsrate von 220/301 (73 %), wobei die Raten am oberen (135/186, 73 %) und unteren (73/94, 78 %) Gastrointestinaltrakt nicht signifikant unterschiedlich waren. Bei alleiniger Betrachtung postoperativer Leckagen lag die Erfolgsrate bei 81/120 (68 %).
4.7.3 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Zum Abschluss jeder interventionellen Stenosetherapie soll eine endoskopische Kontrolle erfolgen, um akute Blutungen oder Perforationen auszuschließen.
Starker Konsens
Empfehlung
Wegen der noch zweizeitig möglichen Perforation kann in Abhängigkeit vom Risikoprofil eine Überwachung unter stationären Bedingungen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Wegen des Perforationsrisikos nach Bougierung und Ballondilatation und zur Beurteilung einer ggf. auftretenden Blutungskomplikation ist eine abschließende Beurteilung nach Bougierung oder Ballondilatation unumgänglich. Blutungskomplikationen treten eher selten auf, Perforationen wurden in bis zu 3 % beschrieben [1271]
[1272]
[1273]
[1274]
[1275]. Ob eine stationäre Überwachung über 24 h erforderlich ist, richtet sich nach der Komplexität der Stenose und dem Risikoprofil des Patienten. Rezidivierende Dilatationsbehandlungen bei chronischen Stenosen können bei unkomplizierter Intervention auch ambulant durchgeführt werden.
Die enterale endoskopische Einlage eines selbstexpandierenden Metallstents birgt je nach Lokalisation und Art der Stenose (benigne/maligne) ein Risiko für Schmerzen, Perforation sowie Stentdislokation und seltener Blutungskomplikationen [1147]. Die Daten zu Komplikationen wurden bereits detailliert unter den entsprechenden Indikationen aufgeführt (s. o.). Hier kann eine stationäre Überwachung sinnvoll sein.
4.8 Endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP)
Einleitung: Seit der ersten endoskopisch-retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP) durch McCune und Kollegen (McCune, 1968) und der ersten Sphinkterotomie (Kawai, 1974; Classen, 1974) hat sich diese endoskopische Technik von der zunächst diagnostischen Anwendung zu einer mittlerweile fast ausschließlich therapeutisch genutzten Intervention weiterentwickelt. Die derzeit anerkannten Indikationen sind in [Tab. 47] zusammengestellt [1276]
[1277].
Tab. 47
Indikation.
biliär therapeutisch
|
Choledocholithiasis
|
benigne Gallengangsstenosen (z. B. postoperativ, narbig; dominante Striktur bei PSC etc.)
|
Gallengangsleckage
|
maligne Gallengangsstenosen (Cholangio-Ca, Pankreaskarzinom, Kompression durch Lymphome oder Metastasen)
|
Papillentumor (i. R. der Papillektomie)
|
biliär diagnostisch
|
erweiterte Gallengangsdiagnostik (Cholangioskopie, Intraduktale Sonografie, Biopsie/Zytologie)
|
Small duct disease, bzw. klinisch dringender V. a. primär-sklerosierende Cholangitis (PSC) und nicht wegweisende Magnetresonanzcholangiopankreatikografie (MRCP)
|
Sphinkter Oddi-Dysfunktion (SO-Manometrie)
|
Pankreas therapeutisch
|
chronische Pankreatitis (Steine, Stenosen)
|
Pankreasgangruptur
|
transpapilläre Pseudozystendrainage
|
4.8.1 Spezielle Kontraindikationen
-
Therapie mit dualer Plättchenaggregationshemmung (in Abhängigkeit vom Risiko und der Dringlichkeit der geplanten Intervention).
-
(Siehe Kapitel 3.2.2: Blutungsrisiko endoskopischer Eingriffen und Kapitel 3.2.4: Empfehlungen zur Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil bestimmter endoskopischer Eingriffe.)
-
Nicht passierbare Stenose im Magenausgangsbereich.
4.8.2 Spezielle Vorbereitung
Lagerung während der ERCP
Empfehlung
Die ERCP sollte bei nicht intubierten Patienten in Bauchlage (oder alternativ in Linksseitenlage) ausgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Studiensituation zur Patientenposition ist uneinheitlich. Eine prospektive Untersuchung [1278] ergab signifikante Vorteile bezüglich Erfolgsrate und notwendigen Kanülierungsversuchen für die Bauchlage; zudem war die Rate kardiorespiratorischer Probleme in Rückenlage höher (41 vs. 6 %, p = 0,039). Eine weitere Studie [1279] ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Patientenlagerungen. Eine große retrospektive Serie zeigte Vorteile für die Bauchlage bezüglich der technischen Schwierigkeitsgrade [1280]. Bei Durchführung der Untersuchung in Intubationsnarkose ist die Rückenlage übliche Praxis, wobei eine Umlagerung in Bauch- oder Linksseitenlage hilfreich sein kann.
Für die korrekte anatomische Darstellung der intrahepatischen Gallenwege ist eine Positionierung in Bauch oder Rückenlage hilfreich, ebenso für die klare Zuordnung des Pankreasgangs bei Drahtkanülierung. In Seitenlage kann es zu einer überlagerten Darstellung der intrahepatischen Gallengänge kommen.
Empfehlung
Die ERCP soll unter sterilen Ausgangsbedingungen für den Instrumentierungstisch erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP unter sterilen Ausgangsbedingungen durchzuführen, dient der Infektionsprophylaxe des Patienten durch Schutz vor Übertragung von Fremdkeimen. Dies umfasst die Vorbereitung der Instrumente auf einem steril abgedeckten Tisch und die Verwendung von sterilen Handschuhen für Untersucher und Assistenz. Für die Aufbereitung der verwendeten Endoskope gilt die RKI-Richtlinie. Klinische Studien zur Frage von sterilen versus keimarmen Ausgangsbedingungen in der ERCP liegen nicht vor. Basis zur Keimreduktion und Infektionsprophylaxe bleibt die Einhaltung der Standards für Händedesinfektion und Händehygiene [1281]. Ein Argument für das Tragen von zumindest sterilen Handschuhen ist die Tatsache, dass unsterile Handschuhe nach der Produktion keiner Maßnahme zur Keimreduktion (z. B. Bestrahlung) unterzogen werden. Zudem bestehen die im unsterilen Bereich verwendeten Handschuhe meist aus PVC. Diese weisen eine hohe Perforationsquote mit einer Fehlerlokalisation im Bereich der Fingerkuppen von bis zu 42 % nach dem Tragen auf, am ehesten infolge der geringen Materialstärke. Diese orientiert sich am Ende der amerikanischen Norm mit einer Mindestmaterialstärke im Bereich der Fingerkuppen gem. ASTM 5151 von 5/100 mm. Wegen der besseren Trageeigenschaften, Griffigkeit und der höheren mechanischen Belastbarkeit empfiehlt die AWMF-Leitlinie im OP-Bereich den Einsatz puderfreier OP-Handschuhe aus Naturlatex oder alternativ Nitrillatex [1281].
CO2-Insufflation
Empfehlung
Die Verwendung von CO2 in der ERCP kann postinterventionelle Schmerzen und die abdominelle Distension reduzieren.
Starker Konsens
Empfehlung
Die perorale Cholangioskopie soll wegen des Risikos einer Luftembolie obligat unter CO2-Insufflation oder Wasserspülung durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine aktuelle Metaanalyse zum Einsatz der CO2-Insufflation im Vergleich zur Standardinsufflation von Raumluft bei der ERCP analysierte die Daten von 7 randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt 818 Patienten [1282]. Die Analyse ergab eine signifikante Verminderung der abdominellen Distension und der abdominellen Schmerzen 1 Stunde post-ERCP, sowie eine tendenzielle Verminderung der beiden Parameter bis zu 24 Stunden nach der Intervention. Die Rate von Komplikationen (kardiorespiratorisch), der Zeitbedarf für die ERCP und die Kosten der Gesamtprozedur war nicht unterschiedlich.
Bei der direkten peroralen Cholangioskopie mit Luft kann wahrscheinlich aufgrund des größeren Gerätedurchmessers ein erhöhter Druck in den Gallenwegen entstehen, hier wurden fatale Luftembolien beschrieben [1283]
[1284]. Deshalb sollte bei dieser Technik die Verwendung von CO2-Insufflation oder Wasserspülung obligat sein.
Empfehlung
Die gesetzlichen Regelungen des Strahlenschutzes sollen sowohl für die Patienten als auch für das Personal strikt eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Reduktion der Strahlendosis sollen technische Hilfsmittel möglichst optimal genutzt werden.
Durch gepulste statt kontinuierliche Strahlung (niedrigste mögliche Pulsrate), Einblendung auf das Gebiet des Interesses, möglichst wenige Aufnahmen (Nutzung der sogenannten „Last image hold-Funktion“, bei der das Durchleuchtungsbild gespeichert wird) kann eine erhebliche Reduktion der Strahlendosis erreicht werden [1285]. Strahlenschutz der Patienten durch Abdeckung, des Personals durch geeignete Bleiglasabdeckungen, Tragen persönlicher Schutzkleidung (Schürzen/Mäntel; Schilddrüsenschutz, ggf. Schutzbrille) ist geeignet die Strahlenbelastung zu reduzieren. Die mittlere Hauteintrittsdosis (ESD) während der ERCP liegt zwischen 55 und 347 mGy in den meisten Studien; wobei die Werte bei therapeutischer ERCP circa drei Mal höher liegen als bei der diagnostischen ERCP. Die mittleren Werte des kerma-area product (KAP) für die diagnostische und therapeutische ERCP liegen im Bereich von 3 – 115 Gy∙cm² und 8 – 333 Gy∙cm² [1285].
Es sollte grundsätzlich keine diagnostische ERCP bei Schwangeren durchgeführt werden, sondern alternative Techniken (transkutane Sonografie, MRCP, Endosonografie) genutzt werden. Ist eine therapeutische ERCP erforderlich, sollte diese bei elektiven Situationen möglichst im 2. Trimenon erfolgen, da die Strahlenbelastung des Fetus im ersten Trimenon besonders hoch und sich das Kind im dritten Trimenon bereits sehr nahe am biliopankreatischen System und damit im Strahlenfeld befindet. Die Untersuchung sollte bei Schwangeren nur durch erfahrene Untersucher erfolgen, um die Untersuchungszeit und die Strahlenbelastung möglichst niedrig zu halten und die Risiken der Untersuchungen zu minimieren [1285]
[1286].
(Siehe auch Kapitel Kap. 4.16 Endoskopie in der Schwangerschaft).
Empfehlung
Die ERCP soll in Sedierung durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Durchführung der ERCP unter Sedierung ist allgemeiner Standard. Zur ERCP ohne Sedierung liegen keine vergleichenden Untersuchungen oder größere Fallserien vor. Für die Sedierung gelten die Anforderungen der gültigen S3-Leitlinie zur Sedierung in der Endoskopie. Interventionelle ERCPs bei eingeschränkten Patienten (mind. ASA 3) sollten nach der überarbeiteten S3-LL mit Anästhesie bzw. ggf. in Intubationsnarkose erfolgen (Verweis aktuelle Sedierungs-LL)
4.8.3 Durchführung
Empfehlung
Für die Standard-ERCP sollen Duodenoskope mit Seitblickoptik verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Duodendoskope sind als diagnostische und therapeutische Endoskope mit variablem Durchmesser (7,5 – 12,1 mm) und Arbeitskanal (2,0 – 4,8 mm) verfügbar. Eine Firma bietet den Elevator/Alberan Hebel mit V-förmiger Kerbe zur besseren Fixation von Führungsdrähten an [1287]. Vergleichende Studien zwischen verschiedenen Gerätetypen oder Herstellern liegen aber nicht vor.
4.8.3.1 Medikamentöse Komplikationsprophylaxe
Zu Antibiotikaprophylaxe siehe Kapitel 3.3.
Empfehlung
Zur medikamentösen Prophylaxe einer Post-ERCP-Pankreatitis (PEP) soll 100 mg Diclofenac oder 100 mg Indomethacin rektal als Suppositorium vor oder unmittelbar nach der ERCP appliziert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur medikamentösen Prophylaxe einer PEP ist bisher nur die rektale Gabe von Diclofenac oder Indomethacin in mehreren vergleichenden Studien evidenzbasiert [1288]
[1289]
[1290]
[1291]
. Die rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indomethacin unmittelbar vor oder nach der ERCP mit Papillotomie reduzierte die Inzidenz der PEP signifikant und soll daher standardgemäß angewandt werden, dies ist auch bereits in der europäischen Leitlinie zur Prophylaxe der PEP verankert [1292]. In der kürzlich aktualisierten Version der gleichen Leitlinie [1293] wird auf der Basis neuer Daten aus aktuellen Metaanalysen von prospektiv-randomisierten Studien [1294]
[1295]
[1296]
[1297]
[1298]
[1299] die routinemäßige Anwendung der o. g. NSAR bei allen ERCP von Patienten ohne Kontraindikationen dringend empfohlen. Die „numbers needed to treat“ (NNT) liegt dabei zwischen 11 und 20.
4.8.3.2 Prozedurenabhängige Komplikationsprophylaxe
Einführung: Als definitive Risikofaktoren für eine PEP wurden unter anderem patientenabhängig der V. a. Sphinkter Oddi-Dysfunktion, weibliches Geschlecht und eine vorangegangene Pankreatitis ermittelt. Prozedurabhängig wurden die Precut-Sphinkterotomy und die Injektion von Kontrastmittel in den Pankreasgang als Riskikofaktoren ermittelt [1300]
. Daneben konnte u. a. ein jüngeres Patientenalter, das Fehlen einer chronischen Pankreatitis oder einer Gallengangdilatation, eine hohe Zahl von Kanülierungsversuchen an der Papille, die Ballondilatation des Gallangangsphinkters mit Ballons bis zu 10 mm und die Pankreas-EPT als relative Risikofaktoren identifiziert werden [1293]
[1301]
.
Empfehlung
Die Kanülierung des Gallen- und Pankreasganges bei nicht papillotomierten Patienten sollte primär mit Führungsdraht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die drahtgeführte Kanülierungstechnik ist zur Prophylaxe der PEP gut belegt und sollte daher der Standard sein [1302]. Auch wenn eine aktuelle monozentrische Studie und eine Metaanalyse aus dem Jahr 2009 keinen Vorteil für die drahtgeführte Kanülierungstechnik zeigte [1303]
[1304], stehen diesen Daten zwei aktuelle Metaanalysen entgegen. Die Verwendung eines Führungsdrahts reduzierte im Vergleich zur primären kontrastmittelgeführten Intubation signifikant das PEP-Risiko und erhöhte zudem die Chance der primären Intubation (89 vs. 78 %, RR 1,19, 95 % CI 1,05 – 1,35) [1302]. Dies wird in einer weiteren aktuellen Cochrane-Metaanalyse [1305] erneut bestätigt (2,7 vs. 6,8 %; RR 0,.37, 95 % CI 0,18 – 0,76; I2 54 %; NNT: 26, 95 % CI 16 – 74).
Empfehlung
Die Kontrastmittelfüllung des Pankreasganges sollte bei geplanten Interventionen am Gallengang vermieden werden.
Starker Konsens
Kommentar
Studien zeigen, dass mit der Anzahl der Kanülierungsversuche und der Anzahl und Ausmaß der Kontrastmittelapplikation in den Pankreasgang die Rate der Post-ERCP-Pankreatitis (PEP) ansteigt. Eine prospektive Serie [1306] belegte z. B., dass bei einmaliger KM-Injektion das PEP-Risiko bei 2,2 %, bei zweimaligem Anfärben bei 4,1 %, bei vierfacher KM-Instillation sogar bei 11,8 % liegt (RR 1,39 [2]
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[1276]
[1363]). Eine Vollfüllung des Pankreasganges vervielfacht das PEP-Risiko signifikant (RR 3,46 [1276]
[1311]). In anderen Metaanalysen konnte die Pankreasganginjektion von Kontrastmittel als signifikanter Risikofaktor für die PEP ermittelt werden [1300]
[1307].
Empfehlung
Bei erhöhtem Risiko für eine PEP sollte zusätzlich zur NSAR-Prophylaxe die passagere Einlage eines Pankreasgangstents in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bezüglich der Einlage eines prophylaktischen Pankreasgangstents bei erhöhtem Risiko für PEP zeigte eine Metaanalyse von 8 RCTs eine signifikante Reduktion der PEP durch das prophylaktische Pankreasgangstenting mit einer NNT von 8 [1308]. Der protektive Effekt der Pankreasgangprothese konnte auch in weiteren aktuellen Metaanalysen [1309]
[1310] bestätigt werden. Diese Technik führte bei Patienten mit hohem wie mittleren Risiko zu einer statistisch signifikanten Reduktion der PEP (RR 0,32, 95 % CI 0,19 – 0,52, p < 0,001) [1309].
Die Subgruppenanalyse der Studien von Elmunzer et al. [1299] zur PEP-Prophylaxe mittels Indomethacin ergab bei einer Stratifizierung der Patienten nach zusätzlichem Pankreasgangstent vs. kein Stent keinen additiven Effekt über die NSAR-Gabe hinaus an [1299]. Dies bestätigt auch eine andere Analyse [1311].
Die Implantation einer Pankreasgangprothese zur PEP-Prophylaxe soll bei Risikokonstellationen wie langwierigen Papillenkanülierungen, Precut-Sphinkterotomie, Kanülierung des Gallenganges über einen einliegenden Draht im Pankreasgang und Ballondilatation des Gallenganges mit kleinkalibrigen Ballons erwogen werden [1292]. Zu beachten ist die Verwendung kleinlumiger Pankreasstents und die frühzeitige Entfernung des Pankreasgangstents nach 3 – 5 Tagen um Pankreasgangschäden zu vermeiden [1292]
[1312]
[1313]. Der Pankreasstent sollte aber mindestens (!) 12 – 24 Stunden in situ bleiben [1293]. Neue Daten zeigen, dass 5 French-Plastikstents effektiver sind als 3 French-Stents und sollten daher präferiert werden [1314].
Ein erhöhtes Risiko durch die Implantation eines Pankreasstents konnte in einer Metaanalyse [1309] nicht nachgewiesen werden.
Empfehlung
Ist eine primäre Intubation mit dem Katheter/Draht nicht möglich, sollte je nach Dringlichkeit der Intervention die ERCP-Sitzung beendet und in den Folgetagen wiederholt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Mit der Länge der Untersuchungsdauer und der Zahl der Manipulationen am Papillenorificium steigt signifikant die PEP-Rate [1315]. Zur Reduktion des Post-ERCP-Pankreatitisrisikos sollte daher die Dauer der Manipulation an der nativen Papille und die Zahl der Kanülierungsversuche begrenzt werden. In Studien wurde dazu ein Zeitlimit von etwa 9 – 15 min. gesetzt, wobei diese Grenze arbiträr ist.
Mit der Zahl der Kanülierungsversuche steigt signifikant das PEP-Risiko. So konnte in der Studie von Bailey et al. [1315] belegt werden, dass bei 10 – 14 Versuchen der Papillenkanülierung das relative Risiko um 4,4fach erhöht (OR Z 4,4, P Z 0,031)ist, bei mehr als 15 Versuchen sogar um 9,4fach erhöht ist (P Z 0,013). (multivariat; prospektiv). Diese Daten werden von einer aktuellen Studie bestätigt [1303], bei der das PEP-Risiko bei mehr als 10 Kanülierungsversuchen auf 21,9, bzw. 19,6 % (Standardkanülierung, bzw. drahtgeführte Kanülierung) stieg.
Bei Wiederholung der Untersuchung am Folgetag gelingt die Intubation in den meisten Fällen sogar durch den gleichen Untersucher [1316]. Bei Verlegung in ein tertiäres Zentrum nach erfolglosem externem Intubationsversuch lag die Erfolgsquote für die ERCP bei 100 % [1316].
Empfehlung
Alternativ kann durch einen Vorschnitt („precut“) die Erfolgsrate der Intubation erhöht werden. Dazu können verschiedene technische Varianten angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Durch die Precut-Papillotomie kann die Erfolgsrate der tiefen Gallengangsintubation auf Kanülierungsraten von etwa 90 % erhöht werden. Im Rahmen von randomisiert-kontrollierten Studien zum frühen Einsatz der Precut-Technik verglichen mit der fortgesetzten Kanülierung zeigten zwei Metaanalysen allerdings keinen signifikanten Unterschied für die Kanülierungsrate und die Gesamtkomplikationen, wohl aber eine geringere Post-ERCP-Pankreatitisrate bei Anwendung der frühen Precut-Technik [1317]
[1318].
Es gibt verschiedene technische Varianten und Instrumente zur Precut-Papillotomie. Die Verwendung eines Nadelmessers oder eines Drahtzug-Papillotoms (z. B. Typ Erlangen), wobei sich letzteres weltweit nicht durchgesetzt hat [1319]. Eine retrospektive Analyse der beiden Techniken ergab keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Komplikationsrate (6,4 vs. 7,8 %) [1320].
Beim Einsatz des Nadelmessers, das in der klinischen Praxis die größte Verbreitung hat wird die klassische Nadelmesser-Papillotomie (vom Pylorus zum Papillendach) und die klassische Fistulotomie des Papillendachs (nach oben oder unten/suprapapapilläre Fistolotomie) beschrieben. Die suprapapilläre Fistulotomie scheint die geringste Pankreatitisrate aufzuweisen, da das Pankreasgangorificium nicht betroffen ist [1321]. Bei der suprapapillären Fistulotomie wird allerdings eine kleinere maximal Öffnung erreicht als bei der klassischen Technik. Eine technische Variante zum Precut ist die Papillotomie über den Pankreasgangsphinkter um in den Gallengang zu gelangen. Dazu wurden in mehreren Serien von erfahrenen Untersuchern hohe Erfolgsraten [1322]
[1323]
[1324]
[1325]
[1326] publiziert.
Eine weitere Variante ist, bei fehlgeschlagenem Zugang zum Gallengang und primärer Intubation des Pankreasganges, die primäre Implantation eines Pankreasgangstents oder das Belassen eines Führungsdrahtes im Pankreasgang und die anschließende drahtgeführte Intubation des Gallengangs [1327]
[1328]
[1329]
[1330]
[1331]
[1332].
Da es sich hier überwiegend um Fallserien und nur wenige vergleichende Studien mit unterschiedlichem Studiendesign handelt, ist eine vergleichende Aussage zu Erfolgs- und Komplikationsrate der jeweiligen Techniken schwierig. Anhand der vorliegenden Daten scheint der Precut nach Einlage eines Pankreasgangstents mit einer geringeren Rate an Post-ERCP-Pankreatitis einherzugehen [1330]
[1332].
Empfehlung
Ein Precut sollte durch einen erfahrenen Untersucher oder unter Anleitung durch einen erfahrenen Untersucher erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Mehrere Metaanalysen und große Studien belegten für die Precut-Papillotomie ein erhöhtes Risiko für PEP, Blutung und Perforation [1307]
[1333]. Eine ältere Metaanalyse [1300] berechnete das relative Risiko der Precut EST auf 2,71 (95 % CI 2,02 – 3,63, p < 0,001).
Aktuell wird diskutiert, ob die erhöhte Komplikationsrate nicht der Precut-Papillotomie als solche, sondern eher dem Zeitpunkt und der Indikation des Precuts geschuldet ist. Diesbezüglich zeigen zwei aktuelle Metaanalysen [1317]
[1318], dass eine frühe Entscheidung zum Precut im Vergleich zu einer langen Manipulationsdauer mit multiplen Kanülierungsversuchen die Erfolgsrate erhöht, das Risiko der PEP sogar senkt, aber nicht das Gesamtkomplikationsrisiko reduziert.
Evidenzen für die Durchführung eines Precuts nur durch sehr erfahrene Untersucher liegen nicht vor, dies ist aber geübte klinische Praxis [1334]
[1335]. Im ERCP-Curriculum wird explizit darauf hingewiesen, dass diese Prozedur „potenziell gefährlich in unerfahrenen Händen“ ist und dass eine „erhebliche Expertise erforderlich“ ist, bevor der Weiterzubildende versuchen sollte, diese Technik zu erlernen [1336].
Studien, bei denen der Precut ausschließlich durch erfahrene Untersucher oder Untersucher unter Anleitung eines erfahrenen Endoskopikers erfolgten, konnten keinen Unterschied bezüglich den Komplikationen zwischen den ersten 20, bzw. 50 % und den letzten 50, bzw. 25 % der Papillotomien nachweisen [1337]
[1338].
4.8.3.3 Alternative Zugänge
Empfehlung
Ist der Zugang zu den Gallenwegen mit dem Duodenoskop auf dem oralen Weg wegen geänderter anatomischer Situationen nach Voroperationen nicht erreichbar, sollte ein Versuch mit einem langen Endoskop oder Ballonenteroskop erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Seit Einführung des Doppelballonenteroskops 2001 hat sich der Zugang zu den Gallenwegen bei postoperativ veränderter anatomischer Situation (Billroth-II-Gastrojejunostomie, Roux-Y-Gastrojejunostomie, Lebertransplantation mit Roux-Y-Hepaticojejunostomie, Bariatrische OP mit Roux-Y-Jejunojejunostomie) unter Verwendung eines Single- oder Doppelballonenteroskops zunehmend etabliert. Interventionen an der Papille, der bilidigestiven Anastomose bzw. dem pankreaticobiliären System erfolgen mit speziellen langen B-II Papillotomen, Steinentfernungskörben, Führungsdrähten mit einer mindestens 480 cm Länge, langen Ballonsystemen zur druckgesteuerten Dilatation sowie drahtgeführten Dilatatoren und biliären 5 – 7 F Kunststoffstents [1339].
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2008 schloss 16 bis zu diesem Zeitpunkt publizierte Serien bei 63 Patienten zur Verwendung eines Doppel- oder Singleballonsystems zur ERCP nach Voroperationen ein [1340]. Hier wurde eine Diagnose bei 83 % der Patienten gestellt. Therapeutische Interventionen wie Ballondilatation der Papille, Steinextraktion, Stenteinlage oder Pankreasganginterventionen gelangen bei 35 von 63 Patienten. Schwerwiegende Komplikationen traten nicht auf. In einer großen aktuellen Single Center Serie von 180 Enteroskopie-ERCPs bei 129 Patienten wurde die Papille oder die biliodigestive Anastomose bei 71 % erreicht. Davon gelang in 88 % eine erfolgreiche ERCP [1341]. Gründe für das Scheitern der ERCP waren Nichterreichen der Papille oder der BDA (n = 23), erfolglose Kanülierung (n = 11), starke Angulierung der zuführenden Schlinge (n = 8) und Nichtidentifikation der Jejunojejunostomie (n = 6). Im klinischen Follow-up über 6 Monate waren 51 wiederholte Enteroskopie-ERCPs erforderlich. Komplikationen wurden in 12,4 % beschrieben, diese waren Pankreatitis (n = 5), Blutung (n = 1) abdominelle Schmerzen (n = 4) Halsschmerzen (n = 4), Perforationen (n = 2) und ein letaler Schlaganfall bei Luftembolie (n = 1). Die Analyse ergab keinen Vorteil hinsichtlich der Effizienz für eine bestimmten anatomische Situation oder die Verwendung eines Enteroskoptyps. Eine kleinere retrospektiv vergleichende Studie zwischen Doppelballon und Singleballon konnte ebenfalls keinen Unterschied hinsichtlich Erfolgsrate oder Komplikationen nachweisen [1342]. Einzelne Serien berichten auch über die erfolgreiche Anwendung der Spiralenteroskopie für diese Indikation [1343]. Zum praktischen Vorgehen ist anzumerken, dass bei maligner Indikation mit der Notwendigkeit zu rezidivierenden Eingriffen und ggf. Stentwechseln aufgrund des erhöhten Aufwandes der Untersuchung die Alternative einer PTCD überdacht werden sollte. Es können nur Kunsstoffstents unter einem Durchmesser unter 10 French verwendet werden. Selbst expandierende Metallstents mit einer für ein Ballonenteroskop erforderlichen Länge des Einführsystems liegen bisher nicht vor.
Empfehlung
Bei Versagen des transpapillären Zuganges zu den Gallenwegen kann ein Rendezvous mittels PTC durchgeführt werden (siehe Kapitel 4.12: PTCD).
Starker Konsens
Empfehlung
Als weitere Alternative kann der Zugang zu Gallenwegen oder dem Pankreasgang bei gegebener Indikation mittels Rendezvous über einen endosonografischen Zugang erreicht werden (siehe Kapitel: 4.11.3 EUS gestützte Gallengangs- und Pankreasdrainage).
Starker Konsens
Kommentar
Das Risiko des kombinierten perkutanen/endoskopischen Zuganges ist höher als das des direkten transpapillären Zugangs. Dies begründet sich primär durch die höhere Komplikationsrate der PTC.
Der endosonografische Rendezvouszugang zu den Gallenwegen oder dem Pankreasgang wurde bisher in Fallserien beschrieben. Eine aktuelle retrospektive Studie vergleicht erstmals die EUS-gesteuerte Rendezvoustechnik bei einem selektionierten Patientengut mit distaler Gallengangsobstruktion mit einem historischen Precut-Kontrollkollektiv für den Zugang zu den Gallenwegen. Die Erfolgsrate für das EUS-Rendezvous lag mit 98,3 vs. 90,3 % (p = 0,03) über der Precut-Gruppe ohne Unterschiede hinsichtlich der Komplikationsrate (3,4 vs. 6,9 %, p = 0,27) [1344].
4.8.3.4 Papillotomie
Empfehlung
Standard zur Papillotomie sollte der Einsatz eines führungsdrahtgeführten Papillomiekatheters sein.
Starker Konsens
Kommentar
Technische Variante ist ein teilweise durch Isoliermaterial geschützter hintere Anteil des Schneidedrahts, der eine zu weite Intubation der Papille mit dem Schneidedraht und damit einen unkontrollierten langen Schnitt („zipper“) verhindern soll [1345].
Empfehlung
Bei der Sphinkterotomie sollte ein gemischter Schneidestrom zur Reduktion von Blutungskomplikationen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt mehrere prospektive Serien und 4 prospektiv-randomisierte Studien, die den Effekt unterschiedlicher Stromapplikation und gemischten Stromanteilen bei der Sphinkterotomie analysiert haben. Eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Geräten ist begrenzt, da die Stromgeneration unterschiedlich ist und in den modernen Gerätesystemen eine Softwaresteuerung integriert ist, die im Hintergrund die zuvor geübte Praxis, dass der Untersucher die Anteile von Koagulations- und Schneidestrom über ein Pedal selbst steuert, weitestgehend ersetzt hat [1346].
Eine Metaanalyse von 4 prospektiven randomisierten Studien mit 804 Patienten [1347] belegte, dass gemischter Strom die PEP-Rate nicht signifikant erhöht (Pure-current-Gruppe 3,8 % (CI 1,0 – 6,6 %) versus Mixed-current-Gruppe 7,9 % (CI 3,1 – 12,7 %, p > 0,05). Bei reinem Schneidestrom ist aber das Risiko der (zumeist leichten) post-EST Blutung signifikant höher (Pure-current-Gruppe 37,3 % [95 % CI 27,3 – 47,3 %] vs. Mixed-current-Gruppe 12,2 % [95 % CI 4,1 – 20,3 %]).
Bei der Pankreasgangsphinkteromie ist die Datenlage uneinheitlicher. Einzelne Experten empfehlen die Verwendung eines reinen Schneidestroms, um eine Koagulation des Zugangs zum Pankreasgang und damit das Risiko der PEP wie auch der sekundären, narbigen Stenose zu reduzieren. Überzeugende Daten dazu fehlen allerdings genauso wie auch Studien, die die Unterschiede zwischen den Stromarten aufzeigen, wenn die heute nahezu obligate Implantation einer protektiven Pankreasgangprothese nach Pankreaspapillotomie erfolgt ist. Da die Überlegungen zur Blutung analog für beide Schnittlokalisationen gelten, sollte auch zur Pankreassphinkterotomie ein gemischter Strom verwendet werden (niedriger Anteil von Koagulationsstrom) [1348].
Empfehlung
Die Länge der Sphinkterotomie soll sich nach anatomischen Gegebenheiten und der geplanten Intervention richten.
Starker Konsens
Kommentar
Die Länge des EPT-Schnittes hängt von anatomischen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt, dass nur der intraduodenale Verlauf des Gallengangssphinkters inzidiert werden darf, um eine Perforation zu vermeiden. Als „landmark“ gilt die Plica longitudinalis. Bei schwierig einzuschätzendem Verlauf des zu papillotomierenden Segments (z. B. Divertikel, ödematöse Schleimhaut) sind verschiedene Techniken publiziert, die die Abschätzung der Schnittlänge verbessern sollen [1349]
[1350]. Es kann ein geblockter Ballon [1351] oder ein maximal gespanntes Papillotom aus dem Gallengang nach unten gezogen und damit der intraduodenale Anteil des Gallengangs oft besser abschätzbar gemacht werden.
Zu berücksichtigen ist, dass eine Stentimplantation auch ohne Papillotomie möglich ist und dass bei geplanter Großballondilatation zur Steinextraktion keine maximale Schnittlänge notwendig ist [1352].
Empfehlung
Die Papillendilatation mit kleinen Ballons – als Alternative zur Sphinkterotomie – sollte nur in begründeten Einzelfällen durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Metaanalyse der prospektiv-randomisierten Studien ergab eine vergleichbar hohe Erfolgsrate der Steinextraktion für Papillendilatation (EPBD) und Sphinkterotomie (EST) (94,3 vs. 96,3 %) bei gleicher Rate an Gesamtkomplikationen (10,5 vs. 10,3 %) [1353]. Die Studienanalyse wies ein signifikant erhöhtes Pankreatitisrisiko nach Papillendilatation (Standard 8 mm Ballon, bzw. 4 – 6 mm Ballon bei schmalem Gallengang) im Vgl. zur klassischen Sphinkterotomie nach (7,4 vs. 4,3 %; p = 0,03). Die Blutungsrate lag bei den dilatierten Patienten signifikant niedriger (0 vs. 2 %, p = 0,01). Eine weitere Metaanalyse bestätigte das erhöhte Pankreatitisrisiko bei einer kurzen Ballondilatation (< 1 min.) im Vergleich zur Sphinkterotomie (RR: 4,14 (1,58 – 12,56)), allerdings sogar ein tendenziell niedrigeres Pankreatitisrisiko, wenn die Ballondilatation länger als 1 Minute erfolgte [1354].
Die Ballondilatation von 6 – 10 mm zeigte im einem aktuellen randomisiert-prospektiven Vergleich zur EPT [1355] (n = 132, Indikation Choledocholithiasis, keine Risikofaktoren) eine geringere Komplikationsrate in der Ballongruppe (8,1 % (5/62) Pankreatitis n = 5) vs. 11,4 % (8/70) Pankreatitis n = 5, Blutung n = 2, Perforation n = 1) mit geringerer Blutungs- und gleicher Pankreatitisrate.
Im Langzeitverlauf wiesen Patienten mit einer Sphinkterotomie nach einem mittleren Follow-up von 6,7 Jahren eine signifikant erhöhte Rate an biliären Komplikationen (25 vs. 10,1 %) auf, insbesondere Cholezystitis, Cholangitis und Cholecystolithiasis. Die multivariate Analyse ergab für Patienten mit Sphinkterotomie ein relatives Risiko von 2,38 (1,1 – 5,4; p = 0,03) für biliäre Komplikationen [1356]. Diese Daten dieser Studie warten noch auf Bestätigung durch weitere Serien.
Die Papillendilatation scheint eine Alternative bei Patienten mit Koagulopathien zu sein, ansonsten ist derzeit die klassische Papillotomie noch als Standardverfahren anzusehen.
Die Bewertung der Papillendilatation mit großlumigen Ballons zur Extraktion großer Steine erfolgt im Themenkomplex Choledocholithiasis.
Empfehlung
Eine Empfehlung für die Auswahl eines bestimmten Führungsdrahtes für Interventionen am pankreatobiliären System kann anhand der derzeitigen Evidenz nicht ausgesprochen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die zur ERCP eingesetzten Standarddrähte haben einen inneren Draht, der aus Nitinol oder Stahl besteht, und eine Hülle aus Teflon, Polyethylen oder PTFE. Dadurch sind verschiedene Charakteristika der Drähte vorgegeben: Stabilität oder Flexibilität, Röntgendetektion, Gleitfähigkeit, optische Kontrollierbarkeit über das Endoskop. Die meisten Drähte weisen eine flexible, atraumatische Spitze auf und sind aktuell fast ausschließlich für den Einmalgebrauch vorgesehen [1357].
In den letzten Jahren haben verschiedene Hersteller sogenannte Kurzdrahtsysteme an den Markt gebracht, die theoretisch die ERCP-Dauer verkürzen und die Kontaminationsgefahr verringern könnten [1358]. In einer vergleichenden Studie wurde belegt, dass dadurch die Gesamtinterventionsdauer verkürzt, die Instrumentenwechsel beschleunigt (125 vs. 177 sec.; p = 0,05) und die Zeit für die Endoprotheseneinlage verkürzt werden (135 vs. 254 sec.; p > 0,01) [1359]. Evidenzbasierte Daten aus größeren Serien oder Metaanalysen, die den Vorteil längerer oder kürzerer Drähte bzw. bestimmter Drahttypen eindeutig belegen fehlen derzeit, sodass aktuell keine Empfehlung für ein spezielles System abgegeben werden.
4.8.3.5 Choledocholithiasis
Empfehlung
Die primäre ERCP sollte nur bei Patienten mit gesicherter oder mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Choledocholithiasis erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP hat eine sehr hohe diagnostische Sensitivität (> 98 %) für den Nachweis von Gallengangssteinen [1360]
[1361]. Wegen der Risiken der ERCP wird bei niedriger oder geringerer Wahrscheinlichkeit für eine Choledocholithiasis die Endosonografie oder eine Schnittbildgebung (MRT mit MRCP oder CT) empfohlen [1362]. Ein systematischer Review von 4 randomisierten Studien [1363] zum Vergleich der EUS gesteuerte ERCP versus der direkten ERCP bei V. a. Gallensteinleiden ergab eine signifikante Reduktion der Gesamtkomplikationsrate (RR 0,35, 95 % CI 0,20 – 0,62); p < 0,001) und der PEP (RR 0,21, 95 % CI 0,06 – 0,83, p = 0,030) in der EUS/ERCP-Gruppe. Die diagnostische Genauigkeit der EUS und der MRCP ist nach aktueller Datenlage vergleichbar [1364]. Bei kleinen Steinen zeigte die EUS in vergleichenden Studien eine höhere Sensitivität als die Schnittbildgebung oder der transkutane Ultraschall [1362]
[1365].
Empfehlung
Die ERCP mit Papillotomie und Steinextraktion soll als Standardverfahren zur Behandlung der Choledocholithiasis eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische Steinextraktion nach Sphinkterotomie unter Einsatz von Ballonkatheter oder Körbchen ist eine Standardtherapie und wird mit einer Erfolgsrate von über 90 % in der klinischen Routine eingesetzt [1362]
[1366]
[1367].
Ursachen für das Versagen der Standardtechnik ist in erster Linie ein großer Steindurchmesser (> 15 mm Durchmesser) [1368]. In multivariaten Analysen wurden auch andere Faktoren ermittelt, die eine primäre Steinextraktion erschweren oder unmöglich machen können, z. B. Missverhältnis Steindurchmesser-Gangdurchmesser und anatomische Hindernisse (z. B. Stenosen unterhalb des Steins, intrahepatische Lage, postoperative Zustände) [1369]
[1370].
Empfehlung
Bei großen Steindurchmessern sollte die mechanische Lithotripsie als Methode der ersten Wahl verwendet werden. Als Alternative ist die Papillendilatation mit großlumigen Ballons zu erwägen.
Starker Konsens
Kommentar
Bereits in den frühen 80er-Jahren wurde die mechanische Lithotripsie als Verfahren zur Behandlung großer Steine entwickelt [1371]. In größeren Serien wurden Erfolgsraten von über 81 – 98 %% für diese Methode erreicht [1372]
[1373]
[1374]
[1375]. Limitation der ML ist das Einfangen des Steins zur Fragmentation: Therapieversager wurden daher besonders bei impaktierten Steinen, sowie Steindurchmessern von über 30 mm beschrieben [1376]
[1377].
In den letzten Jahren wurde als Alternative zur ML die großlumige Ballondilatation der Papille bei Patienten mit großen Steinen und dilatierten Gallenwegen eingesetzt [1378]
[1379]
[1380]
[1381]
[1382]
[1383]. Nach einer submaximalen Papillotomie wird dazu ein drahtgeführter Dilatationsballon in die Papille/unteren Gallengang eingeführt und insuffliert. Die in den Studien beschriebenen Ballons haben Durchmesser zwischen 12 und 20 mm und eine Ballonlänge von 5 – 5,5 cm. Nach einer Analyse bis dato publizierter Serien zur Technik [1384] wurde ein initialer Erfolg der Steinextraktion von 91 % (75,5 – 100 % und ein Gesamterfolg von 98 % (88,6 – 100 %) erzielt, wobei in bis zu 9 % noch zusätzlich eine mechanische Lithotripsie erforderlich war.
Die Komplikationsrate der Methode ist relativ gering (Gesamtrate 5 % [0 – 14 %]; davon akute Pankreatitis 2,85 [0 – 8 %] und Blutung 1,2 %). Nur in wenigen Einzelfällen wurden Perforationen beschrieben (2 × Duodenum, 1 × Gallengang), die aber alle konservativ beherrschbar waren [1384].
Eine aktuelle prospektiv-randomisierte Studie [1385] verglich die großvolumige Ballondilatation mit der endoskopischen Sphinkterotomie großer Gallensteine. Hier zeigten sich keine Unterschiede in der kompletten Steinentfernungsrate (97,5 % [39/40] und 95,3 % [41/43], p = 0,600), der Notwendigkeit zur mechanischen Lithotripsie (10 vs. 21 %, p = 0,171) und der Steinclearance in einer Sitzung (82,4 und 81,4 %; p = 0,577). Weiterhin keine Unterschiede hinsichtlich der Komplikationsrate: Pankreatitis 5,0 vs. 7,0 %; Blutung 10,0 vs. 16,3 %; akute Cholangitis 5,0 vs. 2,3 % und Perforation 2,5 vs. 0 %. Eine aktuelle Metaanalyse von 7 prospektiv-randomisierten Studien zur gleichen Fragestellung ergab ebenfalls keine Unterschiede hinsichtlich der Steinclearance. Die großvolumige Ballondilation war mit einer geringeren Gesamtkomplikationsrate als die EST verbunden (5,8 vs. 13,1 %, OR 0,41, 95 % CI 0,24 – 0,68, p = 0,007). Blutungskomplikationen traten bei Ballondilatation weniger häufig auf als bei EST (OR 0,15, 95 % CI 0,04 – 0,50, p = 0,002) [1386].
Auch die Dauer der Papillendilatation scheint hinsichtlich der Komplikationen eine Rolle zu spielen. Eine aktuelle Metaanalyse ermittelte für die Ballondilatation über 1 Minute Dauer eine vergleichbare Komplikationsrate für eine PEP zur endoskopischen Sphinkterotomie aber eine signifikant geringe PEP-Rate im Vergleich zur kurzzeitigen der Ballondilatation der Papille unter 1 Minute Dauer [1387].
Empfehlung
Ist eine primäre Steinextraktion trotz mechanischer Lithotripsie nicht möglich, sollten andere intra- oder extrakorporale Lithotripsiemethoden eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
An intrakorporalen Verfahren stehen die elektrohydraulische Lithotripsie (EHL) [1388]
[1389]
[1390]
[1391]
[1392]
[1393]
[1394] und die laserinduzierte Stoßwellenlithotripsie (LISL) [1395]
[1396]
[1397]
[1398]
[1399] zur Verfügung, zudem verschiedene extrakorporale Stoßwellengeneratoren (ESWL) [1400]
[1401]
[1402]
[1403]
[1404]. Diese Verfahren sind im Vergleich zu den Standardmethoden aufwendig und kostenintensiv.
Die intraduktale Lithotripsie erfolgt unter direkter optischer Kontrolle mittels Cholangioskopie, da durch die Stoßwellen Verletzungen der Gallengangswand möglich sind. Nur zwei Lasersysteme (Rhodamin 6G-Laser und FREDDY) mit integrierter Steinerkennung können unter radiologischer Kontrolle eingesetzt werden [1395]
[1396]
[1405].
Für alle Verfahren wurden unter Studienbedingungen bei sehr selektiven Patientenkohorten mit komplizierten Steinen, die durch Standardverfahren nicht beseitigt werden konnten, Erfolgsraten zwischen 70 und 100 % erreicht. Zwei kleine vergleichende Studien [1406]
[1407] konnten Vorteile für die LISL im Vergleich zur ESWL bezüglich Steinfreiheit und Therapiedauer belegen, für die EHL konnte dies nicht gezeigt werden [1388].
Empfehlung
Gelingt bei der ERCP nicht die komplette Beseitigung von Steinen oder Fragmenten, sollte eine Endoprothese zur Sicherung des Galleabflusses eingelegt werden. Dies kann bei inoperablen Patienten auch die definitive Therapie sein.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Patienten mit einem inakzeptabel hohen OP-Risiko oder Risiko bei sehr langen und aufwendigen Lithotripsieverfahren konnte gezeigt werden, dass die Endoprotheseneinlage geeignet ist, kurzfristig die steinbedingten Probleme (obstruktive Cholangitis, Verschlussikterus) sicher zu beseitigen [1408]
[1409]
[1410]
[1411].
Im Verlauf wurden bei 50 von 79 Patienten (63 %) der Patienten die Steine komplett entfernt, bei 27 Patienten (mittleres Alter 82 Jahre) wurde die Endoprothese als Langzeittherapie belassen [1409]. In einer weiteren Studie wurden 49 Patienten mit Endoprothesen wegen nicht extrahierbarer Steine versorgt. Bei 11 von 25 Patienten (44 %) gelang in einem zweiten oder dritten Versuch die komplette Steinextraktion, weil der Steindurchmesser erheblich reduziert oder der Stein komplett zerstört worden war [1412]. Die Dauerversorgung mit Endoprothesen sollte wegen des Risikos der sekundären Cholangitis bei Prothesenokklusion und sepsisbedingter Mortalität auf Ausnahmen beschränkt bleiben [1410]
[1413]
[1414].
4.8.3.6 ERCP-gesteuerte pankreatikobiliäre Gewebediagnostik
Empfehlung
Für die Entnahme von intraduktalen Biopsien aus den Gallenwegen oder dem Pankreasgang in der ERCP können Zangenbiopsien und/oder Bürstenzytologien unter fluoroskopischer Kontrolle entnommen werden. Hier sollte eine ausreichende Anzahl von Biopsien bzw. Bürstenzytologiedurchgängen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Zangenbiopsie stehen flexiblere Zangen zur Verfügung [1415]. Für die direkte fluoroskopische Biopsie in der Diagnostik extrahepatischer Cholangiokarzinome wurden Sensitivitäten zwischen 40 und 80 % beschrieben [1416]
[1417]. Der prospektiv-randomisierte Vergleich von vier verschiedenen endoskopischen Zytologiebürsten ergab keine signifikante Überlegenheit eines bestimmten Typs [1418]. Für die Tumordetektion mittels Bürstenzytologie der Gallenwege wurden Sensitivitäten von 30 – 50 % bei einer Spezifität von 100 % beschrieben [1417]. Die Verwendung einer speziellen Körbchenbürste zeigte in einer randomisierten Studie im Vergleich zur herkömmlich Bürste eine signifikant höhere Sensitivität für die Tumordiagnose 86 % (19/22) vs. 52 % (11/21) (p = 0,015) [1419]. Eine Dilatationstherapie vor Bürstenzytologie verbesserte den diagnostischen Output nicht, nur die Anzahl der Bürstengänge und Zytologiepräparate steigert die Trefferquote [1415]. Durch die Kombination von Bürstenzytologe und fluoroskopischer Zangenbiopsie ließ sich bei hilären Cholangiokarzinomen die Sensitivität auf maximal 60 % steigern [1420]. Additiv kann eine direkte Cholangioskopie zur visuellen Beurteilung der Stenose und der direkten Gewebeentnahme durchgeführt werden [1421] (siehe Kapitel 4.8.3.8: Cholangioskopie).
4.8.3.7 Endoskopische pankreatikobiliäre Stenteinlage
Empfehlung
Zur Ableitung und Therapie von Stenosen des pankreatikobiliären Systems sowie zur Therapie einer Gallengangs- oder Pankreasgangleckage können bei gegebener Indikation Kunststoffendoprothesen und selbst expandierende Metallstents Anwendung finden.
