Einleitung
Das Othämatom, Blutohr oder Hämatoma auriculare kann beim Hund und seltener bei der Katze
vorkommen. Gemäß einer Studie in Großbritannien (2006) wurden Othämatome bei etwa 2 % der Hunde
und 1,3 % der Katzen diagnostiziert, die aufgrund eines dermatologischen Problems in der Praxis
vorgestellt wurden [[14]]. Trotz der klinischen Relevanz in der
alltäglichen Kleintierpraxis gibt es relativ wenige neuere Studien zu Ursachen und
Therapiemöglichkeiten beim Hund und noch weniger bei der Katze. Per definitionem ist das
Othämatom eine Ansammlung von serosanguinöser Flüssigkeit in der Ohrmuschel.
Anatomie
Die Ohrmuschel (Auricula oder Pinna) besteht bei Hund und Katze aus elastischem Knorpel
(Muschelknorpel), der von der Knorpelhaut (Perichondrium) umgeben ist. Die darüber liegende Haut
ist eng mit der Knorpelhaut verbunden und die Innenseite der Pinna nur spärlich behaart. An der
Außenseite ist die Haut dicker mit spezies- und rassespezifischem Haarkleid. Die Ohrmuskeln
haben rostromedial der Pinna ihren Ursprung und setzen ringsherum an der Ohrmuschel an, um so
deren Beweglichkeit zu gewährleisten. Die Gefäßversorgung der Ohrmuschel erfolgt hauptsächlich
durch die A. und die V. auricularis caudalis, die sich in mehrere Unteräste aufteilen und an der
Konvexseite der Pinna verlaufen. Sie durchdringen den Knorpel und versorgen so auch die
Konkavseite der Ohrmuschel [[13], [19], [25]].
Pathogenese
Bei externem oder selbst zugefügtem Trauma wie Kratzen, Reiben oder heftigem Kopfschütteln
kommt es zur Verletzung der betroffenen Gefäße und in der Folge zu chondralen und
dermalen Blutungen. Durch die Blutung im Knorpel bzw. im Raum zwischen Ohrknorpel und
umgebender, normalerweise recht eng anliegender Haut füllt sich die betroffene Region immer
mehr. Die Pinna schwillt je nach Ausmaß fokal oder generalisiert an [[12], [30]]. Dadurch können Symptome wie Schmerzen oder
Kopfschütteln weiter verschlimmert werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sucht der Besitzer den
tierärztlichen Rat.
Die Gründe für Juckreiz oder Schmerzen im Ohr- und Kopfbereich sind vielfältig. Für eine
erfolgreiche Behandlung des Othämatoms und eine Minimierung der Rezidivgefahr sind Diagnose
und Behandlung der Primärursache entscheidend. Dennoch werden Pathogenese und Ätiologie des
Othämatoms weiterhin kontrovers diskutiert. Gegen ein direktes Selbsttrauma durch Kratzen
spricht z. B., dass Hunde und Katzen hierfür vor allem die gleichseitige Hintergliedmaße
verwenden. Sie kratzen sich daher am ehesten an der lateralen Seite der Pinna, Othämatome kommen
aber vor allem an der medialen Seite vor [[12]].
Klinik
Die klinische Präsentation des Othämatoms ist typisch: Die Pinna ist entweder partiell oder
komplett gefüllt. Es lässt sich eine warme, pralle Schwellung palpieren, die i. d. R. von
der konkaven (inneren oder medialen) und nicht von der konvexen (äußeren oder lateralen) Seite
der Pinna ausgeht. Je nach Alter der Läsion ist diese fluktuierend oder fest. Schmerzen sind
variabel – nicht alle Tiere scheinen schmerzhaft. Meist ist nur ein Ohr betroffen (▶
Abb.
[
1
]), aber bilaterale Othämatome können
ebenfalls vorkommen.