Starker Konsens
Kommentar
Kunststoffendoprothesen sind in unterschiedlichen Formen mit oder ohne Seitenlöcher und mit unterschiedlichem Design der Halteflaps erhältlich. Die Durchmesser rangieren von 3 F, 5F (Pankreasgangstenting), 7 F, 8.5 F, 10 F bis 11,5 French bei variabler Länge, wobei der 10-French-Stent für die biliäre Drainage als Standard gelten kann. Kunststoffendoprothesen bestehen meist aus Polyethylen, Teflon oder Polyurethan. Bei der Ableitung distaler maligner biliärer Stenosen zeigte der Polyethylenstent im Vergleich zum Teflonstent in 3 RCTs eine höhere 30 Tage Offenheitsrate allerdings ohne Einfluss auf die Mortalität [1422]. Die Einlage der Kunststoffstents erfolgt über einen Führungsdraht und Legekatheter mit röntgendichten Markierungen und einem Pusher. Stents ≤ 7 French werden ohne Legekatheter eingelegt, ebenso einige Teflonstents [1352]. Bezüglich der Führungsdrähte sind Kurzdrahtlegesysteme verfügbar, für die eine Reduktion der Legezeit im Vergleich zu Langdrahtsystemen nachgewiesen werden konnte [1423]. Eine schnellere Legezeit konnte ebenfalls für die vorgeladenen kompletten Legesysteme im Vergleich zu den Einzelkomponenten gezeigt werden [1424]. Eine Empfehlung zur Verwendung eines bestimmten Legesystems oder Stenttypen lässt sich aus den vorliegenden Daten allerdings nicht ableiten. Zur Dilatation von Stenosen im Gallengang oder Pankreasgang ist die sequenzielle Einlage von mehreren Kunststoffendoprothesen in Abhängigkeit von der bestehenden Stenosenweite möglich [1425]
[1426].
Kunststoffendoprothesen sind in der Regel leicht entfernbar. Die Entfernung der Kuntsstoffstents erfolgt mit Körbchen oder Fasszange oder bei schwierig kanülierbaren Stenosen nach Stentsondierung mit Führungsdraht über Stentretriewer oder Schlinge.
Selbst expandierende Metallstents bieten bei geringem Applikationsdurchmesser ein großes Stentlumen nach Stentfreisetzung. Der Durchmesser des Legekatheters sowie des nicht freigesetzten Stents beträgt meist 5 – 6 French. Dies ermöglicht die Applikation über den Arbeitskanal des Duodenoskops. SMES bestehen aus Nitinol oder Platinol und werden entweder aus Draht geflochten oder als Netz aus einem Metallzylinder geschnitten. In Abhängigkeit von der Anwendung sind sie ungecovert, teilgecovert und voll gecovert erhältlich. Das Covering verhindert das Einwachsen von Gewebe und besteht aus einer Kunststoffbeschichtung aus Silikon, Polyurethan oder Polytetrafluoroethylen. Pankreatikobiliäre Stents sind in variabler Länge und Durchmessern von 4 – 10 mm verfügbar. Weitere Unterschiede der SMES-Fabrikationen bestehen in der Stärke der radialen Aufstellkraft, dem Ausmaß der Stentverkürzung nach Freisetzung sowie der Art und Position der angebrachten Röntgenmarkierungen. SMES einiger Hersteller sind bis zu einem bestimmten Punkt (Point of no return) wieder verschließbar und neu positionierbar. SMES werden über einen Führungsdraht unter Röntgenkontrolle positioniert. Dabei erfolgt die Freisetzung des Metallstents durch Ziehen am Handgriff während der Stent durch Zug am Legekatheter in Position gehalten wird [1427].
Empfehlung
Die Einlage einer Kunststoffendoprothese oder eines Metallstents kann auch ohne eine endoskopische Sphinkterotomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine endoskopische Sphinkterotomie vor Stenteinlage soll insbesondere bei Einlage von großvolumigen Stents das Pankreatitisrisiko mindern. Dazu verglich eine große Serie an über 5000 Patienten die Komplikationen bei Stenteinlage (Kunststoff 77,5 % oder Metall 15,5 %) mit Spinkerotomie mit der Stenteinlage ohne Sphinkterotomie bei diversen Indikationen. Für die Rate an Post-ERCP-Pankreatiden konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen gefunden werden. Eine auf der DDW 2013 in Abstractform erstmalig publizierte multizentrische Studie zur Metallstenteinlage mit oder ohne EPT bei Pankreaskarzinom konnte ebenfalls keinen Unterschied in der 30 Tage Komplikationsrate (Blutung, Perforation, Pankreatitis) nachweisen. Daher scheint das Kunststoffstenting ohne EPT generell sicher und auch die Metallstenteinlage zumindest bei Pankreaskarzinomen ohne höheres Risiko. Im Falle von erforderlichen Rezidiveingriffen erleichtert die endoskopische Papillotomie die Folgeeingriffe und sollte bei Fehlen von Kontraindikation durchgeführt werden [1428].
Empfehlung
Bei Vorliegen einer hochgradigen rigiden Stenose kann vor dem Stenting eine Bougierung oder Ballondilatation auf mindestens den Durchmesser des einzulegenden Kunststoffstents/bzw. Legekatheters bei SEMS erforderlich sein.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Bougierung werden Kunststoffdilatatoren, mit einem Durchmesser von 7 – 8,5 oder 10 French drahtgeführt über die Stenose vorgeschoben. Alternativ kann mit einem Ballonkatheter eine druckgesteuerte Ballondilatation der Stenose über eine Dauer von 1 – 3 Minuten oder bis zu einer sichtbare Aufweitung der Stenose unter fluoroskopischer Kontrolle bei kurzstreckigen Stenosen erfolgen [1427]. Evidenzbasierte vergleichende Studien zur Bougierung versus Ballondilatation liegen nicht vor.
Empfehlung
Die erforderliche Stentlänge soll sich nach der Lage der Stenose bzw. der Länge des zu überbrückenden Segmentes richten und sollte durch Ausmessen bestimmt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Längenbestimmung kann radiografisch anhand von definierten Markierungen des Legekatheters oder Führungsdrahtes erfolgen. Alternativ besteht die Möglichkeit durch Zurückziehen des Kanülierungskathers bzw. Papillotoms über den Führungsdraht aus dem Zielgebiet der distalen Stentlage bis zur Papille die erforderliche Stentlänge außerhalb des Duodenoskopes auszumessen [1427]. Evidenzbasierte vergleichende Studien zur Genauigkeit der verschiedenen Messverfahren liegen nicht vor.
Empfehlung
Ein Wechsel der Kunststoffendoprothese soll progammiert nach 3 Monaten und bei Komplikationen (Cholangitis, fehlender Abfall des Bilirubins) erfolgen. Die Einlage mindestens einer 10-French-Kunststoffendoprothese sollte zur Verlängerung der Offenheitsrate angestrebt werden. Eine Begleittherapie mit UDCA und oder Antibiotika zur Prophylaxe einer Stentokklusion soll nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Ein programmierter Wechsel der Kunststoffendoprothesen ist sinnvoll, um infektiöse Komplikationen zu vermeiden. Eine Okklusion der Kunststoffendoprothesen wurde in einer Metaanalyse zwischen 62 und maximal 165 Tagen nach Anlage beschrieben [1429]. Ursächlich wurde eine Inkrustation durch Sludge und eine bakterielle Besiedelung diskutiert [1430]
[1431]. Einzelne Arbeiten weisen eine längere Offenheitsrate von 10-French-Stents im Vergleich zu kleineren Stentdurchmessern nach [1432], ein Vorteil für die Verwendung von 11,5 French gegenüber 10 French konnte nicht gezeigt werden [1433]. Eine aktuelle multivariate Analyse belegte als Prädiktor einer frühen Stentokklusion bei biliären Stents die hiläre Striktur, nicht aber Stentdurchmesser, Genese der Stenose oder Komorbiditäten [1434]. Daten einer Cochrane-Analyse wiesen eine höhere 30 Tage Offenheitsrate für den Polylethylenstent im Vergleich zum Teflonstent bei extrahepatischen maligenen biliären Stenosen nach (Okklusion Teflonstent: RR 2,84, 95 % CI 1,31 – 6,16, p = 0,008) [1435], sodass bei dieser Indikation Polyethylenstents vorteilhaft erscheinen. Für die Verwendung medikamentöser Begleittherapien wie UDC und/oder Antibiotika konnte keine längere Offenheitsrate belegt werden [1436].
Empfehlung
Die Auswahl des Stents (Kunststoffendoprothese oder SEMS gecovert/teil-/ungecovert) soll sich nach der zugrundeliegenden Indikation, Lokalisation der Stenose richten.
Starker Konsens
Kommentar
Die Erläuterungen nach Datenlage finden sich unter den folgenden jeweiligen Stenoseentitäten und -lokalisationen.
4.8.3.7.1 Biliäre benigne Stenose
Empfehlung
Die endoskopische Therapie von benignen biliären Stenosen sollte aus einem Multistenting mit Kunststoffendoprothesen über 12 Monate bestehen.
Starker Konsens
Kommentar
Die technische Erfolgsrate der Einlage von Kunststoff- oder Metallendoprothesen bei benignen biliären Stenosen liegt bei > 94 % [1437]. Der langfristige Erfolg nach Einlage von Kunststoffendoprothesen variiert nach Genese der Stenose und Technik. Die Einlage multipler Endoprothesen (Multistenting) mit regelmäßigem Wechsel in 3-monatlichen Abständen ist dabei effektiver als das Monostenting. Hier wies eine Metaanalyse langfristige Offenheitsraten von bis zu 87 % bei Multistenting im Vergleich zu 61,3 % bei Monostenting über einen medianen Zeitraum von 11 Monaten nach [1437]. Postoperative Engstellen können mit Erfolgsraten von etwa 90 % langfristig offen gehalten werden [1425], die schlechtesten Erfolgsquoten sind für benigne Stenosen bei chronisch kalzifizierender Pankreatitis beschrieben [1438]
[1439]. Bei dieser Indikation sollte nach erfolgloser endoskopischer Therapie eine operative Therapie erfolgen [1440].
Empfehlung
Alternativ kann bei extrahepatischen benigenen biliären Stenosen die Einlage eines voll gecoverten SEMS erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Neben diesem Multistentingkonzept finden sich in den letzten Jahren vermehrt publizierte Studien zum Effekt der Implantation voll gecoverter Metallstents verschiedener Hersteller bei benignen biliären Stenosen unterschiedlicher Genese [1441]
[1442]
[1443]
[1444]
[1445]
[1446]
[1447]
[1448]
[1449]. Die Stents können für eine Zeitdauer von 6 Monaten gelegt und dann ggf. gewechselt werden. Die Erfolgsraten der Studien mit gemischten Indikationsgruppen liegen zwischen 50 und 88 % bei einer Stentliegedauer von 3 – 4 Monaten. Hier waren die biliären Stenosen bei chronisch kalzifizierender Pankreatitis mit der geringsten Erfolgsrate behaftet, [1441]
[1442]
[1443]
[1444]
[1445]
[1446]. Eine aktuelle Arbeit identifizierte eine Stentliegedauer > 90 d als unabhängigen Prädiktor für die suffiziente Stenoseweitung (OR 4,3, CI 1,24 – 15,09) [1446]. Komplikationen sind hauptsächlich die Stentmigration überwiegend nach distal in bis zu 30 % und die Stentokklusion in Einzelfällen. Für die Dilatation von Anastomosenstenosen nach Lebertransplantation existieren ebenfalls einige Fallserien [1448]
[1450]
[1451] und ein aktueller systematischer Review mit einem historischen Vergleichskollektiv zum Multistenting mit Kunststoffendoprothesen [1449]. Die Erfolgsraten waren hier vergleichbar zum Multistenting und liegen zwischen 80 – 95 % mit einem besseren Outcome bei einer Stentliegedauer von mindestens 3 Monaten [1449]. Eine Fallserie berichtete über relevante neue Strikturen nach Metallstenting von relativ frischen Anastomosenleckagen post LTX bei 6 von 17 Patienten [1448]. Bei dieser Indikation scheint daher eine Evaluation im Rahmen von Studien sinnvoll.
Eine aktuelle prospektive Studie [1452] untersuchte die Erfolgs- und Komplikationsraten für fcSEMS bei benigner DHC Stenose (Liegedauer CP 10 – 12 Monate, LTX 4 – 6 Monate). Die initiale Erfolgsrate ohne Restenting lag bei 76,3 % (95 % CI 69,3 – 82,3 %). Im Follow-up von 20.3 Monaten (IQR 12,9 – 24,3 Monate), betrug die Rate an Rezidiven 14,8 % (95 % CI 8,2 – 20,9 %). Stentbedingte Komplikationen – meist Cholangitis – traten bei 27,3 % auf.
Empfehlung
Partiell gecoverte oder ungecoverte Metallstents sollen bei benigner Indikation im pankreatobiliären System nicht angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Einlage von ungecoverten SEMS ist bei benignen Stenosen mit einer erhöhten Komplikationsrate (Einwachsen, Okklusion, erschwerte bis unmögliche endoskopische Entfernung) verbunden und wird daher nicht empfohlen [1437]
[1453]
[1454]. Auch für partiell gecoverte SMES wurde eine erhöhte Komplikationsrate insbesondere mit der Entwicklung neuer Strikturen im proximalen ungecoverten Bereich des Metallstents beschrieben [1455].
Empfehlung
Dominante Strikturen (Stenosen der extrahepatischen Gallenwege, Hilus oder zentrale Anteile der Ducti hepatici) bei einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) sollten eher ballondilatiert als endoprothetisch versorgt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Kohortenstudien und retrospektive Analysen zur endoskopischen Therapie von dominanten Stenosen bei PSC zeigten ein höheres Komplikationsrisiko für infektiöse Komplikationen beim Stenting von dominanten Stenosen im Vergleich zur Ballondilatation [1456]
[1457]. Daher resultiert die Empfehlung zur primären Ballondilatation bei PSC-Stenosen. Die Wirksamkeit der endoskopischen Therapie bei PSC wird durch Kohortenstudien unterstützt, die ein transplantationsfreies 5-Jahres-Überleben von 81 % beschreiben [1458]. Größere prospektiv-vergleichende Studien fehlen allerdings bisher. Zu berücksichtigen ist, dass nach aktueller Empfehlung der Fachgesellschaft, bei endoskopischen Manipulationen im Rahmen der PSC eine periinterventionelle Antibiotikaprophylaxe empfohlen wird (siehe Kap 3.3).
4.8.3.7.2 Biliär Maligne Stenose
Empfehlung
Eine präoperative endoskopische Ableitung einer malignen DHC-Stenose sollte nur bei gegebener Indikation (hohes Bilirubin, Cholangitis, späterer Op-Zeitpunkt, neoadjuvante Therapie) erfolgen. Hier können Kunststoffendoprothesen oder alternativ ein voll gecoverter Metallstent platziert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für das präoperative endoskopische Stenting bei malignen DHC-Stenosen (Pankreaskarzinom, distale Cholangiokarzinome, periampulläre Karzinome) wurde eine erhöhte perioperative Morbidität aufgrund von infektiösen Komplikationen im Vergleich zur frühen Chirurgie innerhalb einer Woche beschrieben [1459]
[1460]. Bei gegebener Indikation zur präoperativen Ableitung wie einer Cholangitis oder einem späteren OP-Zeitpunkt z. B. im Rahmen einer neoadjuvanten Therapie sollte ein Stenting primär endoskopisch mit einem Kunststoffstent erfolgen, alternativ kann ein gecoverter distal positionierter Metallstent eingelegt werden [1352]
[1461]
[1462].
Empfehlung
Zur palliativen Ableitung einer malignen extrahepatischen biliären Stenose soll primär eine endoskopische Stenteinlage erfolgen. Bei Patienten mit einer Lebenserwartung von über 4 Monaten sollte die Einlage eines SEMS gewählt werden. Hier kann ein voll-, teil oder ungecoverter Metallstent eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Implantation von Plastikendoprothesen oder selbstexpandierenden Metallstents (SEMS) sind etablierter Stand und unterscheiden sich nicht in der primären kurzfristigen Effektivität [1435]. Mittel- und langfristig wird der Einsatz von Plastikstents aber durch Okklusion und daraus resultierender Cholangitis und Reintervention limitiert, sodass SEMS bei Patienten mit einer prognostizierten Überlebenszeit von mehr als drei Monaten bevorzugt werden sollten [1435]
[1463]. Es liegen nur wenige prospektiv-vergleichende Studien zwischen verschiedenen Metallstentfabrikaten vor. Ein RCT zu Offenheitsraten bei malignen distalen biliären Stenosen zeigte im Vergleich zu einem Durchmesser von 6 mm eine signifikant längere Offenheitsrate des 10 mm ungevocerten Metallstents ([1464], Mozart Studie). Der Vergleich von gecoverten und nicht- oder partiell gecoverten Metallstents bei maligner Gallengangsstenose wurde in mehreren RCT´s und einer aktuellen Metaanalyse untersucht [1465]
[1466]
[1467]. Hier ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Offenheitsraten, Komplikationsrate und Überleben mit einem statistisch nicht signifikanten Trend zu mehr Stentmigrationen in der Gruppe der gecoverten Stents.
Biliär hiläre Tumore
Empfehlung
Bei biliär hilären Tumoren soll vor einer elektiven ersten biliären endoskopischen Dekompression eine suffiziente Bildgebung zur weiteren Therapieplanung erfolgen. Hier erscheint die MRCP bzgl. der lokalen Tumorausdehnung der CT überlegen.
Starker Konsens
Kommentar
Einliegende Stents können die genaue Darstellung hilärer Stenosen in Lokalisation, Länge und Lagebeziehung verhindern und damit die Aussage zur Resektabilität einschränken [1468]
. Die diagnostische Genauigkeit des modernen CT für die Vorhersage der Resektabiliät von hilären Cholangiokarzinomen liegt den aktuellen Daten zufolge zwischen 70 und 85 % [1469]
[1470]
[1471]. Problematisch ist die korrekte Bestimmung der Ausdehnung des Primärtumors, hier wurde im Vergleich zum Resektat eine Unterschätzung der longitudinalen Tumorausdehnung nachgewiesen [1471]. Die MRCP erscheint in der Prädiktion der lokalen hilären Tumorausdehnung mit einer diagnostischen Genauigkeit bis zu 90 % überlegen [1468]
[1472].
Empfehlung
Vor der endoskopischen Ableitung hilärer Tumore sollte die gezielte Drainage der Lebersegmente anhand einer aktuellen Bildgebung geplant werden. Präoperativ soll mindestens der verbleibende Leberlappen suffizient drainiert werden. Palliativ sollen mindestens 50 % des Lebervolumens drainiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der ERC ist bei okkludierten Gallengangsegmenten die genaue proximale Tumorabgrenzung und Sondierung abgehängter Segmente häufig erschwert. Die KM-Injektion von distal nach proximal ohne suffiziente Ableitung der dargestellten Segmente, birgt ein erhöhtes Cholangitisrisiko und sollte vermieden werden. Eine aktuelle Arbeit zeigte, dass die Drainage von > 50 % des Lebervolumens mit einem signifikanten Bilirubinabfall und einem verlängerten Überleben korreliert. Die Drainage von unter 30 % des Lebervolumens mit Ableitung atropher Segemente steigert hingegen das Colangitisrisiko [1473]. Die Information über Lage und Volumen der betroffenen Lebersegmente ist damit entscheidend, um eine suffiziente, gezielte Drainage okkludierter Segmente zu gewährleisten [1474].
Im Falle einer präoperativen Drainage existieren zu der Frage der einseitigen oder beidseitigen Drainage keine klaren Daten. In jedem Fall sollte der verbleibende Leberlappen suffizient drainiert werden. Dadurch kann die perioperative Mortalität signifikant gesenkt werden, was auf dem Erhalt der funktionellen Leberreserve beruht [1475].
Empfehlung
Zur Drainage hilärer Tumore sollte die Einlage von Kunststoffendoprothesen Standard sein. Die palliative Drainage kann bei einer Lebenserwartung von über 4 Monaten in ausgewählten Fällen auch durch nicht gecoverte SEMS erfolgen.
Starker Konsens
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Bisher ist nur eine Multicenterstudie zum Vergleich von Kunststoffstents mit ungecoverten Metallstents via ERC in der Palliation bei hilären Tumoren publiziert [1476]. Hier ergab sich für die Metallstents eine längere Offenheitsrate und eine geringere Cholangitisrate (11,8 vs. 39,3 %) im Vergleich zu Kunststoffstents im Beobachtungszeitraum von 30 Tagen. Vergleichende Daten zum Langzeitverlauf liegen allerdings nicht vor. Auch eine aktuelle retrospektive Serie ermittelte längere Offenheitsraten für das Metallstenting (20 vs. 27 Wochen p sign) [1477]. Ob eine Metallstenteinlage in Y Form [1478] oder die paralelle Einlage von zwei Metallstents mit dünnerem Einführbesteck vorteilhaft sind [1479]
[1480]
[1481] ist ebenfalls nicht in vergleichenden Studien belegt. Daher können Metallstents bei ausgewählten Patienten mit geeigneter Anatomie und rezidivierenden Cholangitisschüben erwogen werden, wobei die Alternative des perkutanen endoskopischen Zuganges in Form der PTCD bedacht werden sollte.
4.8.3.7.3 Lokalablative Therapie von biliären Tumorstenosen
Empfehlung
Zur palliativen endoskopischen Therapie des extrahepatischen Cholangiokarzinoms kann eine fotodynamische Therapie zusätzlich zur Stentversorgung erfolgen. Eine Empfehlung zur Auswahl eines bestimmten Fotosensitizers kann anhand der vorliegenden Daten nicht gegeben werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Zur Radiofrequenzablation kann aufgrund der aktuellen Datenlage keine abschließende Beurteilung abgegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die fotodynamische Therapie basiert auf der lokalen Bestrahlung der Gallengangstumore mit Licht bestimmter Wellenlänge nach Injektion eines Fotosensitizers. Die dadurch induzierte lokale Aktivierung des Fotosensitizers führt zu einer lokalen Nekrose und Destruktion des Tumorgewebes. Als Fotosensitizer liegen Daten für Photofrin, Photosan und Metatetrahydroxyphenylchlorin (mTHPC) vor, je nach Substanz variiert der Zeitpunkt der Belichtung, die Wellenlänge und die Belichtungsdauer [1482]
[1483]
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[1485]. Zwei prospektive RCT haben die fotodynamische Therapie mit dem alleinigen palliativen Stenting verglichen [1486]
[1487]. Beide zeigten einen signifikanten Überlebensvorteil für die fotodynamische Therapie (493 vs. 98 Tage; 21 vs. 7 Monate). Darüber hinaus liegen Fallserien und Studien mit einem historischen Kontrollkollektiv vor. Eine aktuelle Metaanalyse [1488] wertete die vorliegenden Daten aus: Eingeschlossen wurden 6 Studien. Hier erhielten 170 Patienten PDT und 157 nur ein biliäres Stenting. Die PDT zeigt eine Assoziation zu einem statistisch verlängerten Überleben (WMD 265 days; 95 % CI 154 – 376; p = 0,01; I2 65 %), einer Verbesserung des Karnofsky Indexes (WMD 7,74; 95 % CI 3,73 – 11,76; p = 0,01, I2 14 %) und einen Trend zur einem Bilirubinabfall (WMD 2,92 mg/dL; 95 % CI –7,54 – 1,71, p = 0,22, I2 94 %). Die Rate an biliär septischen Ereignissen lag bei 15 % ohne Unterschied zwischen den Gruppen.
Kontrollierte prospektive Daten zur Bedeutung der PDT im Kontext mit Standardchemotherapie und biliärem Stenting fehlen. Basierend auf der aktuellen Datenlage kann die PDT additiv in der Palliation des extrahepatischen Cholangiokarzinoms durchgeführt werden.
Ein neueres Verfahren ist die Radiofrequenzablation der Gallenwege, hier erfolgt die lokale Ablation mit bipolarem Strom von 7 – 10 Watt über einen 8-French-Katheter. Kontrollierte prospektive Studien liegen bisher nicht vor, sondern Fallserien mit einem zum Teil unterschiedlichem Indikationsspektrum (extrahepatische CC und Filiae, Pankreaskarzinom), die eine Stentoffenheit bis zu im Mittel 170 Tagen und ein Überleben bis zu im Mittel 17,9 Monaten beschreiben [1489]
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[1493]. Hier wurden als Komplikationen neben Cholangitisepisoden Hämobilieereignisse [14]
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[1492] beschrieben. Ein aktuell publizierter Vergleich von RFA (n = 16) und PDT (n = 32) anhand eines historischen Fallkollektivs zeigte keinen Unterschied im Überleben zwischen den Therapieverfahren [1494] ebenso keine Unterschiede hinsichtlich schwerer Komplikationen.
Die intraduktale RFA zur Therapie des extrahepatischen CC bietet den Vorteil der einfachen Anwendung und Verzicht auf die Fotosensibilisierung, bei andererseits schwächerer Evidenz mit dem Fehlen prospektiv-vergleichender Daten hinsichtlich Effizienz und Sicherheit.
4.8.3.7.4 Gallengangsleckage
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von Gallengangsleckagen nach Cholezystektomie, Lebertransplantation oder leberchirurgischen Eingriffen soll primär eine endoskopische Galleableitung erfolgen. In Abhängigkeit von Lokalisation und Größe der Leckage sollte eine endoskopischer Sphinkerotomie mit Einlage einer Endoprothese oder die alleinige Sphinkterotomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Nach Sondierung der Gallenwege sollte die Leckage cholangiografisch lokalisiert und beurteilt werden. Mehrere Studien zeigten, dass eine alleinige endoskopische Papillotomie insbesondere bei Zystikusleckage oder bei kleinen peripheren Ästen ausreichend wirksam sein kann [1495]
[1496]. Nach endoskopischer Sphinkterotomie mit ggf. passagerer Endoprotheseneinlage (für etwa 4 – 6 Wochen) sind die Erfolgsraten nahezu bei 100 % (1,78). Allerdings kann die Kunststoffendoprothese auch ohne Papillotomie eingelegt werden. Eine kleine prospektive Serie zeigte eine 100 %ige Erfolgsrate für die biliäre Protheseneinlage (mit oder ohne Sphinkterotomie) und diese Rate war besser als für die alleinige Sphinkterotomie [1497].
Für die Verwendung bestimmter Endoprothesendurchmesser 7 F versus 10 French konnte ein RCT keinen signifikanten Vorteil nachweisen [1498]. Bei Entfernung der Endoprothese ist eine nochmalige Darstellung der Gallenwege zur Erfolgskontrolle sinnvoll, zudem kann im Rahmen der Stenteinlage entstandenes Steinmaterial/Sludge entfernt werden [1352]. Derzeit sind auch einige kleinere Serien zur Einlage eines voll gecoverten Metallstents über 30 Tage bei biliären Leckagen mit gutem Erfolg publiziert [1499]
[1500]. In Anbetracht des hohen therapeutischen Ansprechens bei Durchführung einer endoskopischen Sphinkterotomie mit oder ohne Kunststoffstenting bleibt der Metallstent aber eher ausgesuchten Fällen vorbehalten. Operative Revisionseingriffe zur Therapie einfacher Gallengangsleckagen sind nicht primär indiziert.
4.8.3.7.5 Pankreasgangstenosen
Empfehlung
Zur endoskopischen Therapie von symptomatischen Pankreasgangstenosen im Rahmen einer chronischen Pankreatitis können Dilatation und Stenteinlage durchgeführt werden. Dabei sollte die Dilatation und Stenteinlage nach endoskopischer Sphinkterotomie des Pankreassphinkters erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Die Einlage einer 10-F-Kunststoffendoprothese sollte zu Dilatationsszwecken angestrebt werden. Zur weiteren Dilatation rigider Stenosen kann ein Multistenting mit mehreren Kunststoffendoprothesen erfolgen. Eine definitive Empfehlung über die Zeitdauer der endoskopischen Dilatationstherapie kann anhand der bestehenden Evidenz nicht festgelegt werden,
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische Intervention wird derzeit in der Deutschen und Europäischen Leitlinie als Methode der ersten Wahl zur Behandlung von Patienten mit Pankreasgangsteinen oder Pankreasgangstenosen im Hauptgang mit Pankreasgangerweiterung, abdominellen Schmerzen, rezidivierenden Pankreatitisschüben oder Unterhaltung einer Pankreaspseudozyste empfohlen [1440]
[1501]. Eine Vielzahl unkontrollierter klinischer Serien [1502]
[1503]
[1504]
[1505]
[1506]
[1507]
[1508]
[1509]
[1510]
[1511]
[1512]
[1513] konnte den positiven Effekt endoskopischer Maßnahmen, teilweise kombiniert mit extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie, auf Schmerzen und die Häufigkeit pankreatitischer Schübe dokumentieren.
Die endoskopische Dilatationstherapie von Pankreasgangstenosen mit Verwendung von 7-French- bis 10-French-Kunststoffendoprothesen wurde in diesen Serien zwischen 15 und 23 Monaten durchgeführt [1502]
[1503]
[1504]
[1505]
[1506]
[1507]
[1508]
[1509]
[1510]
[1511]
[1512]
[1513]. Dabei wurde ein kurzfristiger Schmerzrückgang in 65 – 94 % erreicht. Die Einlage von 10-F- im Vergleich zu 8,5-F-Stents ging mit einer geringeren Hospitalisierungsrate einher [1513]. Nach definitiver Stententfernung kam es im Follow-up von bis zu 3,8 Jahren zu einem Schmerzrelapse in 27 – 38 % der Behandelten. Eine Fallserie evaluierte die Einlage von bis zu 3 Stents bei rigiden Pankreaskopfstenosen über 7 Monate mit einer langfristigen Schmerzfreiheit von 84 % im Follow-up [1514]. Die Dauer der endoskopischen Therapie ist nicht evidenzbelegt, die meisten Studien therapierten über 12 Monate. Die Europäischen Leitlinien [1501] empfehlen eine endoskopische Therapie über 12 Monate mit Stentwechsel alle 3 Monate.
Zwei prospektiv-randomisierte Studien zur endoskopischen Intervention vs. Operation (Drainage-OP oder partielle Pankreasresektion) zeigen eine höhere Effektivität bezüglich der Schmerzreduktion für die chirurgischen Maßnahmen [1515]
[1516]
[1517]. Diese Resultate wurden aber wegen methodischer Mängel kontrovers diskutiert. Eine chirurgisch interventionelle Therapie sollte in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten bei Versagen der endoskopischen Therapie, Schmerzrezidiv oder Komplikationen einer chronisch kalzifizierenden Pankreatitis (Duodenalstenose, biliäre Stenose ohne Ansprechen auf eine endoskopische Therapie) erfolgen [1440]
[1501].
Empfehlung
Die Einlage eines voll gecoverten SEMS in den Pankreasgang kann in ausgewählten Fällen zur endoskopischen Dilatation von Gangstenosen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Mehrere kleine Fallserien haben voll gecoverte Metallstents zur Dilatation von Pankreasstenosen im Pankreaskopf untersucht. Hier wurden Nitinol Stents von 6 – 10 mm über eine Zeitdauer von maximal 3 Monaten eingelegt mit erfolgreicher Aufweitung der Gangstriktur nach Entfernung [1518]
[1519]
[1520]
[1521]
. Eine akutelle Metaanalyse fasst die Daten von etwa 80 Patienten zusammen [1522]. Komplikationen waren Stentmigrationen überwiegend nach distal, sowie die Bildung erneuter Pankreasgangstenosen. Vergleichende Studien oder Langzeitdaten fehlen bisher. Daher kann bei Kontraindikationen für ein operatives Vorgehen die Einlage eines voll gecoverten Metallstents erwogen werden [1440]. Aufgrund der fehlenden Daten zum Langzeitverlauf sollten diese nicht länger als 3 – 6 Monate liegen und programmiert kontrolliert, entfernt bzw. gewechselt werden. Ungecoverte Stents sollen wegen der Gefahr des Ein -und Überwachsens nicht verwendet werden.
Empfehlung
Zur passageren Schienung einer Pankreasgangruptur nach Trauma oder zur transpapillären Ableitung einer Pseudozyste kann die Einlage einer Kunststoffendoprothese erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
In den seltenen Fällen inkompletter Pankreasrupturen nach Bauchtrauma oder zur transpapillären Ableitung einer Pankreaspseudozyste kann der defekte Gang passager durch eine Kunststoffendoprothese abgeleitet werden. Diese umfasst die Sondierung des Pankreasganges mit Sphinkerotomie, ggf. die Dilatation von Pankreasgangstrikturen proximal der Zyste und die Einlage einer Kunststoffendoprothese. Prädiktive Parameter für ein Ansprechen der transpapillären Drainage einer Pankreaspseudozyste sind die Lokalisation der Peudozyste im Pankreaskopf sowie im Pankreascorpus, therapierbare Pankreasgangstrikturen vor der Zyste, eine Zystengröße über 6 cm und ein Alter der Zyste unter 6 Monaten [1523]
[1524]. Die nicht sondierbare Pankreasgangokklusion „disconnected duct syndrome“ Typ III nach Nealon et al. [1525] verhindert einen transpapillären Therapieansatz [1525] (siehe auch Kap. 4.9.X EUS Therapie von Pankreaspseudozysten).
4.8.3.8 Cholangioskopie
Empfehlung
Eine Cholangioskopie kann über ein Duodenoskop in „Mutter-Baby-Technik“ oder als direkte perorale Cholangioskopie mit ultradünnen Endoskopen erfolgen. Je nach verwendetem System soll die Cholangioskopie durch ein oder zwei Untersucher durchgeführt werden. Voraussetzung für die Cholangioskopie sollte eine adaequat weite Papillotomie sein. Die Cholangioskopie soll unter Wasserspülung oder CO2-Insufflation durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Mögliche Indikationen für eine Cholangioskopie sind die Abklärung unklarer Gallengangsstenosen, die gezielte Biopsie unter direkter optischer Kontrolle, die Ausbreitungsdiagnostik intraduktaler Gallengangskarzinome, die Lithotrypsie unter cholangioskopischer Kontrolle und die Kontrolle der Steinfreiheit nach Lithotripsie [1276]
[1526]
[1527]
[1528].
Voraussetzung für die Cholangioskopie ist eine adäquat weite Papillotomie. Eine periinterventionelle Antibitikaprophylaxe wird empfohlen (siehe Kapitel 3.3).
Für die transpapilläre Cholangioskopie in „Mutter-Baby-Technik“ bei der ERCP werden Miniendoskope in Fiberglastechnik oder modulare, katheterbasierte Systeme „ Spy glass“ [1529]
[1530]
[1531], über den Arbeitskanal des Duodenoskops eingeführt. Short-Access-Cholangioskope, die nur über den distalen Abschnitt des Duodenoskops geführt werden (Frimberger Modell) sollen eine größere Flexibilität ermöglichen. Die Visualisierung des Gallenwegssystems erfolgt meist unter Wasserspülung. Alle diese Cholangioskope haben einen Arbeitskanal von 1,2 mm über den mit Minizangen Proben entnommen werden können oder eine Lithotripsiesonde eingeführt werden kann. Die Beweglichkeit der Gerätespitze reicht von 2 Richtungen bei den Miniendoskopen bis zu 4 Richtungen bei dem katheterbasierten System [1529]. Traditionelle Videocholangioskope sind bisher nicht über den Prototypstatus hinausgekommen und sind zudem störanfällig und teuer [1532]. Für das katheterbasierte System ist allerdings seit diesem Jahr ein Viodeosystem serienmäßig erhältlich. Für die Durchführung einer Cholangioskopie in Mutter-Baby-Technik sind zwei Untersucher erforderlich, um Duodenoskop und Cholangioskop zu bedienen. Das katheterbasierte „Spy-glass“-System kann von einem Untersucher manövriert werden.
Mit dem Einsatz ultradünner Endoskope, die primär für die transnasale Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts entwickelt wurden, ist auch die direkte perorale Cholangioskopie (D-POCS) mit besserer Bildqualität ohne ERCP möglich. Nach weiter Papillotomie erfolgt eine direkte Intubation des Choledochus; zur Verankerung kann ein Ballonkatheter im Hepatikus geblockt werden, der die Intubation erleichtert [1533]
[1534]
[1535]. Die ultradünnen Cholangioskope verfügen über einen Arbeitskanal von 2 mm und werden von einem Untersucher bedient. Im Rahmen der direkten peroralen Cholangioskopie mit Luftinsufflation wurden schwerwiegende Luftembolien beschrieben [1534]
[1536]. Daher empfehlen wir die Verwendung von CO2 oder Wasserfüllung.
Limitationen der Cholangioskopie sind die eingeschränkte Passage von Stenosen und die limitierte Zangen- und damit Probengröße durch den kleinen Arbeitskanal. Ein prospektiv-randomisierter Vergleich zwischen Short-access-Cholangioskopie und direkter peroraler Cholangioskopie an je 30 Patienten [1544] zeigte entsprechend Vorteile für D-POCS hinsichtlich der endoskopischen Beurteilung bei besserer Bildqualität und Biopsieentnahme durch den größerem Arbeitskanal. Nachteilig war die eingeschränkte Exploration intrahepatischer Gallenwege. Vergleichende weitere Studien zwischen den einzelnen Systemen sind bisher nicht publiziert.
4.8.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine stationäre Überwachung sollte in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil des Patienten sowie den durchgeführten Interventionen und dem Verlauf der Untersuchung erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Ein Review von 11 Studien (5 prospektiv-vergleichend, 5 prospektiv und eine retrospektiv) zum Thema der ambulanten versus der stationären ERCP ergab Komplikationsraten von 7 % im Rahmen der ambulanten und 3 % im Rahmen der stationär durchgeführten ERCP [1537]. Bei den ambulant geführten Patienten präsentierten sich 72 % der Komplikationen innerhalb der ersten 6 Stunden, 10 % zwischen 6 und 24 Stunden und 18 % nach 24 Stunden. Bei 6 % dieser Patienten verlängerte sich der Krankenhausaufenthalt und 3 % wurden wieder aufgenommen. Bei den stationär geführten Patienten präsentierten sich 95 % der Komplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden. Die Daten lassen eine ambulante ERCP bei entsprechend niedrigem Risiko zu, eine entsprechende Anbindung für eine Notfallaufnahme bei Auftreten von Beschwerden nach Entlassung sollte gegeben sein. [Tab. 48] gibt einen Überblick über die möglichen Komplikationen der ERCP [1541].
Tab. 48
Komplikationen der ERCP [1541].
Pankreatitis
|
3,5 % (1,6 – 15,7 %)
|
Blutung (nach Sphinkterotomie)
|
1,3 % (1,2 – 1,5 %)
|
Perforation
|
0,1 – 0,6 %
|
Cholangitis
|
bis zu 1 %
|
Cholecystitis
|
0,2 – 0,5 %
|
kardiopulmonale Komplikationen
|
0,07 %
|
Mortalität
|
0,2 % (0,1 – 0,5 %)
|
Stentdysfunktion Kunststoffstents
|
41 %
|
Stentdysfunktion Metallstents
|
uc SEMS: 27 %; pc SEMS 20 %; fc SMES 20 %
|
Empfehlung
Bei beschwerdefreien Patienten ohne klinischen Anhalt für Komplikationen soll die Routinebestimmung von Pankreasenzymen im Serum nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Erhöhung der Pankreasenzyme nach ERCP ohne klinische Symptomatik ist zur Definition einer Post-ERCP-Pankreatitis nicht ausreichend. Eine große Serie zur Post-ERCP-Pankreatitis zeigte eine 5fach erhöhte Pankreasamylase bei bis zu 8 % der Patienten ohne klinische Schmerzsymptomatik. Eine bis zu 3fach erhöhte Amylase ging in keinem Fall mit klinischen Symptomen einher [1538]. Neue Studien zur Post-ERCP-Pankreatitis definieren diese daher bei Vorhandensein einer klinischen Schmerzsymptomatik mit 3fach erhöhten Pankreasenzymen innerhalb von 24 Stunden nach der ERCP und einer Hospitalisierung von mindestens 2 Nächten [1539]. Auf eine reine Enzymdiagnostik bei klinisch asymptomatischen Patienten soll daher verzichtet werden.
Abweichend von diesem Routinevorgehen wird in den aktualisierten Leitlinien der ESGE [1293] bei Patienten, die einer ambulanten ERCP unterzogen werden, eine Bestimmung der Amylase oder Lipase 2 – 4 Stunden nach der ERCP empfohlen, da zu diesem Zeitpunkt eine Erhöhung der Enzymwerte um weniger als 1,5fach beziehungsweise weniger als 4fache des Normalwertes einen hohen negativen prädiktiven Wert für eine Post-ERCP-Pankreatitis hat [1293]
[1540].
4.8.5 Spezifische Qualitätsindikatoren ERCP ([Tab. 49])
Tab. 49
Vorschlag für Qualitätsindikatoren ERCP.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Frequenz der Antibiotikaprophylaxe bei gegebener Indikation
|
Frequenz der PEP-Prophylaxe bei Risikopatienten/Risikointerventionen
|
intraprozedural
|
Frequenz des Kanülierungserfolges für die Gallengänge bei naiver Papille und normaler Ganganatomie
|
Frequenz einer erfolgreichen Stentplatzierung in den DHC bei DHC Stenose unterhalb der hilären Bifurkation
|
Frequenz der erfolgreichen Steinentfernung bei Gallengangssteinen unter 10 mm und normaler Ganganatomie
|
Frequenz der Erfassung von Durchleuchtungszeit und Dosis
|
postprozedural
|
Frequenz spezifischer Komplikationen: PEP, Blutung nach Papillotomomie, Perforation
|
Kommentar
Zu allgemeinen Qualitätsindikatoren für endoskopische Eingriffe siehe Kapitel 7.
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Die spezifischen Indikationen zur Antbiotikaprophylaxe gibt Kapitel 3.3. wieder. Zur PEP-Prophylaxe ist die rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indomethacin unmittelbar vor oder nach der ERCP mit Papillotomie gut belegt und soll standardgemäß angewandt werden [1293]
[1294]
[1295]
[1296]
[1297]
[1298]
[1299].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren
Eine große Metaanalyse analysierte aus über 8000 Publikationen zum Thema der ERCP-Qualitätskriterien 52 qualitativ adäquate prospektive und retrospektive Studien [1542]. Die kumulative Erfolgsrate der Gallengangskanülierung betrug 89,3 % (95 % CI 0,866 – 0,919), die kumulative Erfolgsrate der Pankreasgangkanülierung 85 % (95 % CI 0,813 – 0,886). Die Anwendung des Precuts lag bei 10,5 % (95 % CI 0,087 – 0,123). Die Stein Extraktionsrate aus dem DHC lag bei 88,3 % (95 % CI 0,825 – 0,941) und die Rate der erfolgreichen Platzierung eines Stentes in den DHC unterhalb der hilären Bifurkation bei 97,5 % (95 % CI 0,967 – 0,984). In der Subgruppenanalyse ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen akademischen und kommunalen Endoskopien, prospektiven und retrospektiven Studien. Auch für die Teilnahme eines Trainees an der Prozedur bei Gallengangskanülierung, Precut und Steinextraktion zeigten sich keine Unterschiede. Daten zur Pankreasgangkanülierung und Gallengangsstenting unter Traineebeteiligung lagen nicht vor. Die aktuelle Publikation der ASGE zu Qualitätsindikatoren in der ERCP [1543] benennt ähnliche intraprozedurale Qualitätsindikatoren, wobei hier die Erfolgsraten für Gallangangskanülierung, Pankreaskanülierung, DHC Stenting und Steinextraktion bei > 90 % angegeben werden.
Die Erfassung der Durchleuchtungszeit und Strahlendosis soll erfolgen und ist im Strahlenschutzgesetz verankert [1285].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Neben den allgemeinen postprozeduaren Qualitätsindikatoren (siehe Kap 7), kann die Erfassung der spezifischen Komplikationen nach ERCP als Qualitätsindikator dienen [Tab. 49]). Bei der Erfassung z. B. der PEP sollte die Analyse auf der Indikation der Intervention basieren (geplante Gallengang- oder Pankreasgangkanülierung, naive versus vorgeschnittene Papille, Zweiteingriff nach Precut), um Risikosubguppen zu definieren.
4.9 Diagnostische Endosonografie und endosonografisch gestützte Feinnadelpunktion
Einleitung: Erste Berichte über die endoluminale Anwendung der Sonografie im oberen Verdauungstrakt wurden 1980 veröffentlicht [1545]
[1546], während die starre endorektale Sonografie bereits auf das Jahr 1956 zurückgeht [1547]. Seit 1983 ein erstes radiales Endosonografiesystem kommerziell verfügbar war, hat sich die Endosonografie (Synonym: endoskopischer Ultraschall, EUS) als diagnostische Methode in der Gastroenterologie schnell etablieren können [1548]. Meilensteine waren die Einführung endokavitär, intraduktal und endobronchial einsetzbarer hochfrequenter Minisonden im Jahre 1990 [1549]
[1550]
[1551] und die Entwicklung longitudinaler elektronischer Echoendoskope [1552], die die Durchführung der endosonografisch gestützten Feinnadelaspirationspunktion (EUS-FNP) [1553] und später therapeutischer Anwendungen ermöglichte. 1996 wurde erstmals über die EUS-gestützte Cholangiopankreatografie [1554] und über therapeutische Anwendungen der Endosonografie (Pseudozystendrainage und Plexusneurolyse) berichtet [1554]
[1555], die das Spektrum der interventionellen gastrointestinalen Endoskopie erheblich bereichert haben [1556]
[1557] ([Tab. 50], [51]).
Tab. 50
EUS und EUS-FNP-Komplikationen und deren Risikofaktoren.
Komplikation
|
%
|
Risikofaktoren
|
Perforation
|
0,03 – 0,15
|
Stenosen, Divertikel, Degenerative WS-Veränderungen, erschwerte Endoskopeinführung, unerfahrener Untersucher, Verwendung des Longitudinalscanners
|
Blutung meist selbstlimitierend
|
1,3 – 4
|
EUS-FNP zystischer Läsionen, Punktion mit einer Zytologiebürste, Medikation mit Antikoagulantein siehe Kapitel 3.2.3
|
Infektionen
|
bis 6
|
Bakteriämie ohne Fieber:
EUS ohne Intervention: 1,9 – 2 %
EUS-FNP (oberer GI-Trakt): bis 6 %
Fieber:
EUS-FNP solider Pankreastumoren: 0,4 – 1 %
Infektion/Sepsis:
EUS-FNP zystischer Läsionen im Mediastinum und Pankreas
EUS-FNP (EUS-FNP und EUS-TCB) von subepithelialen Tumoren des GI-Trakts und von mediastinalen Lymphknoten bei Sarkoidose
biliäre Peritonitis/Cholangitis:
EUS-FNP der Leber bei obstruktiver Cholestase
|
akute Pankreatitis
|
0,19 – 2,6
|
benigne Läsionen, zystische Läsionen, intraduktale Minisondenendosonografie
|
Tumorzellverschleppung
|
Einzelfallberichte
|
|
falsch positive Befunde der EUS-FNP
|
1,1 – 5,3
|
Karzinome des Gastrointestinaltrakts und Barrettösophagus mit Dysplasie oder Frühkarzinom (Zellkontamination); chronische oder autoimmune Pankreatitis (Interpretationsfehler), wenig erfahrener Zytopathologe, unzureichender klinisch-zytopathologischer Dialog
|
Tab. 51
Spezifische Qualitätsindikatoren für die Endosonografie (angelehnt an [1549]).
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Antibiotikaprophylaxe bei EUS-FNP zystischer Pankreasläsionen
|
intraprozedural
|
Dokumentation von entsprechend der Indikation relevanten anatomischen Strukturen
|
Staging gastrointestinaler Tumoren und von malignen Pankreasneoplasien entsprechend der aktuell gültigen TNM-Klassifikation bzw. bei gastrointestinalen Lymphomen der modifizierten Ann Arbor-Klassifikation
|
Dokumentation von Größe und Schichtenzuordnung subepithelialer Tumoren
|
Dokumentation von Größe und Echogenitätscharakteristika von pathologischen Lymphknoten und anderen extraintestinalen Raumforderungen
|
Dokumentation der maximalen Pankreasgang- und Gallengangsweite sowie intraduktaler Strukturen bei pankreatobiliären Fragestellungen
|
Einsatz der EUS-FNP im Staging gastrointestinaler Tumoren und des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms entsprechend der TNM-Klassifikation
|
EUS-FNP: Dokumentation von Nadeltyp, Nadeldurchmesser, Anzahl der Nadelpassagen und Materialverarbeitung
|
postprozedural
|
EUS-FNP solider Läsionen: Häufigkeit der Gewinnung diagnostisch adäquaten Materials
|
EUS-FNP solider Läsionen: Häufigkeit diagnostisch konklusiver Befunde (Kategorien: maligne, benigne, neoplastisch) bei Gewinnung adäquaten Materials
|
Häufigkeit prozeduraler Komplikationen nach EUS, EUS-FNP und EUS-gestützten therapeutischen Interventionen
|
Indikationen zur endosonografischen Diagnostik ggf. mit Feinnadelpunktion
-
Staging maligner Tumore des Gastrointestinaltrakts (GI-Trakts), des Pankreas, der Papille, der Gallenwege und des Mediastinums, sofern eine Fernmetastasierung nicht bereits durch andere Methoden bewiesen ist.
-
Charakterisierung subepithelialer Tumoren und unklarer Wandverdickungen des GI-Trakts.
-
Charakterisierung von dem GI-Trakt benachbarten Strukturen wie Lymphknoten, Leber-, Milz und Nebennierenläsionen.
-
Charakterisierung von pathologischen Veränderungen des Pankreas, insbesondere von soliden Tumoren, zystischen Läsionen und der chronischen Pankreatitis.
-
Diagnostik pathologischer Veränderungen der extrahepatischen Gallenwege (insbesondere Choledocholithiasis sowie obstruktive Cholestase und Stenosen unklarer Ätiologie).
-
Abklärung der Ursache bei idiopathischer akuter Pankreatitis.
-
Diagnostische Abklärung perianaler und perirektaler Erkrankungen (insbesondere Erkrankungen des Analsphinkters, Fisteln und Abszesse).
-
Indikationen zur endosonografisch gesteuerten Therapie
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Drainage symptomatischer Pankreaspseudozysten.
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Debridement infizierter mediastinaler oder abdomineller (vorwiegend pankreatischer und peripankreatischer) Nekrosen.
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Endosonografisch gestützte Neurolyse und Blockade des Plexus coeliacus.
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Drainage des abflussgestörten Gallen- und Pankreasgangs (bei Versagen bzw. Unmöglichkeit der Drainage via ERCP) sowie der Gallenblase bei akuter Cholecystitis und Kontraindikationen gegen die operative Therapie.
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Drainage perirektaler und periintestinaler Flüssigkeitsverhalte und Abszesse.
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Endosonografisch gestützte Blutstillung.
Die hier aufgezählten diagnostischen und therapeutischen Indikationen der Endosonografie lehnen sich an das Positionspapier der American Society of Gastrointestinal Endoscopy (ASGE) aus dem Jahr 2012 [1558] zum adäquaten Einsatz der gastrointestinalen Endoskopie an und berücksichtigen insbesondere die Leitlinien deutscher medizinischer Fachgesellschaften [1559]
[1560]
[1561]
[1562]
[1563]. Die dort zusätzlich zu den oben genannten Indikationen erwähnte Untersuchung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms ist bisher im klinischen Alltag nicht allgemein akzeptiert und sollte nur im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen [1564]. Ebenso spielt die im Positionspapier der ASGE als Indikation genannte Markierung von Tumoren innerhalb des GI-Trakts und in dessen Nachbarschaft durch endosonografisch gestützte Applikation von Markern für die gezielte Bestrahlungstherapie bisher keine Rolle in der klinischen Praxis in Deutschland. Während die diagnostischen Indikationen in den letzten Jahren keine wesentliche Änderung erfahren haben, hat sich das Spektrum sinnvoller therapeutischer Anwendungen im letzten Jahrzehnt erheblich erweitert.
Insgesamt ist festzuhalten, das Effizienz und Sicherheit von endosonografischen (EUS-) Verfahren für nahezu alle Anwendungsgebiete ganz überwiegend im Rahmen von retrospektiven oder prospektiven Fallserien, aber nur sehr selten (ca. 2 % aller Literaturstellen) durch randomisiert-kontrollierte Studien (oder hierauf basierende Metaanalysen) definiert werden [1557]
[1565]
[1566]
[1567].
4.9.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Das Vorliegen einer höhergradigen Stenose im Bereich des erforderlichen Passageweges des Echoendoskops ist eine spezielle Kontraindikation. Daher sollte vor einer EUS im oberen GI-Trakt bei Patienten mit Dysphagie oder bekannten Stenosen eine konventionelle ÖGD durchgeführt werden. Hier kann im Einzelfall individuell entschieden werden, ob eine interventionelle Therapie der Stenose zur Ermöglichung der Passage des EUS-Geräts sinnvoll ist.
Starker Konsens
Kommentar
Ösophagus- und Duodenalperforationen in Folge einer Endosonografie des oberen Verdauungstraktes wurden mit einer Inzidenz von 0,009 – 0,15 % bzw. 0,022 – 0,043 % berichtet und treten aufgrund der Besonderheiten der Konfiguration von Echoendoskopen häufiger als bei der diagnostischen ÖGD auf [1568]. Ein erhöhtes Risiko besteht für Patienten mit stenosierendem Ösophaguskarzinom [1569]
[1570]. Mit der 7. Auflage der TNM-Klassifikation werden zöliakale Lymphknotenmetastasen beim Ösophaguskarzinom nicht mehr als Fernmetastasen gewertet, sondern gelten als regionäre Lymphknotenmetastasen, die in die N-Klassifikation eingehen [1571]. Damit entfällt ein wichtiges Argument für die Dilatation von stenosierenden Ösophaguskarzinomen, um die Passage eines (longitudinalen) Echoendoskops zu ermöglichen [1572]
[1573]. Darüber hinaus steht mit dem schmallumigen EBUS-Scope eine Alternative zur Passage stenosierender Ösophagustumoren zur Verfügung, die aus einer subdiaphragmalen Position die transgastrale Feinnadelaspiration (FNA) im Bereich des Truncus coeliacus, der linken Nebenniere und des linken Leberlappens ermöglicht [1574]
[1575]
[1576].
Empfehlung
Die endosonografische Feinnadelbiopsie zystischer Mediastinalläsionen sollte vermieden werden.
Starker Konsens
Kommentar
In der Literatur wurde bisher über 11 Fälle einer Infektion nach endosonografischer Feinnadelbiopsie zystischer Mediastinalläsionen berichtet, die teilweise trotz periinterventioneller Antibiotikaprophylaxe auftraten. In fast allen Fällen entwickelte sich eine Mediastinitis, die interventionelle oder operative Maßnahmen erforderlich machte [1568]
[1577]
[1578].
Zur AB-Prophylaxe und EUS unter Gerinnungshemmern siehe Kapitel 3.3 und Kapitel 3.2.3.
4.9.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Die Vorbereitung zur diagnostischen Endosonografie am oberen GI-Trakt soll der Vorbereitung zur Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) entsprechen, die Vorbereitung zur Endosonografie im Kolon denen zur Koloskopie sowie die Vorbereitung zur rektalen Endosonografie mit starrem Gerät denen zur Rektoskopie.
Starker Konsens
Kommentar
Während der EUS am oberen GI-Trakt nur einen nüchternen Patienten voraussetzt, kann für die Endosonografie des Rektums (zum Tumorstaging) eine Klysmavorbereitung ausreichend sein. Die ausschließliche Beurteilung des Analkanals (Sphinkteren, Fistelnachweis) ist auch am unvorbereiteten Patienten möglich. Eine Wasserfüllung des Rektums kann von Vorteil sein. Die Vorbereitung zur Endosonografie des Kolons sollte in Analogie zur Koloskopie mittels Lavage erfolgen (siehe Kapitel Koloskopie).
4.9.3 Durchführung
4.9.3.1 Echoendoskope/Instrumente
Empfehlung
Die Verwendung von Radial- und Longitudinalscanner bzw. Minisonde sollte von der jeweiligen Indikation und von der lokalen Expertise und Verfügbarkeit abhängig gemacht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Vergleichende größere Studien zur Verwendung von Echoendoskopen verschiedener Hersteller oder zum Vergleich von Longitudinal- und Radialscanner bei bestimmten Indikationen liegen nicht vor. Drei prospektiv-randomisierte Vergleichsstudien und eine retrospektive Vergleichsstudie mit limitierter Fallzahl haben für die Detektion und das Staging maligner Pankreastumoren und für das Staging von Karzinomen des oberen Verdauungstrakts keine signifikanten Unterschiede zwischen radialen und longitudinalen Echoendoskopen nachweisen können [1579]
[1580]
[1581]
[1582].
Zum Einsatz kommen elektronische und mechanische Radialscanner (mit 270 – 360 Grad-Bildausschnitt, US-Frequenzen von 5 – 20 MHz) mit prograder oder Seitblickoptik, Longitudinalscanner (5 – 15 MHz, Ultraschallsektor der Mikrokonvex-Transducer von 100 – 180 Grad) mit Seitblickoptik und Arbeits-/Punktionskanal (2,2 – 3,8 mm Diameter) zum Teil mit Albarran-Hebel, ein therapeutisches Echoendoskop mit prograder Ausrichtung gleichermaßen von 90 Grad-Transducer und Optik sowie US-Minisonden (als mechanische oder elektronische Scanner mit Frequenzen von 10 – 30 MHz mit einem Diameter um 6 – 8 French) [1583]
[1584]
[1585]
[1586]
[1587]. Mehrere Studien haben die Überlegenheit der Bildqualität elektronischer radialer Echoendoskope im Vergleich zu traditionellen mechanischen Systemen zeigen können [1588]
[1589]
[1590]. Moderne Ultraschalltechnologien wie Real-time-Elastografie und kontrastverstärkte Endosonografie sind nur mit elektronischen longitudinalen und radialen Echoendoskopen möglich [1583]
[1591]. Die Minisonden werden über den Arbeitskanal konventioneller Gastro-, Duodeno- und Koloskope appliziert, Minisonden zum Einsatz via Ballonenteroskopie stehen noch nicht kommerziell zur Verfügung. Die hochfrequenten Minisonden zeichnen sich neben ihrem geringen Durchmesser, der sie insbesondere für den intraduktalen und intrastenotischen Einsatz qualifiziert, durch eine sehr hohe Ortsauflösung aus, haben aber eine deutlich limitierte Eindringtiefe. Endosonografisch gestützte Biopsien und therapeutische Interventionen erfordern grundsätzlich den Einsatz von longitudinalen bzw. prograden Echoendoskopen. Die zunehmende Bedeutung der EUS-FNP und EUS-gestützter Interventionen hat an zahlreichen Zentren dazu geführt, dass radiale Echoendoskope primär für das Staging gastrointestinaler Malignome, longitudinale Echoendoskope jedoch überwiegend für pankreatobiliäre und mediastinale Indikationen genutzt werden [1592]. Für den rektalen EUS werden vorwiegend starre US-Sonden (meist elektronische Radiärscanner mit 5 – 15 MHz) ohne Optik verwendet. Als Ultraschallprozessoren kommen entweder spezielle, in Endoskopietürme integrierte EUS-Prozessoren oder aber multifunktional verwendbare, mit allen modernen Ultraschalltechnologien ausgestattete Ultraschallgeräte zur Anwendung, die den Anschluss sowohl von Echoendoskopen als auch von perkutaner Sonden erlauben.
4.9.3.2 Endosonografische Feinnadelpunktion (EUS-FNP)
Der Begriff endosonografische Feinnadelpunktion (EUS-FNP) bezeichnet alle Methoden der endosonografischen Materialgewinnung mit primär für zytologische Präparationen entwickelten Standardaspirationsnadeln (Feinnadelaspiration = EUS-FNA; Nadeldurchmesser 19 – 25 Gauge, verschiedene Hersteller) sowie mit speziellen „Histologienadeln“. Zu diesen zur Gewinnung histologisch untersuchbarer kleiner Gewebezylinder entwickelten Nadeln gehören eine Trucut-Nadel mit einem Nadeldurchmesser von 19 G (EUS-TCB; Quick-Core®, Cook Medical), Aspirationsnadeln mit einer invers zur Einstichrichtung angeschliffenen Seitöffnung (Nadeldurchmesser von 25 G, 22 G und 19 G; EchoTip® ProCoreTM, Cook Medical) sowie neuerdings eine Aspirationsnadel mit schnabelartig geformter Spitze (SharkCoreTM, Covidien) [1593]
[1594]
[1595].
Empfehlung
Die endosonografische Feinnadelpunktion sollte zur feingeweblichen Diagnose pathologischer Befunde des Verdauungssystems, umgebender Organe und benachbarter Lymphknoten immer dann zum Einsatz kommen, wenn:
-
zu erwarten ist, dass das Ergebnis das diagnostische oder therapeutische Management des Patienten beeinflusst,
-
die Läsion endosonografisch gestützt mit vertretbarem Risiko erreichbar ist und
-
weniger invasive Methode zur Materialgewinnung nicht verfügbar oder ohne Ergebnis geblieben sind.
Starker Konsens
Kommentar
Die EUS-FNP ist als eine effektive und sichere Methode für die Primärdiagnostik unklarer Läsionen, das Staging maligner Erkrankungen und die Differenzialdiagnose zahlreicher benigner Erkrankungen etabliert [1567]
[1594]
[1595]
[1596]
[1597].
Primärdiagnostik
In der Gastroenterologie ist die EUS-FNP Methode der Wahl für die Materialgewinnung aus soliden Pankreasneoplasien, wenn die artdiagnostische Differenzierung Voraussetzung für das therapeutische Vorgehen ist [1559]
[1567]
[1596]. Eine Metaanalyse von 33 Studien mit insgesamt 4984 Patienten (davon 21 prospektiv) ergab eine sehr hohe diagnostische Genauigkeit der EUS-FNP für die zytologische Differenzierung maligner und benigner solider Pankreasläsionen. Die Sensitivität betrug 85 %, die Spezifität 98 %, der positive Prädiktivwert 99 %, die positive Wahrscheinlichkeitsrate war 21, während der negative prädiktive Wert nur bei 65 % und die negative Wahrscheinlichkeitsrate bei 0,17 lagen [1598]. Eine zweite aktuelle Metaanalyse mit etwas anderen Einschlusskriterien (4766 Patienten aus 41 Studien) kam auf ähnliche Ergebnisse (Sensitivität 86,8 %, Spezifität 95,8 %, positive Wahrscheinlichkeitsrate 15,2, negative Wahrscheinlichkeitsrate 0,17) [1599].
Für die Differenzierung zwischen muzinösen und non-muzinösen zystischen Pankreasneoplasien stehen die biochemische Analyse der Zystenflüssigkeit (CEA) und die Zytologie zur Verfügung. Eine prospektive multizentrische Studie, die 341 Patienten mit zystischen Pankreasläsionen einschloss, konnte durch Bestimmung von CEA in der Zystenflüssigkeit (cut-off-Wert 192 ng/ml) muzinöse von non-muzinösen zystischen Pankreasläsionen mit höherer Genauigkeit (79 %) differenzieren als durch die zytologische Untersuchung (79 vs. 59 %) [1600]. Eine Metaanalyse (18 Studien mit 1438 Patienten) ergab für die CEA-Bestimmung eine gepoolte Sensitivität und Spezifität von 63 bzw. 88 %, für die Zytologie von 54 bzw. 93 % [1601]. Die Cut-off-Werte variieren zwischen den Studien teilweise erheblich [1601]
[1602].
Die EUS-FNP hat einen sehr hohen Stellenwert für die Primärdiagnostik des ösophagusnahen zentralen Bronchialkarzinoms, solider Raumforderungen des hinteren Mediastinums und des Retroperitonealraums einschließlich der linken Nebenniere sowie ätiologisch unklarer abdomineller und mediastinaler Lymphknoten [1567]
[1594]
[1603]
[1604]. Für die feingewebliche Diagnose subepithelialer Tumoren des Gastrointestinaltrakts ist die EUS-FNP eine sinnvolle Option, hat aber nur einen moderaten diagnostischen Ertrag. Sie ist nur sinnvoll, wenn immunhistochemisch untersuchbares Material gewonnen werden kann, um GIST von anderen mesenchymalen Tumoren differenzieren zu können [1594]
[1596]
[1605]
[1606].
Nodales Staging
Die EUS-FNP eignet sich zur Abklärung des lokoregionären Lymphknotenstatus zahlreicher maligner Tumoren, wenn der Befund das weitere therapeutische Vorgehen beeinflusst. In 18 meta-analytisch bewerteten Studien mit insgesamt 1201 Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) konnten durch EUS-FNP 83 % der Patienten mit metastatisch befallenen mediastinalen Lymphknoten (gepoolte Sensitivität) und 97 % der Patienten ohne metastatischen Lymphknotenbefall (gepoolte Spezifität) korrekt identifiziert werden [1607]. In den Studien mit CT-positiven Mediastinallymphknoten lag die gepoolte Sensitivität höher als in Studien ohne CT-Kriterien für einen mediastinalen Lymphknotenbefall (90 vs. 58 %) [1607]. Durch Kombination von EUS-FNP und von endobronchialer ultraschallgestützter transbronchialer Feinadelaspiration (EBUS-TBNA) wird nach den Ergebnissen einer Metaanalyse sogar eine Sensitivität von 86 % und eine Spezifität von 100 % für das nodale Staging des NSCLC erreicht [1608]. EUS-FNP und vor allem das kombinierte endosonografische Mediastinalstaging reduzieren die Anzahl erforderlicher chirurgischer Stagingprozeduren und unnötiger Thorakotomien signifikant [1609]
[1610]
[1611]. In einer aktuellen prospektiven Studie erwies sich das kombinierte endosonografische Mediastinalstaging im Vergleich zum alleinigen PET-CT als signifikant genauer (90,0 vs. 73,6 %) [1612]. Eine randomisierte prospektive Studie, die zwei unterschiedliche Algorithmen des kombinierten endosonografischen Stagings (endobronchialer Ultraschall (EBUS) vor EUS vs. EUS vor EBUS) miteinander verglich, unterschieden sich diagnostische Effizienz und Sicherheit nicht zwischen beiden Patientengruppen. Allerdings war EBUS-TBNA die ertragreichere Primärprozedur [1613]. Das kombinierte endosonografische Staging wird daher in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie als Alternative zum primär chirurgischen Staging des NSCLC empfohlen [1560].
Die EUS-FNP hat einen Stellenwert auch für das nodale Staging des cholangiozellulären Karzinoms (Transplantationsindikation) [1614]. Keine Relevanz hat der lokoregionäre Lymphknotenbefall dagegen beim Pankreaskarzinom, wo die Operationsindikation nicht vom N-Stadium abhängt und neoadjuvante Therapien in Deutschland derzeit nicht etabliert sind [1559].
Beim Magen- und Rektumkarzinom wird trotz hoher prognostischer Bedeutung einer Metastasierung in regionale Lymphknoten die EUS-FNP nicht empfohlen, weil deren Ergebnisse beim Magenkarzinom keinen Einfluss auf Therapieentscheidungen haben [1615] und durch Nadelpassage des Primärtumors oder Tumorzellkontamination der intraluminalen Flüssigkeit falsch positive Befunde verursacht werden können [1596]
[1616]. Für das Ösophaguskarzinom erwies sich die EUS-FNP (Sensitivität 83 %, Spezifität 93 %) in einer prospektiven geblindeten Studie im Vergleich mit Endosonografie (Sensitivität 71 %, Spezifität 79 %) und Spiral-CT (Sensitivität 29 %, Spezifität 89 %) als signifikant überlegen [1617]. Eine Metaanalyse, die 49 Studien mit 2558 Patienten einschließen konnte, zeigte ebenfalls einen substanziellen Zuwachs der Genauigkeit der Diagnose von Lymphknotenmetastasen des Ösophaguskarzinoms durch EUS-FNP gegenüber der alleinigen Endosonografie (Sensitivität: 96,7 versus 84,7 %; Spezifität 95,5 vs. 84,6 %) [1618]. In differenzialtherapeutisch entscheidenden Einzelfällen kann daher beim Ösophaguskarzinom die Einbeziehung der EUS-FNP in das nodale Staging sinnvoll sein [1596].
M-Staging
Durch EUS-FNP können bei bis zu 7 – 15 % der Patienten mit Ösophagus-, Magen-, Rektum- und Pankreaskarzinom im perkutanen Ultraschall und CT nicht erfasste („okkulte“) Fernmetastasen verifiziert werden, die zu einer Veränderung der Prognosebewertung und des Therapieplans führen (insbesondere nicht regionäre Lymphknotenmetastasen, kleine Lebermetastasen, maligne Ergüsse) [1596]
[1619]
[1620]
[1621]
[1622]
[1623]. Einen hohen Stellenwert hat die EUS-FNP auch für den Nachweis von Fernmetastasen des Bronchialkarzinoms in den Nebennieren, in abdominellen Lymphknoten und in anderen erreichbaren subdiaphragmalen Lokalisationen [1596] sowie von Pankreasmetastasen verschiedener Primärtumoren [1624]
[1625]
[1626]
[1627].
Diagnose von Rezidiven nach kurativer Behandlung von Karzinomen
Die EUS-FNP ist eine geeignete Methode für die Diagnose extraluminaler Rezidive insbesondere des Rektumkarzinoms [1596]
[1620]
[1628]
[1629]
[1630]
[1631]
[1632]
[1633].
Statement
Für die Nadelwahl zur diagnostischen Punktion von Lymphknoten und anderen Läsionen mit Ausnahme solider Pankreasläsionen können keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei der diagnostischen Punktion von soliden Pankreasläsionen sollte die Nadelwahl (vorrangig) von der Zielläsion abhängig gemacht werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für solide und zystische Pankreasläsionen sowie für Lymphknoten können 22 G-Nadeln alternativ zu 25 G-Nadeln Verwendung finden.
Starker Konsens
Empfehlung
Für drahtgestützte therapeutische Interventionen sollen 19 G-Aspirationsnadeln genutzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Nadeltypen
Zur Punktion unter Einsatz von Longitudinalscannern finden standardmäßig Aspirationsnadeln verschiedener Anbieter mit Durchmessern von 25 G, 22 G oder 19 G Verwendung. Mit diesen Nadeln können konventionelle zytologische Ausstriche, flüssigkeitsbasierte zytologische Dünnschichtpräparationen (Cytospin, ThinPrep), aber auch histologisch untersuchbare Zellblockpräparationen und kleine Gewebezylinder gewonnen werden. Darüber hinaus stehen drei verschiedene Nadeltypen zur Verfügung, die auf die Gewinnung histologisch untersuchbarer kleiner Gewebezylinder ausgerichtet sind: Trucut-Nadeln mit einem Durchmesser von 19 G (Quick-Core®, Cook Medical), Aspirationsnadeln mit einer seitlichen, invers zur Stichrichtung angeschliffenen Seitöffnung mit Durchmessern von 25 G, 22 G und 19 G (EchoTip® ProCoreTM, Cook Medical) sowie neuerdings Aspirationsnadeln mit einer schnabelartigen Spitzenkonfiguration mit Durchmessern von 25 G, 22 G und 19 G (SharkCoreTM, Covidien) [1593]
[1594]
[1595]. In Deutschland werden 22 G-Aspirationsnadeln am häufigsten eingesetzt und gelten auch europaweit als Standard der EUS-FNP [1548].
Aspirations- und Trucut-Nadeln mit einem Durchmesser von 19 G sind aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften für die Biopsie von Läsionen, die nur mit starker Angulation der Gerätespitze oder des Albarranhebels erreicht werden können ungeeignet [1634]. Die diagnostische Genauigkeit für die feingewebliche Diagnose von Läsionen im Processus uncinatus des Pankreas mit 19 G-Trucut-Nadeln war im Vergleich mit 25 G- und 22 G-Aspirationsnadeln signifikant unterlegen [1635]. Auch 19 G-Histologienadeln mit revers angeschliffenem Seitloch (Pro Core TM) wiesen bei transduodenaler Biopsie signifikant mehr technische Probleme bei Ausfahren der Nadel und beim Entfernen des Mandrins auf als bei anderen Zugangswegen [1636]. Der Einsatz von wenig flexiblen 19 G-Nadeln kann daher für die transduodenale Biopsie von Pankreaskopfläsionen nicht empfohlen werden [1595]. Neue hochflexible 19 G-Aspirationsnadeln aus Nitinol ermöglichen dagegen auch die transduodenale EUS-FNP von Pankreasläsionen und transduodenale therapeutische Interventionen [1637]
[1638]
[1639].
Vergleichende Untersuchungen: Standardaspirationsnadeln verschiedener Durchmesser
Sieben randomisierte und prospektiv-kontrollierte Studien haben die diagnostische Ergiebigkeit und Genauigkeit sowie die Sicherheit verschiedener Nadeltypen verglichen, darunter 4 für solide Pankreasläsionen [1639]
[1640]
[1642], 1 für solide und zystische Pankreasläsionen [1643] und 2 für solide Läsionen unterschiedlicher Lokalisation [1644]
[1645]. Weitere prospektive kontrollierte Untersuchungen untersuchten vergleichend die Ergebnisse der sequenziellen Punktion mit verschiedenen Nadeltypen bei einem Patienten [1635]
[1646]
[1647]
[1648].
Eine aktuelle Metaanalyse von 8 Studien (darunter 3 prospektiv-randomisierte) mit insgesamt 1292 Patienten verglich die diagnostische Genauigkeit von 22 G- und 25 G-Aspirationsnadeln in der Diagnose solider Pankreasläsionen. Während in keiner einzelnen Studie die Überlegenheit eines Nadeltyps gezeigt werden konnte, war die gepoolte diagnostische Sensitivität für die 22 G-Nadel in der Metaanalyse mit 85 % signifikant geringer als für die 25 G-Nadel (93 %), während sich die gepoolten Spezifitäten (22 G-Nadel: 100 %, 25 G-Nadel 97 %) nicht signifikant unterschieden [1649]. Eine zweite Metaanalyse wies nur eine signifikant höhere Ausbeute adäquaten Materials mit der 25 G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 22 G-Aspirationsnadel nach, während die diagnostische Genauigkeit der 25 G-Nadel keine statistische Signifikanz erreichte [1650]. Nur eine randomisierte und prospektiv-kontrollierte Studie fand eine mit der 25 G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 22 G-Aspirationsnadel geringere Komplikationsrate der EUS-FNP von soliden und zystischen Pankreasraumforderungen [1643]. In drei prospektiven vergleichenden Studien war die 25 G-Nadel leichter zu handhaben als die 22 G-Nadel [1635]
[1643]
[1651]. In einer multizentrischen Studie empfanden die Untersucher die Sichtbarkeit und das Handling der 22 G-Aspirationsnadel im Vergleich zur 25 G-Aspirationsnadel als überlegen, ohne dass daraus signifikante Unterschiede von Ausbeute oder diagnostischer Genauigkeit resultierten [1645]. Die Vorteile der 25G-Nadel gegenüber der 22 G-Nadel scheinen sich auf Läsionen im Processus uncinatus und besonders harte Tumoren zu beschränken [1635]
[1644].
Für die Punktion von Lymphknoten erwiesen sich 22 G- und 25 G-Nadeln in einer randomisiert-kontrollierten prospektiven Studie als gleichwertig, während sich für subepitheliale Läsionen bei kleiner Fallzahl ein deutlicher Trend zugunsten der 22 G-Nadel ergab [1644].
Eine prospektive randomisiert-kontrollierte Studie verglich die Ergebnisse der EUS-FNP solider pankreatischer und peripankreatischer Läsionen mit 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln und konnte in der Intention-to-treat-Analyse keinen statistisch signifikanten Vorteil der 19 G-Nadel aufzeigen. Signifikante Vorteile der 19 G-Nadel ergaben sich allerdings für Läsionen im Pankreaskorpus und -schwanz sowie für technisch erfolgreiche Biopsien [1642]. Weitere vergleichende Studien zwischen 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln sind nicht publiziert. Eine aktuelle randomisiert-kontrollierte Studie fand für solide Pankreasläsionen keine signifikanten Unterschiede zwischen der diagnostischen Effektivität und Sicherheit von flexiblen 19 G-Nadeln und 25 G-Standardaspirationsnadeln. Allerdings waren mit der dickeren Nadel signifikant häufiger histologische Gewebezylinder zu gewinnen [1639].
Ein von der Lokalisation der Zielläsion abhängiger Algorithmus für den Einsatz von Aspirationsnadeln unterschiedlichen Durchmessers (diagnostisch: transduodenal – 25 G, alle anderen Zugänge – 22 G; therapeutisch: transduodenal – 19 G hochflexibel, alle anderen Zugänge 19 G Standard) hatte bei gleicher diagnostischer Effektivität und bei gleicher Sicherheit in einer prospektiven unizentrischen Beobachtung eine signifikant geringere Häufigkeit technischen Versagens als das retrospektiv ausgewertete nicht lokalisationsabhängige Vorgehen [1638].
Stellenwert von histologisch untersuchbarem Material und „Histologienadeln“
Die Ergebnisse der meisten publizierten Studien zur EUS-FNP beziehen sich auf die Untersuchung des gewonnenen Materials mit zytologischen Techniken. In den letzten Jahren hat sich mit der Erweiterung des Indikationsspektrums der EUS-FNP, komplexen differenzialdiagnostischen Fragestellungen und der Etablierung personalisierter onkologischer Therapieansätze ein zunehmendes klinisches Bedürfnis nach der Gewinnung histologisch untersuchbaren Materials entwickelt. Dem wurde mit der Entwicklung modifizierter Aspirationstechniken und neuer Nadeltypen Rechnung getragen. Zum Stellenwert von Nadeltypen, die primär auf die Gewinnung histologisch untersuchbaren Materials ausgerichtet sind, kann keine evidenzbasierte Empfehlung gegeben werden.
Aspirationsnadeln mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM)
In einer multizentrischen prospektiven Studie ohne Kontrollarm konnte mit einer 19G- Aspirationsnadel mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM) für verschiedene pankreatische und nonpankreatische Läsionen eine hohe diagnostische Genauigkeit von 86 % erreicht werden, für die Diagnose maligner Raumforderungen von 92,9 % [1636]. Histologisch untersuchbares Material wurde in 88 – 89,5 % der Fälle mit der 19G-ProCore-Nadel gewonnen [1636]
[1652], in 53 – 100 % der Fälle mit der 22 G-ProCore-Nadel [1641]
[1653]
[1654]
[1655] und in 32 % der Fälle mit der 25 G-ProCore-Nadel [1656]. Inzwischen sind mehrere Vergleichsstudien zu Standardnadeln publiziert worden, die für die EUS-FNP solider Pankreasläsionen insgesamt keine diagnostische Überlegenheit des neuen Nadeltyps aufzeigen konnten [1638]
[1657]
[1658]
[1659]
[1660]
[1661]. Nur eine randomisierte prospektiv-kontrollierte Studie fand für die EUS-FNP von subepithelialen Tumoren des GI-Trakts einen Vorteil der 22 G-ProCore-Nadel gegenüber der 22 G-Standardaspirationsnadel in Bezug auf die Häufigkeit histologisch untersuchbarer Gewebefragmente und damit diagnostisch suffizienter Biopsien [1662]. Eine bisher nur als Abstract vorliegende Metaanalyse schloss 21 Studien und Abstracts ein, die die diagnostische Effektivität von ProCore-Nadeln und Standardaspirationsnadeln an insgesamt 1617 Patienten (darunter 641 Fälle mit Pankreastumoren) verglichen. Die Autoren fanden keine signifikanten Vorteile eines der beiden Nadeltypen in Bezug auf diagnostischen Ertrag, diagnostische Genauigkeit, Gewinnung histologisch untersuchbarer Gewebefragmente oder mittlere Anzahl von Punktionsvorgängen. Dies galt für Nadeln aller 3 Durchmesser (19 G, 22 G, 25 G) [1663].
19G-Trucut-Nadeln (QuickCoreTM)
Mit 19 G-Trucut-Nadeln können histologisch untersuchbare Gewebezylinder in 74 – 100 % der Fälle gewonnen werden [1593]
[1594]
[1595]. Die Nadel ist sehr steif und weist insbesondere bei abgewinkelter Spitze des Echoendoskops erhebliche technische Probleme auf. Transduodenale Biopsien waren daher in den meisten Studien primär ausgeschlossen und in anderen Studien nur in 9 – 40 % der Fälle erfolgreich. Vergleichende Studien ergaben keinen diagnostischen Vorteil der 19 G-Trucut-Nadel gegenüber der EUS-FNP mit einer 22 G-Aspirationsnadel [1593]
[1594]
[1595]. Wegen des Fehlens überzeugender Vorteile und der technischen Probleme hat sich dieser Nadeltyp in der klinischen Praxis nicht durchsetzen können.
Standardaspirationsnadeln
Die Gewinnung von histologisch untersuchbaren Gewebezylindern gelingt auch mit Standardaspirationsnadeln in einem hohen Prozentsatz: mit 25 G-Aspirationsnadeln in 44 – 90 % der Fälle [1556]
[1639]
[1664]
[1665], mit 22 G-Nadeln in 28 – 96 % der Fälle [1635]
[1666]
[1667]
[1668]
[1669]
[1670]
[1671]
[1672]
[1673] und mit 19 G-Nadeln in 79 – 100 % der Fälle [1637]
[1639]
[1674]
[1675]
[1676]
[1677]
[1678]. Daten für eine neu speziell für die Gewinnung histologisch untersuchbarer Aspirate entwickelte Nadel mit schnabelartiger Spitzenkonfiguration (SharkCoreTM) sind bisher nicht publiziert.
Größe histologisch untersuchbarer Gewebezylinder
Für 19 G-Trucut-Nadeln wurde eine mittlere Länge der Gewebezylinder von 10 mm (2 – 18 mm) berichtet [1679], für 19 G-Standardaspirationsnadeln von median 15,7 mm (untere Quartile 6,8 mm, obere Quartile 25,1 mm) [1675] bzw. median 8 mm (4 – 12 mm) [1680], und für die 22 G-Standardaspirationsnadel von 6,5 ± 5,3 mm (1 – 22 mm) [1671]. Eine kürzlich publizierte Studie fand, dass bei einer Fragmentlänge von ≥ 4 mm in 89 % der Fälle das mit einer 19 G-Standardaspirationsnadel gewonnene Material tatsächlich histologisch untersuchbar war [1680]. Für die Aspirationsnadeln mit invers angeschliffener Seitöffnung (ProCoreTM) sowie die Aspirationsnadeln mit schnabelartiger Spitzenkonfiguration (SharkCoreTM) sind bisher keine Angaben zur Größe des gewonnen Gewebezylinders publiziert.
Empfehlung
Bei Indikation für erweiterte pathologische Untersuchungen sollten EUS-Punktionsnadeln und/oder Punktionstechniken verwendet werden, die die Möglichkeit bieten Gewebezylinder zu gewinnen.
Starker Konsens
Kommentar
Die zur Ausstrichzytologie ergänzend durchgeführte Asservierung und histologische Verarbeitung von kleinen Gewebezylindern verbesserte in einer großen retrospektiven multizentrischen Studie tendenziell die Charakterisierungsmöglichkeit von Pankreasneoplasien [1672]. In einer anderen retrospektiven Studie, die für mit 22 G-Aspirationsnadeln gewonnenes Material eine rein zytologische Aufarbeitung (Ausstrichzytologie und Zellblock, n = 130) mit einer histologischen Standardaufarbeitung (Formalinfixierung, Paraffineinbettung und serielle Schnitte, n = 130) verglich, standen in der Histologiegruppe in 67,9 %, in der Zytologiegruppe dagegen nur in 27,6 % der Fälle mit definitiver Diagnose Mikrozylinder mit in Stroma eingebetteten Tumorzellverbänden und erhaltener Gewebearchitektur zur Verfügung. In den Fällen mit einer benignen Diagnose fand sich nach histologischer Aufarbeitung ein adäquater Mikrozylinder in 76,7 % der Fälle, nach zytologischer Aufarbeitung jedoch nur in 22,2 % der Fälle. Daraus ergaben sich diagnostische Vorteile insbesondere in Fällen mit chronischer Pankreatitis, wo eine erhaltene lobuläre Architektur in der Abgrenzung hilfreich in der Differenzialdiagnose zu einem gut differenzierten Adenokarzinom war. Die Mikrozylinder erlaubten darüber hinaus zahlreiche immunhistochemische Untersuchungen sowie nach Lasermikrodissektion molekularbiologische Untersuchungen [1668].
Aus mediastinalen und abdominellen Lymphknoten konnten in zwei Studien einer japanischen Arbeitsgruppe mit einer 19 G-Aspirationsnadel für histologische Methoden geeignete Gewebezylinder gewonnen werden, die in 88 bzw. 89 % der Fälle mit der Diagnose eines malignen Lyphoms durchflusszytometrische Untersuchungen und die immunhistochemische Subtypisierung erlaubten [1676]
[1677]. Auch bei weiteren zytologisch schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen über den Einsatz von 19 G-Aspirationsnadeln und 19 G-Trucut-Nadeln mit dem Ziel der Gewinnung histologisch und immunhistochemisch untersuchbarer Gewebezylinder berichtet, insbesondere bei Autoimmunpankreatitis [1680]
[1681]
[1682]
[1683], subepithelialen Tumoren und unklaren Wandverdickungen des GI-Trakts [1684]
[1685]
[1686]
[1687]
[1688]
[1689], granulomatösen Lymphknotenerkrankungen [1690]
[1691]
[1692], Leberparenchymerkrankungen [1693]
[1694]
[1695] und seltenen Pankreasneoplasien [1696].
Empfehlung
Die EUS-FNP mit Standardaspirationsnadeln kann auch ohne Verwendung eines Mandrins durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Alle kommerziell angebotenen Aspirationsnadeln sind mit einem Innenmandrin armiert, der nach erfolgter Punktion zur Gewebsaspiration entfernt wird. Traditionell wird vor jeder neuen Nadelpassage der Mandrin erneut in die Nadel eingeführt, um eine Kontamination oder Verlegung des Nadellumens mit Fremdgewebe aus dem Punktionsweg zu vermeiden. Mehrere Untersuchungen aus den letzten Jahren stellen dieses Vorgehen jedoch infrage und haben keinen Nachteil einer Punktion ohne Mandrin beweisen können [1697]
[1698]
[1699]
[1700]
[1701]. Eine prospektive, nicht randomisierte Studie berichtete unter primärer Punktion ohne Mandrin eine erhöhte Materialausbeute und geringere Blutkontamination [1701]. Zwei randomisierte, prospektiv-kontrollierte Studien mit Verblindung des Zytopathologen gegenüber der Punktionstechnik ergaben zwischen der EUS-FNP mit bzw. ohne Verwendung eines Mandrins keine signifikanten Differenzen bezüglich der diagnostischen Ausbeute, des Anteils an inadäquaten Proben, ihrer Zellularität, Fremdzellkontamination oder Blutkontamination [1698]
[1699]. In einer weiteren randomisierten prospektiv-kontrollierten multizentrischen Cross-over-Studie wurde auch für die Gewinnung histologisch untersuchbarer Gewebefragmente aus verschiedenen Zielläsionen (55,5 vs. 55,0 %) kein Vorteil für die EUS-FNP ohne Mandrin gegenüber dem Vorgehen mit Mandrin ermittelt [1874].
Empfehlungen:
Die EUS-FNP solider Läsionen kann mit oder ohne Ausübung von Sog durchgeführt werden. Solide Pankreasläsionen sollten im Regelfall mit Sog (Unterdruck mittels Aspirationsspritze oder Slow-pull-Technik) aspiriert werden.
Starker Konsens
Bei der EUS-FNP von Lymphknoten und anderen hypervaskulären Läsionen kann die EUS-FNP ohne Sog eine die zytologische Diagnose beeinträchtigende Blutkontamination verhindern.
Starker Konsens
Zysten, Ergüsse und andere liquide Läsionen sollen unter kontinuierlichem Sog aspiriert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Traditionell wird während der EUS-FNP mit einer auf die Nadel aufgesetzten Spritze (5 – 20 ml) ein Unterdruck in der Nadel hergestellt, um die Aspiration von Material zu erleichtern. Alternativ kann die Materialaufnahme in Aspirationsnadeln ohne Sog alleine durch die Nadelbewegungen in der Läsion in Verbindung mit den Kapillarkräfte des schmalen Nadellumens [1702] oder durch Erzeugung eines minimalen Soges durch langsamen Rückzug des Mandrins („slow pull“-Technik) erreicht werden [1655]. Eine frühe experimentelle Studie an Autopsiematerial aus einem mediastinalen Lymphknoten konnte zeigen, dass ein kontinuierlich mit einer 10 ml-Spritze applizierter Sog zu zellreicheren und qualitativ besseren Aspiraten führt als intermittierender Sog oder Aspiration mit Spritzenvolumina von 20 ml oder 30 ml [1703]. Nachteil der Aspiration mit Unterdruck ist, dass es bei der Punktion stark vaskularisierter Läsionen zu einer ausgeprägten Blutkontamination des Aspirates mit Beeinträchtigung der zytologischen Diagnosefindung kommen kann [1704]. Eine experimentelle Studie verglich die an der Spitze traditioneller Aspirationsnadeln und von Nadeln mit invers angeschliffenem Seitloch wirkenden Aspirationskräfte für alle drei verfügbaren Nadeldurchmesser mit Sogvolumina von 50 und 20 ml sowie mit der „Slow-pull“-Technik. Die an der Nadelspitze gemessenen Aspirationskräfte nahmen sowohl mit dem Nadeldurchmesser als mit dem anliegenden Sogvolumen zu. Die “Slow-pull”-Technik erzeugte im Vergleich zur Aspiration mit einer 20 ml-Spritze nur einen sehr geringen negativen Aspirationsdruck (1,4 – 4,8 % abhängig vom Nadeldurchmesser). Mit dickeren Nadeln wurde die maximale Aspirationskraft deutlich schneller erreicht als mit dünneren Nadeln (z. B. mit 20 ml Sog: 19G: 4 s, 22G: 11s; 25G: 80 s) [1705].
Lymphknoten
Eine randomisierte prospektiv-kontrollierte Studie bei Patienten mit Lymphadenopathie konnte zeigen, dass die Applikation von Unterdruck während der EUS-FNP zwar die Zellularität der Aspirate verbesserte, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit, eine korrekte Diagnose zu erhalten. Mit Sog aspirierte Präparate waren deutlich blutiger und von schlechterer diagnostischer Qualität [1706]. Andere Studien zeigten für die EUS-FNP und EBUS-TBNA mit und ohne Sog von Lymphknoten keine signifikanten Unterschiede von Aspiratqualität und diagnostischer Genauigkeit [1702]
[1707].
Solide Pankreasläsionen
In einer kleinen randomisierten prospektiv-kontrollierten Studie verbesserte die Aspiration mit einer 10ml-Spritze im Vergleich zur Punktion ohne Sog bei der EUS-FNP solider Raumforderungen (vorwiegend des Pankreas) signifikant Materialausbeute, Sensitivität und negativ prädiktiven Wert, ohne dass gleichzeitig die Blutkontamination zunahm [1708]. Übereinstimmend zeigte eine prospektiv-vergleichende Studie, dass die Präparate der EUS-FNP solider Pankreasraumforderungen bei Applikation von Unterdruck zwar geringfügig blutiger waren, aber andererseits diagnostische Ausbeute, Zellularität, diagnostische Sensitivität und Genauigkeit durch die Applikation von Sog im Vergleich zur EUS-FNP ohne Unterdruck signifikant verbessert wurden [1709]. In einer multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie zur EUS-FNP solider Pankreasläsionen mit 22 G-Aspirationsnadeln waren mit 20 ml Sog die Aspirate signifikant häufiger adäquat und die diagnostische Genauigkeit höher (87,5 bzw. 86,2 %) als bei Aspiration mit 10 ml Sog (76,1 bzw. 69,0 %) oder ohne Sog (45,4 bzw. 49,4 %) [1710]. In einer retrospektiven Studie zur EUS-FNP solider Pankreasläsionen mit “Slow-pull”-Technik oder Aspiration unterschieden sich bei Nutzung von 22 G-Nadeln diagnostische Sensitivität und Blutkontamination nicht. Für die Untergruppe von Punktionen mit der 25G-Nadel wurde mit “slow pull” eine geringere Blutkontamination und signifikant höhere diagnostische Sensitivität berichtet [1711].
Zystische Pankreasläsionen
Um Infektionen vorzubeugen, sollte der Inhalt zystischer Läsionen nach Möglichkeit komplett entleert werden. Der visköse Inhalt muzinöser Neoplasien lässt sich oft nur mit höheren Sogvolumina absaugen.
Empfehlung
Das bei der EUS-FNP gewonnene Material kann sowohl mit einem Mandrin als auch durch Aussprühen mit Luft aus der Nadel entfernt werden.
Alternativ kann in Abhängigkeit von der zytopathologischen Weiterverarbeitung mit NaCl 0,9 % oder Cytolyt ausgespült werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Technik der Materialentfernung aus der Aspirationsnadel liegen kaum publizierte Daten vor. In einer prospektiv-vergleichenden Studie bestanden zwischen mit dem Mandrin aus der Nadel entfernten bzw. mit einer luftgefüllten Spritze auf den Objektträger ausgeblasenen Material keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf diagnostische Ausbeute, Zellularität, diagnostische Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit. Die Blutkontamination des mit dem Mandrin aus der Nadel entfernten Material war gering, aber signifikant deutlicher ausgeprägt als die des ausgeblasenen Materials [1709].
Empfehlung
In Zentren, in denen die Ausbeute an diagnostisch adäquatem Material bei der EUS-FNP unbefriedigend ist, sollten der gesamte Prozess der EUS-FNP (Materialgewinnung, Materialverarbeitung, zytopathologische Befundung) analysiert und Maßnahmen zur Verbesserung der diagnostischen Effizienz geprüft werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Steuerung der Anzahl der für eine zuverlässige diagnostische Aussage erforderlichen Nadelpassagen bei der EUS-FNP ist entweder durch Vor-Ort-Zytologie durch Zytopathologen, Zytotechniker oder zytologisch geschulte Endosonografiker, durch makroskopisch-visuelle Beurteilung des gewonnenen Materials oder durch Orientierung an Literaturangaben über die für verschiedene Zielläsionen optimale Anzahl von Punktionsvorgängen möglich.
Makroskopisch-visuelle Beurteilung
Ob die makroskopisch-visuelle Beurteilung des Aspirates durch den Endosonografiker oder einen Zytologieassistenten hinreichend ist, um die Anzahl der Nadelpassagen zu steuern, ist unzureichend geklärt. In einer randomisierten, prospektiv-kontrollierten und doppelt verblindeten Studie kam es in 27 % der Fälle zu falsch positiven Einschätzungen der diagnostischen Aussagefähigkeit der bei der EUS-FNP solider Pankreasläsionen gewonnenen Ausstriche durch Zytologie- oder Endoskopieassistenten [1712]. Eine multizentrische retrospektive Studie beschrieb dagegen, dass die von erfahrenen Endosonografikern zur Steuerung der Anzahl der Nadelpassagen bei der EUS-FNP solider Pankreasläsionen vorgenommene makroskopische Einschätzung der diagnostischen Ergiebigkeit des Materials für zytologische Ausstriche nur in 7,3 % und für histologisch untersuchbares Material nur in 13,5 % der Fälle falsch positiv war [1672]. Ebenfalls in einer multizentrischen Studie gelang mehreren Pathologen mit hoher Zuverlässigkeit die makroskopisch-visuelle Differenzierung zwischen diagnostisch unergiebigem und für eine zytologische Diagnose ausreichendem FNP-Material [1713].
Vor-Ort-Zytologie
Vor-Ort-Zytologie ist logistisch, materiell und zeitlich aufwändig und nur unter bestimmten Voraussetzungen diagnostisch und kosteneffektiv [1714]
[1715]. Im Gegensatz zum nahezu flächendeckenden Einsatz an US-amerikanischen Zentren [1716]
[1717] ist sie in Europa und insbesondere in Deutschland auch aufgrund der zunehmenden Konzentration und Dezentralisierung der zytopathologischen Labore nur an wenigen Zentren etabliert [1718]. Für ROSE werden ausgewählte Ausstriche luftgetrocknet, eine Schnellfärbung durchgeführt und durch einen vor Ort anwesenden Zytopathologen, einen Zytologieassistenten oder einen zytologisch trainierten Untersucher selbst beurteilt. Die EUS-FNP wird so lange fortgesetzt, bis adäquates Material gewonnen worden ist. Das Ziel der Vor-Ort-Zytologie geht über die Sofortbeurteilung der Qualität und Adäquatheit der gewonnenen Aspirate im Untersuchungsraum hinaus. Sie ermöglicht darüber hinaus eine – gemessen an der endgültigen zytopathologischen Diagnose – sehr verlässliche vorläufige Diagnose. In vier großen Studien differierte die vorläufige Vor-Ort-Diagnose nur in 5,8, 8,4, 9,6 bzw. 11,5 % von der endgültigen Diagnose [1719]
[1720]
[1721]
[1722].
Ausreichend trainierte Endosonografiker können in der Beurteilung von diagnostischer Aussagefähigkeit des gewonnenen Materials und Dignität eine mit Zytopathologen vergleichbare Effektivität erreichen [1721]
[1722]
[1723]
[1724]
[1725]. Ein 2-tägiges strukturiertes zytopathologisches Training von Endosonografikern hat das Potenzial, die Ergebnisse der EUS-FNP zu verbessern [1726].
Mehrere retrospektive Vergleichsstudien legen nahe, dass eine telezytopathologisch gestützte Befundung während der EUS-FNP solider Pankreasläsionen eine mit ROSE vergleichbare Genauigkeit aufweist [1727]
[1728]
[1729]
[1730]
[1731].