Abb. 1 Rhodesian Ridgeback mit Othämatom rechts. Klassische klinische Präsentation:
Die Pinna ist prall geschwollen, erythematös, warm und oft schmerzempfindlich. a)
Medialansicht auf die Konkavseite der Pinna. b) Ansicht von kranial, bei der die
Schwellung im Querschnitt deutlich sichtbar ist. c) Linke Pinna desselben Hundes:
Vernarbung im distalen Bereich durch vorhergegangenes Othämatom. (© Universität Bern)
Diagnostik
Die Diagnose kann i. d. R. anhand der Anamnese und Klinik gestellt werden. Differenzialdiagnosen
gibt es wenige, z. B. Abszesse durch Kampf- oder Bissverletzungen, bei der Katze auch aurikuläre
Chondritis (▶
Abb.
[
2
]), [[1], [6], [10]].
Abb. 2 Aurikuläre Chondritis bei einer Hauskatze. (© Universität Bern)
Für eine erfolgreiche Behandlung muss die Primärursache des Othämatoms therapiert werden.
Die Identifikation der Primärursache ist aber oftmals schwierig, sodass eine zugrunde liegende
Erkrankung nicht immer diagnostiziert werden kann. Mögliche Ätiologien sind [[12]]:
-
Otitis externa und/oder media
-
aurale Fremdkörper
-
entzündliche oder neoplastische Massen im Gehörkanal
-
Ektoparasiten
-
Trauma
-
allergische Erkrankungen (atopische Dermatitis, Futtermittel- oder seltener
Flohbisshypersensitivität)
-
endokrine Erkrankungen (Hypothyreose, Hyperadrenokortizismus)
-
(auto-)immune Geschehen
Insbesondere das (auto-)immune Geschehen ist umstritten.
Eine gründliche Aufarbeitung des Patienten beinhaltet daher folgende Schritte:
-
vollständige Anamnese
-
Otoskopie
-
Zytologie des Gehörkanals
-
allgemeine klinische und dermatologische Untersuchung
-
ggf. Blut- und Urinanalysen
Diagnostische Aufarbeitung möglicher Ätiologien
Otitis externa und media
Eine Infektion des äußeren Gehörkanals (▶
Abb.
[
3
]) mit Bakterien oder Hefepilzen geht oft mit Kopfschütteln einher. Sie ist
eine der häufigsten Ursachen für die Entstehung eines Othämatoms, insbesondere beim Hund
[[12], [23]]. Eine
gründliche otoskopische Untersuchung muss daher durchgeführt werden, wobei auf
Anzeichen einer Entzündung geachtet wird:
-
Rötung
-
Hyperplasie der Gehörgangswand
-
verengtes Lumen
-
auffälliges Zerumen (Menge, Farbe, Konsistenz, Geruch)
-
Schmerzäußerung
Abb. 3 Eine Otitis externa wird oft als Grundursache für die Entstehung eines
Othämatoms genannt. a) Otitis externa bei einem Cocker Spaniel: Pinna mit
Erythem, Erosionen und schwarzbraunem Zerumen am Eingang zum Gehörkanal. b)
Otitis externa bei einem Golden Retriever: Pinna mit Schwellung, Lichenifikation,
beginnender Hyperplasie und Krusten. (© Universität Bern)
Das Trommelfell sollte dargestellt und auf Besonderheiten wie Perforation oder Verdickung
beurteilt werden. Fremdkörper oder Massen im äußeren Gehörkanal können so ebenfalls
visualisiert werden.
Nach der otoskopischen sollte auch eine zytologische Untersuchung erfolgen. Diese kann
einfach und preiswert in der Praxis durchgeführt werden: Dabei wird eine Probe aus dem
externen Gehörkanal mit einem Wattestäbchen entnommen und auf einem Objektträger
ausgestrichen. Mit einem Schnellfärbeverfahren, z. B. Diff-Quick, kann der Objektträger
angefärbt und direkt unter einem Mikroskop analysiert werden (▶
Abb.
[
4
]). Bei Vorliegen von stäbchenförmigen Bakterien in der
Zytologie sollte eine bakteriologische Untersuchung mit Resistenzprofil
durchgeführt werden. Gleiches gilt bei rezidivierender oder persistierender Otitis mit
kokkenförmigen Bakterien trotz antimikrobieller Behandlung. Bei Verdacht auf Ohrmilben
(Otodectes cynotis) können diese durch Tupferausstrich im Nativpräparat
nachgewiesen werden. Auch andere Milben (z. B. Demodex sp., ▶
Abb.
[
5
]) können eine Otitis externa verursachen.
Abb. 4 Zytologische Untersuchung von Zerumen. a) Eine Tupferprobe wird
auf einem Objektträger ausgestrichen und mit einer Schnellfärbung angefärbt.
b) Otitis externa: Zahlreiche kokken- und stäbchenförmige Bakterien im
Tupferausstrich. (© Universität Bern)
Abb. 5 Demodexmilbe: Neben Ohrmilben (Otodectes cynotis) können auch
Demodex spp. Otitiden verursachen. (© Universität Bern)
Im Anschluss an Otoskopie und Zytologie kann eine Behandlung bzw. Reinigung des Ohres
erfolgen, falls nötig.
Bestehen neurologische Ausfälle, die auf eine Otitis media hindeuten und/oder ist das
Trommelfell perforiert, sind weitere bildgebende Verfahren wie MRT oder CT indiziert.
Bei einseitigem Othämatom müssen trotzdem beide Ohren otoskopisch und ggf. zytologisch
untersucht werden! Dies ermöglicht einen Vergleich beider Seiten und gewährleistet,
dass eine Erkrankung des vermeintlich gesunden Ohres nicht übersehen wird.
Endokrine Erkrankungen
Hypothyreose
Hypothyreose ist einerseits die häufigste, andererseits die am häufigsten überdiagnostizierte
hormonelle Erkrankung beim mittelalten bis älteren Hund. Eine erworbene
Schilddrüsenunterfunktion kann bei jeder Hunderasse auftreten. Rassen wie Golden oder
Labrador Retriever und Dobermann Pinscher scheinen prädisponiert. Die klinische
Präsentation einer Hypothyreose ist vielfältig und umfasst systemische wie auch
dermatologische Symptome inklusive Otitiden. Ein T4-Mangel geht mit Defekten der
Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten einher, sodass eine erhöhte Blutungstendenz
entsteht, die die Bildung eines Othämatoms begünstigen kann. Ein mittelalter Hund, der mit
einem Othämatom vorgestellt wird, sollte daher auf klinische Anzeichen einer Hypothyreose
untersucht werden. Bei Bedarf sollten entsprechende Blutuntersuchungen durchgeführt
werden. Eine milde nicht regenerative Anämie, eine erhöhte Aktivität der alkalischen
Phosphatase und eine Hyperlipidämie können auf eine Hypothyreose hindeuten. Speziellere
Abklärungen beinhalten die Bestimmung des totalen T4 und caninen TSH [[24], [29]].
Hyperadrenokortizismus
Schlechte Wundheilung sowie erhöhte Anfälligkeit und Permeabilität der Gefäße können mit
natürlich auftretendem oder iatrogenem Hyperadrenokortizismus verbunden sein. Ein
Othämatom kann somit begünstigt bzw. die Abheilung verzögert werden. Auch hier gilt es,
durch eine vollständige Anamnese und klinische Untersuchung sowie labordiagnostische Tests
einen Hyperadrenokortizismus zu erkennen. Mögliche Labordiagnostik beinhaltet u. a.:
Ein Hyperadrenokortizismus sollte entsprechend behandelt und das Othämatom nicht als
isoliertes Problem betrachtet werden. Die erhöhte Gefahr sekundärer Infektionen und
chronischer Otitiden ist bei diesen Patienten ebenfalls von Bedeutung [[24]].
Allergien
Allergien auf Futtermittel- oder Umweltallergene verursachen als Hauptsymptom Juckreiz und
können sich außerdem als Otitis externa manifestieren. Oftmals sind beide Ohren
betroffen. Bei einer geringen Anzahl allergischer Patienten kann die Ohrenentzündung das
einzige klinische Symptom sein. Dabei kann es durch Juckreiz im Bereich der Pinna oder bei
Vorliegen einer Otitis zu Kratzen und Schütteln im Kopfbereich kommen, sodass die
Entstehung eines Othämatoms begünstigt wird. Zur Allergieabklärung sind evtl. weitere
Schritte wie das Durchführen einer Eliminationsdiät, einer Allergenserologie oder eines
Intradermaltests auf Umweltallergene indiziert [[12], [24], [26], [29]].