Die Annahmen, dass ROSE den Zeitbedarf der EUS-FNP vermindert, deren diagnostische Genauigkeit und Effizienz erhöht, sowie kosteneffizient ist, beruhen allerdings auf einer wenig verlässlichen Datenlage. Retrospektive Studien und mathematische Modelle geben Hinweise darauf, dass ROSE die Anzahl für die Diagnose erforderlicher Nadelpassagen reduziert und den diagnostischen Ertrag der EUS-FNP um 10 – 15 % verbessert [1724]
[1732]
[1733]
[1734]
[1735]
[1736]
[1737]. In einer großen multizentrischen Studie war nur der negative prädiktive Wert der EUS-FNP extraintestinaler Raumforderungen in den 2 Zentren mit Vor-Ort-Zytologie signifikant höher als in den beiden anderen Zentren ohne verfügbare Vor-Ort-Zytologie. Sensitivität, Spezifität, Genauigkeit und positiver prädiktiver Wert der EUS-FNP extraintestinaler Raumforderungen unterschieden sich dagegen nicht, für Lymphknoten und gastrointestinale Wandläsionen bestanden überhaupt keine Unterschiede zwischen Zentren mit bzw. ohne ROSE [1738]. Ein Vorteil nicht nur für Materialausbeute und Anzahl erforderlicher Nadelpassagen, sondern auch für die diagnostische Sensitivität und Genauigkeit der EUS-FNP solider Pankreasläsionen wurde bisher nur in einer großen unizentrischen retrospektiven Studie aus Spanien berichtet, die weder randomisiert noch verblindet war [1739]. In einem systematischen Review und Metaanalyse unter Einschluss der 5 Studien, die EUS-FNP mit und ohne vorläufige zytologische Sofortbewertung des gewonnenen Materials im Untersuchungsraum verglichen haben, wurde eine signifikante Verbesserung des Anteils adäquaten Materials (um durchschnittlich 10 %) nachgewiesen, jedoch kein Vorteil für die diagnostische Genauigkeit oder die Anzahl der Nadelpassagen. Dieser Vorteil bestand nur an Zentren, an denen ohne ROSE der Ertrag der EUS-FNP an diagnostisch verwertbarem Material niedrig war (< 90 %) [1740]. Drei Metaanalysen, die Ergebnisse prospektiver und retrospektiver Fallserien mit und ohne Vor-Ort-Zytologie miteinander verglichen, kamen zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen [1737]
[1741]
[1742]. In nur einer Metaanalyse erwies sich die Vor-Ort-Zytologie als signifikanter Einflussfaktor auf die Genauigkeit der Diagnose duktaler Adenokarzinome des Pankreas [1741]. In einer zweiten ähnlich angelegten Metaanalyse blieb der Einfluss der Vor-Ort-Zytologie auf die diagnostische Genauigkeit ohne statistische Signifikanz [1742], und in einer dritten Metaanalyse wurde die Erhöhung des Anteils adäquater Nadelpassagen um 2,3 %, nicht jedoch eine Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit berichtet [1740]. Zahlreiche Europäische und Japanische Zentren haben belegen können, dass auch ohne Vor-Ort-Zytologie in weit über 90 % der Fälle diagnostisch relevantes Material gewonnen werden kann [1672]
[1743]
[1744]
[1745].
Anzahl der Nadelpassagen
Die Literaturangaben über die zur Erzielung eines optimalen diagnostischen Ergebnisses erforderliche Anzahl von einzelnen Punktionsvorgängen (Nadelpassagen) sind nicht konsistent. Von den meisten Autoren wird für Lymphknoten, Leberherde und Läsionen der linken Nebenniere eine geringere Anzahl von Nadelpassagen (2 – 3) angegeben als für solide Pankreasläsionen (4 – 7 Nadelpassagen) [1593]
[1594]
[1595]. Eine prospektive Studie ermittelte für alle Läsionstypen eine noch höhere Anzahl erforderlicher Nadelpassagen (Pankreas und verschiedene andere Läsionen: mindestens 7 und Lymphknoten mindestens 5) [1746]. Andere Autoren konnten dagegen an großen Patientenkollektiven zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen 1 – 2 [1672] bzw. 2 – 3 [1734] Nadelpassagen ausreichen können, um eine hohe diagnostische Effizienz der EUS-FNP solider Pankreasraumforderungen zu gewährleisten. Eine prospektive randomisiert-kontrollierte Studie zeigte kürzlich, dass mit einer fächerförmigen Punktionstechnik, bei der die Nadel in unterschiedlichen Einstichwinkeln mehrfach unterschiedliche Anteile der Läsion passiert, die Anzahl von Nadelpassagen reduziert werden kann [1747]. Als Faktoren, die mit einer verminderten Sensitivität für die Diagnose solider Pankreasneoplasien einhergehen, wurden in verschiedenen Untersuchungen eine geringe Größe der Läsion [1711]
[1735]
[1748], ein hoher Differenzierungsgrad [1749] und das Vorliegen einer chronischen Pankreatitis [1750]
[1751]
[1752] identifiziert.
Zytopathologische Verarbeitung
Die Kombination der Ausstrichzytologie mit der Verarbeitung und Untersuchung von Zellblöcken bzw. kleinen Gewebefragmenten nach histologischen Kriterien hat sich in verschiedenen Untersuchungen als geeignet erwiesen, gegenüber der alleinigen Ausstrichzytologie einen signifikanten Zuwachses an diagnostischer Sensitivität zu erreichen [1593]
[1594]
[1595]. In einer großen deutschen retrospektiven 3-Zentren-Studie erhöhte die Kombination der zytologischen Untersuchung der in 92,7 % der Fälle adäquaten Ausstrichzytologie mit der histologischen Untersuchung von in 86,5 % der Fälle mit der gleichen 22 G-Nadel gewonnenen kleinen Gewebezylindern die Sensitivität für die Diagnose einer malignen Pankreasraumforderung (82,9 %) sowohl im Vergleich zur alleinigen Ausstrichzytologie (68,1 %) als auch zur alleinigen histologischen Beurteilung (60 %) hochsignifikant [1672]. An 22 G-EUS-FNP-Präparaten aus soliden Pankreasläsionen konnten mit einer rein histologischen Aufarbeitung des Materials (Formalinfixierung, Paraffineinbettung und serielle Schnitte) bei identischer diagnostischer Genauigkeit eine im Vergleich zur zytologischer Verarbeitung (Ausstriche und Zellblock) verkürzte Diagnosezeit und geringere Kosten erreicht werden [1668]. In einer großen japanischen Serie wurde belegt, dass die Kombination von Ausstrichzytologie und Zellblock signifikant bessere diagnostische Aussagen ermöglichte als die alleinige Ausstrichzytologie [1735]. Übereinstimmend ergaben die Ergebnisse einer internationalen Umfrage bei Endosonografikern, dass neben der Fallzahl des Zentrums und der Nutzung von ROSE zur Bestimmung der optimalen Anzahl von Nadelpassagen oder alternativ der routinemäßigen Durchführung von mindestens 7 Nadelpassagen die regelhafte Asservierung von kleinen Gewebezylindern zur histologischen Aufarbeitung unabhängig mit einer Sensitivität der EUS-FNP > 80 % assoziiert war [1718]. Für die meisten Indikationen der EUS-FNP sind zytologische und histologische Methoden komplementär. Während die Ausstrichzytologie für die Beurteilung zellulärer und nukleärer Malignitätscharakteristika überlegen ist, bietet die histologische Aufarbeitung von Zellblockmaterial oder kleinen Gewebefragmenten Vorteile, wenn beispielsweise bei selteneren Pankreastumoren, subepithelialen Tumoren, unklaren Lymphadenopathien und seltenen benignen Erkrankungen immunhistochemische Färbungen oder molekularbiologische Verfahren differenzialdiagnostisch bedeutsam sind [1668]
[1671]
[1672]
[1676]
[1677]
[1681]
[1683]
[1685]
[1689]
[1692]
[1696]
[1735]
[1753]
[1754]
[1755]
[1756]
[1757]
[1758]
[1759]
[1760].
Expertise des Endosonografikers/Zytopathologen
Erfahrungen, Fertigkeiten und Kenntnisse sowohl des Endosonografikers als auch des Zytopathologen haben eine Schlüsselrolle für die Ergebnisse der EUS-FNP. Eine große multizentrische Studie zeigte, dass die Genauigkeit der EUS-FNP in der zweiten Phase der Untersuchung (Januar 1994 bis Februar 1995, n = 226) mit 92 % signifikant höher war als in der ersten Periode (Januar 1991 bis Dezember 1993, n = 193: 80 %) [1738]. Die publizierte Lernkurve eines Endosonografikers mit initial geringer Erfahrung zeigt, dass die Durchführung von mindestens 50 EUS-FNP erforderlich ist, um konstant eine diagnostische Sensitivität > 90 % für die Diagnose duktaler Adenokarzinome des Pankreas zu erreichen [1761]. In einer anderen Analyse setzte sich nach 45 supervidierten pankreatischen EUS-FNP die Lernkurve bei Durchführung von 300 weiteren EUS-FNP mit Abnahme der Anzahl erforderlicher Nadelpasssagen und der Komplikationsrate fort [1762].
Auch die Expertise des Zytopathologen ist für die diagnostische Effektivität der EUS-FNP entscheidend. Eine Studie demonstrierte überzeugend, dass nach einer kurzen intensiven Trainingsperiode erfahrene Allgemeinpathologen mit nur geringer Erfahrung mit der EUS-FNP in einer steilen Lernkurve die Reproduzierbarkeit ihrer zytologischen Diagnosen an Aspiraten aus mediastinalen Lymphknoten signifikant verbessern konnten [1763]. Die Erfahrung eines großen US-amerikanischen akademischen Endosonografiezentrums zeigt eine Abhängigkeit der gemeinsamen Lernkurve von Endosonografikern und Zytopathologen mit der EUS-FNP sowohl von der Zielläsion als auch von der Vorerfahrung des Zytopathologen. Eine akzeptable Kumulativrate diagnostisch unklarer oder fehlerhafter Befunde von jeweils < 10 % wurde bereits nach Durchführung von 48 EUS-FNP bei Lymphadenopathie erreicht, aber erst nach 171 (diagnostisch unklare Befunde < 10 %) bzw. 186 (Fehldiagnosen < 10 %) EUS-FNP von Pankreasläsionen. Ein bereits in der EUS-FNP erfahrener gastroenterologischer Pathologe unterschritt die kritische Fehlergrenze von 10 % bereits nach 50 EUS-FNP, zwei weniger erfahrene Pathologen erst nach 88 bzw. 113 EUS-FNP [1764].
4.9.3.3 Adjuvante Techniken
In den letzten Jahren sind mehrere adjuvante EUS-Technologien zur non-invasiven Gewebecharakterisierung entwickelt worden, Die digitale Textur- und Grauwertanalyse nativer EUS-Bilder und die EUS-Spektroskopie haben sich bisher trotz einer in Studien berichteten sehr hohen Genauigkeit in der Differenzialdiagnose solider Pankreasparenchymläsionen und vergrößerter Lymphknoten [1765]
[1766]
[1767]
[1768] in der klinischen Praxis nicht durchsetzen können. Dagegen sind die endosonografische Real-time-Elastografie und die kontrastverstärkte Endosonografie inzwischen kommerziell verfügbar und werden bei verschiedenen Indikationen eingesetzt [1591]
[1769]
[1770]
[1771]
[1772].
Real-time-Elastografie
Entzündliche und fibrotische Veränderungen sowie neoplastische Infiltrationen verändern Struktur und Elastizität von Geweben. Verschiedene elastografische Techniken sind geeignet, relative Veränderungen der Gewebeelastizität zu visualisieren und zu messen. Endosonografisch ist bisher das Verfahren der Strain-Elastografie verfügbar, bei dem die durch Kompression verursachte Deformation („Strain“) von Geweben innerhalb einer „Elastizitätsbox“ ermittelt und durch eine dem Grauwertbild überlagerte transparente Farbskala real-time visualisiert wird. Mit hoher Ortsauflösung wird so die relative Beurteilung der Härte bzw. Elastizität von Geweben durch Farbkodierung auf einer Skala von blau (= hart) über grün und gelb bis rot (= weich) ermöglicht. Die Gewebekompression wird durch physiologische Pulsationen benachbarter vaskulärer Strukturen verursacht, kann aber auch durch geringe Bewegungen des Transducers erzeugt werden. Die Elastizitätsbox muss hinreichend groß eingestellt werden, um sowohl die Läsion als auch umgebendes Referenzgewebe zu umfassen. Die Beurteilung kann rein visuell-qualitativ ggf. unter Nutzung von Scoresystemen erfolgen. Der Vergleich zwischen zwei verschiedenen Messbereichen (regions of interest, ROI) innerhalb der Elastizitätsbox (z. B. einer Pankreasraumforderung und dem angrenzenden Pankreasparenchym) erlaubt die quantitative Ermittlung der Strain Ratio. Eine weitere Quantifizierungsmethode ist die Mittlung der in einzelnen Bildpunkten innerhalb der ROI gemessenen Gewebeelastizitäten mit einem computeranalysierten Farbhistogramm [1591]
[1769]
[1773]. Die endosonografische Elastografie kann sowohl mit radialen als auch mit longitudinalen Echoendoskopen durchgeführt werden und wird bisher klinisch vor allem zur Charakterisierung solider Pankreasläsionen, von Lymphknoten, von Läsionen der gastrointestinalen Wand und des analen Sphinkterapparates eingesetzt [1769]
[1772].
Empfehlung
Die endosonografische Elastografie kann als komplementäre Methode zur Charakterisierung fokaler Pankreasläsionen eingesetzt werden.
Konsens
Kommentar
Das gesunde Pankreasparenchym einschließlich der echoarmen ventralen Pankreasanlage stellt sich elastografisch mit einer relativ homogenen mittleren Gewebehärte dar. Maligne Tumoren, einige benigne Tumoren (mikrozystisches seröses Zystadenom, neuroendokrine Tumoren), aber auch ein Teil chronisch entzündlicher Veränderungen grenzen sich gegenüber dem umgebenden Parenchym durch ihre höhere Gewebehärte deutlich ab. Zwei multizentrische Studien haben für die Differenzialdiagnose zwischen malignen und benignen soliden Pankreasraumforderungen unter Nutzung einer computergestützten neuronalen Netzwerkanalyse der Farbhistogrammwerte eine sehr hohe Sensitivität (93,4 bzw. 87,6 %) und einen sehr hohen positiven prädiktiven Wert (PPV, 92,5 bzw. 96,3 %) ermitteln können, während Spezifität (66 bzw. 82,9 %) und negativer prädiktiver Wert (NPV, 68,9 bzw. 57,2 %) geringer waren [1774]
[1775]. Die in 3 Studien ermittelte Interobservervariabilität erwies sich mit Kappa-Werten von 0,72 – 0,785 als gut [1774]
[1776]
[1777]. Fünf Metaanalysen, die teilweise auch bisher nicht voll publizierte Abstracts in die Analyse einbezogen haben, errechneten übereinstimmend eine gepoolte Sensitivität der endosonografischen Elastografie in der Differenzialdiagnose solider Pankreasläsionen von 95 – 97 % (qualitative Elastografie 98 – 99 %; quantitative Elastografie 85 – 96 %), während die gepoolte Spezifität zwischen 67 und 76 % (qualitative Elastografie 69 – 74 %; quantitative Elastografie: 64 – 76 %) angegeben wurde [1778]
[1779]
[1780]
[1781]
[1782]. In Studien, in denen die Beurteilung auf der Grundlage einer Farbhistogrammanalyse erfolgte, wurden keine besseren Ergebnisse erzielt als in Studien, die qualitative Kriterien oder die Strain-Ratio zur Klassifikation einsetzten [1781]. Eine weitere Metaanalyse bewertete den Stellenwert der EUS-Elastografie für die Differenzierung zwischen duktalem Pakreaskarzinom und inflammatorischen Raumforderungen und fand erneut hohe diagnostische Sensitivitäten (qualitative Elastografie 99 %, quantitative Elastografie 92 %) und diagnostische Odds ratios (130 und 24,7), jedoch nur mäßig gute Spezifitäten (qualitative Elastografie 76 %, quantitative Elastografie 68 %) [1783].
Übereinstimmend schlussfolgern die Autoren der Metaanalysen und einer Leitlinie der European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine (EFSUMB), dass die endosonografische Elastografie eine wertvolle komplementäre Methode zur Charaktersierung von Pankreasraumforderungen ist. Sie ersetzt nicht die zytopathologische Diagnostik durch EUS-FNP, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung und kann die Indikation zur EUS-FNP insbesondere bei für ein duktales Adenokarzinom atypischen soliden Pankreasläsionen unterstützen [1772]
[1778]
[1779]
[1780]
[1781]
[1782]
[1783]. Ist umgekehrt eine solide Pankreasläsion aufgrund klinischer, bildgebender und endosonografischer Kriterien verdächtig auf das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms, die EUS-FNP vermag jedoch Malignität nicht zu beweisen, sollte ein malignitätstypischer Elastografiebefund insbesondere auch im Zusammenhang mit einem typischen Befund der kontrastverstärkten Endosonografie klinische Managemententscheidungen dahingehend beeinflussen, dass entweder die EUS-FNP wiederholt wird oder aber eine operative Therapie erfolgt [1769]
[1772]
[1778]
[1779].
Empfehlung
In Ergänzung zu den etablierten B-Bild-Kriterien kann die endosonografische Elastografie zur Charakterisierung von Lymphknoten (beispielsweise im Rahmen des Stagings gastrointestinaler Tumoren) eingesetzt werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Durch Identifikation von durch ihre hohe Gewebehärte für eine maligne Infiltration suspekten Lymphknoten oder Lymphknotenarealen kann die endosonografische Elastografie den zielgerichteten Einsatz der EUS-FNP unterstützen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine verlässliche endosonografische Lymphknotencharakterisierung ist Grundlage des nodalen Stagings gastrointestinaler und anderer maligner Tumoren. Sie beruht primär auf den klassischen B-Bild-Kriterien Größe, Echogenität, Echotextur, Form und Abgrenzbarkeit, deren Genauigkeit allerdings begrenzt ist. Der komplette maligne Umbau von Lymphknoten resultiert in einem Verlust der Lymphknotenelastizität, während fokale Infiltrationen zu lokalisierten Gewebeverhärtungen innerhalb eines Lymphknotens führen [1769]. Eine Metaanalyse, die Ergebnisse von 7 Studien zusammenführte, kalkulierte eine Sensitivität von 88 % und eine Spezifität von 85 % der endosonografischen Elastografie für die Differenzierung zwischen benignen und malignen Lymphknoten [1784]. In zwei kürzlich publizierten Studien konnte gezeigt werden, dass die Nutzung der Elastografie zur Verbesserung der Genauigkeit, insbesondere der Spezifität des endosonografischen Nodalstagings von Patienten mit Ösophaguskarzinom führt [1785]
[1786], während in einer weiteren histologisch kontrollierten Untersuchung bei Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinomen der durch endosonografische Elastografie gegenüber der Charakterisierung anhand von B-Bild-Kriterien erzielte Zugewinn an Spezifität nicht signifikant war [1787].
Die Interobservervariabilität der elastografischen Lymphknotenklassifikation wurde mit unterschiedlichem Ergebnis in 3 Studien bewertet, deren Goldstandard die Ergebnisse der EUS-FNP waren. Eine multizentrische Studie fand eine gute (Kappa 0,657) [1776], eine unizentrische Studie sogar eine exzellente (Kappa 0,84) [1788] Untersucherübereinstimmung. In einer weiteren Studie erwies sich die Untersucherübereinstimmung für ein definiertes Scoringsystem als deutlich geringer (Kappa 0,35) als für die qualitative Bewertung anhand des elastografischen Bildeindrucks (Kappa 0,58) und für die Nutzung der Strain Ratio (Kappa 0,59) [1789].
Kontrastverstärkte Endosonografie (CE-EUS)
CE-EUS kann in zwei verschiedenen Techniken durchgeführt werden: unter Nutzung des Power- oder Farbdopplers mit hohem mechanischem Index (contrast-enhanced high mechanical index-EUS, CEHMI-EUS) [1790] und unter Erzeugung harmonischer Schwingungen der Kontrastverstärkerbläschen mit niedrigem mechanischem Index (contrast-enhanced low mechanical index-EUS, CELMI-EUS oder contrast-enhanced harmonic-EUS CEH-EUS) [1791]
[1792]. Beide Verfahren ergänzen einander in der Beurteilung der Vaskularisation von normalem, entzündlich verändertem und neoplastischem Gewebe: während CELMI-EUS die Perfusion in der Endstrombahn darstellt (Mikrovaskularität), wird mit CEHMI-EUS die Gefäßdarstellung in kleinen Arterien und Venen gegenüber dem nativen Powerdoppler oder Farbdoppler deutlich verbessert (Makrovaskularität) [1793]
[1794]. CE-EUS kann sowohl mit longitudinalen als auch mit radialen elektronischen Echoendoskopen durchgeführt werden.
Bei CEHMI-EUS sollte das Dopplerfenster nach Möglichkeit die gesamte zu beurteilende Läsion umfassen. Dopplerfrequenz und Gain sollten so hoch wie ohne Artefaktinduktion möglich eingestellt werden. Es reicht die Injektion geringer Dosen (ca. 1 ml) des Ultraschallkontrastverstärkers SonoVue® (Bracco) aus, um eine ausreichende Kontrastverstärkung im Powerdoppler oder Farbdopplermodus zu erreichen. Neben einer qualitativen Perfusionsbeurteilung der Läsion im Vergleich zu Nachbargewebe kann der pw-Doppler zur Differenzierung zwischen arteriellen und venösen Gefäßen und zur Ermittlung des Widerstandsindex nach Pourcelot (Resistive Index, RI) eingesetzt werden.
Bei CELMI-EUS wird geräteabhängig mit einem mechanischen Index von 0,08 – 0,3 gearbeitet. Aufgrund der relativ hohen Schallkopffrequenz (5 MHz oder höher) ist bei den aktuell zur Verfügung stehenden Geräten und Ultraschallkontrastmittel stets die intravenöse Injektion der vollen Dosis (5 ml SonoVue®) erforderlich, während für die intrakavitäre Anwendung nur wenige Tropfen ausreichen. Neben einer qualitativen Beurteilung der relativen Vaskularität bzw. des Enhancement in der arteriellen und Spätphase im Vergleich zu Nachbargewebe (avaskulär, hypovaskulär, isovaskulär, hypervaskulär bzw. fehlendes Enhancement, Hypoenhancement, Isoenhancement, Hyperenhancement) sowie eines Gefäßmusters kann mit spezieller Software eine quantitative Beurteilung durch Analyse der Zeit-Intensitäts-Kurven erfolgen (Time-intensity curves, TIC) [1770]
[1771]. Publizierte Daten liegen zur Charakterisierung solider und zystischer Pankreasläsionen, von Lymphknoten und von Läsionen der gastrointestinalen Wand vor [1771].
Empfehlung
Die kontrastverstärkte Endosonografie kann als komplementäre Methode zur Charakterisierung solider und zystischer fokaler Pankreasläsionen eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Charakterisierung solider Pankreasläsionen
Die Sensitivität der Endosonografie für die Detektion von Pankreasläsionen ist sehr hoch [1795]
[1796]
[1797] und im Vergleich zur Computertomografie vor allem bei kleineren Läsionen höher [1798]. Dagegen ist die Spezifität der B-Bild-Kriterien zur Differenzierung insbesondere zwischen duktalem Adenokarzinom und pseudotumoröser chronischer Pankreatitis und Autoimmunpankreatitis, aber auch zwischen verschiedenen Tumorentitäten relativ gering [1793]. Wie aus der radiologischen Bildgebung und der perkutanen kontrastverstärkten Sonografie bekannt, ist das duktale Adenokarzinom des Pankreas typischerweise eine hypovaskuläre Läsion. Die Mehrzahl inflammatorischer Läsionen, neuroendokriner Pankreastumoren, Pankreasmetastasen und anderer seltener Pankreastumoren (mikrozystisches seröses Zystadenom, Azinuszellkarzinom) ist dagegen iso- oder hypervaskulär im Vergleich zum umgebenden Pankreasparenchym [1799]
[1800]. Sowohl mit hohem als auch mit niedrigem mechanischem Index kann endosonografisch die Vaskularität fokaler Pankreasläsionen beurteilt werden. Die Untersuchung mit hohem mechanischem Index erlaubt zusätzlich noch eine Differenzierung zwischen arteriellen und venösen Gefäßen und die Messung des RI [1770]
[1771]
[1794]. Mehrere Untersuchungen im CEHMI-EUS haben zeigen können, dass sich das duktale Adenokarzinom des Pankreas neben seiner Hypovaskularität durch wenige irreguläre Arterien und die fehlende Detektion venöser Gefäße im kontrastverstärkten pw-Doppler und einen hohen RI (> 0,7) in den arteriellen Gefäßen auszeichnet und dadurch mit einer hohen diagnostischen Genauigkeit von der fokalen chronischen Pankreatitis angrenzen lässt [1793]
[1801]
[1802]
[1803]
[1804]. Im CELMI-EUS erweist sich das duktale Pankreaskarzinom als hypovaskulär im Vergleich sowohl zum umgebenden Pankreasparenchym als auch zu fast allen anderen Entitäten fokaler Pankreasläsionen [1793]
[1800]
[1805]
[1806]
[1807]
[1808]
[1809]
[1810]
[1811]
[1812]
[1813]
[1814]
[1815]. Quantitative Analysen zeigen für das duktale Adenokarzinom des Pankreas eine signifikant verzögertes und geringeres Enhancement nach Injektion von SonoVue® sowohl im Vergleich zur pseudotumorösen chronischen Pankreatitis [1809] als auch zur Autoimmunpankreatitis [1810]. Eine Metaanalyse unter Einschluss von 12 Studien (7 CELMI-EUS, 5 CEHMI-EUS) fand für die Differenzierung des duktalen Adenokarzinoms des Pankreas von anderen fokalen Pankreasläsionen eine Sensitivität von 94 % und eine Spezifität von 89 % [1816]. Nur eine Studie verglich beide Verfahren miteinander und fand eine bessere Spezifität von CEHMI-EUS im Vergleich zu CELMI-EUS in der Differenzierung des Pankreaskarzinoms von der fokalen chronischen Pankreatitis [1793]. Die Reproduzierbarkeit der Differenzierung fokaler solider Pankreasläsionen durch CEHMI-EUS erwies sich in drei Studien als gut bis exzellent [1806]
[1814]
[1817]. Diese Daten legen nahe, bei Patienten mit iso- oder hypervaskulären soliden Pankreasläsionen unter dem Verdacht, dass es sich um eine zum duktalen Adenokarzinom alternative Läsion handelt, vor einer Entscheidung zur chirurgischen Therapie eine EUS-FNP durchzuführen. Umgekehrt können nahezu alle in der EUS-FNP falsch negativen Fälle eines duktalen Adenokarzinoms mit der kontrastverstärkten Endosonografie korrekt klassifiziert werden und erforderlichenfalls einer erneuten EUS-FNP unterzogen werden. Darüber hinaus erlaubt die Methode bei der EUS-FNP eine bessere Abgrenzung der Läsion und die Identifikation avaskulärer (nekrotischer) Areale, deren Punktion zu falsch negativen Ergebnissen führen kann [1818]
[1819]
[1820].
Charakterisierung zystischer Pankreasläsionen
Die Datenlage zur Differenzierung zystischer Pankreastumoren mit CE-EUS ist weniger gut. Murale Noduli gelten als Risikoparameter muzinöser zystischer Pankreastumoren [1821]
[1822]
[1823]
[1824], die Differenzierung von intraläsionalem Muzin ist aber endosonografisch alleine nach B-Bild-Kriterien schwierig [1825]. Besonders bedeutsam ist daher die Möglichkeit, mit CE-EUS sicher zwischen intraduktalem oder intrazystischem Muzin einerseits und soliden echoreichen Wandproliferationen andererseits unterscheiden und murale Noduli klassifizieren zu können [282 – 285)].
Charakterisierung anderer Läsionen
Erste publizierte Erfahrungen in der Anwendung an Lymphknoten, gastrointestinalen subepithelialen Tumoren, fokalen und diffusen Gallenblasenwandverdickungen und suspekten abdominellen Läsionen an kleinen Fallzahlen weisen auf eine verbesserte Differenzierung zwischen benignen und (potenziell) malignen Läsionen hin, sind aber noch nicht ausreichend durch große prospektive Studien validiert [1655]
[1830]
[1831]
[1832]
[1833]
[1834]
[1835]
[1836]
[1837]
[1838].
4.9.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach rein diagnostischer Endosonografie am oberen bzw. unteren Gastrointestinaltrakt sollen die gleichen Nachsorgekriterien wie für den Einsatz der oberen bzw. unteren diagnostischen Endoskopie Anwendung finden. Es sollte, insbesondere nach transduodenaler Endosonografie, auf das Vorliegen klinischer Zeichen für eine Hohlraumperforation geachtet werden.
Starker Konsens
Empfehlung
Nach EUS-FNP solider und zystischer Läsionen sollte in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil des Patienten, den Charakteristika der Zielläsion sowie dem Verlauf des Eingriffs über eine stationäre Nachsorge entschieden werden.
Konsens
Kommentar
Bezüglich der Nachsorge nach diagnostischer EUS existieren keine relevanten Literaturdaten. Diese Empfehlung wurde daher ausschließlich vor dem Hintergrund der bekannten Komplikationen im Konsens getroffen.
Komplikationen
Die Endosonografie des oberen Gastrointestinaltrakts ohne diagnostische oder therapeutische Intervention hat eine in multizentrischen Umfragen ermittelte Komplikationsrate zwischen 0,034 und 0,05 %, während prospektive Studien eine Morbidität zwischen 0,093 und 0,22 % angeben [1568]. Im prospektiven Endosonografieregister der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) wurde bei 11 889 erfassten Endosonografien ohne Intervention ein Komplikationsrisiko von 0,14 % ermittelt [1568].
Die kumulative Komplikationsrate der EUS-FNP wurde in einer 2011 publizierten systematischen Analyse von 51 Studien, in die Daten von insgesamt 10 941 Patienten eingingen, mit 0,98 % angegeben. Realistischer erscheint die nur aus den 31 in die Auswertung eingegangenen prospektiven Studien gemittelte Morbidität von 1,71 % [1839]. Aus den Daten des prospektiven Endosonografieregisters der DEGUM für 2099 EUS-FNP wurde eine Komplikationsrate von 2,1 % ermittelt [1568]. Die häufigsten Komplikationen sind Schmerzen (34 %), akute Pankreatitis (34 %), Fieber und infektiöse Komplikationen (16 %) sowie extra- und intraluminale Blutungen (13 %). Perforationen und biliäre Leckagen sind dagegen sehr selten (3 %), Todesfälle extrem selten [1839]. Berichtet wurde auch über einzelne Fälle von galliger Peritonitis, Cholangitis, Pankreasleckage, Pneumothorax, Pneumoperitoneum und Tumorzellverschleppung nach EUS-FNP [1568]. Die EUS-FNP ist eine besonders sichere Methode für mediastinale Läsionen (Komplikationen: 0,38 %), abdominelle Raumforderungen (0,26 %) und für die linke Nebenniere (0 %). Für Pankreasläsionen hatte die EUS-FNP eine Gesamtmorbidität von 1,03 % (nur prospektive Studien: 2,64 %), von 2,07 % für perirektale Läsionen, von 2,33 % für Leberläsionen, und von 3,53 % für Aszites. Das Punktionsrisikos unterscheidet sich zwischen zystischen und soliden Pankreasläsionen sehr deutlich (solide: 0,82 %; nur prospektive Studien: 2,44 % versus zystisch: 2,75 %; nur prospektive Studien: 5,07 %) [1839].
Eine akute Pankreatitis wurde nach EUS-FNP von fokalen Läsionen in bis zu 2,6 % der Fälle beschrieben. Risikofaktoren sind insbesondere benigne und zystische Läsionen [1568]
[1595]. Die Durchführung einer intraduktalen Minsondenendosonografie wurde in einer retrospektiven Analyse an 2364 Patienten mit ERCP als eigenständiger Risikofaktor (n = 418) für die Entwicklung einer eine Post-ERCP-Pankreatitis ermittelt (Hazard Ratio 2,41) [1840].
Zur Tumorzellverschleppung liegen nur 9 Einzelfallberichte mit Tumorzellverschleppung in die Ösophaguswand, Magenwand oder Peritonealhöhle vor [1841]
[1842]
[1843]
[1844]
[1845]
[1846]
[1847]
[1848]
[1849]. Auffällig ist die teilweise lange Latenz zwischen EUS-FNP und klinischer Manifestation von 6 Monaten bis zu 4 Jahren. In 4 der 6 Pankreasfälle lag eine zystische Neoplasie vor. In allen berichteten Fällen von Impfmetastasen nach EUS-FNP von Pankreastumoren bestand unter Berücksichtigung der Tumorformel eine kurative Therapieoption [1548]. Eine peritoneale Tumorzellaussaat wurde intraoperativ in einer retrospektiven Studie signifikant seltener nach EUS-FNP als nach perkutaner Punktion von Pankreaskarzinomen nachgewiesen [1850]. Mehrere retrospektive Studien haben für Patientenkohorten mit Pankreaskarzinom, zystischen Pankreasneoplasien und Cholangiokarzinom, die präoperativ einer EUS-FNP unterzogen worden sind, im Vergleich zu Patientenkohorten ohne präoperative EUS-FNP kein erhöhtes Risiko für eine Peritonealkarzinose, Rezidive oder ein verkürztes Überleben aufzeigen können [1851]
[1852]
[1853]
[1854]
[1855]
[1856]
[1857]. Tendenziell hatten Patienten mit präoperativer EUS-FNP eines Pankreaskarzinoms eine günstigere Langzeitprognose [1851]
[1852].
Das Risiko falsch positiver Befunde wurde in zwei Studien systematisch untersucht. Es lag für die EUS-FNP solider Pankreastumoren in zwei retrospektiven Studie mit hoher Fallzahl bei Berücksichtigung nur sicher für Malignität positiver zytopathologischer FNA-Befunde bei 1,1 % [1616] bzw. 2,2 % [1858], für nonpankreatische EUS-FNP (periösophageale, perigastrische, peripankreatische und perirektale Lymphknoten) bei 15 % [1616]. Die Diskonkordanz konnte jeweils zu 50 % durch zytopathologische Interpretationsfehler bzw. durch Tumorzellkontamination oder Fehlpunktion erklärt werden [1616], ([Tab. 50]).
4.9.5 Spezifische Qualitätsindikatoren EUS
2006 und 2014 wurde von einer Arbeitsgruppe der American Society of Gastrointestinal Endoscopy (ASGE) und des American College of Gastroenterology (ACGE) Qualitätsindikatoren für die Endosonografie publiziert, die präprozedurale, indikationsbezogene prozedurale und postprozedurale Kriterien umfassen [1597]
[1859]. Diese Qualitätsindikatoren sind geeignet, die Qualität der Endosonografie und EUS-gestützter diagnostischer Interventionen zu überwachen und zu vergleichen [1860]
[1861]. Die hier vorgeschlagenen spezifischen Qualitätsindikatoren für EUS und EUS-FNP ([Tab. 51]) lehnen sich an die von der ASGE vorgeschlagenen an [1597] und greifen die im Endosonografieregister der DEGUM erfassten Indikatoren auf [1861]. Nicht dargestellt werden Qualitätsindikatoren, die für alle endoskopischen Untersuchungen und Eingriffe gelten [1862].
Zu allgemeinen Qualitätsindikatoren endoskopischer Untersuchungen siehe Kapitel 7.
Kommentar
Präprozedurale Qualitätsindikatoren
Zur periinterventionellen Antibiotikaprophylaxe bei der EUS-FNP siehe Kapitel 3.3 dieser Leitlinie.
Intaprozedurale Qualitätsindikatoren – anatomische Strukturen
Der Umfang einer endosonografischen Untersuchung sowie die für die Beantwortung der klinischen Fragestellung relevanten anatomischen Strukturen sind abhängig von der konkreten Untersuchungsindikation [1863]. Die indikationsbezogene Vollständigkeit der Untersuchung soll durch Abbildung (Videosequenz oder Bild) und Beschreibung wesentlicher für die Fragestellung relevanter Strukturen im Befundtext dokumentiert werden ([Tab. 52]).
Tab. 52
Indikationsbezogene obligatorische Dokumentation anatomischer Strukturen.
Staging von Ösophaguskarzinom und AEG-Tumoren
|
|
Staging des Magenkarzinoms
|
|
Staging des Pankreaskarzinoms
|
|
Staging des Rektum- und Analkarzinoms
|
-
perirektale Lymphknotenstationen
-
mesorektale Faszie
-
Musculus sphincter ani internus
-
Mann: Prostata, Samenbläschen
-
Frau: Uterus, Vagina
|
Staging des Bronchialkarzinoms
|
|
pankreatobiliäre Fragestellungen
|
-
Visualisierung des gesamten Pankreas
-
Verlauf Dc. pancreaticus, maximaler Durchmesser
-
Verlauf Dc. hepatocholedochus, maximaler Durchmesser
|
Intrarprozedurale Qualitätsindikatoren – pathologische Befunde
Die während einer endosonografischen Untersuchung erhobenen und entsprechend der Indikation relevanten pathologischen Befunde sollen durch Videosequenzen oder Abbildungen und im Befundtext mit ihren diagnostisch und prognostisch relevanten Merkmalen dokumentiert werden ([Tab. 53]).
Tab. 53
Indikationsbezogene obligatorische Dokumentation pathologischer Befunde.
extraintestinale Raumforderungen und pathologische Lymphpknoten
|
|
subepitheliale Tumoren
|
-
Diameter in 2 Ebenen
-
Kontur, Echogenität und Echotextur
-
Lokalisation innerhalb des Gastrointestinaltrakts und Schichtenzuordnung
|
Staging gastrointestinaler Tumoren
|
-
maximale Wanddicke
-
Zuordnung der malignen Infiltration zu den Wandschichten
-
Abstand zu:
-
Musculus sphincter internus (Rektum), mesorektaler Faszie (Rektum), Trachealbifurkation (Ösophagus) bzw. gastroösophagealem Übergang (Ösophagus, Magen, AEG)
-
Detektion (Anzahl) malignitätstypischer lokoregionärer Lymphknoten
-
Detektion malignitätstypischer nicht regionaler Lymphknoten und Leberraumforderungen
|
Staging maligner Pankreasneoplasien
|
-
maximaler Tumordurchmesser
-
Beziehung zu Duodenalwand und Papille
-
Beziehung zur A. mesenterica superior und den Portalgefäßen
-
Detektion malignitätstypischer nicht regionaler Lymphknoten und Leberraumforderungen
|
pankreatobiliäre Fragestellungen
|
-
maximale Pankreasgangweite
-
maximale Gallengangsweite
-
intraduktale Strukturen
-
anatomische Lokalisation von Raumforderungen und/oder Stenosen
|
Die Beschreibung pathologischer Befunde bedarf der Angabe und Dokumentation von anatomischer Lokalisation, Maßen und sonografischer Strukturmerkmale (Echogenität, Echostruktur, Kontur, relative Gewebehärte, Vaskularisation), um klinische und differenzialdiagnostische Interpretation, therapeutische Entscheidungen, Reproduzierbarkeit, Vergleich mit anderen Bildgebungsverfahren, Beurteilung von Therapieeffekten und Verlaufskontrollen zu ermöglichen. Soweit vorhanden, sollten international anerkannte und in Leitlinien verankerte Klassifikationssysteme Verwendung finden. Um die Vergleichbarkeit endosonografischer Befunde zu ermöglichen, ist für die Beschreibung pathologischer Befunde die Nutzung der Minimalstandardterminologie (MST 3.0) für gastrointestinale Endoskopie der Organisation Mondiale D’Endoscopie Digestive (OMED) sinnvoll [1864].
Intraprozedurale Qualitätsindikatoren – EUS-FNP
Die Befundbeschreibung einer EUS-FNP sollten Angaben zur Zielläsion, bei mehreren Zielläsionen zur Reihenfolge der Punktion, zum Nadelweg (z. B. transösophageal oder transgastral), zum Nadeltyp und -durchmesser, zur Anzahl der Nadelpassagen, zur Materialqualität und zur Materialverarbeitung (Ausstriche, Fixierung, Spezialmedien) enthalten. Diese Angaben sind u. a. wesentlich für die zytopathologische Befundung und für die Einschätzung der Qualität der technischen Durchführung. Sie erlauben eine Korrelation mit der Ergebnisqualität [1593]
[1861].
Alle genannten intraprozeduralen Qualitätsindikatoren werden in der ASGE Empfehlung [1596] mit einem Qualitätsziel von > 98 % bewertet.
Postprozedurale Qualitätsindikatoren – Effektivität der EUS-FNP
Als für ein Benchmarking zwischen Zentren und einzelnen Endosonografikern geeigneter Surrogatparameter der diagnostischen Genauigkeit wurde in einer US-amerikanischen multizentrischen Studie der Anteil maligner Diagnosen bei der EUS-FNP solider Pankreasraumforderungen vorgeschlagen und evaluiert. In den 21 teilnehmenden Zentren betrug die durchschnittliche Diagnosehäufigkeit maligner Pankreasneoplasien 71 %, die auf den einzelnen Endosonografiker bezogene mediane Diagnoserate war 75 %. Die Autoren schlugen vor, bei einer zytologischen Diagnoserate maligner Pankreasneoplasien < 52 % (1. Quartile) in einem Zentrum oder für einen Endosonografiker nach Ursachen für die niedrige Diagnoserate zu suchen [1716]. Dieser von der ASGE genutzte Qualitätsparameter [1567] ist auf deutsche Verhältnisse nicht übertragbar, da sich die Indikation zur Biopsie von soliden Pankreastumoren in Deutschland [1559] deutlich von der US-amerikanischen Praxis unterscheidet. Die Ausbeute an diagnostisch adäquatem Material (akzeptabel: ≥ 85 %), der Anteil konklusiver Befunde (diagnostische Kategorien: maligne, Neoplasie, benigne), oder auch der Anteil spezifischer Artdiagnosen an der Gesamtzahl maligner Diagnosen können als Qualitätsparameter genutzt werden [1593]
[1763]
[1764]. Auf der Grundlage der publizierten Daten zur EUS-FNP werten die Autoren eines US-amerikanischen Endosonografiezentrums mit sehr hoher Fallzahl eine Rate konklusiver Befunde von > 90 % als akzeptabel. Die zeitliche Entwicklung der eigenen Ergebnisse (gemeinsame Lernkurve von Endosonografieteam und Zytopathologen) wurden mithilfe des binominalen Kumulativsummenverfahrens (CUSUM chart) evaluiert [1764], das als einfach zu handhabendes und gut interpretierbares Verfahren für das kontinuierliche interne und externe Benchmarking in verschiedenen Bereichen der Medizin etabliert ist [1865]
[1866]
[1867]
[1868]. Die Anwendung dieser Qualitätskriterien setzt eine standardisierte Nomenklatur für zytopathologische Befundberichte wie beispielsweise nach den aktuellen Leitlinien der Papanicolaou Society for Cytopathology oder auf der Grundlage eines Bethesda-Systems voraus [1869]
[1870]
[1871]
[1872].
Postprozedurale Qualitätsindikatoren
Komplikationen
Zur Frequenz spezifischer Komplikationen siehe Kapitel 4.9.4 und 4.10.
4.10 EUS-gestützte Drainage pankreatitisassoziierter Flüssigkeitsansammlungen
Einleitung und Definitionen: Die aktuelle Revision der Atlanta-Klassifikation (2012) unterscheidet 4 verschiedene Typen von Flüssigkeitskollektionen, die mit einer akuten Pankreatitis assoziiert sind (Pancreatic fluid collections, PFC). Diese Klassifikation unterscheidet PFC nach Ätiologie, morphologischen Kriterien (Kapsel und Inhalt), Lokalisation und zeitlichem Abstand zum Beginn der akuten Symptomatik ([Tab. 54]) [1875].
Tab. 54
Klassifikation der mit einer akuten Pankreatitis assoziierten Flüssigkeitsansammlungen nach der revidierten Atlanta-Klassifikation (2012) [1875].
Typ der Flüssigkeitskollektion
|
Ätiologie/Zeitverlauf
|
Kapsel
|
Lokalisation
|
Besonderheiten
|
akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung (acute peripancreatic fluid collection, APFC)
|
≤ 4 Wochen nach Beginn einer ödematösen Pankreatitis
|
–
|
peripankreatisch
|
homogen, liquide, Infektion ±, meist spontane Rückbildung
|
Pankreaspseudozyste (pancreatic pseudocyst, PPC)
|
> 4 Wochen nach Beginn einer ödematösen Pankreatitis
|
+
|
überwiegend extrapankreatisch
|
rund/ oval, liquide, kein non-liquider Inhalt, persistierend
|
akute nekrotische Kollektion (acute necrotic collection, ANC)
|
akute nekrotisierende Pankreatitis
|
–
|
intra- oder extrapankreatisch
|
heterogen, liquide und Nekrose, meist spontane Rückbildung
|
demarkierte Pankreasnekrose (walled-off pancreatic necrosis, WON)
|
nach nekrotisierender Pankreatitis, meist > 4 Wochen nach Beginn
|
+
|
intra- oder extrapankreatisch
|
heterogen, liquide und Nekrose, Infektion ±
|
Pseudozysten sind eine eher seltene Folge der akuten Pankreatitis (akute Pseudozyste) und entstehen im Rahmen einer akuten ödematösen Pankreatitis durch Ruptur des Pankreashauptgangs oder seiner Seitenäste oder im Rahmen einer nekrotisierenden Pankreatitis als Folge eines „disconnected duct syndrome“ in 6 – 18,5 % der Fälle. Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Spontanregression wird die interventionelle Therapie von nicht infizierten akuten peripankreatischen und nekrotischen Flüssigkeitsansammlungen sowie von asymptomatischen akuten Pseudozysten von aktuellen Leitlinien nicht empfohlen [1876]
[1877]
[1878]
[1879]. Wesentlich häufiger als bei akuter Pankreatitis entwickeln sich Pseudozysten im Verlauf einer chronischen Pankreatitis (chronische Pseudozyste, 20 – 40 %), bevorzugt bei alkoholtoxischer chronischer Pankreatitis (70 – 78 %), seltener bei idiopathischer chronischer Pankreatitis (6 – 16 %) und bei biliärer Pankreatitis (6 – 8 %) [1880]
[1881]
[1882]. Nekrosen des Pankreasparenchyms oder des peripankreatischen Fettgewebes treten bei etwa 15 % der Fälle mit akuter Pankreatitis auf. In etwa 30 % der Fälle kommt es in einer zweiten Phase der Erkrankung (1 – 2 Wochen nach Erkrankungsbeginn) zur Entwicklung von Infektionen, die ohne Intervention eine sehr hohe Inzidenz von Multiorganversagen und Mortalität haben [1882]
[1883]
[1884]
[1885]
[1886]
[1887]
[1888]. Die Drainage von Pankreaspseudozysten erfolgt bei Bestehen von Symptomen oder Entwicklung von Komplikationen. Pseudozysten verursachen vor allem Oberbauchschmerzen, bei Magenausgangsstenose oder Magenkompression Erbrechen und frühes Sättigungsgefühl sowie Gewichtsverlust. Die wichtigsten Komplikationen, die zu einer Intervention veranlassen, sind Infektionen, Verschlussikterus, pankreatopleurale Fisteln und Blutungen. Diese Indikationen zu einer Drainage von Pankreaspseudozysten sind in den aktuellen Leitlinien internationaler Fachgesellschaften [1889]
[1890] und der DGVS [1891] allgemein akzeptiert. Innerhalb der ersten 6 Wochen nach akuter Pankreatitis bzw. akutem Schub einer chronischen Pankreatitis kommt es zur Rückbildung von etwa 40 % der Pseudozysten. Die Rückbildungsrate ist nach akuter Pankreatitis höher als bei chronischer Pankreatitis [1884]. Nach 12 Wochen ist nur noch sehr selten eine spontane Rückbildung zu beobachten und das Risiko von Komplikationen nimmt insbesondere bei einer Größe von mehr als 5 – 6 cm zu [1880]
[1881]
[1882]
[1884]
[1886]
[1891]
[1892]
[1893]
[1894]. Wenn schwere Pankreasgangveränderungen (Strikturen, „disconnected duct syndrom“) vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Rückbildung von Pankreaspseudozysten sehr gering [1895]. Leitlinien sehen daher auch die Therapie großer asymptomatischer Pseudozysten als zulässig an, wenn sich diese nicht innerhalb von 12 Wochen zurückbilden [1891].
Pankreatische Pseudozysten können interventionell (endoskopisch, perkutan) oder operativ behandelt werden [1891]. Eine Metaanalyse analysierte publizierte Serien endoskopischer und chirurgischer Drainage von Pankreaspseudozysten und verglich Effektivität und Komplikationsrate bei 787 behandelten Patienten (endoskopische Drainage, n = 466 vs. chirurgische Pseudozystogastrostomie/-enterostomie, n = 321). Während die Morbidität (13,3 vs. 16 %) und die langfristige Rezidivrate (10,7 vs. 7,8 %) vergleichbar waren, lag die Mortalität der endoskopischen Drainage mit 0,2 vs. 2,5 % deutlich unter der der chirurgischen Drainage [1896]. In einer retrospektiven Vergleichsstudie unterschieden sich EUS-gestützte und chirurgische Pseudozystogastrostomie nicht hinsichtlich Effektivität und Morbidität, das EUS-gestützte Vorgehen führte aber zu einer signifikant kürzeren Krankenhausverweildauer und geringeren Behandlungskosten [1897]. Dieses Ergebnis wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie zur Drainage unkomplizierter Pankreaspseudozysten (n = 40) bestätigt. Bei gleicher Effektivität und Sicherheit beider Therapieverfahren ergaben sich für die endoskopisch therapierten Patienten im Vergleich zu den operativ behandelten signifikante Vorteile bezüglich Krankenhausverweildauer, Lebensqualität und Kosten [1898]. Perkutane Drainagetechniken sind bei Pseudozysten primär effektiv und relativ risikoarm, haben aber eine hohe Rezidivrate und gehen mit dem Risiko einer persistierenden pankreatokutanen Fistel einher [1880]
[1881]
[1899]
[1900]. In einem retrospektiven Vergleich zwischen perkutaner und chirurgischer Drainage von Pankreaspseudozyten wurde eine höhere Morbidität und Mortalität des perkutanen Vorgehens berichtet [1901]. Im Vergleich zum endoskopischen Vorgehen war in einer ebenfalls retrospektiven Studie das perkutane Vorgehen in Bezug auf technischen und klinischen Erfolg sowie Sicherheit gleichwertig. Das perkutane Vorgehen erforderte aber signifikant häufiger erneute Bildgebungen und Re-Interventionen und ging mit einer längeren Krankenhausverweildauer einher [1902]. Basierend auf dieser Datenlage empfiehlt die aktuelle Leitlinie der ESGE zur endoskopischen Therapie der chronischen Pankreatitis die primär endoskopische Drainage unkomplizierter Pankreaspseudozysten [1890]. Die deutsche Leitlinie zur chronischen Pankreatitis empfiehlt die Wahl zwischen endoskopischen und chirurgischen Drainageverfahren unter Berücksichtigung von Zystenlokalisation und weiteren pathomorphologischen Kriterien zu treffen und favorisiert das endoskopische Vorgehen als Initialtherapie [1891]. Bei hämorrhagischen Pseudozysten ist ein primär endoskopisches Verfahren mit einem hohen Blutungsrisiko verbunden. Vor endoskopischer Drainage sollte nach einem viszeralen Pseudoaneurysma als Ursache der Einblutung gesucht werden und dieses ggf. angiografisch embolisiert werden [1903]
[1904]
[1905]
[1906]
[1907]
[1908]
[1909].
4.10.1 Spezielle Vorbereitung
Präinterventionelle Bildgebung
Empfehlung
Vor jeder endoskopischen Drainage einer zystischen Pankreasläsion sollte eine sorgfältige Anamnese hinsichtlich der aktuellen klinischen Beschwerden und der Vorerkrankungen erhoben werden und eine suffiziente Bildgebung des Abdomens für Differenzialdiagnose, Therapieplanung und als Ausgangsbefund des therapeutischen Follow-up erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
In einer prospektiven Studie mit 53 Patienten mit zur transmuralen Drainage vorgesehenen vermeintlichen Pseudozysten erwiesen sich 3 als muzinöse zystische Neoplasien bzw. nekrotisch-zystisch zerfallender maligner Tumor [1910]. Vor Intervention einer vermeintlichen Pseudozyste ist es erforderlich, eine zystische Pankreasneoplasie auszuschließen und die verschiedenen Typen einer PFC voneinander zu differenzieren. Dazu ist neben anamnestischen und klinischen Kriterien eine qualitativ gute Bildgebung erforderlich, mit der sowohl strukturelle Veränderungen des Pankreasparenchyms, des Pankreasgangsystems als auch der zystischen Läsion (Wandung, Inhalt, Septen, perfundierte solide Anteile, Kommunikation mit dem Gangsystem) erfasst werden [1880]
[1881]
[1911]
[1912]. Die Differenzierung von Pseudozysten und anderen PFC von non-neoplastischen Pankreaszysten sowie zystischen Pankreasneoplasien kann gerade bei fehlender Pankreatitisanamnese schwierig sein. Andererseits kann im Kontext einer Pankreatitis die Differenzierung zwischen einer zystischen Neoplasie als Pankreatitisursache (beispielsweise intraduktal-papilläre muzinöse Neoplasie vom Seitenast-Typ, BD-IPMN) und einer Pseudozyste als Pankreatitisfolge anspruchsvoll sein.
In der Detektion und Differenzierung zystischer Pankreasläsionen ist die Endosonografie vor allem der Computertomografie, weniger der Magnetresonanztomografie überlegen [1913]. Für die Differenzierung der verschiedenen Typen von PFC sind aktuell radiologische Kriterien publiziert worden [1875]
[1914]. Die Interobserverübereinstimmung für die neuen Kriterien der revidierten Atlanta-Klassifikation erwies sich im Unterschied zu der auf die traditionellen Atlanta-Kriterien von 1992 bezogenen [1915] in einer internationalen Studie, in der 7 Viszeralchirurgen, 2 Gastroenterologen und 8 Radiologen 55 Computertomografien bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis beurteilten, als gut bis exzellent [1916].
Die konkrete Methodenwahl für die minimalinvasive Intervention von PFC wird stark von bildgebend darstellbaren Charakteristika wie Lokalisation, Abstand zur Wand des oberen Gastrointestinaltrakts, Pelottierungseffekt, Inhalt (liquide/non-liquide), Dicke der Wandung, Interposition von Gefäßen, Kommunikation zum Gangsystem und Kontinuität des Gangsystems beeinflusst. Neben transabdominellem Ultraschall und/oder Computertomografie können Magnetresonanztomografie (MRT), Magnetresonanz-Cholangiopankreatografie (MRCP) und Endosonografie sowie gelegentlich auch die ERCP erforderlich sein, um diese präinterventionellen Fragestellungen zu beantworten [1917]. Von besonderer Bedeutung ist die Detektion von solidem Debris innerhalb der PFC sowie von viszeralen Pseudaneurysmen und portosystemische Kollateralen nach portolienaler Thrombose: Insbesondere endosonografisch oder magnetresonanztomografisch gelingt dies mit hoher Sicherheit [1918]
[1919]
[1920]
[1921]
[1922].
4.10.2 Durchführung
4.10.2.1 Technik des endoskopischen Vorgehens
Empfehlung
Bei der endoskopischen Drainage von Pseudozysten und anderen pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen sollte die Technik des endoskopischen Vorgehens von der Lokalisation der Pseudozyste/Flüssigkeitsansammlung, der Ganganatomie, dem Nachweis einer Gangassoziation sowie weiteren patientenbezogenen Kriterien (Infektion, portale Hypertension, Pelottierungseffekt der Pseudozyste im oberen Verdauungstrakt) abhängig gemacht werden.
Konsens
Empfehlung
Eine transpapilläre Drainage kann erfolgen, wenn die Pseudozyste oder Flüssigkeitsansammlung mit dem Pankreasgang kommuniziert. Dabei sollte nach Sondierung des Pankreasganges eine pankreatische Sphinkerotomie, die Dilatation von der Pseudozyste/Flüssigkeitsansammlung nachgeschalteten Pankreasgangstrikturen und die Einlage einer Kunststoffendoprothese erfolgen. Bei größeren Pseudozysten oder Flüssigkeitsansammlungen, die über den Pankreasgang zu sondieren sind, kann die Einlage eines Kunststoffpigtails bis in die Pseudozyste versucht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Verschiedene Studien geben für 22 – 57 % der Pankreaspseudozysten einen Anschluss an das Pankreasgangsystem an [1881]. Der Anschluss an das Pankreasgangsystem kann durch MRCP, EUS oder ERP geprüft werden. Die therapeutische Effektivität der transpapillären Drainage von Pseudozysten mit Ganganschluss bzw. peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen bei unterbrochener Kontinuität des Pankreasgangs ist in überwiegend kleinen retrospektiven Fallserien belegt. Die Langzeitregressionsraten lagen zwischen 65 und 86 % [1923]
[1924]
[1925]. Prädiktive Parameter für ein Ansprechen der transpapillären Drainage sind Lokalisation der Peudozyste in Pankreaskopf oder -korpus, therapierbare Pankreasgangstrikturen vor der Zyste, eine Zystengröße über 6 cm und ein Alter der Zyste unter 6 Monaten [1923]
[1924]. Eine aktuelle retrospektive Studie fand dagegen überraschend, dass die Lokalisation von Pseudozysten im Pankreaskopf ein negativer Erfolgsprädiktor war [1926]. Die nicht sondierbare Pankreasgangokklusion bei „disconnected duct syndrome“ Typ III nach Nealon et al. verhindert einen transpapillären Therapieansatz [1895]. Vergleichende Studien zu den für eine transpapilläre Drainage verwendeten Stents (Kunststoff oder Metall) liegen nicht vor. Die Mehrzahl von Pankreaspseudozysten und PFC ist einer suffizienten Drainage über den Pankreasgang nicht zugänglich, sodass bei den betroffenen Patienten nur eine transmurale endoskopische Drainage infrage kommt. In verschiedenen Studien wurde die Effektivität eines Therapieansatzes geprüft, der primär die Gangassoziation von Pseudozysten und anderen PFC überprüfte: Bei Nachweis einer duktalen Kommunikation der Pseudozyste wurde primär transpapillär interveniert, bei Pseudozysten ohne Ganganschluss oder mit Versagen des transpapillären Vorgehens wurde eine endoskopische transmurale Drainage durchgeführt. Diese Studien haben hohe Erfolgsraten der endoskopischen Drainage und eine tendenziell geringere Komplikationsrate des transpapillären Vorgehens aufzeigen können [1927]
[1928]
[1929]
[1930]. Andere Untersucher waren mit einem Vorgehen erfolgreich, bei dem alle pelottierenden Pseudozysten transmural drainiert wurden und eine ERCP ggf. mit transpapillärer Drainage nur bei Patienten mit nicht pelottierenden Pseudozysten durchgeführt wurde [1931]. Eine retrospektive Studie fand bei Patienten mit PFC, bei denen zusätzlich zu einer EUS-gestützten oder konventionell-endoskopischen transmuralen Drainage ein transpapilläres Stenting des Pankreasgangs durchgeführt wurde, häufiger eine komplette Rückbildung von Symptomen und Pseudozyste (97,5 %) als bei Patienten, bei denen ein Stenting nicht möglich oder auch bei fehlendem Leckagenachweis nicht erforderlich war (80 %) [1932]. In einer sehr großen retrospektiv-analysierten Serie aus dem gleichen Zentrum wurden 34,5 % aller 211 Patienten mit PFCs neben einer endoskopischen transmuralen Drainage mit einem transpapillären Pankreasgangstent versorgt [1933]. Beide Therapieansätze (transpapilläre versus transmurale Drainage) sind bei Patienten mit Pankreasleckage und PFC bisher nicht prospektiv miteinander verglichen worden.
Empfehlung
Die transmurale Drainage von Pseudozysten/pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen sollte EUS-gestützt erfolgen (DGVS GL CP). Bei deutlicher Impression der Wandung des Gastrointestinaltrakts, Fehlen einer portalen Hypertension und geringem Blutungsrisiko kann die Drainage auch nach vorheriger diagnostischer Endosonografie konventionell-endoskopisch durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endosonografisch gesteuerte transmurale Drainage von Pseudozysten/PFC ist auch bei Fehlen einer Wandimpression des oberen Verdauungstrakts durchführbar [1910]
[1934]. Punktionsstelle und Punktionsweg sind endosonografisch beurteilbar, der Abstand zur Pseudozyste/PFC, solid-nekrotischer Inhalt, vaskuläre Komplikationen sowie interponierende Gefäßstrukturen können dargestellt werden. Darüber hinaus erlaubt die Endosonografie die Differenzierung von zystischen Neoplasien [1919]
[1935]. Die EUS-gestützte transmurale Dainage von PFC ist prinzipiell auch ohne Röntgendurchleuchtung möglich [1936]
[1937]. Die EUS-gesteuerte Drainagetechnik bedingt durch die Konfiguration des longitudinalen Seitblickechoendoskops im Vergleich zur rein endoskopischen Technik einen mehr tangentialen und dadurch längeren Punktionsweg. Ein neues Echoendoskop mit prograd ausgerichtetem Scanner ermöglicht einen kürzeren transmuralen Zugang [1938]. In einer prospektiv-randomisierten multizentrischen Studie konnte allerdings für die Drainage von PFC keine höhere Effektivität oder Sicherheit des prograden Echoendoskops im Vergleich zum traditionellen Seitblickechoendoskop gezeigt werden [1939].
Eine prospektiv-vergleichende Studie zur endoskopischen versus EUS-gesteuerten Technik, in der alle Patienten mit pelottierenden Pseudozysten konventionell-endoskopisch und jene mit fehlender Wandimpression EUS-gestützt transmural drainiert wurden, zeigte eine vergleichbare Effektivität und Komplikationsrate beider Verfahren [1934]. In einer weiteren prospektiven Vergleichsstudie stellte sich eine Lokalisation im Pankreasschwanz als Prädiktor des Versagens einer transmuralen konventionell-endoskopischen Drainage heraus. Bei gleicher Effektivität und Komplikationsrate beider Verfahren war der Zeitbedarf für die EUS-gestützte Drainage (median 75 Minuten) signifikant höher als für die konventionell-endoskopische Drainage (median 40 Minuten) [1910]. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte allerdings zeigen, dass der Zeitbedarf von median 70 Minuten für die ersten 25 EUS-gestützten Drainagen auf median 25 Minuten für die folgenden 29 Interventionen reduziert werden konnte [1940]. Zwei prospektiv-randomisierte Studien [1941]
[1942] wiesen in Bezug auf Komplikationsrate und Langzeiteffektivität ebenfalls keinen signifikanten Unterschied zwischen konventionell-endoskopischer und EUS-gestützter transmuraler Drainage auf. Allerdings war der technische Erfolg der konventionell-endoskopischen Drainage in beiden Studien mit 72 vs. 94 % [1942] bzw. 33 vs. 100 % [1941] signifikant geringer. Eine aktuelle Metaanalyse schloss alle 229 Patienten der genannten 4 prospektiven Studien ein und bestätigte, dass die EUS-gestützte transmurale Drainagetechnik signifikant häufiger technisch erfolgreich ist als das konventionell-endoskopische Vorgehen. Alle Patienten mit Pfortaderhochdruck und hohem Blutungsrisiko wurden primär EUS-gestützt drainiert. Alle Patienten ohne Pelottierung, die primär für ein konventionell-endoskopisches Vorgehen vorgesehen waren, wurden sekundär erfolgreich mit einer EUS-gestützten Drainage behandelt. Unter Berücksichtigung dieser Patientenselektion unterschieden sich kurzfristiger und langfristiger Erfolg sowie die Komplikationsraten beider Verfahren nicht signifikant, wenngleich die beiden einzigen Todesfälle konventionell-endoskopisch behandelt worden waren. Die Autoren schlussfolgern, dass für pelottierende Pseudozysten beide Verfahren eingesetzt werden können, während die EUS-gestützte Pseudozystendrainage die Methode der Wahl für Pseudozysten ohne Impression und bei Patienten mit Pfortaderhochdruck oder Koagulopathie ist [1943].
Empfehlung
Die endosonografische Drainage von Pseudozysten/pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen sollten abhängig von deren Lokalisation bevorzugt transgastral oder transduodenal erfolgen.
Konsens
Kommentar
In einer Umfrage unter US-amerikanischen und internationalen Endoskopikern wurde der transgastrale Zugang als der mit 65 % am häufigsten genutzte angegeben [1944]. Auch in größeren Fallserien dominiert der transgastrale vor dem transduodenalen Zugang [1940]
[1945]. In mehreren Fällen wurden EUS-gestützte Drainagen von Pseudozysten auch über transenterische [1946]
[1947] und transösophageale Zugänge [] durchgeführt.
Empfehlung
Die transmurale EUS-gestützte Drainage von Pseudozysten und pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlungen kann in verschiedenen Techniken (Punktion-Dilatations-Technik, Diathermie) durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der Punktions-Dilatations-Technik wird nach EUS-gesteuerter Punktion der Pseudozyste/PFC mit einer 19 Gauge EUS-Nadel über ein longitudinales Echoendoskop mit therapeutischem Arbeitskanal, Flüssigkeitsaspiration und Kontrastmittelapplikation ein 35 Inch-Führungsdraht tief in die Pseudozyste/PFC eingelegt. Anschließend werden Nadel und Führungskatheter entfernt. Über den Führungsdraht erfolgt die Erweiterung des Zugangs mit einem ERCP-Katheter, Bougies, Dilatationsballons oder aber diathermisch mit einem Zystostom (z. B. Endoflex, Cook) bzw. Ringschneider (nach Will, MTW) (43). Bei der Diathermie-Technik wird der Initialzugang z. B. mit einem 22 Gauge Nadelmesser in einem 7-French-Katheter (z. B. HBAN 22, Cook) oder einem Zystotom mit einem 5-French-Innenkatheter (Cook) geschaffen. Nach Erreichen der Pseudozyste bzw. PFC wird das Nadelmesser aus dem in die Zyste vorgeführten Katheter entfernt, über diesen erfolgen dann die Aspiration von Flüssigkeit, die fluoroskopische Kontrastierung und die Drahteinlage (35 Inch, beschichtet). Die Erweiterung des Zugangs erfolgt dann wie oben beschrieben [1917]. Für den Diathermiezugang wurde in einer vergleichenden Studie zur Seldingertechnik bei vergleichbarer Effektivität beider Methoden eine höhere Rate an Blutungskomplikationen nachgewiesen (15,7 vs. 5,6 %) [1951]. Über den Draht wird dann zunächst ein Plastikstent appliziert. Weitere Plastikstents werden nach erneuter Sondierung des transmuralen Fisteltrakts entlang der primär eingelegten Endoprothese appliziert. Bei infizierten Zysten besteht zudem die Möglichkeit zur Spülung über eine parallel eingelegte nasozystische Spülsonde [1952]
[1953]
[1954]. Zweidrahttechniken erlauben die parallele Applikation von zwei Plastikstents oder eines Plastikstents und einer nasozystischen Sonde ohne erneute Sondierung des Fisteltraktes [1953]
[1955]
[1956]
[1957]
[1958]. Ein speziell für EUS-gestützte Drainagen entwickeltes Zugangsinstrumentarium (NavixTM, Xlumina) bietet die Möglichkeit, in einem Arbeitsgang ohne Wechsel des Instrumentariums den transmuralen Zugang zu schaffen, den Zugang zu dilatieren und zwei parallele Drähte in die Pseudozyste/PFC einzulegen [1958]
[1959]
[1960].
Empfehlung
Für die transmurale Drainage der pankreatitisassoziierten Flüssigkeitsansammlung können Kunstoffendoprothesen oder voll gecoverte selbstexpandierende Metallstents verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
In den publizierten Serien zur transmuralen endoskopischen Drainage von Pseudozysten und anderen PFC wurden unterschiedliche Plastikstenttypen und -durchmesser und neuerdings auch teilweise und komplett gecoverte Metallstents unterschiedlichen Durchmessers und unterschiedlicher Länge zum Einsatz gebracht [1935]
[1961]
[1962]
[1963]
[1964]. Prospektive Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Stenttypen liegen nicht vor. Das Doppelpigtail-Design sollte wegen der vermutlich niedrigeren Dislokationsrate geraden Plastikprothesen vorgezogen werden [1917]
[1965]
[1966]. Für unkomplizierte Pseudozysten waren in einer retrospektiven Studie sowohl Durchmesser (7 FR vs. 10 FR) als auch Anzahl der zur Drainage verwendeten Plastikstents nicht mit der für den Behandlungserfolg notwendigen Anzahl von Interventionen assoziiert [1967]. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer chinesischen multizentrischen Studie berichtet, in der klinische Effektivität und Risiko der Sekundärinfektion bei der Drainage von PFC nicht von Durchmesser und Anzahl der verwendeten Plastikstents abhängig waren [1961]. Gecoverte Metallstents haben den Vorteil eines dauerhaften und weitlumigen Zugangs zu PFC und werden daher zunehmend vor allem zur Drainage von infizierten und/oder Debris enthaltenden PFC eingesetzt. Infektionen der PFC und Stentmigrationen sind aber ebenfalls beschrieben. Speziell für PFC entwickelte Stentdesigns sollen Komplikationen und insbesondere die Stentmigration verhindern [1959]
[1963]
[1964]
[1968]
[1969]
[1970]
[1971]
[1972]
[1973]
[1974]
[1975]
[1976]
[1977]
[1978]
[1979]
[1980]. Ein systematischer Review, der 881 Fälle aus 17 Studien einschloss, konnte für die Drainage von PFC keine Unterschiede von Behandlungserfolg, Risiko und Rezidivrate zwischen Plastikstents und Metallstents nachweisen [1981]. In einer prospektiven randomisierten Studie fanden sich zwischen Plastikstents und voll gecoverten Metallstents ebenfalls keine Unterschiede in Bezug auf technische und klinische Effektivität sowie Sicherheit der Drainage von PFC [1978].
Empfehlung
Die Liegedauer von Kunststoffstents soll mindestens 6 Wochen betragen, um eine gute Langzeitregression von Pankreaspseudozysten und anderen pankreatischen Flüssigkeitskollektionen zu gewährleisten. Die Einlage von mehreren Stents kann die Langzeitregressionsrate ebenfalls positiv beeinflussen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine multivariate Analyse von 92 konsekutiven Patienten mit endoskopischer Pseudozystendrainage [1965] identifizierte die Zystenlokalisation im Pankreaskopf, die Insertion von mehreren Stents in die Zyste und eine Stentliegedauer über 6 Wochen als prädiktive Parameter für eine gute Langzeitregression. In einer randomisierten prospektiven Studie mit kleiner Fallzahl wurde die Abhängigkeit der Rezidivrate pankreatitisassoziierter Flüssigkeitsansammlungen nach transmuraler Drainage vom Zeitpunkt der Stententfernung untersucht. Bei Patienten, bei denen die Stents innerhalb von zwei Wochen nach Rückbildung der Flüssigkeitsansammlung entfernt wurden (Stentverweildauer im Median 2 Monate), lag die Rezidivrate bei 38,4 %, während bei Patienten, bei denen die Stents unbegrenzt bzw. bis zu einem eventuellen Spontanabgang in situ belassen wurden, während des Follow-ups von median 14 Monaten nach Drainage kein einziges Rezidiv beobachtet wurde [1982]. Die Interpretation dieser Studie ist aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der Randomisierung, der kleinen Fallzahl, des hohen Anteils von Patienten mit Pankreasgangleckage und des heterogenen Patientengutes allerdings schwierig. Eine aktuelle retrospektive Analyse zeigte aber übereinstimmend, dass nach EUS-gestützter Drainage von abgekapselten Pankreasnekrosen das Belassen der Stents im Vergleich zu ihrer Entfernung die Rezidivrate signifikant reduzierte [1983].
4.10.2.2 Endoskopische Therapie von infizierten Pankreasnekrosen
Empfehlung
Die endoskopische Drainage von peripankreatischen und Pankreasparenchymnekrosen soll bei Nachweis oder dringendem Verdacht einer Infektion möglichst nach Demarkation der Nekrose und Kapselbildung erfolgen, dies bedingt einen Zeitabstand von mindestens 4 Wochen zum Beginn der akuten Pankreatitis.
Eine Drainage infizierter nekrotischer Flüssigkeitskollektionen zu einem früheren Zeitpunkt kann bei instabilen Patienten charakterisiert durch SIRS und Multiorganversagen mit klinischer Verschlechterung trotz maximaler intensivmedizinischer Therapie erwogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Pankreasnekrosen ist die nachgewiesene oder aufgrund einer klinischen Verschlechterung trotz maximaler konservativer Therapie und laborchemischer Parameter vermutete Infektion die wesentliche Indikation für endoskopische oder andere minimalinvasive Interventionen. Eine Intervention ist auch indiziert, wenn in einer späteren Phase der Erkrankung durch eine demarkierte Pankreasnekrose persistierende starke Schmerzen oder eine Obstruktionssymptomatik (Ikterus, Magenausgangsstenose) verursacht werden [1879]. Patienten mit sterilen Pankreasnekrosen haben einen deutlich günstigeren Verlauf als solche mit Infektion [1984]. Organversagen und Nekroseninfektion sind Indikatoren eines schweren Verlaufes mit hoher Mortalität. Die Mortalität verdoppelt sich bei Koinzidenz von Organversagen und Infektion [1887].
Eine internationale multidisziplinäre Konsensuskonferenz empfiehlt, nach Möglichkeit nicht früher als 4 Wochen nach Beginn der akuten Pankreatitis zu intervenieren, um der Nekrose ausreichend Zeit zur Reifung (Demarkierung und Liquedifizierung) zu lassen [1879]. In einer großen prospektiven Studie aus 21 niederländischen Zentren (n = 639) konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass die Mortalität mit wachsendem Zeitintervall zwischen Krankenhausaufnahme und minimalinvasiver Therapie (perkutane Katheterdrainage ± videoassistiertes retroperitoneales Debridement oder endoskopisch-transmurale Drainage ± direkte endoskopische Nekrosektomie) signifikant abnahm (0 – 14 Tage: 56 %; 14 – 29 Tage: 26 %; > 29 Tage: 15 %) [1985]. Bei klinisch stabilen Patienten mit infizierter Nekrose kann zunächst auch eine konservative antibiotische Therapie erfolgreich sein [1986]
[1987]
[1988]. Dies ermöglicht ggf. ein Bridging der Drainagetherapie/Nekrosektomie bis zur Demarkation der Nekrose. Eine endoskopische Intervention bei Patienten, die in der ersten Phase der Erkrankung bei noch sterilen Nekrosen ein Multiorganversagen erleiden, gilt aufgrund der extrem hohen Mortalität als kontraindiziert [1877]
[1879]. Im Falle von kritischen Verläufen einer infizierten Nekrose zu einem frühen Zeitpunkt nach akuter Pankreatitis, die eine Ableitung erforderlich machen, kann ein möglichst minimalinvasives Vorgehen in Form eines endoskopischen oder perkutanen Zuganges diskutiert werden [1879]
[1985].
Prophylaktische Interventionsindikationen für Pankreasnekrosen gibt es nicht. In der prospektiven niederländischen Multicenterstudie konnten 62 % der Patienten mit akzeptabler Mortalität (7 %) konservativ behandelt und auf eine endoskopisch-transmurale oder perkutane minimalinvasive Intervention verzichtet werden. Bei Parenchymnekrosen des Pankreas traten Organversagen (50 %) und letale Ausgänge (20 %) signifikant häufiger auf als bei Patienten mit peripankreatischen Nekrosen (24 bzw. 9 %) [1985]. In einer detaillierten retrospektiven Analyse dieses Patientengutes wurde gezeigt, dass diese Unterschiede offensichtlich mit einer signifikant geringeren Infektionsrate extrapankreatischer Nekrosen (16 %) im Vergleich zu Parenchymnekrosen (47 %) einhergehen. Im Falle der Infektion unterscheidet sich die Mortalität zwischen beiden Typen von Pankreasnekrosen jedoch nicht [1989]. In einer prospektiven Verlaufsbeobachtung einer kleinen Patientengruppe mit primär konservativem Vorgehen war ein überwiegend liquider im Vergleich zu einem soliden Inhalt der Nekrose ein signifikanter Prädiktor für interventionspflichtige Komplikationen [1922].
Empfehlungen
Bei gegebener Indikation für eine endoskopische Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen (WON) soll in einem minimalinvasiven „Step-up“-Protokoll entweder durch transmurale endoskopische Drainage ggf. gefolgt von einer direkten endoskopischer Nekrosektomie interveniert werden oder durch perkutane Katheterdrainage ggf. gefolgt von einem minimalinvasiven videoendoskopisch assistierten retroperitonealen Debridement.
Wird die Nekrose endoskopisch nur partiell erreicht, kann eine Kombination aus endoskopischer und perkutaner Drainage/Nekrosektomie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis konnte in zwei aktuellen multizentrischen randomisierten prospektiven Studien gezeigt werden, dass ein aus einer primären perkutanen bzw. endoskopischen transmuralen Drainage ggf. mit nachfolgender minimalinvasiver retroperitonealer Nekrosektomie bzw. direkter endoskopischer Nekrosektomie bestehendes Vorgehen der primären offen-chirurgischen Nekrosektomie hinsichtlich Mortalität und schwerer Komplikationen signifikant überlegen war [1985]
[1990]
[1991]. Darüber hinaus hatte ein stufenweises Vorgehen mit primärer perkutaner oder transmuraler Drainage und – falls klinisch erforderlich – zusätzlicher minimalinvasiver Nekrosektomie eine geringere Komplikationsrate als die primäre minimalinvasive Nekrosektomie [1985]. In zwei prospektiven multizentrischen Studien erwies sich die alleinige perkutane Katheterdrainage bei 35 bzw. 23 % der Patienten klinisch als ausreichend [1991]
[1992]. Ein systematischer Review der perkutanen Katheterdrainage als primäre Therapie der nekrotisierenden Pankreatitis schloss 11 Studien mit 384 Patienten ein. 70,6 % der Patienten hatten eine nachgewiesene Nekroseninfektion, und es wurden durchschnittlich zwei perkutane Drainagen appliziert. Bei 55,7 % aller Patienten war keine zusätzliche Nekrosektomie erforderlich [1993].
In einem retrospektiven Vergleich wies die transgastrale endoskopische Nekrosektomie im Vergleich zur offenen und zur minimalinvasiven retroperitonealen Nekrosektomie die geringste Gesamtmortalität auf [1994]. Erste prospektive Daten zeigen ebenfalls einen Benefit für die endoskopische Nekrosektomie. Eine aktuelle prospektiv-randomisierte Studie verglich bei 20 Patienten erstmals die endoskopische (n = 10) mit der chirurgischen Nekrosektomie (n = 6 videoendoskopisch assistierte retroperitoneale Nekrosektomie, n = 4 offen-chirurgisches Debridement). Primärer Endpunkt war die Messung des postinterventionellen Interleukin-6 Spiegels als Entzündungsmarker, der sekundäre Endpunkt kombinierte schwere Komplikationen oder Tod. Nach endoskopischer Nekrosektomie lagen die postinterventionellen IL-6 Spiegel statistisch signifikant niedriger, ebenso trat der kombinierte sekundäre Endpunkt schwere Komplikation (z. B. ein erneutes Multiorganversagen) oder Tod signifikant weniger häufig auf als in der chirurgischen Gruppe (20 vs. 80 %, p = 0,3) [1995]. Von einem internationalen multidisziplinären Expertenkonsens wird unter Berücksichtigung dieser vorläufigen Ergebnisse derzeit empfohlen, die Wahl des minimalinvasiven Verfahrens von der lokalen Expertise und von der Lokalisation der Nekrosen in Bezug auf den Gastrointestinaltrakt abhängig zu machen [1879].
Empfehlung
Bei endoskopischer Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen (WON) mit und ohne Infektion soll die Technik der endoskopisch-transmuralen Drainage deren Inhalt und Größe Rechnung tragen. Sie kann mit einer Spülbehandlung über einen perkutanen Zugang oder eine nasozystische Sonde bzw. mit einer direkten endoskopischen Nekrosektomie kombiniert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Transmuraler Zugang
Bei PFC mit Infektion und/oder solidem Debris muss der transmurale Zugang ausreichend weitlumig und stabil sein, um den langfristig ungehinderten Abfluss infizierten liquiden Inhalts und ggf. auch wiederholte direkte endoskopische transmurale Nekrosektomien zu ermöglichen. Die Anzahl erforderlicher Sitzungen korrelierte in einer retrospektiven Analyse mit der Größe der Kollektion und dem Ausmaß nekrotischen Debris [1920]. In den bisher zur endoskopischen transmuralen Therapie von WON publizierten 13 retrospektiven Serien und einer prospektiv-randomisierten Studie mit insgesamt 455 Patienten waren im Mittel 4 [1875]
[1876]
[1877]
[1878]
[1879]
[1880]
[1881]
[1882]
[1883]
[1884]
[1885]
[1886]
[1887]
[1888]
[1889]
[1890]
[1891]
[1892]
[1893]
[1894]
[1895]
[1896]
[1897] Sitzungen zur direkten endoskopischen Nekrosektomie erforderlich. Nach endosonografisch gestützter Schaffung eines transmuralen Zugangs erfolgte in den meisten Serien eine ein- oder mehrschrittige endoskopische Ballondilatation bis zu einem Diameter von 12 – 20 mm und die Sicherung des Zugangs durch Einlage mehrerer Doppelpigtail-Endoprothesen oder eines gecoverten Metallstents [1996].
In einer retrospektiven Analyse wurde bei Patienten mit symptomatischer WON die direkte endoskopische transmurale Nekrosektomie mit der alleinigen endoskopischen transmuralen Drainage verglichen. Eine erfolgreiche Rückbildung der Nekrose konnte signifikant häufiger durch Nekrosektomie als durch alleinige Drainage (88 vs. 45 %) erreicht werden, während sich die Anzahl der erforderlichen Interventionen und Komplikationsraten nicht unterschieden [1997]. Die Nekrosektomie erfolgt nach Schaffung eines für die Passage eines Standardendoskops ausreichend weiten Zuganges zur Nekrosehöhle unter direkter endoskopischer Sicht unter Nutzung endoskopischer Schlingen, Greifer oder Netze [1998].
Nasozystische Spüldrainage und multiple transmurale Zugänge
In einer unizentrischen retrospektiven Studie erwies sich in der Therapie von PFC mit solidem Debris die Kombination aus EUS-gestützter transmuraler Stentdrainage und nasozystischer Spülsonde der alleinigen transmuralen Stentdrainage in Bezug auf komplette Rückbildung und Stentokklusion als signifikant überlegen [1954]. Eine ebenfalls retrospektive Studie verglich die Kombination aus transmuraler Drainage mit zwei Doppelpigtail-Stents und nasozystischer Spülsonde mit einer „multiple transluminal gateway technique“, bei der abhängig von der Größe der WON EUS-gestützt 2 oder 3 transluminale Zugänge geschaffen wurden, von denen einer für eine nasozystische Spülsonde genutzt und 1 oder 2 weitere mit mehreren Doppelpigtail-Stents gesichert wurden. Während es bei einfacher transmuraler Stentdrainage in Kombination mit nasozystischer Sonde in 23 der 48 Fälle zum Therapieversagen (47,9 %: 3 Todesfälle, 17 × chirurgische Therapie, 3 × endoskopische Nekrosektomie) kam, musste in der „multiple transluminal gateway“-Gruppe (n = 12) nur 1 Patient einer zusätzlichen endoskopischen Nekrosektomie unterzogen werden, während chirurgische Maßnahmen nicht erforderlich waren und Todesfälle nicht auftraten [1952]. Eine weitere retrospektive Analyse der gleichen Gruppe bestätigte den Vorteil multipler transmuraler Zugänge in der Therapie von WON [1983].
Kombination endoskopischer und perkutaner Drainagetechniken
Auch die Kombination aus endoskopischen und perkutanen Drainagetechniken kann bei ausgewählten Patienten mit infizierten und organisierten Pankreasnekrosen sinnvoll sein, um die Behandlungseffektivität vor allem bei großer Ausdehnung bis in die parakolische Rinne und das Becken zu erhöhen, die Anzahl erforderlicher endoskopischer Nekrosektomien durch externe Spülung zu verringern und der Entwicklung pankreatokutaner Fisteln vorzubeugen [1999]
[2000]
[2001]. Eine unizentrische retrospektive Fallkontrollstudie konnte zeigen, dass die kombinierte endoskopisch-transmurale und perkutane Drainage von symptomatischen und infizierten WON im Vergleich zur alleinigen perkutanen Katheterdrainage neben der Krankenhausverweildauer auch die Liegedauer externen Drainagen sowie die Anzahl erforderlicher Bildgebungen und ERCPs reduziert [2002]. Prospektive Daten aus einem deutschen Zentrum zeigen, dass durch die Kombination verschiedener Drainagetechniken (endoskopisch-transmural, endoskopisch-transpapillär und perkutan) bei infizierten Pankreasnekrosen und infizierten PFC (Pankreasabszessen) ebenso hohe Erfolgsraten erreichbar sind wie bei nicht infizierten Pseudozysten. Während bei unkomplizierten Pseudozysten ein kombiniertes Vorgehen nur in 31,2 % der Fälle erforderlich war (definitiver Interventionserfolg 96,6 %), erfolgte die Kombination verschiedener Drainagetechniken bei Abszessen in 50,6 % (definitiver Interventionserfolg 97,5 %) und bei infizierten Nekrosen in 76,5 % (definitiver Interventionserfolg 94,1 %) [2003].
Voll gecoverte selbstexpandierende Metallstents
Nasozystische und perkutane Spüldrainagen gehen mit dem Risiko der Okklusion und Dislokation einher, bedürfen eines konsequenten Spülregimes und beeinträchtigen die Lebensqualität. Bei Verwendung von Plastikstents besteht das Risiko von Okklusion und Migration. Es wurden Reinterventionsraten von 17,7 – 27 % berichtet [2004]
[2005]. Auch multiple Kunststoffstents reichen nicht aus, um einen für die endoskopische Nekrosektomie geschaffenen weitlumigen Zugang dauerhaft offenzuhalten, sodass Nachdilatationen vor wiederholten endoskopischen Nekrosektomien erforderlich werden können. Erstmals wurde 2008 über die transmurale EUS-gestützte Applikation von voll gecoverten selbstexpandierenden biliären Metallstents mit dem Ziel berichtet, stabile weitlumige Zugänge zu etablieren [1968]. In dieser retrospektiven und in zwei prospektiven Fallserien (n = 58) konnten technische Durchführbarkeit (100 %) und klinische Effektivität des Verfahrens (88 %) gezeigt werden, allerdings wurde auch über 9 Fälle von Superinfektion der PFC berichtet. Darüber hinaus traten teilweise trotz Sicherung durch Doppelpigtail-Endoprothesen innerhalb des Metallstents 2 Fälle von Stentmigration auf. In einem Falle konnte der voll gecoverte Stent nach einer Liegedauer von 2 Monaten aufgrund des Einwachsens von entzündlichem Gewebe endoskopisch nicht mehr entfernt werden (Komplikationen kumulativ in 24 %) [1963]
[1968]
[1972]. In einer weiteren prospektiven Studie wurde bei 18 Patienten mit teilweise akuten PFC mit fraglicher Wandadhärenz zum Gastrointestinaltrakt unter Nutzung eines speziellen Zugangsdevices der transmurale Zugang einschrittig geschaffen und ein vollgecoverter biliärer SEMS ohne vorherige Dilatation eingelegt. Nach angenommener Reifung und Konsolidierung des Zugangstraktes (7 – 10 Tage) wurden die Metallstents entfernt, bei Nachweis von Nekrosen (n = 16) der Zugang auf 12 – 15 mm dilatiert, eine direkte endoskopische Nekrosektomie durchgeführt und der Zugang mit 2 – 3 Doppeligtail-Stents gesichert [1959]. Eine echte Alternative zu kombinierten Spül- und Drainageverfahren und häufigen direkten endoskopischen Nekrosektomiesitzungen stellt die Applikation von gecoverten Metallstents dar, die einen für die Passage eines Standardvideoendoskops ausreichenden Durchmesser aufweisen [1969]
[1970]
[1980]. Seit kurzem stehen speziell für die transmurale Drainage von PFCs entwickelte weitlumige, relativ kurze cSEMS mit weiten Tulpen zur Verfügung (z. B. AxiosTM, XLumena; NAGI-StentTM, TaeWoong). Das spezielle Stentdesign soll das Risiko von Stentmigration, Stent-Ingrowth, Perforation bzw. Flüssigkeitsleckage auch bei transmuraler Drainage von PFCs ohne bereits erreichte Adhärenz zur Wand des Gastrointestinaltrakts minimieren und einen stabilen Zugang für wiederholte endoskopische Nekrosektomien ermöglichen. Erste Fallserien zeigen die technische Machbarkeit, Effizienz und Sicherheit des neuen Verfahrens [1964]
[1973]
[1975]
[1977]
[1978]
[1979]
[2006]
[2007]
[2008]. Im Vergleich zu multiplen Plastikstents erwies sich in einer randomisierten-kontrollierten Studie ein speziell designter Metallstent für die Drainage von PFC als technisch und klinisch gleichwertig, während der Zeitbedarf für die Applikation des Metallstents signifikant geringer war als für die der Plastikstents [1978]. In einem systematischen Review konnte weder für den Behandlungserfolg von WON noch für Rezidiv- und Komplikationsrate ein signifikanter Vorteil der transmuralen Applikation von gecoverten Metallstents über die transmurale Drainage mit Plastikendoprothesen gezeigt werden [1967].
Empfehlung
Die endoskopische Therapie von demarkierten Pankreasnekrosen (WON) sollte in Kliniken mit entsprechender lokaler Expertise für endoskopische, EUS-gestützte und perkutane Interventionen durchgeführt werden (Endoskopie, Interventionelle Radiologie, Chirurgie).
Konsens
Kommentar
Nach Ausschluss von Stentmigration und Rezidiven wurde in einer systematischen Analyse von 6 prospektiven und 17 retrospektiven Studien (n = 926) eine Komplikationsrate von 8 % (0 – 26 %) für die EUS-gestützte Drainage von PFC ermittelt, wobei es sich in 717 Fällen um Pseudozysten, in 161 Fällen um Abszesse und in nur 48 Fällen um Pankreasnekrosen handelte [2009]. Während die transpapilläre Drainage vor allem das geringe Risiko einer postinterventionellen Pankreatitis und von Infektionen durch Stentokklusion birgt [1923]
[1924]
[1925]
[1928]
[1929]
[1930], ist die schwerste, potenziell auch letale Komplikation der transmuralen Drainage von PFC die Blutung. Beschrieben wurden Blutungen aus der Punktionsstelle der Zyste bei Initialpunktion oder Stentwechsel [1934]
[1941]
[1942]
[1965]
[2010]. Diese konnten zum Teil endoskopisch konservativ gestillt werden. Risikofaktoren stellen u. a. venöse Umgehungskreisläufe mit kleinen gastrischen Varizen in der Magenwand dar [1934]
[1941]. Schwerwiegende späte Blutungen nach transmuraler Drainage von PFC mit zum Teil letalem Ausgang traten infolge einer Erosion der Arteria lienalis [2011], der Arteria gastroduodenalis [1923], oder bei Vorliegen eines rupturierten Pseudoanaeurysma [1929]
[2010] auf. Daher sollte bei allen Patienten vor der endoskopischen Drainage eine Bildgebung (EUS mit Doppler, CT/MRT mit Kontrastmittel) zum Ausschluss einer vaskulären Pankreatitiskomplikation erfolgen [2012]. Infektiöse Komplikationen entstehen durch eine Kontamination im Rahmen der transmuralen oder transpapillären Drainage selbst und können aggraviert werden durch eine insuffiziente Ableitung bei Stentokklusion oder Dislokation [1928]
[1930]
[1965]
[2004]
[2013]. Dislokationen von transmuralen Kunststoffstents treten mit einer mittleren Häufigkeit von 5 % auf [2009], wurden aber auch bei speziell für die Drainage von PFC entwickelten voll gecoverten Metallstents beobachtet [1964]. Retroperitoneale Perforationen können bei fehlender Ausbildung einer Zystenwand sowie einem Punktionsweg > 10 mm von endoluminal begünstigt werden. Erfolgreiche konservative Therapieverläufe unter antibiotischer Abdeckung wurden beschrieben [1929]
[2014]. In zwei randomisierten-kontrollierten Studien war die Komplikationsrate der rein endoskopischen transmuralen Drainage nicht signifikant höher als die der EUS-gestützten transmuralen Drainage [1941]
[1942].
Die endoskopische Drainage und Therapie von infizierten demarkierten Pankreasnekrosen (WON) nach akuter Pankreatitis ist technisch komplex, erfordert häufig die Kombination verschiedener interventioneller endoskopischer und perkutaner Eingriffe in einem „Step-up“-Protokoll und hat im Vergleich zur Drainage unkomplizierter und infizierter Pseudozysten eine höhere Morbidität und eine geringere Langzeiteffektivität [1929]
[1933]
[1952]
[1962]
[1985]
[1991]
[1997]
[2011]
[2014]
[2015]
[2016]
[2017]
[2018]
[2019]
[2020]
[2021]
[2022]
[2023]
[2024]
[2025]. In der größten unizentrischen retrospektiven Serie von 211 Patienten mit endoskopischer (konventioneller und EUS-gestützter) transmuraler Drainage von peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen war der Therapieerfolg bei Pseudozysten und Abszessen (93,5 %) signifikant höher als bei Nekrosen (63,2 %), während Komplikationen der transmuralen Drainage bei Patienten mit Nekrosen (15,8 %) signifikant häufiger auftraten als bei Patienten mit Pseudozysten und Abszessen (5,2 %) [1933]. Drei große retrospektive multizentrische Serien aus den USA, Deutschland und Japan berichteten initiale klinische Erfolgsraten der transmuralen endoskopischen Nekrosektomie von 75 – 91 % und Komplikationsraten von 14 – 33 % [2014]
[2015]
[2025]. In einem systematischen Review, der 13 Fallserien und eine randomisierte-prospektive Studie mit 455 Patienten einbezog, erreichte die endoskopische transmurale Nekrosektomie von Pankreasnekrosen nach akuter Pankreatitis eine Erfolgsrate von 81 %. Die Komplikationsrate lag kumulativ bei 36 %, die Mortalität bei 6 %. Häufigste Komplikation waren Blutungen (18 %), die in 93 % der Fälle endoskopisch-interventionell beherrscht werden konnten, in 7 % aber angiografische Interventionen oder eine operative Therapie erforderlich machten. Perforationen wurden in 4 % beobachtet und in 67 % der Fälle operativ behandelt [1996]. Ähnliche Ergebnisse wurden in vier weiteren systematischen Reviews berichtet [1962]
[2016]
[2026]
[2027]. Eine besonders schwerwiegende, aber nur in Einzelfällen beschriebene Komplikation ist die Gasembolie. Es wird daher empfohlen, transmurale endoskopische Nekrosektomien nur unter CO2-Insufflation vorzunehmen [2014]
[2015]
[2025]
[2028].
Aufgrund der Komplexität und des Risikos der transmuralen endoskopischen Nekrosektomie empfiehlt ein aktueller multidisziplinärer internationaler Expertenkonsens, die schwerkranken Patienten mit WON durch multidisziplinäre Teams mit spezieller Expertise im Management der akuten nekrotisierenden Pankreatitis und ihrer Komplikationen zu behandeln [1879]. [Tab. 55] gibt einen Überblick über die Komplikationen und deren Häufigkeit.
Tab. 55
Transmurale Drainage von PFC: Komplikationen.
Komplikation
|
Häufigkeit
|
Risikofaktoren
|
Blutungen
|
2 % (0 – 9 %)
|
venöse Umgehungskreisläufe mit perigastrischen Kollateralen und Varizen in der Magenwand
Erosion von Arteria lienalis oder Arteria gastroduodenalis
viszerales Pseudoanaeurysma
|
Infektionen
|
4 % (0 – 26 %)
|
Stentdislokation, Stentokklusion, Pankreasnekrose
|
Perforation
|
1,6 % (0 – 6 %)
|
|
Rezidive
|
bis zu 14 %
|
|
4.10.2.3 EUS-gestützte Drainage von nicht mit einer Pankreatitis assoziierten Flüssigkeitsansammlungen
Empfehlung
Die EUS-gestützte Drainage von nicht mit einer akuten oder chronischen Pankreatitis assoziierten Flüssigkeitsansammlungen (postoperative Verhalte, Abszesse) kann alternativ zu perkutanen minimalinvasiven und operativen Verfahren eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die für Pankreaspseudozysten und andere pankreatitisassoziierte Flüssigkeitsansammlungen etablierten EUS-gestützten Drainagetechniken können prinzipiell auch auf andere dem Gastrointestinaltrakt benachbarte therapiebedürftige Flüssigkeitsansammlungen übertragen werden. In kleinen Fallserien wurden bisher die erfolgreiche EUS-gestützte Drainage von Mediastinalabszessen [2029]
[2030]
[2031]
[2032], Leber- und Milzabszessen [2033]
[2034]
[2035]
[2036]
[2037]
[2038], intraabdominellen, perirektalen und perikolischen Abszessen [1950]
[2039]
[2040]
[2041]
[2042]
[2043]
[2044]
[2045]
[2046]
[2047]
[2048]
[2049], obstruierten afferenten Dünndarmschlingen nach Hepatokojejunostomie bzw. Whipple-Operation [2050]
[2051]
[2052]
[2053], postoperativen Flüssigkeitsverhalten, Biliomen und Hämatomen [1950]
[2040]
[2054]
[2055]
[2056]
[2057]
[2058] sowie malignen Ergüssen [2059] beschrieben.
4.11 Addendum: EUS-gestützte therapeutische Interventionen
4.11.1 EUS-gestützte prätherapeutische Tumormarkierung
Empfehlung
Die EUS-gestützte Platzierung von Edelmetallmarkern kann zur Markierung von Tumoren und Lymphknoten vor operativer oder stereotaktischer Radiotherapie eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Über 19 G- und 22 G-Aspirationsnadeln können mittels des Mandrins endosonografisch gestützt kurze Edelmetalldrähte gezielt in Läsionen eingebracht werden, die dem Gastrointestinaltrakt benachbart und einer EUS-FNP zugänglich sind (Lymphknoten, Pankreastumoren, Prostatatumoren, mediastinale Raumforderungen). Die konventionellen nicht flexiblen Marker mit einer Länge von 5 mm und einem Durchmesser von 0,8 mm sind nur mit 19 G-Nadeln applizierbar [2060]
[2061]
[2062]
[2063]
[2064]
[2065]
[2066]. Neuerdings stehen auch flexible gecoilte Marker mit einer Länge von 10 mm und einem Durchmesser von 0,28 mm bzw. 0,35 mm zur Verfügung (Gold AnchorTM, Naslund Medical AB; VisicoilTM, Core Oncology), die über 22 G-Nadeln applizierbar sind [2067]
[2068]
[2069]. In mehreren Fallserien wurde darüber berichtet, dass diese Markierungen für stereotaktische Bestrahlungen [2060]
[2062]
[2063]
[2064]
[2068]
[2070] sowie das Wiederauffinden kleiner neuroendokriner Pankreastumoren [2071] und von Lymphknoten [2066]
[2072] geeignet sind. Traditionelle Marker waren in einer retrospektiven Vergleichsstudie besser radiologisch darstellbar als die neueren flexiblen Visicoil-Marker, während sich die Migrationshäufigkeit zwischen beiden Markertypen nicht signifikant unterschied [2073]. Die EUS-gestützte Markerapplikation ergab zwar seltener als die chirurgische Applikation eine ideale Markergeometrie, die radiologische Ortung während einer radiochirurgischen Behandlung unterschied sich aber zwischen beiden Applikationsvarianten nicht [2074].
4.11.2 EUS-gestützte Blockade/Neurolyse des Plexus coeliacus
Die Blockade (d. h. reversible Ausschaltung durch Injektion von Lokalanästhetika und Glukokortikoiden) bzw. Neurolyse (= irreversible Destruktion durch Injektion beispielsweise von absolutem Alkohol) des Plexus coeliacus als zentraler Umschaltstation schmerzleitender sympathischer Nervenfasern aus dem gesamten oberen Bauchraum wurde erstmals 1914 beschrieben [2075]. Nachdem ursprünglich Lokalanästhetika und/oder hochprozentiger Alkohol über dorsal-paravertebrale, später über anterior-abdominelle Zugänge unter konventionell-radiologischer Kontrolle mit einem hohen Risiko vor allem von Paraplegien appliziert worden waren, erhöhte die Entwicklung der computertomografisch und sonografisch gestützten Plexusinterventionen Sicherheit und Effektivität des Verfahrens [2076]
[2077]
[2078]
[2079]
[2080]
[2081]
[2082]. Eine Metaanalyse ergab bei 70 – 90 % der 1145 in 24 Studien eingeschlossenen Patienten mit Pankreaskarzinom und anderen malignen Tumoren des oberen Bauchraums unabhängig von der konkreten perkutanen Technik eine langfristige Schmerzlinderung [2083]. In vier weiteren Metaanalysen, die 5 bzw. 6 randomisierte kontrollierte Studien bei Patienten mit irresektablem Pankreaskarzinom einschlossen, konnte die perkutane Plexusneurolyse im Vergleich zu konventioneller Schmerztherapie und/oder Scheininterventionen die VAS-Schmerzscores sowie den Opiatverbrauch 2, 4 und 8 Wochen nach Intervention signifikant reduzieren. Darüber nimmt die Inzidenz einer schweren Obstipation durch Plexusneurolyse signifikant ab [2084]
[2085]
[2086]
[2087].
Die endosonografisch gestützte Plexusneurolyse (EUS-guided celiac plexus neurolysis, EUS-CPN) wurde erstmals 1996 bei 30 Patienten mit nachgewiesenem oder vermutetem Karzinom des oberen Bauchraums beschrieben [2088]. Ebenfalls 1996 wurde der Fallbericht einer erfolgreichen endosonografisch gestützten Blockade des Plexus coeliacus (EUS-guided celiac plexus block, EUS-CPB) bei einem Patienten mit chronischer Pankreatitis publiziert [2089].
Empfehlung
Bei Patienten mit Schmerzsyndrom bei irresektablem Pankreaskarzinom und anderen malignen Erkrankungen des oberen Bauchraums sollte die Einbeziehung der endosonografisch gestützten Neurolyse des Plexus coeliacus (EUS-CPN) bzw. des Ganglion coeliacus in die multimodale Schmerztherapie erwogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom leiden sehr häufig an einem schweren, durch alleinige medikamentöse Therapie oft nicht hinreichend behandelbaren Schmerzsyndrom. Eine hoch dosierte Opiattherapie kann schwere Nebenwirkungen verursachen und die Lebensqualität einschränken [2090]
[2091]
[2092]. Ergänzend zur medikamentösen Therapie kommen daher in der Schmerztherapie bei Patienten mit Pankreaskarzinom und anderen malignen Tumoren des oberen Bauchraums verschiedene interventionelle Verfahren zum Einsatz, darunter die Durchtrennung/Ablation der thorakalen Splanchnikusnerven und verschiedene Techniken zur Destruktion der Ganglien des Plexus coeliacus [2093]
[2094]
[2095]
[2096]
[2097]
[2098]
[2099]
[2100]
[2101].
Die Endosonografie erlaubt einen direkten transgastralen Zugang zum Plexus coeliacus und die Real-time-Visualisierung der Injektionstherapie. Bei der EUS-CPN werden mit einer 19 G- oder 22 G-Aspirationsnadel oder einer speziellen 20 G-CPN-Nadel (EchoTip® Ultra Celiac Plexus Neurolysis Needle, Cook Medical) 5 – 20 ml eines Lokalanästhetikums (z. B. Bupivacain 0,25 – 0,75 %) gefolgt von 10 – 20 ml absoluten Alkohols in den Bereich des Plexus coeliacus injiziert, nachdem durch Aspiration eine intravasale Lage der Nadelspitze ausgeschlossen wurde [2102]
[2103]
[2104]
[2105].
In zwei Metaanalysen wurde eine schmerztherapeutische Effektivität der EUS-CPN bei Patienten mit Pankreaskarzinom in 80,1 % [2106] bzw. 72,5 % der Fälle [2107] beschrieben. Ein aktueller systematischer Review, der auch Patienten mit anderen malignen Erkrankungen des oberen Bauchraums einschloss, zeigte im Vergleich zur Ausgangssituation eine Schmerzreduktion 1 – 2 Wochen, 4, 8 und 12 Wochen nach EUS-CPN [2085]. In einer randomisierten, doppeltblinden prospektiv-kontrollierten Studie wurde bei 96 Patienten mit inoperablem Pankreaskarzinom und Schmerzsyndrom die EUS-CPN unmittelbar nach Diagnosestellung in Kombination mit medikamentöser analgetischer Therapie mit einem alleinigen konservativen schmerztherapeutischen Vorgehen verglichen [2108]. Einen Monat nach Intervention war bei zwischen beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlichem Morphinverbrauch die Reduktion des Schmerzscores in der EUS-CPN-Gruppe deutlicher ausgeprägt als in der konservativ behandelten Patientengruppe. Dieser Unterschied war 3 Monate nach Intervention signifikant [2108].
Empfehlung
Bei Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom im Rahmen einer chronischen Pankreatitis kann die Einbeziehung der endosonografisch gestützten Blockade des Plexus coeliacus (EUS-CPB) in die multimodale Schmerztherapie erwogen werden, wenn eine operative Therapie nicht gewünscht wird oder aus anderen Gründen nicht infrage kommt.
Starker Konsens
Kommentar
Etwa 85 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis leiden zumindest phasenweise im Verlauf der Erkrankung an Schmerzen [2109]. Das Schmerzsyndrom bei chronischer Pankreatitis wird durch verschiedene pathophysiologische Mechanismen verursacht, die zu unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen führen. Insbesondere bei Patienten mit fehlender Obstruktion des Pankreashauptgangs hat die Blockade des Plexus coeliacus einen Stellenwert in der Schmerztherapie bei Patienten mit chronischer Pankreatitis, wenn die medikamentöse Schmerztherapie ineffektiv bleibt [2110].
In mehreren retrospektiven und prospektiven Studien hat sich die EUS-CPB mit Injektion von Lokalanästhetika (z. B. 10 – 20 ml Bupivacain 0,5 – 1 %) eventuell in Kombination mit lokal wirksamen Glukokortikoiden (z. B. 40 – 80 mg Triamcinolon) bei Patienten mit chronischer Pankreatitis als effektive Schmerztherapie erwiesen. Der Effekt persistiert allerdings nur für maximal 12 – 24 Wochen [2111]
[2112]
[2113]. In zwei Metaanalysen wurde gezeigt, dass 51,5 % [2107] bzw. 59,5 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis [2106] von der EUS-CPB profitieren. In zwei kleinen prospektiven-randomisierten Studien wurde die Überlegenheit der EUS-CPB mit Bupivacain und Triamcinolon im Vergleich zur CT-gestützten [2112] bzw. zur durchleuchtungsgestützten Plexusblockade [2114] mit den gleichen Substanzen gezeigt. In einer unizentrischen prospektiven verblindeten Vergleichsstudie hatte der Einsatz von Triamcinolon zusätzlich zum Lokalanästhetikum keinen Einfluss auf die Effektivität und die Zeitdauer der Schmerzreduktion durch EUS-CPB [2115].
Unter Berücksichtigung der nur auf wenig mehr als die Hälfte der Patienten beschränkten sowie temporären Effektivität empfiehlt die ESGE die Plexusblockade nur als Zweitlinientherapie zur Behandlung des Schmerzsyndroms bei chronischer Pankreatitis, wobei die EUS-gestützte Durchführung der perkutanen vorgezogen werden sollte [2116].
Sicherheit von EUS-CPN und EUS-CPB
Die endosonografisch gestützte Neurolyse und Blockade des Ganglion coeliacus sind relativ sichere Methoden. Während Minorkomplikationen wie transiente Schmerzverstärkung (EUS-CPN: 4 %; EUS-CPB 2 %), Diarrhoe (10 bzw. 2 %) und Hypotonie (5 zw. 2 %) relativ häufig waren, berichtete eine aktuelle systematische Review schwerwiegende Komplikationen nur in 0,2 % der Fälle von EUS-CPN (vorwiegend Ischämien, Blutungen und Paraplegien) und in 0,6 % der Fälle von EUS-CPB (nahezu ausschließlich retroperitoneale Abszesse und Phlegmone) [2117].
Zwei Todesfälle durch schwere mesenteriale Ischämie nach EUS-CPN sind beschrieben [2118]
[2119].
Empfehlung
Bei endosonografischer Darstellbarkeit sollten endosonografisch gestützte Plexusneurolyse oder -blockade als direkte Injektionstherapie der Ganglien durchgeführt werden.
Starker Konsens
Alternativ und insbesondere bei fehlender endosonografischer Darstellbarkeit der Ganglien können endosonografisch gestützte Plexusneurolyse oder -blockade sowohl als bilaterale oder als zentrale Injektion an der Basis des Truncus coeliacus oder unter Einbeziehung des Plexus mesentericus superior (broad plexus neurolysis) erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die meisten Ganglien des Plexus coeliacus liegen zwischen den Abgängen von Truncus coeliacus und Arteria mesenterica superior bzw. zwischen dem thorakolumbalen Übergang (Th 12/ L1) und dem zweiten Lendenwirbelköper (L2). Im Mittel finden sich auf jeder Seite 2,7 [2060]
[2061]
[2062]
[2063]
[2064] Ganglien. Sie liegen dem Crus diaphragmaticum und der Aorta abdominalis auf und sind vor allem links direkt lateral der Nebenniere gelegen. Nach kaudal besteht Kontinuität zu den mesenterialen Ganglienplexus [2120]
[2121]
[2122]. Endosonografisch wurden die Zöliakalganglien erstmals 2006 beschrieben und durch EUS-FNP sicher identifiziert [2123]. In weiteren Untersuchungen wurde wenig später gezeigt, dass sie bei vier von fünf Patienten darstellbar sind und die Darstellung etwas besser mit dem longitudinalen als mit dem radialen Echoendoskop gelingt. Die bis zu 5 Ganglien wurden ganz überwiegend links vom Abgang des Truncus coeliacus in enger Nachbarschaft zur linken Nebenniere als ovale oder mandelförmige Gebilde (10,8 ± 5,5 mm × 4,2 ± 2,5 mm) mit unscharfer Abgrenzung zur Umgebung und mit der linken Nebenniere vergleichbarer Echogenität dargestellt. Häufig ist ein zarter echogener Zentralreflex nachweisbar. Anders als bei Lymphknoten sind die Ganglien durch zarte echoarme bandartige Strukturen kettenartig untereinander verbunden [2124]
[2125].
Beschrieben sind 4 verschiedene Techniken der EUS-gestützten Injektionstherapie des Plexus coeliacus: die zentrale Injektion in den Abgangswinkel des Trucus coeliacus aus der Aorta abdominalis, die bilaterale Injektion links und rechts des Abgangs des Truncus coeliacus [2113]
[2126], die direkte Infiltration der endosonografisch dargestellten Ganglienstrukturen [2127]
[2128]
[2129] und die breite Infiltration von Plexus coeliacus und mesentericus (EUS-guided broad plexus neurolysis, EUS-BPN) in Höhe des Abgangs der Arteria mesenterica superior unter Nutzung einer 25 G-Aspirationsnadel [2130].
In einer verblindeten randomisierten prospektiven Studie wurde bei Patienten mit Pankreaskarzinom im Vergleich zwischen zentraler und bilateraler Injektion kein signifikanter Unterschied der schmerztherapeutischen Effektivität der EUS-CPN registriert [2126]. In einer weiteren prospektiven randomisierten Studie wies die gleiche Arbeitsgruppe auch für Patienten mit chronischer Pankreatitis eine identische Effektivität von zentraler und bilateraler EUS-CPB nach [2113]. Demgegenüber berichten die Autoren einer retrospektiven Studie mit 160 Fällen von EUS-CPN und EUS-CPB eine höhere Effektivität der bilateralen Injektionsmethode [2131].
In einer nicht randomisierten retrospektiven Vergleichsstudie an Patienten mit fortgeschrittenen abdominellen Krebserkrankungen fanden japanische Autoren 7 und 30 Tage nach EUS-BPN auf der Ebene des Abgangs der Arteria mesenterica superior eine signifikant stärkere Reduktion der Schmerz-VAS-Scores im Vergleich zur bilateralen EUS-CPN, die allerdings nur Patienten mit Krebserkrankungen des unteren Abdomens betraf [2130].
Die wahrscheinlich effektivste Methode ist die direkte Infiltration der endosonografisch sichtbaren Ganglien. Hinweise darauf ergaben sich aus einer Pilotstudie [2127] und einer retrospektiven Studie [2128], in der bei endosonografischer Darstellbarkeit der Ganglien die EUS-CPN als direkte intraganglionäre Injektion erfolgte. Die direkte Gangliendarstellbarkeit erwies sich als der beste Prädiktor der Effektivität [2128]. In einer prospektiven randomisierten multizentrischen japanischen Vergleichsstudie hatte dieses Verfahren eine signifikant höhere Ansprechrate (73,5 vs. 45,5 %) und erzielte signifikant häufiger eine komplette Schmerzausschaltung (50,0 vs. 18,2 %) als die zentrale EUS-CPN [2129].
Zum optimalen Zeitpunkt der endosonografisch gestützten Injektionstherapie des Plexus coeliacus kann keine evidenzbasierte Empfehlung gegeben werden. Für die perkutane Technik erwies sich die frühzeitige Injektionstherapie als effektiver als eine erst im Verlauf nach Abnahme der Effektivität der medikamentösen Schmerztherapie begonnene [2132]. Auch die Daten einer randomisiert-kontrollierten, doppelblinden Studie, die eine unmittelbar nach Diagnose eines inoperablen Pankreaskarzinoms durchgeführte EUS-CPN mit einer Standardschmerztherapie verglich, sprechen für den frühzeitigen Einsatz der Methode [2108].
4.11.3 EUS-gestützte Gallengangs- und Pankreasgangdrainage
1996 publizierte die Arbeitsgruppe um M. Wiersema die ersten 11 Fälle einer EUS-gestützten transduodenalen Cholangiopankreatografie nach gescheiterter ERCP, um eine wiederholte ERCP durch die vorherige Darstellung der Ganganatomie und pathologischer Befunde zu unterstützen [2133]. 2001 wurde durch M. Giovannini der erste Fall einer zweischrittigen, primär EUS-gestützten Gallengangsdrainage über einen extrahepatischen (transduodenalen) Zugang publiziert [2134]. Im Folgejahr erschienen erste Fallberichte über die direkte EUS-gestützte antegrade Pankreasgangdrainage bei Patienten mit obstruktiver chronischer Pankreatitis [2135] und über ein EUS-gestütztes Rendezvousverfahren zur retrograden Pankreasgandrainage bei einer Patientin mit rekurrierender akuter Pankreatitis bei proximaler Pankreasgangstenose [2136]. 2003 berichteten Burmester et al. über die ersten 3 Fälle einer einschrittigen EUS-gestützten Cholangiodrainage unter Nutzung von Plastikstents über extrahepatische (transduodenale) und transhepatische Zugänge [2137], wenig später Giovannini et al. über die erste EUS-gestützte Hepatikogastrostomie unter Nutzung eines gecoverten selbstexpandierenden Metallstents (cSEMS) [2138]. 2004 wurde erstmals ein EUS-gestütztes Rendezvousmanöver zur Ermöglichung der retrograden transpapillären Gallengangsdrainage bei primär nicht sondierbarer Papille vorgestellt [2139]. Seither sind in überwiegend kleinen Fallserien verschiedene technische Modifikationen der endosonografisch gestützten Cholangiopankreatografie (EUS-CP) und -drainage (EUS-CD und EUS-PD) sowie der endosonografisch gestützten Gallenblasendrainage publiziert worden [2102]
[2140]
[2141]
[2142]
[2143]
[2144]
[2145].
EUS-gestützte Gallengangsdrainage
Empfehlung
Die EUS-CD als Rendezvousverfahren oder mit transmuraler Stenteinlage kann abhängig von der konkreten klinischen und anatomischen Situation sowie der lokalen Expertise und unter Abwägung der möglichen Alternativverfahren (PTCD, operative Verfahren) in ausgewählten klinischen Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die ERCP ist die interventionelle Methode der Wahl für die Behandlung einer obstruktiven Cholestase und hat eine hohe Erfolgsrate von über 90 % [2146]. Eine postoperativ veränderte Anatomie (insbesondere nach totaler Gastrektomie und ROUX-Y-Rekonstruktion sowie bei Hepatikojejunostomie), eine Tumorobstruktion des oberen GI-Trakts, schwierige anatomische Verhältnisse an der Papille, entzündliche oder neoplastische Destruktion der Papille/bilioenterischen Anastomose oder komplette Obstruktionen des Gallengangs sind wesentliche Ursachen für das Scheitern einer endoskopischen retrograden Gallengangsdrainage in etwa 3 – 10 % der Fälle [2147]
[2148]
[2149]
[2150]. In diesen Fällen kommen bei Patienten mit inkurablen malignen Grundleiden derzeit die perkutane transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) und die palliative operative Cholangiodrainage zum Einsatz. Mit der PTCD gelingt in mehr als 90 % der Fälle eine erfolgreiche Galleableitung, allerdings mit im Vergleich zur ERCP (Morbidität 6,85 %, Mortalität 0,33 % [2151]
[2152]
[2153]) deutlich höheren Komplikationsraten (9 – 33 %) und einer prozedurbedingten Mortalität bis 2 %. In 5 – 10 % der Fälle ist mit der PTCD nur eine alleinige externe Drainage mit den Nachteilen eines Galleverlustsyndroms und eingeschränkter Lebensqualität möglich [2154]
[2155]
[2156]
[2157]
[2158]
[2159]
[2160]
[2161]
[2162].
Die EUS-gestützte Gallengangsdrainage kann abhängig von der konkreten klinischen und anatomischen Situation nach transintestinal-transhepatischer oder transduodenaler Cholangiografie als Rendezvousmanöver nach transpapillärer/transanastomotischer Drahtausleitung bzw. als direkte EUS-gestützte antegrade oder retrograde Gallengangsdrainage über einen extrahepatischen (transduodenalen) oder transhepatischen Zugang durchgeführt werden. Die in verschiedenen Studien publizierten technischen Erfolgsraten liegen bei 67 – 100 % (durchschnittlich bei ca. 90 %), die Komplikationsraten bei durchschnittlich 29 % und die Mortalität bei 3 % [2102]
[2117]
[2140]
[2141]
[2142]
[2143]
[2144]
[2163]. Eine randomisierte prospektive Vergleichsstudie [2164], retrospektive multizentrische Studien [2163]
[2165]
[2166] und die vergleichende Analyse der publizierten Daten [2117]
[2142]
[2143]
[2167] zeigen zwischen transhepatischem und extrahepatischem Zugangsweg keine signifikanten Unterschiede der Erfolgs- und Komplikationsraten. In den beiden bisher publizierten multizentrischen Studien war die Erfolgsrate für Patienten mit maligner Ursache der Gallenwegsobstruktion höher als bei Patienten mit benigner Ursache [2163]
[2165].
Eine prospektive unizentrische Fallserie [2168] und eine retrospektive Studie mit einem selektionierten Patientengut distaler Gallengangsobstruktionen [2169] haben zeigen können, dass der primäre Einsatz der EUS-gestützten Rendezvoustechnik nach gescheiterter selektiver Sondierung der Gallenwege erfolgreich und sicher ist und im Vergleich zu einer historischen Kohorte sogar effektiver war als die Durchführung einer Precut-Papillotomie [2169]. Die für die Rendezvoustechnik berichteten Komplikationsraten sind geringer als bei den komplett EUS-gestützten Verfahren [2117].
Dies spricht für einen Interventionsalgorithmus, der primär auf ein Rendezvousverfahren und sekundär auf eine antegrade transpapilläre/transanastomotische Drainage abzielt. Die Effektivität und Sicherheit eines solchen Interventionsprotokolls für die EUS-CD wurde kürzlich in einer prospektiven unizentrischen Studie aufgezeigt [2170]. Die bisher einzige randomisierte, prospektiv-kontrollierte Studie verglich unizentrisch EUS-gestützte Choledochoduodenostomie (n = 13) und PTCD (n = 12) bei Patienten mit maligner Gallengangsobstruktion, bei denen eine endoskopisch-retrograde Drainage nicht möglich war. Zwischen beiden Verfahren konnten keine Unterschiede von technischer und klinischer Effektivität (jeweils 100 %), Kurzzeitkomplikationen, Kosten und Lebensqualität der behandelten Patienten nachgewiesen werden. Der Follow-up war mit 7 Tagen allerdings sehr kurz [2171]. Zwei vergleichende retrospektive Studien zeigen eine vergleichbare klinische Effektivität von EUS-CD und PTCD, aber höhere Komplikationsraten der PTCD [2172]
[2173]. Bis zum Vorliegen von Langzeit-Daten zur Sicherheit und Effektivität bleibt daher die EUS-gestützte Gallengangsdrainage ausgewählten klinischen Einzelfällen vorbehalten.
EUS-gestützte Gallenblasendrainage
In mehreren Serien wurde inzwischen auch über die erfolgreiche EUS-gestützte transintestinale Gallenblasendrainage bei Hochrisikopatienten berichtet [2174]
[2175]
[2176]
[2177]
[2178]
[2179]
[2180]. Für die EUS-gestützte transmurale Gallenblasendrainage stehen voll gecoverte kurze Metallstents mit breit ausgestellten Tulpen zur Verfügung, die zur sofortigen Apposition von Gallenblasen- und gastrointestinaler Wand führen und Leckagen vorbeugen sollen [2181]
[2182]
[2183]. In einer randomisierten Studie erwiesen sich perkutane und endosonografisch gestützte Gallenblasendrainage als gleichwertige Verfahren zur Behandlung von Hochrisikopatienten mit akuter Cholecystitis, die auf eine Antibiotikatherapie nicht ansprachen und für eine notfallmäßige Cholecystektomie nicht geeignet waren [2184]. Ein systematischer Review mit gepoolten Daten von 155 Patienten, die wegen einer akuten Cholecystitis eine EUS-gestützte Gallenblasendrainage erhalten hatten, berichtete hohe technische und klinische Erfolgsraten von 97,5 und 99,3 %. Komplikationen traten in 8 % der Fälle auf [2145].
EUS-gestützte Pankreasgangdrainage
Empfehlung
Die endosonografisch gestützte Pankreasgangdrainage (EUS-PD) kann abhängig von der konkreten klinischen und anatomischen Situation sowie der lokalen Expertise und unter Abwägung der möglichen Alternativverfahren (chirurgische Drainageverfahren) in ausgewählten klinischen Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Drainage symptomatischer Pankreasgangobstruktionen und „abgehängter“ Anteile des Pankreasgangsystems stehen die retrograde endoskopische Drainage via ERCP und chirurgische Verfahren zur Verfügung [2185]
[2186]. Eine aktuelle Leitlinie der ESGE empfiehlt die endoskopische Therapie als primäre Interventionsmethode bei Patienten mit schmerzhafter unkomplizierter chronischer Pankreatitis [2116]. Die ERCP kann bei postoperativ veränderter Anatomie, Tumorobstruktion des oberen GI-Trakts und schwierigen Zugangsbedingungen zum Pankreasgangsystem durch anatomische Varianten oder pathologische Veränderungen von Papille und Pankreasgangsystem scheitern. Die Stentdrainage des obstruierten Pankreasganges ist in 85 – 98 % der Fälle technisch erfolgreich, der klinische Langzeiteffekt ist geringer [2116]. Die endosonografiisch gestützte Pankreasgangdrainage (EUS-PD) ist ein bisher nur in überwiegend kleineren Fallserien evaluiertes Verfahren, das von der ESGE in ausgewählten Fällen nach Versagen einer ERCP-gestützten transpapillären Drainage zur Therapie der symptomatischen Obstruktion des Pankreashauptgangs empfohlen wird [2116]. Die Datenlage ist bisher schlechter als für die EUS-CD. Die EUS-PD kann als transpapilläres/transanastomotisches Rendezvousverfahren, als antegrade transpapilläre/transanastomotische Stentapplikation oder als antegrade transmurale Pankreasgangdrainage (Pankreatikoenterostomie, Pankreatikogastrostomie, Pankreatikoduodenostomie, Pankreatikojejunostomie) durchgeführt werden. Abhängig von der Drainageroute kommen Plastikstents oder gecoverte SEMS zum Einsatz [2142]
[2187]
[2188]
[2189]
[2190]
[2191]. Technische und klinische Erfolgsraten liegen in den bisher publizierten Fallserien zwischen 25 und 100 % (gemittelt bei 78 %) bzw. 69 – 88 % (gemittelt bei 75 %), die Morbidität bei 0 – 43 % (gemittelt 16 %) [2102]
[2116]
[2117]
[2142]
[2144]
[2187]
[2188]
[2189]
[2191]. Die Erfolgsrate der EUS-PD war in retrospektiven vergleichenden Studien geringer als die der EUS-CD [2192].
Technische Aspekte
Für den EUS-gestützten Zugang zu Gallengang, Gallenblase oder Pankreasgang wurden in fast allen aktuellen Studien 19 G-Nadeln und nach radiologischer Darstellung hydrophil beschichtete 25“- oder 35“-Führungsdrähte mit flexibler Spitze für die intraduktale Manipulation und Stentapplikation genutzt. Zur Dilatation des Zugangs wurde die Nutzung von für die ERCP etablierten Bougies und Ballonkathetern sowie diathermischen Zystotomen (Cook Medical, Endoflex) und Ringmessern (z. B. Ringmesser nach Will, MTW) beschrieben. Zur Drainage werden Plastikstents (bevorzugt gerade) sowie – abhängig vom Drainageweg – gecoverte oder ungecoverte SEMS eingesetzt. Für transmurale Drainagen sind ungecoverte SEMS nicht geeignet. Aus dem Vergleich der publizierten Daten lassen sich keine klaren Vorteile für bestimmte Techniken ableiten [2102]
[2140]
[2141]
[2142]
[2163]
[2187]
[2189]. In einer prospektiven Studie wurde nach Multivarianzanalyse die Nutzung eines diathermischen Nadelmessers für die Dilatation des bilioenterischen Tranktes zum Gangsystem als einziger Risikofaktor für postprozedurale Komplikationen ermittelt [2193]. Zu berücksichtigen ist, dass bisher kaum speziell für die EUS-gestützte Drainagen von Gallen- und Pankreasgang sowie Gallenblase designten Instrumentarien und Stents zur Verfügung stehen [2140]. Etwa 2/3 aller Fälle von technischem Versagen bei der EUS-CD und EUS-PD waren in einer multizentrischen Studie auf Probleme mit dem Manövrieren des Führungsdrahtes zurückzuführen. Mehr als die Hälfte aller Komplikationen der EUS-CD hatten ihre Ursache in Problemen mit dem bilioenterischen Trakt [2165].
4.11.4 EUS-gestützte Tumortherapie
Empfehlungen:
EUS-gestützte Verfahren zur Tumorablation und Brachytherapie sollen nur innerhalb von Studien angewandt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bis auf eine Pilotstudie zur EUS-gestützten kryothermischen Ablation bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom [2194] und einem Fallbericht über die EUS-gestützte RFA eines neuroendokrinen Pankreastumors und eines Tumors des linken Leberlappens [2195]
[2196] liegen bisher nur experimentelle Daten zum Effekt EUS-gestützter lokal-ablativer thermischer Verfahren vor [2197]
[2198]
[2199]
[2200]
[2201]
[2202]
[2203]
[2204]
[2205]
[2206]
[2207]. Kasuistisch beschrieben worden sind bisher 15 Fälle einer klinisch erfolgreichen EUS-gestützten Alkoholablation von neuroendokrinen Pankreastumoren (überwiegend Insulinomen) bei Patienten mit funktioneller Inoperabilität. In 2 Fällen trat eine milde postinterventionelle Pankreatitis auf, in einem weiteren Fall ein Hämatom [2208]
[2209]
[2210]
[2211]
[2212]
[2213]
[2214]
[2215].
Die EUS-gestützte Implantation von radioaktiven seeds bei Patienten mit irresektablem Pankreaskarzinom entweder in den Tumor selbst oder in das Ganglion coeliacum ist im Rahmen von Pilotstudien zur palliativen Brachytherapie beschrieben worden und ging mit einem signifikanten schmerztherapeutischen Effekt einher [2216]
[2217]
[2218].
Empfehlung
EUS-gestützte Verfahren zur Injektion antineoplastischer Substanzen sollen außerhalb von Studien nicht eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Pilotstudien zur EUS-gestützten Applikation antineoplastischer Substanzen wie allogener Lymphozytenkulturen [2219] oder replikationssensitiver Adenoviren [2220] in fortgeschrittene Pankreaskarzinome sind entweder ohne klinischen Effekt oder mit erheblichen Nebenwirkungen verlaufen, sodass diese Ansätze nicht weiter verfolgt worden sind. Die EUS-gestützte Injektion von dendritischen Zellen zur Stimulation der T-Zell-vermittelten Lyse in fortgeschrittene Pankreaskarzinome erbrachte in einer sehr kleinen Pilotstudie ermutigende Ergebnisse [2221]. Zur EUS-gestützten Injektion von Paclitaxel-Polymer (OncoGel) liegt bisher nur eine tierexperimentelle Studie vor [2222]. Nach ermutigenden Ergebnissen von Phase I- und -II-Studien [2223]
[2224] wird derzeit die EUS-gestützte intratumorale Applikation TNFα-produzierender Adenoviren (TNFerade) als Bestandteil neoadjuvanter Therapiekonzepte bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreas- und Ösophaguskarzinomen in Phase II- und -III-Studien weiter verfolgt. Die Ergebnisse einer prospektiven randomisierten Phase III-Studie, in der bei 304 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eine Radiochemotherapie mit oder ohne lokale TNFerade-Injektion (perkutan oder EUS-gestützt) verglichen worden ist, ergab keine Überlebensvorteile für die mit TNFerade behandelten Patienten. Die EUS-gestützte Applikation von TNFerade war sogar ein Risikofaktor für ein vermindertes progressionsfreies Überleben [2225].
Empfehlung
Die EUS-gestützte Ablationstherapie zystischer Pankreasneoplasien soll außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zystische Pankreasläsionen werden zunehmend häufiger bei symptomatischen Patienten, aber vor allem auch als Zufallsbefunde des abdominellen Ultraschalls und der radiologischen Schnittbildgebung bei bis zu 13,5 % der untersuchten Populationen entdeckt [2226]. Muzinöse zystische Pankreasneoplasien (muzinöse zystische Neoplasien bzw. muzinöse Zystadenome, intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien vom Hauptgangtyp und Seitenast-Typ) sind Präkursorläsionen duktaler und muzinöser Adenokarzinome des Pankreas [2227]. Während für die intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie vom Hauptgangtyp (MD-IPMN) und muzinöse zystische Neoplasien (MCN) eine chirurgische Therapie empfohlen wird, hängt das Vorgehen bei Patienten mit intraduktalen papillär-muzinösen Neoplasien vom Seitenasttyp (BD-IPMN) von klinischen, morphologischen und zytologischen Risikokriterien ab (169). BD-IPMN sind die häufigste zystische Pankreasneoplasie und gleichzeitig die häufigste inzidentell entdeckte Pankreasläsion, haben ein moderates Malignitätsrisiko und sind in bis zu 64 % multifokal. Die Patienten sind mit einem durchschnittlichen Lebensalter bei Diagnose von ca. 65 Jahren relativ alt und oft polymorbide [2226]
[2227].
Diese Gesichtspunkte führten zu der Überlegung, ob eine endosonografisch gestützte Ablationstherapie von BD-IPMN und nicht sicher klassifizierbaren Pankreaszysten durch Aspiration des Zysteninhalts und Lavage mit konzentriertem Alkohol ggf. in Kombination mit einer anschließende Instillation von Paclitaxel eine sinnvolle Alternative zur operativen Therapie sein könnte, die mit einer signifikanten Morbidität und Mortalität einhergeht [2229]. In einer Pilotstudie an 35 Patienten konnte gezeigt werden, dass die Äthanolinstillation bei 33 % der Zysten zu einem kompletten Verschwinden der Zysten führte, septierte Läsionen persistierten und in 5 persistierenden Zysten, bei denen eine operative Therapie durchgeführt wurde (MCN), das Ausmaß der Ablation des muzinösen Zystenepithels variabel war [2230]. In einer weiteren Pilotstudie, bei der zusätzlich Paclitaxel instilliert wurde, kam es zum kompletten Verschwinden von 79 % der Zysten [2231]. In einer randomisierten doppelt verblindeten Studie an 42 Patienten mit zystischen Pankreasläsionen wurde der Effekt einer Alkoholinstillation mit der Instillation von physiologischer Kochsalzlösung verglichen. Im Vergleich zu den nur mit physiologischer Kochsalzlösung behandelten Patientengruppe kam es in der Äthanolgruppe zu einer signifikanten Größenreduktion, 33 % der äthanolbehandelten Zysten waren im Follow-up nicht mehr nachweisbar. Bei 4 operierten Patienten (3 BD-IPMN und 1 MCN) konnte eine variable (50 %ige bis komplette) Epithelablation nachgewiesen werden [2232]. Im langfristigen Follow-up (median 26 Monate) von 9 Patienten mit komplettem radiologischem Ansprechen trat kein erneutes Zystenwachstum auf [2233]. In einer weiteren Untersuchung wurde bei 62 % der mit Äthanol und Paclitaxel behandelten Patienten im langfristigen Follow-up (median 22 Monate) eine komplette Zystenresolution nachgewiesen. 4 Patienten mit der postoperativen histologischen Diagnose einer MCN (n = 2), eines serösen Zystadenoms (n = 1) und eines zystischen neuroendokrinen Tumors (n = 1) wurden operiert. Erneut war der Grad der Epithelablation variabel (0 – 100 %) [2234]. Wiederholte Ablationssitzungen hatten – mit der Ausnahme septierter Zysten – keinen deutlich besseren Effekt als einzelne Ablationssitzungen [2235]
[2236]. Eine Pankreatitis wurde bei insgesamt 3 von 152 in den genannten Studien behandelten Patienten induziert (2 %), insgesamt traten bei 11,8 % der Patienten Komplikationen auf, hauptsächlich postinterventionelle Schmerzen [2229]. In einem weiteren kasuistisch mitgeteilten Fall wurde eine Pfortaderthrombose induziert [2237]. In Anbetracht der aktuellen Studienergebnisse, nach denen die Methode eine komplette Ablation bei gleichzeitig relevantem Risiko unerwünschter Ereignisse nicht gewährleistet sowie dem unsicheren Malignitätspotential der BD-IPMN kann eine lokale Ablation zystischer Pankreasläsionen außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden.
4.12 Perkutane transhepatische Cholangiografie (PTC) und Cholangiodrainage (PTCD)
Einleitung
Die diagnostische perkutane Cholangiografie (PTC) kann zur Gallengangsdarstellung vor geplanten Operationen bei nicht ausreichender Schnittbildgebung indiziert sein. Dies kann insbesondere bei zentral sitzenden Gallengangskarzinomen und unzureichender transpapillärer Erreichbarkeit der Gallenwege der Fall sein.
Die perkutan-transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) ist ein etabliertes therapeutisches Verfahren zur biliären Drainage und Intervention bei peroral/transpapillär nicht erreichbaren Gallenwegen [2238]. Indikationen ([Tab. 56]) können eine Cholestase/Cholangitis benigner oder maligner Genese bei postoperativ veränderter Anatomie nach gastroduodenalen Operationen (Billroth-II-Resektion oder Gastrektomie mit Roux-Y-Rekonstruktion mit langer zuführender Schlinge) oder Anlage einer biliodigestiven Anastomose (z. B. bei Z. n. Hepaticojejunostomie) sein. Weitere mögliche Indikationen sind via ERC nicht sondierbare, behandlungsbedürftige benigne oder maligne Gallengangsstenosen (vor allem im Bereich der Bifurkation) sowie große Duodenaldivertikel nach fehlgeschlagener Kanülierung der Papilla Vateri. Hier ist auch ein Rendezvousmanöver über eine perkutane Platzierung eines Führungsdrahtes möglich. Die diagnostische perkutane Cholangioskopie mit Biopsieentnahme sowie die therapeutische perkutane Cholangioskopie z. B. zur perkutanen Lithotripsie von sehr großen, impaktierten oder transpapillär nicht erreichbaren Konkrementen oder zur lokalen Tumortherapie erfordert nach Erstanlage den Aufbau einer kutanobiliären Fistel von meistens 16 French. Seltener ist ein perkutanes Vorgehen bei Galleleckage oder vaskulär bedingten Nekrosen nach hepatobiliären Eingriffen (z. B. Lebertransplantation) indiziert [2238]
[2239].
Tab. 56
Indikationen PTC/PTCD.
Drainage bei Cholestase/Cholangitis aufgrund maligner Gallenwegsobstruktionen, z. B. bei
|
|
Drainage von Cholestase/Cholangitis aufgrund benigner Erkrankungen wie z. B.
|
|
Therapie von Gallenleckagen nach
Duodenopankreatektomie
Lebertransplantation
|
Aufbau einer kutaneobiliären Fistel zur perkutanen Cholangioskopie (PTCS)
|
Platzierung eines transkutan-transpapillären Führungsdrahtes bei transpapillär retrograd nicht intubierbarem Gallengang („Rendezvousmanöver“)
|
4.12.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Relative Kontraindikationen für die Anlage einer PTCD können sein:
-
schwere nicht korrigierbare Gerinnungsstörungen (Quick < 50 %, bzw. INR > 1,6; Thrombozyten < 50 000/μl)
-
Schwangerschaft
-
ausgeprägter, nicht ausreichend punktierbarer Aszites
-
unsicherer Drainageweg
-
multifokale intrahepatische Segmentstenosen
Starker Konsens
Kommentar
Als relative Kontraindikationen für die PTCD-Anlage werden in der amerikanischen Leitlinie [2240] schwere nicht korrigierbare Gerinnungsstörungen, ein unsicherer Punktionsweg und Schwangerschaft (Kap. 4.14) genannt. Das Vorliegen eines ausgeprägten, nicht ausreichend per Parazentese abzuleitenden oder rasch nachlaufenden Aszites kann eine relative Kontraindikation darstellen. Die Datenlage dafür ist begrenzt: Eine retrospektive Studie zur PTCD bei biliärer Obstruktion infolge einer malignen Grunderkrankung analysierte neben einem eingeschränkten Performancestatus, eine vorangegangene Chemotherapie, eine undifferenzierte Tumorhistologie, multiple Lebermetastasen und Aszites als Risikofaktoren für ein schlechtes Outcome [2241]. Die Entwicklung einer bakteriellen Peritonitis in einem Fall mit Aszites wurde in einer Fallserie beschrieben [2242]. Multifokale intrahepatische Segmentstenosen gelten ebenfalls als relative Kontraindikation. Hier kann es trotz Reduzierung des Bilirubinspiegels sekundär zu Infektionen der Gallenwege bis zur Ausbildung von Abszesskomplikationen kommen [2238]
[2243]. Eine ältere retrospektive Analyse wies das Vorliegen von multifokalen Segmentstenosen als erhöhtes Risiko für die Entwicklung von infektiösen Komplikationen nach PTCD Anlage bei maligner Cholestase nach [2244].
4.12.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung zur AB Prophylaxe siehe Kapitel 3.3. AB Prophylaxe
Empfehlung
Vor der PTC(D) soll eine Bildgebung (Sonografie; MRT mit MRCP, CT) zur Darstellung der intrahepatischen Gallenwege erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Indikationsstellung, Lokalisation der erweiterten Gallenwege und der Planung des geeigneten Zugangweges zur PTC und insbesondere PTCD ist die Durchführung einer Bildgebung sinnvoll [2245]. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Komplikationsrate der Methode mit 22 % leichten und 4,7 % schweren Komplikationen (meist Blutungen). Intraduktale Manipulationen und die PTCD-Neuanlage stellen dabei besondere Risikosituationen dar [2246]. Die Auswahl des abzuleitenden Lebersegmentes für die PTCD-Anlage ist mit einem unterschiedlichen Risiko für die Katheterdislokation verknüpft [2247]. Bei nicht dilatierten Gallenwegen ist der Schwierigkeitsgrad höher und bedingt eine präinterventionelle Bildgebung zur Planung der Ableitung. Hier zeigte eine retrospektive Analyse [2248] an 419 Patienten eine erhöhte Rate schwerer Komplikationen in der Gruppe der nicht dilatierten Gallenwege (14,5 vs. 6,9 %; p = 0,022) bei vergleichbarer Effektivität von 97 %. Eine der größten Fallserien zur Komplikationsraten insbesondere zur arteriellen Gefäßverletzungen im Rahmen der PTCD an über 3110 Patienten beschreibt die Durchführung einer Bildgebung zur Planung obligat vor jeder Neuanlage [2249]. Prospektive Studien zum Thema Bildgebung vor PTC/PTCD liegen nicht vor (klinische Praxis).
Empfehlung
Die gesetzlichen Regelungen des Strahlenschutzes sollen sowohl für die Patienten als auch für das Personal eingehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Reduktion der Strahlendosis sollen technische Hilfsmittel möglichst optimal genutzt werden.
Durch gepulste statt kontinuierliche Strahlung (niedrigst mögliche Pulsrate), Einblendung auf das Gebiet des Interesses, möglichst wenige Aufnahmen (Nutzung der sogenannten „Last image hold-Funktion“, bei der das Durchleuchtungsbild gespeichert wird) kann eine erhebliche Reduktion der Strahlendosis erreicht werden [2250]. Strahlenschutz der Patienten durch Abdeckung, des Personals durch geeignete Bleiglasabdeckungen, Tragen persönlicher Schutzkleidung (Schürzen/Mäntel, Schilddrüsenschutz, ggf. Schutzbrille) ist geeignet die Strahlenbelastung zu reduzieren. Während der PTCD befinden sich insbesondere die Hände sehr nahe an der Strahlenquelle [2251]. Hier sollte auf eine entsprechende Einblendung geachtet werden. Die Verwendung abschirmender Handschuhe kann die Strahlenbelastung der Hände, insbesondere bei der PTC/PTCD des linksseitigen Gallengangssystems, reduzieren, dies führt aber zu einer automatischen Hochregulation der vom Gerät abgegebenen Strahlendosis. Bei der PTCD werden Durchleuchtungszeiten von 3 min. bis 76 min. angegeben (im Mittel ca. 21 min.); insbesondere bei der PTCD nicht gestauter Gallenwege liegt die Durchleuchtungszeit signifikant höher als bei gestauten Gallenwegen, dies konnte in einer retrospektiven Auswertung belegt werden [2252].
4.12.3 Durchführung
Empfehlung
Die PTC/PTCD sollte in Analgesie, Analgosedierung oder Intubationsnarkose durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Passage von Haut, Peritoneum und Leberkapsel mit einer Nadel ist schmerzhaft. Auch wenn keine prospektiv-randomisierten Studien zur Verwendung der Analgesie und/oder Sedierung vorliegen, ist diese geübte Praxis. Neben einer Lokalanästhesie im Bereich der Punktionsstelle, sollte zumindest eine Analgesie mit Opiaten/Opioiden (z. B. Pethidin) durchgeführt werden [2238]
[2253]. Diese kann ergänzt werden mit Sedierung in Analogie und unter Beachtung der S3-Leitlinie Sedierung (www.dgvs.de/leitlinien/leitlinien-der-dgvs) der Endoskopie. Alternativ zur Analgosedierung kann die PTCD in Intubationsnarkose erfolgen [2254].
Empfehlung
Die PTC/PTCD sollte in Rückenlage durchgeführt werden. Alternativ kann die PTCD-Anlage bei geplantem Rendezvousmanöver und Zugang von rechts auch primär in Bauchlage erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Durchführung in Rückenlage gewährleistet die anatomisch korrekte fluoroskopische Darstellung der Gallenwege ohne Überlagerungsartefakte. Auch für die sonografisch gesteuerte Punktion der Gallenwege mit fluoroskopischer Fortführung der Untersuchung stellt die Rückenlage die Standardposition dar. Klinische Daten zur optimalen Lagerung liegen nicht vor. Bei geplantem Rendezvousmanöver und Zugang von rechts kann die PTCD auch primär in Bauchlage erfolgen.
Empfehlung
Die PTCD und PTC soll unter sterilen Bedingungen erfolgen. Dies soll das sterile Arbeiten des Untersuchers und das sterile Instrumentieren der Pflegeassistenz sowie eine nicht sterile Pflegeassistenz als Springer umfassen.
Starker Konsens
Kommentar
Da die PTCD formal die Punktion oder Drainage eines sterilen intrakorporalen Hohlraums ist, ist das Arbeiten unter sterilen Kautelen geübte und empfohlene Praxis [2255]. Zur Infektionsprophylaxe tragen der Untersucher und die Pflegeassistenz Schutzkittel, sterile Handschuhe sowie Mundschutz. Neben einer intensiven Hautdesinfektion sollen sterile Abdecktücher verwendet werden. Zusätzlich ist ein steriler Tisch für das sterile Instrumentieren erforderlich. Dies beinhaltet auch eine nicht sterile Pflegekraft als „Springer“ in Reichweite.
Empfehlung
Um einen sicheren Zugangsweg zu gewährleisten, sollte unter sonografischer oder radiografischer Kontrolle punktiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die PTC/PTCD-Anlage kann unter fluoroskopischer, sonografischer oder CT-Kontrolle mit Fluoroskopie erfolgen, dies entspricht auch der Empfehlung in der aktuellen amerikanischen radiologischen Konsensusleitlinie [2239].
Der häufigste Zugang ist der von rechts, meist im 9. oder 10. Interkostalraum, etwas ventral der mittleren Axillarlinie. Dabei wird die Punktionsnadel zur Schonung der Interkostalgefäße am Oberrand der tiefer gelegenen Rippe eingeführt. Der Zugang von links geht von einem subxiphoidal epigastrischen Punktionsort aus. Die Lokalisation des Nadelverlaufs soll bei der rechtsseitigen Punktion insbesondere die Fehlplatzierung im Recessus costodiaphragmaticus, bei der linksseitigen Drainage die Fehlplatzierung durch Magen oder Kolon verhindern.
Die CT-Kontrolle wird in der amerikanischen Leitlinie insbesondere bei schwieriger Lokalisation bzw. veränderter Anatomie empfohlen. Zum Vergleich der CT-Fluoroskopie versus Fluoroskopie alleine liegen 2 randomisiert-kontrollierte Studien mit allerdings sehr kleiner Fallzahl (n = 40 und n = 18) vor [2256]
[2257]. Beide Studien weisen eine signifikant niedrigere Punktionszahl, eine geringere Untersuchungs- und Durchleuchtungszeit unter CT-Kontrolle nach (Punktionsgänge 1,8 ± 1 vs. 4,8 ± 2,8, Durchleuchtungszeit 3,4 ± 1,5 vs. 11,4 ± 7,4 Minuten; Untersuchungszeit 11 ± 3,6 vs. 16,2 ± 9,3 Minuten) [2257].
Es ist anzunehmen, dass eine ultraschallkontrollierte PTCD-Anlage ebenfalls zu einer Verringerung der Untersuchungszeit und Durchleuchtungszeit führt, randomisierte Studien oder größere prospektive Serien mit Untersuchung der Eingriffs- und Durchleuchtungszeiten liegen hier allerdings nicht vor [2239]
[2258]. Mehrere Fallserien beschreiben die ultraschallgesteuerte PTC und PTCD: In einer Serie von 49 Patienten mit hilärem Cholangiokarzinom war eine komplette Drainage in 59 % der Fälle möglich. Eine bakterielle Peritonitis trat bei einem Patienten mit Aszites auf [2242]. Eine Studie zur ultraschallgesteuerten linksseitigen PTCD-Anlage an 208 konsekutiven Patienten berichtet über eine Erfolgsrate von 70 % [2259]. Bei nicht erweiterten Gallenwegen wurde die kombiniert US- und fluoroskopiegestützte PTCD–Anlage als hilfreich und sicher beschrieben [2260].
Bei der sonografisch geführten PTCD kann die Anwendung von Ultraschallkontrastmittel zur intraduktalen Cholangiografie als Alternative zur radiologischen Durchleuchtung Anwendung finden. Dies wurde bei bisher 156 Patienten mit überzeugenden Daten berichtet [2261]
[2262]
[2263]. Auch Bildfusionstechniken (z. B. CT und US) erlauben in komplizierten Situationen eine Steuerung der PTCD [2264].
Empfehlung
Zur perkutanen Cholangiografie sollte eine dünnlumige (21 – 22 G) Hohlnadel verwendet werden. Die erfolgreiche Initialpunktion kann durch Rückfluss von Galle aus der Nadel oder durch Injektion von Kontrastmittel unter Röntgendurchleuchtung während des Nadelrückzuges erfasst werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Technik der PTCD wurde 1962 erstmals von Arner et al. [2265] und Glenn et al. [2266] beschrieben und ist seitdem nur in technischen Modifikationen der Katheter und Drähte geändert worden. Zur Größe der verwendeten Initialpunktionsnadel findet sich nur eine ältere vergleichende Arbeit zur Initialpunktion mit der 19 G versus 22 G Nadel bei 80 Prozeduren [2267]. Hier konnte kein signifikanter Unterschied in der Erfolgsrate und Komplikationsrate zwischen den Nadelgrößen nachgewiesen werden, der Anteil nicht dilatierter Gallengänge in der Studie war aber gering. Die meisten größeren Fallserien zur Komplikationsrate geben zur Initialpunktion Nadelgrößen von 21 – 22 Gauge an, sodass dies als der meistverwandte Standard betrachtet werden kann [2246]
[2248]
[2249].
Die erfolgreiche Initialpunktion zur perkutanen Cholangiografie mit der 21 (oder 22) Gauge-Chiba-Nadel kann durch Rückfluss von Galle aus der Nadel oder durch Injektion von Kontrastmittel unter Röntgendurchleuchtung während des Nadelrückzuges erfasst werden. Alternativ wurde die Kontrolle durch Injektion von US-Kontrastmittel im Rahmen der sonografiegesteuerten PTC beschrieben [2261]
[2262]
[2263]. Zum Vergleich der Verfahren liegen keine publizierten Daten vor. Bei erfolgloser Punktion ist ein vollständiges Herausziehen der Nadel zum Schutz vor erneuten Traumata der Leberkapsel zu vermeiden, und es wird unter Variation der Stichrichtung erneut versucht, einen intrahepatischen Gallengang zu treffen.
Empfehlung
Die Anlage einer PTC-Drainage sollte nach erfolgreicher Punktion des geeigneten Gallenganges in Seldinger-Technik erfolgen. Eine Empfehlung zur Verwendung von Dilatatoren oder Führungsdrähten bestimmter Hersteller kann nicht ausgesprochen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Anlage einer PTC-Drainage wird nach erfolgreicher Punktion eines geeigneten Gallenganges ein 0,018 Inch-Draht über die Nadel eingeführt. In Seldinger-Technik wird daraufhin ein 4 – 6 French (F)-Dilatationskatheter bestehend aus einem inneren Metalltrokar und einer äußeren Kunststoffhülle in den Gallengang eingelegt. Es gibt keine vergleichenden Studien zu den Drähten und Dilatatoren verschiedener Spezifikation. Nach Entfernung des Metalltrokars kann die korrekte Position durch Kontrastmittelapplikation überprüft werden. Im Folgenden wird der geplante Drainageweg mit einem geeigneten Draht (Terumo oder steifer Führungsdraht mit flexibler Spitze) sondiert. Die Teflonhülle oder ein geeigneter Sondierungskatheter werden über den Draht eingebracht. Über diesen lässt sich ein steiferer 0,035 oder 0,038 Inch Führungsdraht für die anschließende Dilatation, Einlage einer Drainage oder eines Metallstents einbringen [2255].
Empfehlung
Die Anlage einer intern-externen Drainage in den Dünndarm sollte angestrebt werden. Ist dies nicht möglich, sollte zur Dekompression zunächst eine externe Ableitung erfolgen. Art und Größe der initial gewählten Drainage sollen angepasst an das Ausmaß der Gallengangdilatation, an die Beschaffenheit der Stenose und das Risikoprofil des Patienten gewählt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Sondierung und Drainage sollte möglichst über die Papille oder bei postoperativen Patienten über die biliodigestive Anastomose bis ins Darmlumen erfolgen. Ist dies zum Zeitpunkt der Erstanlage nicht möglich, sollte eine externe Ableitung angelegt werden, da die Füllung der Gallenwege mit Kontrastmittel bei biliären Obstruktionen ein erhebliches Risiko für eine cholangiogene Sepsis darstellt und eine Drainage erfordert [2268]. Ein erneuter Versuch der Internalisierung sollte einige Tage nach biliärer Dekompression wiederholt werden.
Die PTCD-Erstanlage ist im Vergleich zu den nachfolgenden Interventionen mit einem signifikant höheren Komplikationsrisiko verbunden, dies wurde in einer retrospektiven Analyse an über 300 Patienten belegt [2246]. Hier erfolgte die PTCD- Erstanlage mit einem Drainagedurchmesser von max. 8,5 F. Ein Drainagedurchmesser von 8,3 – 8,5 F wurde auch in anderen größeren Fallserien zur Erstanlage beschrieben [2248]
[2249]
[2269]. Im Rahmen einer prospektiven Studie zum Vergleich von verschiedenen Dilatationsverfahren nach Etablierung der PTCD erfolgte die Drainage im Rahmen der Erstanlage mit einem 10-F-Katheter [2270]. Unter Zusammenschau der Daten kann keine generelle Empfehlung für eine bestimmte Drainagegröße gegeben werden, diese ist abhängig von dem Ausmaß der Gallengangs-Dilatation, der Genese der Cholestase, der Rigidität der vorhandenen Stenosen und dem individuellen Risikoprofil des Patienten. Etabliert zur PTCD-Erstanlage erscheint anhand der Literatur die Verwendung von Drainagedurchmessern bis 8,5 F. Vergleichende Studien zu verschiedenen Drainagefabrikaten und Designs liegen nicht vor.
Empfehlung
Bei bestehender oder vermuteter Cholangitis sollten während der initialen Cholangiografie Galleproben zur mikrobiologischen Kultivierung entnommen werden.
Starker Konsens
Kommentar
In einer klinischen Serie von 243 konsekutiven Patienten, bei denen während der endoskopisch-retrograden oder perkutan-transhepatischen Intervention Galleproben entnommen wurden, resultierte bei 72,5 % eine Anpassung der Antibiose im klinischen Verlauf [2268]
[2271].
Empfehlung
Die erste Traktdilatation zu Erreichung einer ausreichenden PTCD-Größe zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken sollte erst 2 – 3 Tage nach der PTCD-Erstanlage erfolgen. Die gewünschte Zielgröße kann in einer Dilatationssitzung oder in mehreren aufeinanderfolgenden Sitzungen erreicht werden. Dies ist abhängig von der Anatomie der Gallenwege, der gewünschten Zielgröße und dem Risikoprofil des Patienten.
Starker Konsens
Empfehlung
Eine diagnostische oder therapeutische Cholangioskopie sollte frühestens 5 Tage nach der Traktdilatation erfolgen, um eine ausreichende Traktreifung zu gewährleisten.
Starker Konsens
Kommentar
Die publizierten größeren Fallserien und Studien beschreiben die Durchführung der ersten Traktdilatation frühestens 2 – 3 Tage nach der PTCD-Erstanlage. Dies dient der Heilung und Stabilisation der angelegten hepatobiliären Fistel. Oh und Mitarbeiter [2246] führten die Traktdilatation 2 – 3 Tage nach Erstanlage in einer Sitzung von 8,5 – 16 oder 18 F durch. Die Cholangioskopie erfolgte nach weiteren 7 – 12 Tagen. In dem Kollektiv von 353 Patienten bllieb die Erstanlage komplikationsträchtiger als die Folgebehandlungen der Traktdilatation oder der diagnostischen/therapeutischen Cholangioskopie. Andere Daten beschreiben die Traktdilatation bis 14 oder 16 French je nach Gallengangs-Situation in einer oder mehren Sitzungen [2248]
[2270]. Eine prospektive Studie [2270] zum Vergleich von 2 verschiedenen Dilatationssystemen (Kunststoffdilatatoren und zugehöriger Führungsdraht) an 60 Patienten resultierte für das einstufige System in einer kürzeren kumulativen Prozedurdauer (20,1 vs. 30,1 Minuten) und geringen Eingriffsanzahl (1,1 vs. 1,7). Hier lag die mittlere Zahl der nötigen Dilatationssitzungen auch im konventionellen Therapiearm nur bei 1,7 Minuten.
Zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer perkutanen Cholangioskopie liegen ebenfalls keine vergleichenden Studien vor. In der Komplikationsanalyse von Oh et al. [2246] liegt dieser bei 7 – 8 Tage für die diagnostische und 10 – 12 Tage für die therapeutische Cholangioskopie (meist elektrohydraulische Lithotripsie von Konkrementen [Stein- EHL]). Hier traten bei der therapeutischen Cholangioskopie etwas mehr schwere Komplikationen (1,9 vs. 1 %) auf, darunter Gallengangsverletzungen und Hämobilie. Die Stein-EHL und die Ballondilatation von Stenosen waren mit einem signifikant erhöhten Komplikationsrisiko verknüpft. Andere Daten zur perkutanen Cholangioskopie berichten über die Durchführung nach weniger als 7 Tagen Traktreifung unter Verwendung einer Schleuse [2272]. Im Sinne der allgemeinen klinischen Praxis sollte zur Komplikationsprävention eine Traktreifung von 5 – 7 Tagen vor einer perkutanen Cholangioskopie eingehalten werden.
Statement
Therapeutische Interventionen über den perkutanen Zugang umfassen die Behandlung von benignen und malignen Stenosen unter Verwendung von Kunststoffdrainagen, Ballondilatation und selbstexpandierenden Metallstents sowie die perkutane Cholangioskopie mit Gallensteintherapie und lokaler Tumortherapie. Hier kommen die im Kapitel ERCP (Kap. 4.8) beschriebenen Prinzipien zur Anwendung.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Therapie von benignen oder malignen Stenosen, Einlage von SEMS oder perkutanen diagnostischen oder therapeutischen Cholangioskopie liegen nur wenige prospektive Studien und Fallserien vor [2272]
[2273]
[2274]
[2275]
[2276]
[2277]
[2278]
[2279]
[2280]
[2281]. Da sich die therapeutischen Prinzipien nicht wesentlich von der ERCP unterscheiden, wird auf die Prinzipien der ERCP (siehe Kapitel 4.8) verwiesen.
4.12.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Alle Patienten mit PTCD-Neuanlage sollen stationär nachbeobachtet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die periinterventionelle Mortalität der perkutanen transhepatischen Cholangiografie bzw. Cholangiodrainage liegt bei < 1 % in aktuellen und bis zu 4,9 % laut älteren Publikationen [2239]
[2269]
[2282].
Auftretende Komplikationen können in periinterventionelle (innerhalb von 24 Stunden nach Anlage) und postinterventionelle Komplikationen differenziert werden. Die häufigsten frühen Komplikationen stellen neben postinterventionellen Schmerzen, eine Galleleckage, eine Hämobilie aus der Drainage, eine Blutung aus Interkostalgefäßen und seltener eine Leberkapselverletzung dar [2269]. Das Auftreten von schweren Blutungskomplikationen innerhalb der ersten 24 Stunden rechtfertigt die postinterventionelle Überwachung über mindestens diesen Zeitraum. Späte Komplikationen umfassen im Wesentlichen infektiöse Komplikationen (Cholangitis, Sepsis, hepatische und perihepatische Abszesse), Galleaustritt an der Drainage, Drainagedislokation, Stentokklusion oder Migration und seltener Blutungen in Form einer Hämobilie [2269]. In einer retrospektiven Analyse der frühen und späten Komplikationen in den Jahren 2000 – 2006 versus 2007 – 2011 traten die oben genannten Komplikationen auf, deren Rate lag allerdings zwischen 2007 und 2011 signifikant niedriger [2269]. Dies wurde mit der Verwendung neuerer Instrumente/Techniken begründet. In einer retrospektiven Analyse zur PTCD-Neuanlage mit anschließender Trakterweiterung und -etablierung sowie einer Durchführung einer Cholangioskopie bei 364 Patienten, welche bei unterschiedlichen Indikationen behandelt wurden, kam es insgesamt in 8,2 % der Fälle zu Komplikationen. Als signifikante unabhängige Risikofaktoren für eine erhöhte Komplikationsrate ermittelte die multivariate Analyse die Primärintervention gegenüber den Folgeinterventionen sowie intraduktale Manipulationen (EHL, Dilatation) [2246]. Ältere Daten beschreiben dabei für Prozeduren zur Therapie benigner Stenosen im Vergleich zu malignen Stenosen eine höhere Komplikationsrate [2283]
[2284].
Die Inzidenz schwerer Komplikationen (Sepsis, Peritonitis, Hämorrhagie) wird überwiegend zwischen 3 und 5 % [2246]
[2249]
[2269] bis zu 13 % [2270] angegeben.
Infektionen und Bakterämien werden postinterventionell in bis zu 10 % der Untersuchungen beschrieben [2268]
[2285]. Das Risiko einer Sepsis ist insbesondere seit Etablierung einer Antibiotikaprophylaxe [2286] und unter Sicherstellung von aseptischen Arbeitsbedingungen stark gesunken. In einer retrospektiven Analyse (910 Untersuchungen) lag die Inzidenz für Cholangitis bzw. Cholangiosepsis bei 2,1 bzw. 0,4 % [2287]. Eine Notfall-PTCD im Rahmen einer akuten, purulenten Cholangitis beinhaltet naturgemäß ein stark erhöhtes Risiko für eine Septikämie [2287].
Die therapeutisch relevante Hämobilie nach akzidenteller Punktion eines größeren intrahepatischen Gefäßes tritt nach retrospektiven Daten in etwa 1,5 % der Fälle auf [2288]. Eine schwere Hämobilie infolge der Ausbildung einer arteriobiliären oder portobiliären Fistel sowie arterielle Pseudoaneurysmata wurden in einer älteren Fallserie bei 13 von 333 Untersuchungen beschrieben. In nahezu allen Fällen konnte eine Blutstillung mittels lokaler Verödung, Tamponierung durch Einlage einer größeren Endoprothese und vor allem durch Angiografie und selektive Embolisation bei arteriellen Blutungen erreicht werden [2289]. In einer kürzlich publizierten radiologischen Analyse von 3110 PTCD-Anlagen war die linksseitige Punktion der einzige unabhängige Risikofaktor für eine arterielle Punktion mit Hämobilie bei einer insgesamt niedrigen Inzidenzrate für arterielle Blutungen von 2 % [2249]. In dieser Serie lag der maximale Drainagedurchmesser bei 8,5 F ohne weitere Dilatation auf einen größeren Diameter.
Die Ausbildung eines Pneumothorax trat in einer Fallserien an 53 Patienten im Rahmen einer perkutanen intracorporalen Lithotripsie bei Hepatikolithiasis nur bei einem Patienten auf [2290]. Die Ausbildung eines Ventilpneumothorax wird als Einzelfall in älteren Studien beschrieben [2291].
Schmerzen stellen die häufigste Komplikation nach PTCD-Neuanlage dar, die Angaben zur Inzidenz mit Raten von 0,5 – 55 % in der Literatur sind uneinheitlich [2292]. Katheterdislokation und -okklusionen sind ebenfalls häufigere (bis 20 bzw. bis 10 %), jedoch wenig systematisch beschriebene Komplikationen. Risikofaktoren für eine Katheterdislokation sind Drainageanlagen über die Lebersegmente III und V [2247].
Empfehlung
Nach PTCD-Anlage soll eine ausreichende Analgetikagabe erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Inzidenz von Schmerzen nach PTCD-Neuanlage in der Literatur ist uneinheitlich, in Studien werden Raten von 0,5 – 55 % angegeben [2292]. Aus Gründen des Patientenkomforts, aber auch zur Vermeidung einer schmerzbedingten Hypoventilation mit Erhöhung des Pneumonierisikos ist die individuell adaptierte Analgetikatherapie klinischer Standard.
Empfehlung
Ein regelmäßiger (z. B. 2-mal wöchentlicher) Verbandswechsel zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung lokaler Infektionen sowie regelmäßiges Spülen der Prothese sollte gewährleistet werden.
Bei der Dauertherapie sollte ein regelmäßiger Wechsel der perkutanen Drainagen vorgenommen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Lokale Hautirritationen nach Galleleckage entlang der einliegenden Endoprothese und Yamakawaprothesen-Dislokation durch die Atemverschieblichkeit der Leber waren in einer prospektiven Serie häufige Ursache eines frühzeitigen PTCD-Drainagewechsels [2276]. Ein Prothesenwechsel alle 6 – 8 Wochen zur Vermeidung von Katheterdislokationen und -okklusionen wurde in dieser Publikation vorgeschlagen.
4.12.5 Spezifische Qualitätsindikatoren PTCD ([Tab. 57])
Tab. 57
Vorschläge für Qualitätsindikatoren PTCD
|
präprozedural
|
Durchführung einer Bildgebung der Gallenwege vor PTC/PTCD
|
intraprozedural
|
PTC-Erfolgsrate für:
|
|
|
PTCD Erfolgsrate für:
|
|
|
|
Kommentar
Die Erfolgsrate der PTC liegt bei dilatierten Gallengängen bei über 90 % der Fälle, für die Anlage einer perkutane Drainage in dilatierte Gallengänge werden Erfolgsraten zwischen 90 und 100 % erreicht. Die Kanülierung und Drainage nicht dilatierter Gallengänge ist schwieriger und ggf. mit geringeren Erfolgsraten um 70 % behaftet [2239]
[2248]. Die Empfehlungen richten sich nach der vorliegenden Literatur und nach den Qualitätsparametern der amerikanischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie [2239].
4.13 Flexible Dünndarmendoskopie
Einleitung
Vor etwa einer Dekade (2003) wurde die Doppelballonenteroskopie (DBE) als älteste Methode der flexiblen Dünndarmendoskopietechniken in Deutschland eingeführt, nachdem sie in Japan schon seit 2001 eingesetzt wurde [2293]
[2294]. Inzwischen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung, die im englischsprachigen Raum als sogenannte „device assissted enteroscopy“ (DAE) zusammengefasst werden. Für die tiefe flexible Enteroskopie benötigt man spezielle Enteroskope, spezielle Übertuben und bei den ballonassistierten Verfahren eine Luftinsufflationseinheit. In Deutschland werden die ballonassistierten Verfahren (DBE und Single-Ballon-Enteroskopie, SBE) eingesetzt, nachdem die Spiralübertuben aktuell nicht mehr erhältlich sind ([Tab. 58]).
Tab. 58
Indikationen.
sichere Indikationen
|
|
(Verdacht auf) mittlere gastrointestinale Blutung (MGI)
|
diagnostisch und therapeutisch
|
intestinale Obstruktion
|
diagnostisch und therapeutisch
|
M. Crohn
|
(diagnostisch) therapeutisch
|
Polyposis-Syndrome
|
(diagnostisch)therapeutisch
|
Fremdkörperextraktion
|
therapeutisch
|
potenzielle Indikationen
|
|
therapierefraktäre Zöliakie mit Frage nach Lymphom
|
Diagnostisch
|
unklare Malabsorptionsstörungen
|
diagnostisch
|
Bestimmung des intestinalen Befalls bei bekannten Erkrankungen
|
diagnostisch (therapeutisch)
|
chronische Diarrhoen und/oder Abdominal-schmerz verbunden mit pathologischem Labor und/oder pathologischer Bildgebung
|
diagnostisch (therapeutisch)
|
Überprüfung pathologischer Dünndarmver-änderungen im Rahmen anderer bildgebender Verfahren
|
diagnostisch
|
4.13.1 Spezielle Kontraindikationen
Vergleichbar den der anderen Endoskopien des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes, d. h. der/die Patient(in) ist für die Durchführung einer endoskopischen Untersuchung zu instabil (≥ ASA IV) [2295].
Bei Verwendung der Doppelballonenteroskopie und bestehender Latexallergie sollte eine Vortherapie mittels Steroiden, H1- und H2-Blockern erfolgen – vergleichbar der Prophylaxe bei Patienten mit Kontrastmittelallergie vor ERCP.
4.13.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung
Bei oralem Zugangsweg sollten die Patienten etwa 10 – 12 Stunden nüchtern sein. Die Gabe von Abführlösungen kann erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Bei analem Zugangsweg soll eine besonders effektive Darmlavage erfolgen. Dabei soll die Vorbereitung prinzipiell wie vor Koloskopie erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund der Länge des Dünndarms von etwa 4 – 6 Metern ist eine längere Nüchternphase als vor der Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) sinnvoll. Nüchtern heißt etwa 10 – 12 Stunden vor der Untersuchung sollten die Patienten die letzte Mahlzeit zu sich genommen haben; Trinken von klaren Flüssigkeiten kann bis etwa 2 Stunden vor der Untersuchung erlaubt werden. Unter Motilitätsstörungen fallen z. B. langjähriger Diabetes mellitus mit Neuropathie, Verwachsungsbauch, Stenosen etc.
Intensivierte Abführmaßnahmen für die anale Route inklusive Splitting bei Patienten mit bekannter Obstipation sind sehr empfehlenswert. Eine besonders gute Reinigung sollte generell angestrebt werden, weil die Arbeitskanäle der Enteroskope kleiner sind und damit die Absaugung limitiert ist. Zudem behindern Stuhlreste die Funktionstüchtigkeit des Übertubus. Ein Endowasher sollte in Bereitschaft gehalten werden.
Zum Thema Vorbereitung gibt es keine eigenen Studien, sondern es muss auf die Beschreibungen in den Publikationen erfahrener Zentren zurückgegriffen werden (3 – 6, 7].
4.13.3 Durchführung
Sedierung
Empfehlung
Die Enteroskopie soll in Sedierung, in Einzelfällen auch in Intubationsnarkose, erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Aufgrund der längeren Untersuchungszeit sollte die Enteroskopie nicht ohne Sedierung durchgeführt werden. Eine prospektive, aber nicht randomisierte Studie hat verschiedene Applikationsformen der Sedierung bei einer Enteroskopie in Spiraltechnik bei Patienten mit einem ASA-Score von 1 – 3 (konventionelle Sedierung, tiefe Sedierung und Vollnarkose) verglichen. Die konventionelle Sedierung wurde durch die Assistenz verabreicht und durch den Gastroenterologen gesteuert. Die tiefe Sedierung oder Vollnarkose erfolgte durch einen Anästhesisten. Aufgrund der fehlenden Randomisierung war der ASA-Score nicht ganz gleich verteilt. Er betrug in der anästhesiegesteuerten Gruppe 2,7, wohingegen die er in der gastroenterologiegesteuerten mit 2,5 etwas niedriger lag. Insgesamt konnte kein Unterschied in der enteroskopieassoziierten Komplikationsrate zwischen den Armen gefunden werden. Die durch die Assistenz verabreichte und durch den Gastroenterologen gesteuerte konventionelle Sedierung hat die Durchführbarkeit der diagnostischen und therapeutischen Enteroskopie nicht nachteilig beeinflusst [2300].
Verglichen mit der konventionellen Sedierung weist die Vollnarkose mehr anästhesieassoziierte Komplikationen wie Hypotension (30 %) und Apnoe (18 %) auf. Die Rate an Hypoxämien ist mit etwa 20 % vergleichbar. Schlechter Allgemeinzustand und höheres Alter waren Prädiktoren für diese Komplikationen [2301]
[2302]
[2303]. Bei Propofolsedierungen ist die Hypotension die wichtigste Komplikation. Sie trat bei jüngeren Patienten in 28 % auf verglichen mit 52 % bei Patienten ≥ 60 Jahre. Die gesamte sedierungsassoziierte Komplikationsrate war bei den Patienten ≥ 60 Jahre mit knapp 60 % signifikant höher als mit 39 % bei den jüngeren Patienten. Diese Daten wurden im Rahmen einer retrospektiven Analyse an 144 Patienten, die sich einer SBE unterzogen haben, ermittelt [2304].
Röntgendurchleuchtung
Empfehlung
Die Verwendung einer radiologischen Kontrolle kann bei schwierigen anatomischen Verhältnissen, klinischen Zeichen der Obstruktion oder dem analen Zugang empfehlenswert sein.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt eine prospektive, randomisierte Studie zur Wertigkeit der Röntgendurchleuchtung bei der oralen DBE. Bei sehr erfahrenen Untersuchern kann die Röntgendurchleuchtung die Eindringtiefe nicht wesentlich verbessern. Allerdings am Beginn der Lernkurve, bei schwierigen anatomischen Verhältnissen, z. B. durch abdominelle Voroperationen, oder zu erwartenden nicht passierbaren Crohnstenosen ist die Röntgendurchleuchtung sehr hilfreich [2303]
[2305]
[2306]. Für die SBE gelten vergleichbare Konditionen [2307].
CO2-Insufflation
Empfehlung
Die Ballonenteroskopie soll unter Verwendung von CO2 erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Drei prospektive Studien im humanen und tierexperimentellen Studiendesign haben klare Vorteile für CO2 hinsichtlich Patientenkomfort, Gasretention und Eindringtiefe erbracht. Zwei Studien haben 100 und 40 Patienten, die sich einer DBE unterzogen haben entweder in den Raumluft- oder den CO2-Insufflationsarm randomisiert. Die Patienten wurden vor der Untersuchung und in regelmäßigen Intervallen nach der Enteroskopie mittels VAS-Skala hinsichtlich ihrer abdominellen Beschwerden befragt. Zudem erfolgte eine radiologische Quantifizierung des abdominellen Restgasvolumens. Bezüglich abdomineller Schmerzen und Restgasvolumen schnitt der CO2-Insufflationsarm signifikant besser ab. In der größeren Studie mit 100 Patienten wurde außerdem eine signifikant bessere Eindringtiefe im CO2-Arm erzielt. Die Sicherheit von CO2 wurde ebenso durch regelmäßige Blutgasanalysen untersucht. Es gab keine Unterschiede im Sauerstoff- und CO2-Partialdruck und keine unerwünschten Nebenwirkungen [2308]
[2309].
Die Sicherheit und Effektivität von CO2 während der DBE wurde auch im tierexperimentellen Versuch an 20 gesunden Schweinen untersucht. Keines der Tiere entwickelte hämodynamische, ventilatorische oder arterielle Blutgasveränderungen. In der CO2-Gruppe wurde ein geringeres Restgasvolumen nach der Enteroskopie dokumentiert. Der Vorschub in der Dünndarm war in der CO2-Gruppe tiefer, was der rascheren CO2-Absorption geschuldet ist [2310].
Messung der Eindringtiefe
Empfehlung
Die Bestimmung der Eindringtiefe sollte für die ballonassistierten Verfahren auf dem Hinweg abgeschätzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die erste Messmethode wird für die DBE beschrieben und an einem Ex-vivo-Tiermodell überprüft. Alle ballonassistierten Methoden folgen dem sogenannten Push-und-pull-Prinzip. Die Eindringtiefe wird demnach durch die Addition der einzelnen Vorschübe jedes Push-und-pull-Manövers abgeschätzt. Das bedeutet, der Endoskopiker bestimmt den effektiven Vorschub des Enteroskops (Push-Manöver) und schätzt den „Verlust“ des eingesehenem bzw. aufgefädeltem Dünndarms beim Vorschub des Übertubus und Rückzug von Übertubus mit Enteroskop (Pull-Manöver) ab. Die Differenz wird auf einem Dokumentationsbogen notiert und zum Schluss addiert. Während des Rückzugs kann anhand der Menge des aufgefädelten Dünndarms, der vom Übertubus gleitet, kontrolliert werden, ob die Einschätzung während es Vorschubs plausibel war [2299]
[2311].
Inzwischen wurden alternative Methoden vorgestellt. Während des Rückzugs lässt man 5cm-Dünndarmsegmente vom Übertubus gleiten und zählt die Falten [2312]. Diese Methode ist sehr zeitaufwendig, v. a. wenn der Dünndarm eng auf dem Übertubus aufgefädelt ist. Im Rahmen von Studien ist dies machbar, aber für die Alltagsroutine nicht tauglich. Die zweite Alternative bedient sich des Übertubus als Hilfsmittel. Hier wird jeder 5 cm Vorschub des Übertubus in den Patienten mit 40 cm Enteroskopvorschub gleichgesetzt [2313]. Diese Methode funktioniert nur, wenn sich der Dünndarm sehr gut auf dem Übertubus zusammenschieben lässt, sodass 40 cm Dünndarm nicht mehr als 5 cm Platz auf dem Übertubus verbrauchen. Dies gelingt in der Regel nur bei einfachen Untersuchungen.
Therapeutische Enteroskopie
Empfehlung
Therapeutische Interventionen sollten in der Regel während des Rückzugs erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Therapeutische Interventionen sollten von einem erfahrenen Endoskopiker mit einer erfahrenen Endoskopieassistenz bzw. unter Supervision eines erfahrenen Enteroskopikers durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt keine Studien, die therapeutische Interventionen während des Vorschubs oder Rückzugs vergleichen. Hier kann man nur der allgemeinen Expertenmeinung folgen. In einer Langzeitstudie zum Therapieerfolg von blutenden Dünndarmläsionen wurde diese mittels Argonplasmakoagulation behandelt. Lediglich ganz vereinzelte oder sehr kleine Läsionen, die durch z. B. eine Kapselendoskopie vorbeschrieben waren, wurden während des Vorschubs koaguliert. Alle anderen vaskulären Läsionen wurden konsequent während des Rückwegs therapiert, um Verletzungen der behandelten Areale durch zusätzlich mechanische Belastung während des Push-und-pull-Manövers zu vermeiden [2314]. Die Tatsache, dass in dieser Studie keinerlei Komplikationen aufgetreten sind, mag diese Hypothese stützen. In Analogie sind Polypektomien zu werten, weil auch hier die Resektionsstellen gefährdet für Komplikationen durch mechanische Belastungen sind.
Alle therapeutischen Interventionen, die in der konventionellen Endoskopie eingesetzt werden, können auch im Rahmen der Dünndarmendoskopie angewandt werden. Allerdings stellt die Dünndarmendoskopie aufgrund der längeren Endoskope, dünneren Arbeitskanäle, längeren Instrumentarien, tieferen und teils weniger stabilen Position und längeren Untersuchungszeiten eine besondere Herausforderung dar. Die meisten Daten mit vielen tausend Untersuchungen hinsichtlich Komplikationen gibt es für die DBE. Die Komplikationsraten für die diagnostische und therapeutische Enteroskopie sind mit etwa 1 % bzw. 3 – 4 % akzeptabel, aber größtenteils höher als bei der konventionellen Endoskopie des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts. Das gleiche gilt für die Mortalitätsrate von 0,05 % [2315]
[2316]
[2317]
[2318]. Auf der anderen Seiten sind die Morbiditätsraten mit 3 – 42 % und Letalitätsraten bis zu 5 % der intraoperativen Enteroskopie, die vor Einführung der flexiblen Techniken den Goldstandard der Dünndarmeendoskopie darstellte, deutlich höher [2319]
[2320].
4.13.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Nach therapeutischer Enteroskopie sollte eine stationäre Überwachung abhängig von der Intervention und dem individuellen Risikoprofil des Patienten erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Zu diesem Thema gibt es keine Studien und erneut kann man nur der Expertenmeinung folgen. Bei rein diagnostischen Enteroskopien erscheint eine Nüchternphase von 1 – 2 Stunden empfehlenswert. Aufgrund des potenziell erhöhten Komplikationsrisikos verbunden mit einem meist längeren Zugangsweg empfiehlt es sich bei therapeutischen Enteroskopien die Nahrungsaufnahme etwa 4 Stunden nach Beendigung der Untersuchung auf Tee und Wasser zu beschränken. Am Folgetag sollte in Abhängigkeit der klinischen Untersuchung des Abdomens und des Ausmaßes des therapeutischen Eingriffs das weitere Prozedere individuell entschieden werden.
4.14 Kapselendoskopie
Indikationen [2321]
-
mittlere gastrointestinale Blutung
-
begründeter Verdacht auf M. Crohn nach unergiebiger Vordiagnostik
-
bekannter M. Crohn nach Stenose Ausschluss bei therapeutischer Relevanz
-
Komplikationen bei Zöliakie
-
Polyposis-Syndrome (Peutz-Jeghers Syndrom, FAP mit Duodenal-Adenomen)
4.14.1 Spezielle Kontraindikationen
Schwangerschaft: siehe Kapitel 4.15 Endoskopie in der Schwangerschaft.
Schrittmacher/Implantierte Kardioverter (ICDs)
Empfehlung
Patienten mit Schrittmachern/ICDs sollte bei gegebener Indikation eine Kapselendoskopie nicht vorenthalten werden. Eine explizite Aufklärung soll erfolgen. Eine regelmäßige Neubewertung unter Einbeziehung von Daten zum aktuell eingesetzten Kapselsystem ist erforderlich.
Starker Konsens
Kommentar
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren gelten aufgrund der Herstellerangeben als formale Kontraindikation. Allerdings sind bei In-vivo-Untersuchungen [2322]
[2323] sowie bei der klinischen Anwendung keine Probleme beobachtet worden [2324]
[2325]. Diese Beobachtungen beziehen sich auf die radiofrequenzbasierten Systeme PillCam SB1 und SB2, Colon1, sowie EndoCapsule1. Für die OMOM Kapsel mit ähnlicher Funktionsweise sind keine entsprechenden Untersuchungen bekannt. Die Unschädlichkeit von Signalen von außen zur Kapsel (bei OMOM manuell vom PC möglich und bei PillCam Colon2 routinemäßig vom Rekorder zur Steuerung der Bildrate) ist bislang noch nicht dokumentiert. Für MiroCam, welche den menschlichen Körper als elektrischen Leiter verwendet, sind bislang nur Einzelfälle berichtet, in denen jedoch auch bei je 3 Schrittmacher und Defibrillator Trägern keine Probleme beobachtet wurden [2326]. Für CapsoCam mit Verwendung eines eingebauten Festspeichers ohne Datenübermittlung besteht diese Kontraindikation a priori nicht. Die Empfehlung der Europäischen Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie (ESGE) hat bereits 2009 die Kontraindikation Schrittmacherträger generell gestrichen [2327].
Stenosen
Empfehlung
Bei klinischem Verdacht auf eine intestinale Stenose soll die Kapselendoskopie erst nach Beweis der Durchgängigkeit mittels vorheriger Patency-Kapseluntersuchung erfolgen.
Lediglich bei unergiebiger Vordiagnostik, bestehendem Operationswunsch, OP-Indikation und OP-Fähigkeit des Patienten im Falle einer Retention kann nach eingehender Aufklärung eine Kapselendoskopie auch bei Stenoseverdacht erfolgen.
Konsens
Kommentar
Intestinale Stenosen können zur Kapselretention führen und stellen eine Kontraindikation dar. Bei Verdacht auf Stenose sollte primär eine Bildgebung mit MRT, bzw. Sonografie oder CT erfolgen. Das endoskopische Verfahren der Wahl ist in diesen Fällen die ballongestützte Enteroskopie. In Einzelfällen kann auch die chirurgische Exploration zum Einsatz kommen.
Ursachen einer Kapselretention sind Stenosen durch Tumoren, M. Crohn, Anastomosen, Strahlenenteritis, NSAR Enteropathie [2328]
[2329]. Die Diagnose eines Dünndarmtumors wird in der Regel erst aufgrund der wegen intestinaler Blutung durchgeführten Kapselendoskopie gestellt. Dünndarmtumoren sind zudem selten und führen auch nur in einem kleinen Teil zur, in der Regel asymptomatischen, Retention. In diesen Fällen ist eine Retention eher als diagnostisch hilfreich anzusehen, und nicht als vorzubeugende Komplikation.
In den anderen Risikogruppen, sollte eine sorgfältige Anamnese, qualifizierte Sonografie und ggf. Schnittbilddiagnostik erfolgen. Der Einsatz einer selbstauflösenden Testkapsel bei diesen Patienten wird empfohlen [2330]
[2331].
Schluckstörungen
Empfehlung
Bei Schluckstörungen sollte die endoskopische Einbringung der Kapsel in den Magen oder das Duodenum erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Schluckstörungen kann die Kapsel endoskopisch mit einem speziellen Applizierer platziert werden [2332], wobei sogar ein Real-Time-Viewer zur endoskopischen Steuerung unter Verwendung des kapselendoskopischen Bildes verwandt wurde [2333]. Besonders häufig ist die endoskopische Einbringung der Videokapsel bei Kindern erforderlich [2333]
[2334]
[2335]. Als Test für die Schluckfähigkeit kann das Probeschlucken eines Bonbons genutzt werden.
Die Häufigkeit der Aspiration einer Videokapsel wird auf 1 zu 800 – 1000 Untersuchungen geschätzt [2336]. Durch Einsatz eines Real-time-Viewers nach Schlucken der Kapsel kann eine Aspiration oder Retention im Ösophagus zeitnah erkannt werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Dies kann die Aufforderung zu forciertem Husten oder die Veranlassung einer bronchoskopischen Extraktion [2337] bei Aspiration, das Trinken von Wasser oder der endoskopische Weitertransport bei Retention im Ösophagus sein.
4.14.2 Spezielle Vorbereitung
Darmreinigung, Entschäumer
Empfehlung
Eine Darmreinigung sollte vor einer Kapselendoskopie erfolgen, ebenso sollte Simethicon zur besseren Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa verabreicht werden
Starker Konsens
Kommentar
Die Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa war in einer Metaanalyse besser, wenn eine Lavage vor der Dünndarmkapselendoskopie durchgeführt wurde (OR 2,1; 95 % CI 1,25 – 3,57; p = 0,005), ebenso die diagnostische Ausbeute (OR 1,81; 95 % CI 1,25 – 2,63; p = 0,002) [2338]. In einer Metaanalyse stieg die diagnostische Ausbeute nach Vorbereitung versus Fasten über Nacht von 33 auf 48 % (OR 1,88; 95 % CI 1,24 – 2,84; p = 0,023) [2339]. Eine Subgruppenanalyse ergab dabei einen Effekt auf die Visualisierbarkeit der Dünndarmmukosa nur für PEG basierte Lavage (OR 3,11; 95 % CI 1,96 – 4,94; p < 0,0001), aber nicht für NaP [2339]. Ein „Split dose“-Regime mit zusätzlich morgendlicher Einnahme (in dieser Studie Mannitol) hatte einen besseren Effekt auf die Visualisierung der Dünndarmmukosa und der diagnostischen Ausbeute als die alleinige abendliche Gabe [2340]. Eine neuere Metaanalyse bestätigte den positiven Einfluss einer Lavage mit PEG auf die diagnostische Ausbeute der Dünndarmkapselendoskopie. Allerdings fand sich eine deutliche Heterogenität der eingeschlossenen Studien und nach Ausschluss einer einzigen Studie war der Unterschied nicht mehr signifikant [2341]. Daher wird nur die schwächere Empfehlung („sollte“) ausgesprochen.
Eine Metaanalyse von 4 Studien zeigte eine signifikant bessere Beurteilbarkeit des Dünndarms wenn Simethicon vor der Kapselendoskopie zur Verringerung von Bläschenbildung gegeben wurde (OR 2;84, 95 % CI 1,74 – 4,65, p = 0,00 [2342]. Die Kombination von Lavage und Simethicon beeinflusste die Visualisierung zusätzlich günstig [2340]
[2343].
Prokinetika
Empfehlung
Der generelle Einsatz von Prokinetika vor Kapselendoskopie kann nicht empfohlen werden. Eine gezielte Gabe kann aber sinnvoll sein bei bekannter oder bei mittels Real-time-Viewer beobachteter Magenentleerungsstörung.
Starker Konsens
Kommentar
In einer Studie wurde eine höhere Rate an kompletten Dünndarmuntersuchungen nach MCP beobachtet durch eine Reduktion von 48 auf 31 min [2344]. Die Reduktion der Magentransitzeit wurde in anderen Studien bestätigt, nicht aber die Erhöhung der kompletten Dünndarmabbildung in 8 Stunden [2345]
[2346]. Durch Erythromycin konnte die Magentransitzeit verkürzt, jedoch die Komplettheitsrate der Dünndarmabbildung nicht signifikant verbessert werden [2347]
[2348]. Domperidon wurde unter anderem in Studienprotokollen zur Kolonkapsel eingesetzt, aber nicht prospektiv untersucht [2349]. Lubiprostone führte gar zum Verbleib von 2/20 Kapseln über 8 Stunden im Magen [2350].
Ein günstiger Einfluss auf die Magenpassage der Kapsel durch Rechtsseitenlage wurde ferner berichtet von einer aber nicht bestätigt [2350]
[2351]. Erste Berichte über eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Kapsel das Zökum nach Kaugummi Kauen innerhalb von 8 Stunden erreicht [2352] konnten in einer prospektiven, randomisierten Studie nicht bestätigt werden [2353].
Die meisten Studien zu Prokinetika beziehen sich auf Kapsellaufzeiten von 8 Stunden. Da viele Kapselsysteme derzeit weit längere Funktionsdauern aufweisen, verliert die Verkürzung des Magentransits um einige Minuten deutlich an Relevanz. Der sinnvolle Einsatz eines Real-time-Viewers zur Identifikation von einzelnen Patienten mit stark verlängerter Magentransitzeit wurde für PillCam [2354], EndoCapsule [2355] und OMOM Kapsel [2345] beschrieben. Durch den gezielten Einsatz von Prokinetika bei diesen Patienten konnte eine höhere Zahl an kompletten Kapselendoskopien des Dünndarms erzielt werden [2356]. Ebenfalls ließ sich die Rate an positiven Befunden damit steigern [2357]
[2358].
4.14.3 Durchführung
Kapselsysteme
Statement:
Anhand der vorliegenden Daten kann keine Empfehlung für oder gegen ein System ausgesprochen werden
Starker Konsens
Kommentar
Es sind derzeit fünf Kapselendoskopiesysteme zum klinischen Einsatz zugelassen. Systematische, prospektive, randomisierte Studien zum klinischen Einsatz der Kapselendoskopie des Dünndarms wurden so gut wie ausschließlich mit der PillCam bzw. dem Vorgänger Model M2A des israelischen Hersteller Given Imaging (Yoqneam, Israel) durchgeführt. Einzelne kleinere prospektive Vergleichsstudien zwischen PillCam SB1und EndoCapsule1 (Olympus, Tokyo, Japan) (39,40), PillCamSB2 und MiroCam (Intromedic, Seoul, Korea) [2361] zwischen MiroCam und EndoCapsule1 [2362], sowie zwischen PillCamSB2 und CapsoCam (Capsovision, Saratoga, CA, USA) [2363] zeigten keine signifikanten Unterschiede in der diagnostischen Ausbeute bei Patienten mit mittlerer gastrointestinaler Blutung. Für die OMOM Kapsel (Jinshan Science, Chongqing, China) existieren Machbarkeitsstudien [2364]
[2365]. Für die Kapselendoskopie des Kolons ist derzeit nur die PillCam Colon2 (Given Imaging, Yoqneam, Israel) verfügbar.
Auswertung
Automatisierte Abspielgeschwindigkeit und Bildselektion
Empfehlung
Die Verwendung von Softwaremodi mit Anpassung der Abspielgeschwindigkeit an die Kapselbewegung und mit Unterdrückung redundanter Bilder kann die Auswertung einer Kapselendoskopie beschleunigen. Eine Betrachtung von softwareselektionierten Bildern kann die Diagnosestellung beschleunigen, soll aber die komplette Durchsicht des Videos nicht ersetzen.
Starker Konsens
Kommentar
Durch automatische Geschwindigkeitsregulierung und Unterdrückung redundanter Bilder, ließ sich die Auswertezeit verkürzen. Durch Quick View (mit automatisierter Bildauswahl) konnte die Auswertezeit ebenfalls verkürzt werden, allerdings wurden auch relevante Befunde verpasst [2366]. Quick View verkürzte die Auswertezeit [2367], es wurden sowohl bei der Standarddurchsicht als auch bei Verwendung des Software Tools je 7 (verschiedene) Befunde übersehen. Bei den mit Quick View übersehenen Befunden wurden 4 von7 nicht von der Software präsentiert, entsprechend einer theoretischen Sensitivität von 93,7 %. Durch Verwendung verschiedener Modi ließ sich im Extremfall die Auswertezeit von 60 min im manuellen Standardmodus auf 16,3 min im Quick-View-Modus senken. Dafür nahm die Rate an verpassten Befunden auf 12 % gegenüber dem Standardmodus zu. Bei Verwendung des automatischen Modus mit Unterdrückung redundanter Bilder konnte die Auswertezeit verkürzt werden bei einer Missrate von nur 1 % [2368].
Ein Blutindikator Tool älterer Software Versionen hatte eine Sensitivität von nur 60 % für Blutungsquellen [2369]. Auch bei neueren Versionen ist die Funktionsfähigkeit abhängig von Kapselgeschwindigkeit und Hintergrundfarbe [2370].
Für das EndoCapsule-System wurde in einer retrospektiven Analyse eine Missrate von 8 % bei der automatisierten Bildauswahl (Overview) gefunden. Bei der Unterdrückung redundanter Bilder (Express select) wurde jedoch nur ein Befund von 40 (auf einem Bild) verpasst, wie auch bei Verwendung der automatisierten Abspielgeschwindigkeit [2371].
Farbselektion
Empfehlung
Die Verwendung von Farbselektion kann im Einzelfall bei der Beurteilung von Läsionen hilfreich sein. Sie sollte derzeit aber nicht zum generellen Einsatz bei der Detektion empfohlen werden.
Starker Konsens
.
Kommentar
Die Verwendung verschiedener Einstellungen einer bereits im Routinebetrieb verfügbaren elektronischen Farb- Nachbearbeitung durch Flexible Intelligent Color Enhancement (FICE) ermöglicht eine verbesserte Darstellung des Gefäßmuster, bzw. der Oberflächenstrukturen [2372]. Beim Vergleich las ein Untersucher 20 Videos mit FICE und ein zweiter im Standardmodus. Dabei fand der Untersucher mit FICE mehr Angiektasien (35 vs. 32) und 41 vs. 21 Erosionen [2373]. In einer anderen Studie konnten Angiektasien mit FICE besser charakterisiert werden, die Ausbeute an signifikanten Läsionen war mit FICE jedoch nicht besser, lediglich mehr irrelevante Befunde wurden erhoben im Sinne einer verschlechterten Spezifität [2374]. Bei einer patientenbezogenen Analyse (6 Gesunde, 18 Patienten) konnte keine Überlegenheit des FICE Systems festgestellt werden [2375]. Eine höhere Anzahl an Befunden mit FICE, aber keine Erhöhung der patientenbezogenen Ausbeute fanden [2376]. Die Sensitivität für Angiektasien mittels Quick View konnte mit FICE von 80 auf 91 % erhöht werden, allerdings nahm die Spezifität auf 86 % ab [2377].
Bei der Betrachtung von 167 Kapselendoskopiebildern wurde durch den postprozess Blaufilter von Given eine Verbesserung in 83 % von 2 Untersuchern angegeben, dies ließ sich mit 3 FICE Modi nicht reproduzieren, hier wurde in der Mehrzahl eine Verschlechterung empfunden [2378].
Mittels eines Prototyps einer speziellen Kontrast Kapsel mit speziellem LED Licht mit optischem Narrow Band Imaging (NBI) konnte die Darstellung, aber nicht die Detektion in Einzelfällen mit Polyposis verbessert werden [2379].
4.14.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Kapseltypen mit Bildübertragung während der Aufzeichnung müssen nicht geborgen werden. Auf die Ausscheidung der Kapsel soll durch die Patienten geachtet werden. Ist das Kolon abgebildet, soll eine routinemäßige Röntgenaufnahme auch bei fehlender Beobachtung der Kapselausscheidung nicht erfolgen.
Starker Konsens
Empfehlung
Ist das Kolon nicht abgebildet, soll der Patient nach der Kapselausscheidung gefragt werden. Wurde diese nicht beobachtet, soll der Ausschluss einer Retention erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die CapsoCam muss nach der Ausscheidung geborgen werden, da anderenfalls die in der Kapsel gespeicherten Daten komplett verloren sind. Bei den anderen Systemen erfolgt die Datenübertragung bereits während der Untersuchung auf einen externen Rekorder, sodass eine Bergung zur Auswertung nicht erforderlich ist. Da durch die dokumentierte Ausscheidung der Kapsel aber eine Retention sicher ausgeschlossen werden kann, sollten die Patienten darauf achten – beginnend unmittelbar nach der Einnahme (wegen möglicher sehr schneller Passage).
Als Retention bezeichnet man gemäß eines Konsensus das Verbleiben der Kapsel über mehr als zwei Wochen im menschlichen Körper [2380]. Bei Patienten, die nach drei Tagen keine Kapselausscheidung bemerkt hatten, konnte jedoch nur in 21 % diese auch noch radiologisch nachgewiesen werden [2381]. Setzt man eine komplette Koloskopie vor einer Dünndarmkapselendoskopie voraus und ist im Rahmen der Kapselpassage das Kolon abgebildet, erscheint eine nachfolgende Retention der Kapsel extrem unwahrscheinlich. Ist die Dünndarmuntersuchung inkomplett, kann dies durch eine Retention bedingt sein, auch wenn in Einzelfällen die Stenose selbst nicht abgebildet wurde [2382]. In diesen Fällen sind weitere diagnostische Maßnahmen wie Röntgenaufnahme des Abdomens erforderlich
Empfehlung
Eine Kernspintomografie soll bei Patienten mit inkorporierter Videokapsel nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Vor allem aufgrund theoretischer Überlegungen, dass die Kapsel mit magnetischen Teilen sich im Feld eines MRT erhitzen oder unkontrolliert bewegen könnte, ist die Kernspintomografie mit noch im Körper befindlicher Kapsel kontraindiziert (Herstellerempfehlung http://www.givenimaging.com/en-us/Innovative-Solutions/Capsule-Endoscopy/Pillcam-SB/Indications-Risks/Pages/default.aspx). Allerdings sind Einzelfälle bekannt, bei denen sich Patienten akzidentell mit inkorporierter Videokapsel einem MR unterzogen haben, ohne dabei zu Schaden zu kommen [2383]. In Zweifelsfällen oder bei erforderlichem MR kurz nach erfolgter Kapselendoskopie kann in Einzelfällen eine Röntgenaufnahme des Abdomens zum Ausschluss oder Nachweis des Kapselverbleibs im Körper erfolgen. Wurde die Kapselausscheidung nicht bemerkt und ist die Dünndarmabbildung inkomplett, so ist in jedem Fall eine weitere Abklärung zum Ausschluss einer Retention und einer zugrunde liegenden Ursache erforderlich. Explizite Studien zu diesem Komplex liegen nicht vor.
4.14.5 Spezifische Qualitätsindikatoren Kapselendoskopie – Ergebnisqualität: Vorschläge für Messparameter nach Evidenz ([Tab. 59])
Tab. 59
Vorschlag Qualitätsindikatoren Kapselendoskopie.
Qualitätsindikatoren
|
präprozedural
|
Vermeidung von Kapselretention
|
intraprozedural
|
Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa adäquat
|
komplette Dünndarmkapselendoskopie (Erreichen des Zökums im Untersuchungszeitraum)
|
Kommentar
Allgemeine Qualitätsindikatoren zu endoskopischen Untersuchungen siehe Kapitel 7. Die Kapselretention ist eine der wichtigsten Komplikationen (ca. 1 – 2 % [2384]), diese ist definiert als ein Verbleiben der Kapsel im Körper für mehr als 14 Tage, wobei eine formelle, asymptomatische Kapselretention abzugrenzen ist von einer symptomatischen Retention mit ggf. konsekutiver endoskopischer oder operativer Intervention, die aufgrund der Grunderkrankung nicht indiziert gewesen wäre. Kann durch die Retention eine Diagnose gestellt werden, ist die Retention keine Komplikation, sondern Teil der Diagnostik. Kapselretentionen treten häufiger im Rahmen spezieller Erkrankungen oder Vorbehandlungen auf (Morbus Crohn 2 – 3 % in größeren Serien, in Studien teilweise bis 13 % []2, 3], Dünndarmtumore 10 – 25 % [2387]) Unter Zuhilfenahme von Bildgebung und der Patency-Kapsel können besonders in Risikogruppen Retentionen vermieden werden [2388].
Die adäquate Beurteilbarkeit der Dünndarmmukosa bei entsprechender Vorbereitung [2389] ist sowohl in der Dünndarm-VKE als auch in der Kapselkoloskopie abhängig von der Vorbereitung und korreliert mit der diagnostischen Ausbeute. Die Vorbereitungsregime und Bewertungssysteme einzelner Studien variieren. In Metaanalysen und Studien wird zumeist zwischen adäquater und inadäquater Beurteilbarkeit unterschieden [2390]
[2391], teilweise aber auch ein 4-stufiges Bewertungssystem (exzellent, gut, moderat, schlecht) verwandt, ähnlich der Aronchick-Scale [2392].
Die komplette Dünndarmkapselendoskopie ist definiert als Erreichen des Zökums im Untersuchungszeitraum [2389]. Die Rate der inkompletten Untersuchungen liegt bei 10 – 25 % [2393]
[2394]
[2395]. Aufgrund längerer Laufzeiten der aktuellen Kapselgenerationen und in Kombination mit dem Real-time-viewer ist die Anzahl inkompletter Untersuchungen aktuell und auch in Zukunft rückläufig [2396]
[2397].
4.15 Diagnostische Laparoskopie
Einleitung: Die diagnostische Laparoskopie, die in ihren Anfängen mit den Namen Georg Kelling, Christian Jacobaeus und vor allem Heinz Kalk verbunden ist, nahm ihren Ausgangspunkt bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts [2398]
[2399]
[2400]. Die Indikation zur Untersuchung war von Anfang an vornehmlich hepatologischer oder onkologischer Natur. Nach Einführung der schnittbildgebenden Verfahren Sonografie und Computertomografie waren die Untersuchungszahlen in Deutschland deutlich rückläufig. Mit dem expandierenden Feld der minimalinvasiven laparoskopischen Chirurgie und den technischen Weiterentwicklungen der letzten Jahre mit Verfügbarkeit miniaturisierter Laparoskope („Minilaparoskopie“) hat die diagnostische Laparoskopie wieder einen festen Platz in der internistischen Diagnostik eingenommen [2401].
Die Indikationen zur diagnostischen Laparoskopie sind tabellarisch zusammengestellt [2402]
[2403].
Indikation ([Tab. 60])
Tab. 60
Indikationen diagnostische Laparoskopie.
Erkrankungen der Leber
|
Staging chronischer Lebererkrankungen (Zirrhosediagnostik, gezielte Biopsie unter Sicht mit Option der Blutstillung)
|
Abklärung fokaler Lebererkrankungen (Biopsie unter Sicht mit Option der Blutstillung, insbesondere bei oberflächlichen Herdbildungen)
|
Tumorerkrankungen
|
Staging maligner gastroenterologischer Tumoren (distaler Ösophagus, Magen, Pankreas)
|
weitere Indikationen
|
Aszites unklarer Genese
|
Erkrankungen des Peritoneums (inkl. Biopsieoption unter Sicht)
|
Fieber unklarer Genese
|
Milzbiospie bei Milzläsionen unklarer Dignität
|
4.15.1 Spezielle Kontraindikationen
Empfehlung
Relative Kontraindikation für die diagnostische Laparoskopie können sein:
-
ausgedehnte Verwachsungen durch Voroperationen
-
ein erhöhtes Blutungsrisiko bei fortgeschrittener Leberzirrhose Child-Pugh C, ausgeprägter portaler Hypertension oder eingeschränkter plasmatischer Gerinnung und/oder Thrombozytopenie
Starker Konsens
Kommentar
Ausgedehnte Verwachsungen durch Voroperationen können die diagnostische Laparoskopie erschweren oder verhindern. Unter Verwendung der dünnlumigeren diagnostischen Laparoskope konnten diese in 0,3 % der Fälle aufgetretenen Perforationen konservativ ohne chirurgische Übernähung behandelt werden [2404].
Bei Vorliegen einer fortgeschrittenen Leberzirrhose Child-Pugh C, einer ausgeprägten portalen Hypertension und eingeschränkten Gerinnungsparametern steigt das Risiko einer Bauchwandblutung oder Blutung nach Biopsie [2405]. Hier wird auf das Kapitel 3.2.2; 3.2.4 und 3.2.5 verwiesen. In einer retrospektiven Analyse lag die Rate an schweren transfusionspflichtigen Blutungskomplikationen bei 0,7 %, 2 davon verliefen letal (Grunderkrankungen: akutes Leberversagen, Leberzirrhose Std. Child-Pugh C) [2404]. Alle schweren Blutungskomplikationen traten protrahiert innerhalb von 24 Stunden trotz der Gabe von FFP oder Thrombozyten vor/während der Laparoskopie und trotz stattgehabter Koagulation der Biopsiestelle auf. Eine Thrombopenie unter 50/nl und vor allem eine INR > 1,5 wurden in der logistischen Regression als wesentliche Risikofaktoren ermittelt (p = 0,001; OR 14,1), die bootstrap Analyse identifizierte eine INR > 1,5 als signifikanten Prädiktor (p = 0,0002). Bei erhöhtem Blutungsrisiko durch eine eingeschränkte plasmatische Gerinnung und/oder Thrombozytopenie und insbesondere bei fortgeschrittener Leberzirrhose sollte die Indikation streng gestellt und Risiko versus Nutzen sorgfältig abgewogen werden. Auch wenn eine weitere retrospektive Analyse kein erhöhtes Blutungsrisiko bei Vorliegen einer Leberzirrhose und/oder portalen Hypertension im Vergleich zur nicht zirrhotischen Leber zeigte, ist ein negativer Einfluss einer fortgeschrittenen Lebererkrankung anzunehmen [2406]
[2407]. Dafür spricht auch, dass eine weitere Fallserie zur Minilaparoskopie mit Leberbiopsie bei eingeschränkter Gerinnung, die überwiegend nicht zirrhotische thrombopene Patienten mit hämatologischen Grunderkrankungen untersuchte, konnte kein wesentliches Risiko für transfusionspflichtige Blutungskomplikationen aufwies [2408].
4.15.2 Spezielle Vorbereitung
Empfehlung:
Zur Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie mit Leberbiopsie kann bei erniedrigten Thrombozytenzahlen < 50 000/µl bzw. einem INR > 1,6 eine Substitution erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Angabe genauer Referenzwerte für die Blutgerinnung im Rahmen der diagnostischen Laparoskopie mit meist Leberbiopsie nach Datenlage ist schwierig. Es soll hier auch auf das Kapitel Hepatische Koagulopathie 3.2.5 verwiesen werden, dort wird das Problem der Einschätzung des Blutungsrisikos bei chronischen Lebererkrankungen anhand der messbaren laborchemischen Gerinnungsparameter ausführlich dargestellt. Im Folgenden soll auf die vorliegenden klinischen Daten eingegangen werden.
Bezieht man sich auf Daten zur Sicherheit der perkutanen Leberbiopsie wurde hier eine Thrombozytenkonzentration < 60/nl (12) bzw. 50 – 100/nl [2410] als Risikofaktor für ein Blutungsereignis ermittelt. Eine weitere retrospektive Arbeit analysierte 1500 perkutan durchgeführten Leberbiopsien und ermittelte für einen INR > 1,5 eine höhere Frequenz an Blutungskomplikationen [2411] (p < 0,003).
Thrombozyten < 60/nl oder ein INR > 1,3 resultierten im Rahmen eines HCV Kollektivs in einem Blutungsrisiko von 5,3 bzw. 2,4 % [2412].
Ewe und Kollegen untersuchten in ihrer Studie von 200 konsekutiv durchgeführten konventionellen Laparoskopien mit Leberbiopsie (1,8 mm Menghini-Nadel) eine mögliche Korrelation von Blutungskomplikationen und eingeschränkter Gerinnungsfunktion. Die Standardabweichung der durchschnittlichen Blutungszeit post Biopsie betrug 4,37 Minuten ± 3,48 Minuten. Zehn Fälle, in denen sie länger als zwölf Minuten betrug, wiesen Blutgerinnungsparameter im physiologischen Bereich auf [2413]. Die Autoren schlussfolgerten, dass Thrombozytenkonzentration, Blutungszeit und Prothrombinzeit keine verlässlichen Prädiktoren für eventuelle Blutungskomplikationen nach Leberbiopsie sind und daher nicht als valide Kontraindikation anzusehen sind [2413].
Lebererkrankungen können sowohl zu pro- als auch antikoagulatorischen Effekten führen. Lebensbedrohliche Blutungen sind eher Folge von portaler Hypertension als von Störungen in der Gerinnungskaskade [2414]. Sowohl Veränderungen der Thrombozyten als auch der Gerinnungsfaktoren sind möglich und können zu Hyperfibrinolyse, Dysfibrinogenämie und Nierenversagen führen [2414]. Konventionelle Gerinnungstest wie der INR könnten daher das wirkliche Blutungsrisiko unter bzw. überschätzen [2414].
Auch die vorliegenden klinischen Daten zur diagnostischen Laparoskopie mit Leberbiopsie sprechen für die Berücksichtigung einer fortgeschrittenen Leberzirrhose mit eingeschränkter Lebersynthese als Risikofaktor [2404]
[2415]. Erniedrigte Thrombozyten und oder eine verlängerte INR wurden als unabhängiger Risikofaktor für schwere Blutungskomplikationen bei chronischen Lebererkrankungen ermittelt [2404], sind aber auch im Kontext mit der Schwere der chronischen Lebererkrankung zu sehen.
4.15.3 Durchführung
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie soll unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden. Dies beinhaltet einen sterilen Untersucher und Assistenten, eine sterile Pflegeassistenz sowie eine nicht sterile Pflegeassistenz als Springer.
Starker Konsens
Kommentar
Die laparoskopische Untersuchung wird von einem Untersucher und einem Assistenten unter sterilen Bedingungen durchgeführt, da es sich um einen Eingriff in einem sterilen Bereich (Abdomen) handelt. Dies beinhaltet Händedesinfektion, Mundschutz, Haube, sterile Kittel, Handschuhe und Mundschutz für Untersucher und sterile Pflegeassistenz. Das Instrumentarium soll von einem sterilen Tisch angereicht werden. Der Patient wird an der Bauchdecke steril abgewaschen und mit sterilen Tüchern abgedeckt. Die zweite nicht sterile Pflegeassistenz übernimmt die Bedienung der Geräte im Raum (Lichtquelle, N2O-Insufflator, Videosystem) und fungiert ggf. als Springer.
Empfehlung
Zur Anlage des Pneumoperitoneums sollte bei der diagnostischen Laparoskopie unter Analgosedierung Lachgas verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der in Lokalanästhesie durchführbaren und in der Regel in Analgosedierung durchgeführten diagnostischen Laparoskopie wird das inerte Lachgas verwendet, da es per se keinen Schmerz induziert [2401]
[2416]. Das in der chirurgischen Laparoskopie bevorzugt eingesetzte CO2 führt intraperitoneal zur Säurebildung und induziert dadurch einen zusätzlichen Schmerzreiz [2417]
[2418]. Hier haben 2 prospektiv-randomisierte Studien CO2 und N2O bei laparoskopische Eingriffen verglichen einmal zur diagnostischen Laparoskopie unter Analgosedierung (n = 46) [2417] und einmal im Rahmen der laparoskopischen Cholecystectomie in Intubationsnarkose (n = 40) [2418]. In beiden Studien zeigte sich ein signifikanter Vorteil für N2O hinsichtlich der subjektiven und objektiven postoperativen Schmerzeinschätzung durch den Patienten.
Empfehlung
Zur Anlage des Pneumoperitoneums sollte die Veressnadel in der Regel am Kalk-Punkt eingebracht werden (Minilaparoskopie), alternativ am Monroe-Punkt. Bei Organomegalie oder Verwachsungen bei Voroperationen kann der Zugangsweg nach sonografischer Orientierung variiert werden. Zusätzliche Trokare werden im Einzelfall orientiert eingebracht.
Starker Konsens
Kommentar
Während bei der konventionellen Laparoskopie das Pneumoperitoneum am Monroe-Punkt im linken Unterbauch angelegt wird, hat die Einführung der Minilaparoskopie mit der Möglichkeit, über einen kleinkalibrigen Trokar (2,75 mm) am Kalk-Punkt (zwei Querfinger oberhalb und linksseitig vom Nabel) sowohl die Veress-Nadel [2419] als auch die Minioptik vorzuführen, diesen zusätzlichen Zugangsweg überflüssig gemacht und die Untersuchung etwas verkürzt [2401]
[2403]
[2420]. Es ist aber nicht bewiesen, dass dies zu einer Reduktion der Komplikationsrate oder einer besseren Patientenakzeptanz führt [2398]
[2416]
[2420]. Bei Organomegalie oder Voroperationen empfiehlt sich vor der Laparoskopie eine sonografische Untersuchung, um einen alternativen Zugangsweg festzulegen. Nach Einbringen der Veress-Nadel [2419] sollten vor Gasinsufflation Sicherheitstests durchgeführt werden (z. B. freies Anspülen, Tropfen verschwindet bei Anheben der Bauchdecke, Leberdämpfung verschwindet bei Luftinsufflation) um die korrekte Lage zu verifizieren.
Die Punktionsnadel kann ohne oder mit zusätzlichem Trokar eingeführt werden, über einen Zusatztrokar kann auch das Instrumentarium für eine Blutstillung nach Biopsie eingebracht werden (Koagulationssonde, Fibrininjektionssonde, APC-Sonde) [2408]. Bei eingeschränkter Gerinnungssituation kann der Zusatztrokar auch prophylaktisch eingebracht werden, um ohne Zeitverzögerung eine Blutungsprophylaxe oder -therapie nach Punktion durchführen zu können [2408].
Empfehlung
Die diagnostische Laparoskopie sollte mit dünnkalibrigen Laparoskopen (1,9 – 3,5 mm) durchgeführt werden. Kaliberstärkere Laparoskope können eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die diagnostische Laparoskopie sind bei Anlage des Pneumoperitoneums am Kalk-Punkt und Einführen der Optik über den gleichen Trokar 1,9 – 3,5 mm Optiken verfügbar. Das 1,9 mm Minilaparoskop weist eine prograde Fiberglasoptik auf, die übrigen Laparoskope basieren auf Linsenglastechnologie und weisen eine 25°–30°Optik auf. Für die konventionelle Laparoskopie mit Anlage des Pneumoperitoneums am Monroe-Punkt und Einbringen eines weiteren Trokars für die Optik am Kalk-Punkt können auch großkalibrige Optiken bis 10 mm verwendet werden.
Für den Einsatz kleinkalibriger Laparoskope könnte das geringere Trauma beim Zugangsweg sprechen, dagegen eine ggf. reduzierte diagnostische Präzision.
Eine prospektive randomisierte Studie an 104 Patienten verglich die Minilaparoskopie mittels 1,9 mm Optik mit einer konventionellen Laparoskopie (11 mm Optik) und zeigte keinen Unterschied in der laparoskopischen Zirrhosediagnostik [2419]. In einer retrospektiven Untersuchung an 425 Patienten, die mit einer 1,9 mm Optik, 3,3 bzw. 3,5 mm Optik oder einer 11 mm Optik untersucht wurden, zeigte sich ebenfalls kein Hinweis auf eine verminderte diagnostische Zirrhosedetektion durch die dünnkalibrigeren Optiken [2421]. Die hohe diagnostische Ausbeute zur Detektion einer peritonealen Tumoraussaat bei maligner Grunderkrankung konnte in einer prospektiven Vergleichsstudie zur Computertomografie und Abgleich mit der Histologie bzw. dem Resultat der Laparatomie für die Minilaparoskopie mit der 1,9 mm Optik gezeigt werden, sodass bei dieser Indikation gleichfalls keine Reduktion der Sensitivität durch Einsatz der miniaturisierten Laparoskope anzunehmen ist [2422].
Andererseits fand sich in der prospektiven Vergleichsstudie an 104 Patienten kein Unterschied in der Komplikationsrate im Vergleich Minilaparoskopie (1,9 mm) zu Standardlaparoskopie (11 mm), das Gleiche galt für die Bewertung der Untersuchung durch die Patienten [2419]. In einer retrospektiven Auswertung der Komplikationen von 675 Laparoskopien in der Übergangszeit von der konventionellen zur Minilaparoskopie zeigte sich ebenfalls kein Unterschied zwischen den konventionell durchgeführten und den Minilaparoskopien und auch kein Unterschied zwischen den Untersuchungen in Bezug auf den Laparoskopdurchmesser [2415].
Empfehlung
Bei hepatologischen Fragestellungen soll die Leberoberfläche nach makroskopischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Zur Punktion soll ein makroskopisch auffälliges Leberareal ausgesucht werden. Eine beidseitige Leberpunktion kann erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Leberoberfläche soll laparoskopisch beurteilt werden. Im Staging sind hier eine verstärkte Fibrosierung, eine beginnende Kontenbildung oder die Ausbildung einer Leberzirrhose mit kompletter Knotenbildung zu unterscheiden. Die Beurteilung weiterer Befunde wie dem Vorhandensein fokaler Läsionen, einer Leberverfettung und die Unterscheidung der Zirrhoseknoten in fein- mittel- und grobknotig erscheint im Hinblick auf die Ätiologie der Lebererkrankung sinnvoll [2423]. Die laparoskopische Beurteilung stellt bisher ein subjektives Kriterium dar und hängt von der Erfahrung des Untersuchers ab.
Auch bei den sog. „diffusen Lebererkrankungen“ sind die entzündlichen und bindegeweblichen Veränderungen regional unterschiedlich ausgeprägt [2424]. Bei der Leberbiopsie im Rahmen einer Laparoskopie sollte daher ein Areal ausgewählt werden, das makroskopisch verändert erscheint, um tatsächlich bereits vorhandene Veränderungen histologisch mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit zu erfassen. Eine Studie, die die Biopsie laparoskopisch unauffällige versus auffällige Areale vergleicht, wurde allerdings bisher nicht durchgeführt. In einer prospektiven Studie an 124 Patienten mit chronischer Hepatitis C, bei denen im Rahmen einer diagnostischen Laparoskopie sowohl im rechten als auch linken Leberlappen eine Biopsie entnommen wurde, zeigte zwar in einem Drittel einen Unterschied im Fibrosegrad zwischen dem rechten und linken Leberlappen, nur bei 2,4 % der Patienten (3 von 124 Patienten) unterschied sich das histologische Staging um mehr als einen Fibrosegrad (modif. Grading nach Scheuer). In der Unterscheidung zwischen rechtem und linken Leberlappen trat allerdings bei 9,7 % (12/124) ein Unterschied zwischen dem Staging Grad 0 – 2 vs. 3 – 4 zwischen beiden Leberlappen auf [2425], was einer klinischen Diskrepanz zwischen früher bis mäßiger Fibrose und fortgeschrittener Fibrose bis Zirrhose entspricht.
Ein anderes Problem umfasst die Frage des histologischen Samplingerrors bei alleiniger Betrachtung der Leberhistologie.
Eine retrospektive Studie an 434 Patienten [2426] verglich Leberhistologie und laparoskopische Leberbeurteilung. Bei 32 % der laparoskopisch als Leberzirrhose diagnostizierten Patienten wurde histologisch lediglich die Diagnose einer Fibrose gestellt, da die histologischen Kriterien für eine Zirrhose (Vorliegen eines Regeneratknotens mit perinodulärer Fibrose oder Fibrose mit Einschluss größerer Gewebebezirke) nicht erfüllt wurden (Histologie: Sensitivität: 68 %; Spezifität: 99 %; negativer prädiktiver Wert: 83 %; positiver prädiktiver Wert: 98 %). Dahingegen wurde bei nur 0,8 % der Patienten mit laparoskopischer Diagnose einer Leberfibrose histologisch eine Leberzirrhose diagnostiziert. Als Gründe für den Stichprobenfehler wurde eine Child A-Zirrhose, eine inhomogene intrahepatische Verteilung der morphologischen Veränderungen oder eine makronoduläre Zirrhose diskutiert [2427]. Ein prospektiv-randomisierter Vergleich zur Minilaparoskopie mit Biopsie versus perkutane Leberbiopsie [2428] ergab bei gleicher Verteilung der klinischen und laborchemischen Charakteristika zwischen den Gruppen keinen Unterschied zwischen den Leberhistologien (26 [n = 98] versus 22,3 % [n = 85] [p = 0,27]). Bei zusätzlicher laparoskopischer Beurteilung stieg der Anteil der erfassten Zirrhosen in Minilaparoskopiegruppe signifikant um etwa 10 % im (33,8 % [n = 127] vs. 22,3 % [n = 85], p = 0,001).
Empfehlung
Zur laparoskopischen Organbiopsie können Nadeln nach dem Vakuum- und Schneidbiopsieprinzip verwendet werden. Bei Vorliegen einer Leberzirrhose kann die Verwendung einer Nadel nach dem Schneidebiopsieprinzip vorteilhaft für die diagnostische Ausbeute sein.
Starker Konsens
Kommentar
Zu den Erfolgskriterien einer Biopsie gehören das Volumen der gesicherten Gewebeprobe, die zelluläre und histologische Gestalt des Biopsates sowie der Grad der Verletzung des umliegenden Gewebes [2429]. Für eine adäquate histologische Beurteilung sollte ein Leberstanzzylinder eine Länge von 1,5 cm und einen Durchmesser von 1,2 – 1,8 mm aufweisen, um die Beurteilung von mindestens 8 – 10 Portalfeldern auch bei chronischen Lebererkrankungen zu gewährleisten [2430]
[2431].
Zur Leberbiopsie stehen Nadeln nach dem Vakuum- und Schneidbiopsieprinzip mit einem Durchmesser zwischen 1,2 und 1,8 mm zur Verfügung. Davon unterscheiden sich die Feinnadeln, welche bei einem Durchmesser unter 1 mm im wesentlichen Aspirationspunktate erzielen. Zur Sicherung der Biopsatproben nutzt die Vakuumbiopsie (Menghini-Nadel, Klatskin-Nadel, Jamshidi-Nadel) einen Unterdruck, bei der Schneidbiopsie (Tru-cut-Nadel, Surecut-Nadel, Vim-Silvermann-Nadel) wird Gewebe mit einem Stanzzylinder oder einer Biopsienadel, bestehend aus Stilett und Außenkanüle gewonnen. Schneidbiopsienadeln sind mit einem Federmechanismus versehen auch automatisiert verfügbar. Bei Vorliegen eines zirrhotischen Leberumbaus erzielt die Vakuumbiopsie häufiger fragmentierte Proben mit eingeschränkter diagnostischer Aussagekraft. Hier wurde für Schneidbiopsienadeln eine höhere diagnostische Genauigkeit bei verbesserter histologische Auswertbarkeit des Biopsates nachgewiesen [2432]
[2433]
[2434]. Eine Empfehlung zur Verwendung von Nadeln eines bestimmten Herstellers kann aufgrund der bestehenden Datenlage nicht gegeben werden.
Empfehlung
Tritt nach laparoskopischer Organpunktion eine starke oder lang anhaltende Blutung aus der Einstichstelle auf, sollen laparoskopische Blutstillungsverfahren (Kompression, Koagulationsverfahren, Fibrinkleber) zur Anwendung kommen.
Starker Konsens
Kommentar
Bei starker oder anhaltender leichterer Blutung (> 5 min) nach laparoskopischer Organbiopsie soll eine Blutungsstillung durch Kompression mit dem Taststab, Koagulationsverfahren (Argonplasmakoagulation, monopolare Koagulation oder durch Applikation/Injektion von Fibrinkleber erfolgen. Im Fall eines erwarteten erhöhten Blutungsrisikos (Gerinnungsstörung, maligne Organinfiltration, portale Hypertension) sollte eine prophylaktische Blutungsstillung durch Koagulationsverfahren direkt nach der Punktion erfolgen. Vergleichende Studien zu Blutungsstillungstechniken nach laparoskopischer Organbiopsie (Leber, Milz) liegen nicht vor. Die Anwendung von Koagulationstechniken ist in Fallserien beschrieben [2404]
[2435]
[2436]
[2437]. Die Leitlinien der SAGES [2438] zur diagnostischen Laparoskopie sprechen sich für die Verwendung von Koagulationsverfahren nach Organbiopsie aus ohne diese genauer zu spezifizieren.
Alternativ haben einzelne Fallberichte über die erfolgreiche Anwendung von Fibrinkleber oder Gelatinkartuschen berichtet [2439]
[2440].
Empfehlung
Auffällige Läsionen des Peritoneums sollen biopsiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die diagnostische Laparoskopie ist in der Lage, peritoneale und oberflächliche Lebertumorabsiedlungen nachzuweisen, wenn die Größe der Läsionen eine Detektion durch die schnittbildgebenden Verfahren (Sonografie, Computertomografie, Kernspintomografie) noch nicht zulässt [2422]. Da peritoneale und oberflächliche Leberherde neben einer Metastasierung auch Ausdruck einer lokalen Tumorbildung (z. B. Mesotheliom) oder entzündlicher (z. B. Tuberkulose) sowie gutartiger Natur (z. B. von Meyenburg-Komplex) sein können, ist die histologische Sicherung wegen der erheblichen klinischen Konsequenzen (z. B. Wechsel auf ein palliatives Therapiekonzept) stets erforderlich [2403]
[2441]
[2442].
Empfehlung
Der Unterbauch sollte bei der diagnostischen Laparoskopie mitbeurteilt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei der diagnostischen Laparoskopie wurde seit ihrer Einführung der gesamte Peritonealraum beurteilt, d. h. einschließlich des Unterbauchs. Da die Untersuchung des Unterbauchs bei geringem Zeitbedarf wenig aufwändig ist und es keine Studien gibt, die zeigen, dass durch einen Verzicht auf die Beurteilung des Unterbauchs kein diagnostischer Nachteil entsteht, sollte auf diesen Teil der Untersuchung nicht verzichtet werden [2403].
4.15.4 Prozedurabhängige Nachsorge
Empfehlung
Eine stationäre Überwachung kann in Abhängigkeit von dem individuellen Risikoprofil des Patienten sowie dem Verlauf der Untersuchung erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten werden nach der Laparoskopie aufgrund der Sedierung entsprechend der S3-Leitlinie Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie überwacht. Bei unkompliziertem Verlauf und beschwerdefreiem Patienten kann die Untersuchung, insofern nicht die Grunderkrankung oder Begleiterkrankungen des Patienten dagegen sprechen, prinzipiell ambulant erfolgen. Die diagnostische Laparoskopie ist im Katalog für ambulantes Operieren aufgeführt [2443].
Aktuelle Fallserien geben die Rate schwerer Komplikation im Wesentlichen transfusionspflichtige Blutungen zwischen 1,0 – 1,5 % an, die Letalität liegt bei 0,02 – 0,13 % [2404]
[2405]
[2406]
[2407]
[2408]
[2409]
[2410]
[2411]
[2412]
[2413]
[2414]
[2415]
[2416]
[2417]
[2418]
[2419]
[2420]
[2421]
[2422]
[2423]
[2424]
[2425]
[2426]
[2427]
[2428]
[2429]
[2430]
[2431]
[2432]
[2433]
[2434]
[2435]
[2436]
[2437]. Weickert und Mitarbeiter [2405] konnten zeigen, dass das Endstadium von Lebererkrankungen, Child-Pugh C, eine Rate an schwerwiegenden und letalen Komplikation von 15 % aufweist [2406]. Beide letale Komplikationen dieser Studie ereigneten sich bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose.
Eine retrospektive Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien (1,9 mm Optik) mit Leberbiopsie ergab ernste Komplikationen in 1,0 % (n = 27), davon 0,7 % protrahierte Blutungen (innerhalb von 24 Stunden) aus der Leberpunktionsstelle oder der Bauchdecke sowie Dünndarmperforation in 0,3 %. Die Mortalität lag bei 0,07 % (n = 2) beide infolge von Blutungskomplikationen auf dem Boden einer eingeschränkten Lebersynthese. Das Blutungsrisiko war deutlich erhöht bei Thrombopenie < 50/Nl (OR 6,1), einer INR > 1,5 (OR 8,9), bei Vorliegen einer Leberzirrhose (OR 1,9) und portaler Hypertension (OR 2,1). Die logistische Regression zeigte eine signifikante Korrelation für Thrombopenie und verlängerte INR (p = 0,001; OR 14,1); die bootstrap Analyse identifizierte eine INR > 1,5 als signifikanten Prädiktor (p = 0,0002) für eine Blutungskomplikation. Verwachsungen nach vorangegangenen Op‘s gingen mit einem erhöhten Risiko für intestinale Perforationen (OR 9,5; p = 0,0002) einher, die aber alle ohne chirurgischen Eingriff ausheilten. Unter Betrachtung dieser Daten erscheint eine stationäre Überwachung bei eingeschränkter Gerinnung, dem Vorliegen einer Leberzirrhose sowie einer portalen Hypertension sinnvoll.
Besteht klinisch der Verdacht auf eine Blutungskomplikation, kann diese in aller Regel bereits sonografisch gesichert oder ausgeschlossen werden.
4.15.5 Komplikationen der diagnostischen Laparoskopie ([Tab. 61])
Tab. 61
Komplikationen diagnostische Laparoskopie.
diagnostische Laparoskopie
|
Komplikationen (%)
|
Schmerzen
|
0,04[1]; 2,9
[2]
|
kardioresp. Komplikationen
|
0,091; 1,5
2
|
Gasfehlinsufflation
Netzinsufflation
Hautemphysem
Mediastinalemphysem
|
0,6 – 1,261
|
Darmperforation
|
0,07 – 0,251; 0,3
2
|
Blutungskomplikationen
Bauchwandblutung
Post-Biopsieblutung
Hämobilie
|
0,09 – 0,11; 0,7
2
|
gallige Peritonitis
|
0,071
|
Letalität
|
0,13 – 0,071, 2
|
1 Brühl W 1966 [2444], Henning H 1985 [2423], Adamek H 1996 [2435].
2 Minilaparoskopie: Frenzel et al. 2012 [2404].
Die generelle Komplikationsrate der diagnostische Laparoskopie wird in einer retrospektiven Sammelstatistik von 23 Einzelstatistiken mit insgesamt 204 591 Patienten mit 1,86 % angegeben [2441]
[2445]. Schwerwiegende Komplikationen, die eine Hospitalisation oder chirurgische Intervention erforderten, traten in 0,15 % auf.
Eine aktuellere Analyse von 747 konsekutiven diagnostischen Laparoskopien in konventioneller Technik [2429] gibt die Rate schwerwiegender Komplikationen (Blutungen, Darmperforation) mit immerhin 1,5 % (11/747) an. Letale Komplikationen (Sepsis nach laparoskopischer Metastasenbiopsie) traten in 0,13 % der Fälle (1/747) auf.
Ob die Minilaparoskopie durch den geringeren Gerätedurchmesser eine niedrigere Komplikationsrate hat, ist derzeit nicht belegt. Eine prospektiv, randomisierte Studie [2428] zum Vergleich von minilaparoskopisch gesteuerter Leberbiopsie und perkutaner Leberbiopsie bei chronischen Lebererkrankungen resultierte in 0,2 % (n = 1) schweren Komplikationen bei der Minilaparoskopie (perkutane Leberbiopsie in 0,9 % (n = 4) (p = 0,88)). Die Gesamtkomplikationsrate lag in der Minilaparoskopie Gruppe bei 8,2 % (pLB 5,1 %, p = 0,034), hauptsächlich basierend auf einer höheren Rate an Schmerzen oder Unruhe während und nach der Untersuchung mit erhöhtem Bedarf an Analgetika oder Sedativa. In dieser Studie waren Patienten mit Gerinnungseinschränkungen allerdings ausgeschlossen. In einer aktuellen retrospektive Analyse von 2731 diagnostischen Minilaparoskopien mit der 1,9 mm Optik mit Leberbiopsie [2404] lag die Rate ernster Komplikationen bei 1,0 % (n = 27) (0,7 % protrahierte Blutungskomplikationen sowie Dünndarmperforation in 0,3 %). Die Mortalität lag bei 0,07 % (n = 2). Ermittelte Risikofaktoren für schwerwiegende Blutungsereignisse waren eine Thrombopenie < 50/Nl (OR 6,1), eine INR > 1,5 (OR 8,9), eine Leberzirrhose (OR 1,9) und eine portale Hypertension (OR 2,1).
4.16 Endoskopie in der Schwangerschaft
Einleitung: Die Endoskopie in der Schwangerschaft stellt besondere Anforderungen an die Indikationsstellung, Vor- und Nachbereitung, Sedierung und Durchführung. Prinzipiell gilt eine möglichst enge und sorgfältige Indikationsstellung. Zu endoskopischen Eingriffen in der Schwangerschaft liegen keine Daten mit hohem Evidenzgrad vor, es handelt sich überwiegend um Einzelfallberichte und Fallserien.
Empfehlung
Vor jeder elektiven Endoskopie in Sedierung oder geplanten Interventionen in der Schwangerschaft soll ein Geburtshelfer konsultiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Um eine optimale Betreuung von Mutter und Fetus mit den notwendigen Vor- und Nachuntersuchungen zu gewährleisten, ist die Hinzuziehung eines Geburtshelfers unerlässlich. Hier kann z. B. nach klinischer Situation und Gestationsalter eine Überwachung der fetalen Herztöne vor, während und nach der Endoskopie erforderlich sein, zudem soll eine Rücksprache bzgl. der Verabreichung von Medikamenten erfolgen[2446].
Verweis: Zur Frage der Sedierung mit Durchführung und Medikation s. S3-LL Sedierung.
Empfehlung
Zur Durchführung einer Endoskopie in der Schwangerschaft soll die Indikation eng gestellt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Grundsätzlich ist bei allen Indikationen abzuwägen, ob die Dringlichkeit für die Durchführung während der Schwangerschaft gegeben ist oder eine Verschiebung des Eingriffs bis nach der Entbindung möglich ist.
Dringliche Indikationen können sein [2446]:
-
signifikante oder anhaltende GI-Blutung
-
schwere therapierefraktäre Übelkeit, Erbrechen oder Oberbauchschmerzen
-
Dysphagie
-
klinischer Verdacht auf einen Kolontumor
-
schwere Diarrhoe nach negativer vorangegangener Diagnostik
-
biliäre Pankreatitis, symptomatische Coledocholithiasis oder Cholangitis
-
Gallengang- oder Pankreasganginsuffizienz
-
infizierte pankreatitisassoziierte Flüssigkeitsansammlungen mit Indikation zur endoskopischen Drainage.
ÖGD
Die Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) ist die in der Schwangerschaft am häufigsten durchgeführte endoskopische Untersuchung. Indikationen zur ÖGD können sein die obere gastrointestinale (GI)-Blutung sowie starke auf Therapie (Antimetika, PPI) nicht ansprechende Übelkeit, Erbrechen oder Oberbauchmerzen.
Die vorliegenden meist retrospektiven Daten belegen die relative Sicherheit der Methode. Eine retrospektive ältere Untersuchung untersuchte 83 schwangere Frauen mit folgenden Indikationen: Akute GI Blutung (37), Übelkeit und Oberbauchschmerzen (17), Erbrechen (14, Oberbauchschmerzen (11) und andere (4)). Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Endoskopie im Mittel in der 19,8 ± 8,9 Schwangerschaftswoche. Der diagnostische Gewinn war mit 95 % am höchsten bei akuter GI-Blutung und lag zwischen 50 – 82 % für die anderen Indikationen. 95 % Patientinnen brachten gesunde Kinder zur Welt. Die komplikationsbehaften Geburten (Totgeburt und Spontanabort) waren nicht mit der ÖGD zu korrelieren und traten bei Risikoschwangerschaften auf. Bei den Fällen mit fetaler Herzfrequenzmessung während der Untersuchung waren keine Veränderungen der Frequenz während der Untersuchung zu verzeichnen [2447]. Eine neuere Fallserie [2448] untersuchte 60 schwangere Frauen mit starkem Erbrechen mit oder ohne Oberbauchschmerzen (n = 49) und Erbrechen mit GI-Blutung (n = 11). Endoskopische Befunde waren Ösophagitis (43 %), Gastritis (17 %), Hiatushernie (17 %) und Normalbefund (28 %).Auch hier lag die diagnostische und therapeutische Effizienz in den Blutungsfällen höher. Hinsichtlich der Reifung, des Gewichts und des Apgarscore zeigte sich kein Unterschied zwischen den Endoskopien bei GI-Blutung und den anderen Indikationen. Fetale Malformen traten nicht auf. Weitere Fallberichte und kleine Serien beschrieben die erfolgreiche Therapie von Varizenblutungen bei Schwangeren ohne fetale Missbildungen oder andere Komplikationen [2449]
[2450]
[2451].
Sigmoideoskopie/Kolonoskopie
Zur Durchführung einer unteren GI-Endoskopie bei Schwangeren liegen die meisten Daten zur Sigmoideoskopie vor. Indikationen können sein die untere GI-Blutung, der klinische v. a. einen Kolontumor sowie schwere anhaltende Durchfälle mit negativer nicht invasiver vorangegangener Diagnostik.
Die größte Fallserie verfolgte 48 Sigmoideoskopien bei 46 Patientinnen und 8 Coloskopien [2452]. In der Sigmoideoskopiegruppe wurden nach Ausschluss von 4 freiwilligen Schwangerschaftsabbrüchen und einem unklaren Outcome in 41 Fällen gesunde Kinder geboren. In drei Fällen kam es zu fetalen Komplikationen nämlich einer Frühgeburt, einer Totgeburt und einer kongenitale Malformation. Im Vergleich zu einer gematchten Kontrollgruppe ohne Sigmoideoskopie ergaben sich keine Unterschiede im fetalen Outcome. Die Effektivität der Sigmoideskopie hinsichtlich einer klinischen Diagnose war in der Gruppe mit der Indikation Hämochezie am größten. Von den 8 Patientinnen mit Koloskopie wurden 6 gesunde Kinder geboren. Neben einem freiwilligen Schwangerschaftsabbruch trat eine Fehlgeburt in einem Fall mit einem schweren Schub einer Colitis ulcerosa auf. Eine weitere neuere Fallserie untersuchte 20 Schwangere mittels Koloskopie und verglich das Outcome mit einer historischen Kontrollgruppe ohne Koloskopie [2453]. Indikationen waren überwiegend diagnostische Fragestellungen (Diagnosen: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, ischämische Kolitis, lymphozytäre Kolitis) sowie eine therapeutische Kolondekompression bei Pseudoobstruktion. 2 Schwangere entwickelten kurzfristige Hypotonien während der Untersuchung. In 18 Fällen wurden gesunde Kinder geboren, es kam zu einer Fehlgeburt und zu einem Ventrikelseptumdefekt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit ähnlicher Indikation ohne Koloskopie war das fetale Outcome nicht unterschiedlich.
Zum Abführen erscheinen PEG-Lösungen auch in der Schwangerschaft sicher. Hier untersuchte eine Studie eine PEG-4000 Lösung (Isocolan 1 – 2 × tgl. 250 ml für 15 Tage [Golitely/Nulitely in USA]) zur Therapie einer Obstipation bei 40 Schwangeren. 37 der geborenen Kinder wiesen keine fetalen Probleme auf, es kam zu einem 1 Spontanabort und 2 Frühgeburten ohne sicheren Zusammenhang mit der Einnahme der PEG Lösung [2454].
ERCP
Die häufigste Indikation für eine ERCP in der Schwangerschaft ist die symptomatische Choledocholithiasis. Daten aus 3 retrospektiven Serien analysierten überwiegend therapeutische ERCP‘s meist bei Choledocholithiasis bei 119 Schwangeren [2455]
[2456]
[2457]. Die Häufigkeit der Post-ERCP-Pankreatitis lag hier zwischen 5 und 16 %. Es wurde eine Frühgeburtenrate von 8 % beschrieben, des Weiteren kam es zu einem Spontanabort 3 Monate nach der ERCP und zu einem Kindstod 26 h nach der Geburt. Eine kleine prospektive Studie zur therapeutischen ERCP bei 10 Schwangeren beschrieb einen unkomplizierten Verlauf der weiteren Schwangerschaft und Geburt ohne fetale Missbildungen [2458]. Eine weitere Fallserie zur ERCP bei 18 Schwangeren führte eine Nachverfolgung der Kinder bis zum Alter von 11 Jahren durch ohne Nachweis von Entwicklungsdefekten [2459].
Eine systematische Analyse von 296 publizierten ERCP‘s [2460] in der Schwangerschaft, die die genannten Studien mit einschließt, berichtet über Spontanaborte oder Todgeburten in nur 5 von 296 Fällen, eine Post ERCP Pankreatitisrate von 5 – 6 % und eine Postsphinkerotomieblutung in 1 % der Fälle vergleichbar zur Komplikationsrate in großen ERCP-Serien. Des Weiteren beschrieb eine kleine Serie die sichere Anwendung der Cholangioskopie mittels Spyglass in der Schwangerschaft [2461].
Zusammenfassend sollte eine ERCP in der Schwangerschaft nur bei gesicherter klinischer Indikation und dann von einem erfahrenen Untersucher durchgeführt werden.
Dünndarmendoskopie: Kapselballonenteroskopie
Empfehlung
Die Kapselendoskopie soll bei Schwangeren nicht erfolgen
Konsens
Kommentar
Solange Daten zum Einsatz der Kapselendoskopie bei Schwangeren fehlen, sollte sie hier nicht eingesetzt werden. Die Kapselendoskopie in der Schwangerschaft wird von Herstellern als Kontraindikation aufgeführt, da keine Zulassungsstudien vorliegen und eine Kapselretardierung durch die Dünndarmkompression bei fortgeschrittener Schwangerschaft befürchtet wird.
Zur Durchführung einer unkomplizierten Kapselendoskopie im ersten Schwangerschaftstrimester mit der Indikation Blutung bei jejunalem NET liegt ein Fallbericht ohne Komplikationen vor [2462]. Bei notfälliger Indikation z. B. rezidivierender symptomatischer Dünndarmblutung in der Schwangerschaft kann die Kapselendoskopie nach ausführlicher Aufklärung als das minimalinvasivste diagnostische Verfahren erwogen werden.
Zur Ballonenteroskopie existieren keine Daten zur Sicherheit und Indikationen. Bei fortgeschrittener Gravidität kann der vergrößerte Uterus eine Dünndarmendoskopie mit Verlagerung des Darms erschweren.
Empfehlung
Die Endoskopie bei schwangeren Patientinnen im 2 und 3. Trimenon soll in Linksseitenlage erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Linksseitenlage vermeidet bei fortgeschrittener Gravidität eine Kompression der V. cava inferior und der Aorta abdominalis [2446]. Die Rückenlage kann durch die Kompression zu Blutdruckabfällen bei der Schwangeren und zur Minderdurchblutung der Placenta führen.
Empfehlung
Die Endoskopie bei Schwangeren sollte – falls möglich – im 2. Schwangerschaftstrimenon erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Im ersten Trimester mit der Organogenese besteht theoretisch eine höhere Gefahr der fetalen Schädigung durch Medikation oder Manipulation als im 2. Trimenon [2446]. Dies gilt in jedem Fall für eine Strahlenbelastung in diesem Zeitraum [2463]. Endoskopische Eingriffe sollten möglichst in das 2. Trimenon hinein prolongiert werden. Im dritten Trimenon erschwert der vergrößerte Uterus mit mechanischer Kompression des Magen-Darm-Traktes ggf. den Eingriff und kann damit ein erhöhtes Verletzungsrisiko bergen.
Empfehlung
Bei der Stromapplikation soll die Neutralelektrode so angebracht werden, dass der Uterus sich nicht zwischen dem elektrischen Instrumentarium und der Neutralelektrode befindet. Bipolarer Strom sollte verwendet werden, um eine Stromapplikation auf den Fetus zu vermeiden.
Starker Konsens
Kommentar
Das Fruchtwasser kann elektrischen Strom leiten mit einer potenziellen Gefährdung des Fetus. Daher sollte die Neutralelektrode bei der Anwendung von HF-Geräten so platziert werden, dass eine Stromexposition des Uterus vermieden wird. Zusätzlich sollte statt monopolarem Strom bipolarer Strom verwandet werden.
Eine Studie verfolgte 31 Schwangere, die während der Schwangerschaft einen akzidentiellen Stromschlag erlitten hatten (110 V: n = 26, 220 V: n = 2, höhere Spannungen: n = 2, 12 V: n = 1). 28 der Frauen gebaren gesunde Kinder, ein Kind hatte einen Ventrikelseptumdefekt, und es traten 2 Spontanaborte auf. In der Kontrollgruppe kam es in einem Fall zu einem Spontanabort, die Unterschiede waren nicht statistisch signifikant. Dennoch scheint es sinnvoll Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten [2464].
Empfehlung
Die Strahlenbelastung bei endoskopischen Eingriffen (ERCP/PTCD) soll möglichst gering gehalten werden.
Starker Konsens
Kommentar
Ist eine therapeutische ERCP oder PTCD erforderlich, sollte diese bei elektiven Situationen möglichst im 2. Trimenon erfolgen, da das fetale Risiko im ersten Trimenon besonders hoch ist und sich das Kind im dritten Trimenon bereits sehr nahe am biliopankreatischen System und damit im Strahlenfeld befindet [2465]. Eine retrospektive Analyse untersuchte die ERCP mit Sphinkterotomie bei 35 Schwangeren (14 im 1. Trimenon, 11 im 2. Trimenon und 10 im 3. Trimenon). Das mittlere Gestationsalter lag bei 18,9 Wochen (4 – 35 Wochen), die mittlere Durchleuchtungszeit bei 0,15 min (0 – 1 min). Unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen (Abdeckung des Uterusbereichs, niedrige Strahlendosis) lag die mittels Dosimeter ermittelte fetale Strahlenexposition insgesamt eher im niedrigen Bereich. Bei 23 Schwangeren war die mittels Dosimeter geschätzte fetale Strahlenexposition sehr gering (< 0,0001 Gray), bei 8 Frauen lag diese zwischen 0,0001 – 0,0002 Gray, bei 3 Schwangeren zwischen 0,0002 und 0,0005 Gray und in einem Fall über 0,0005 Gray. Fetale Missbildungen wurden nicht beobachtet [2466].
Die Untersuchung sollte bei Schwangeren nur durch erfahrene Untersucher erfolgen, um die Untersuchungszeit und die Strahlenbelastung möglichst niedrig zu halten und die Risiken der Untersuchungen zu minimieren. Hier zeigte eine Fallanalyse von 269 ERCP‘s eine signifikant kürzere Durchleuchtungszeit erfahrener Untersucher im Vergleich zu weniger Erfahrenen unabhängig von der Fallschwere [2467]. Die mittlere Durchleuchtungszeit sank nach Durchführung von mindestens 50 Untersuchungen um 2,73 min (p = 0,039). Des Weiteren sind die gesetzlichen Regelungen der Strahlenschutzverordnung und Röntgenverordnung (Bundesamt für Strahlenschutz) zu beachten.