Ektoparasiten
Flohbefall/Flohbisshypersensitivität
Flohbefall kann starken Juckreiz und damit verbunden Kopfschütteln und Kratzen im Kopfbereich
hervorrufen, was wiederum die Entstehung eines Othämatoms zur Folge haben kann. Bei Hunden
und Katzen mit Flohbisshypersensitivität reicht bereits ein geringer Allergenkontakt, um
starken Juckreiz auszulösen, auch wenn dieser eher nicht auf die Pinna konzentriert ist.
Eine Untersuchung auf Flöhe und eine gute Ektoparasitenkontrolle gehören zu einer
kompletten Abklärung [[24], [26]].
Räudemilben (Sarcoptidae)
Infektionen mit Sarcoptes scabiei (▶
Abb.
[
6
]) kommen vor allem beim Hund und Infektionen mit Notoedres cati bei
der Katze vor. Speziesübergreifende Infektionen sind aber möglich [[24]].
Abb. 6 Sarkoptesmilbe: Infektionen mit Sarcoptes scabiei können Juckreiz
im Bereich der Pinna hervorrufen und so die Entstehung eines Othämatoms begünstigen. (© Universität Bern)
Ein Verdacht auf Räudemilben besteht in folgenden Fällen:
-
hochgradiger Juckreiz, der die Pinna miteinbezieht
-
Juckreiz kann anfangs an den äußeren Rändern bzw. an der Spitze der Ohrmuschel
konzentriert sein
-
bei Sarcoptes scabiei: Füchse in der Umgebung fungieren oftmals als
Infektionsquelle
-
positiver Ohrkratzreflex („Pinnal-Pedal-Reflex“)
-
Hautläsionen wie Erythem, Papeln, Krusten, Schuppen oder Haarverlust,
insbesondere an den Rändern der Pinna und später auch generalisiert
Durch Kopfschütteln und Kratzen kann wiederrum ein Othämatom entstehen.
Die Entnahme multipler Hautgeschabsel und evtl. die Bestimmung eines Sarkoptestiters sind
anzuraten. Sarcoptes scabiei sind im Gegensatz zu Notoedres cati nicht immer
im Geschabsel nachzuweisen und eine Serokonversion findet erst etwa 5 Wochen nach
Infektion statt. Alternativ kann daher beim Hund eine diagnostische Therapie durchgeführt
werden, z. B. mit Selamectin oder einen Imidacloprid-Moxidectin-Kombination Spot-on für
das entsprechende Körpergewicht, 2-mal im Abstand von jeweils 28 Tagen. Die Anwendung von
Fluralaner Tabletten gegen Sarkoptesinfektionen beim Hund ist bisher noch nicht
wissenschaftlich belegt [[9], [24]].
Immunmediierte Ursachen
Autoimmune bzw. immunmediierte Erkrankungen werden seit Langem als mögliche Ursache für die
Entstehung von Othämatomen diskutiert. In einer frühen Studie wurde ein Zusammenhang von
Othämatomen mit antinukleärem Antikörpertiter, positivem Immunfluoreszenztest und
Ansprechen auf Glukokortikoide gefunden, der jedoch später nicht bestätigt werden konnte
[[16], [18]]. Ein
immunvermittelter Prozess im Knorpel könnte jedoch der Entstehung eines Othämatoms
vorausgehen. Eine histopathologische Studie hat eine Knorpeldegeneration mit
fibrovaskulärer Granulation bei über 90 % der betroffenen Hunde festgestellt [[12], [16]].
Therapie
Bei einem unbehandelten Othämatom kann es durch die veränderte Blutversorgung und Fibrosierung zu
Vernarbungen und Gewebeumbildungen kommen, die letztendlich zur Entwicklung einer
blumenkohlartigen Ohrmuschel („cauliflower ear“) führen können. Aufgrund der unangenehmen
Spannung und Schmerzhaftigkeit beim akuten Othämatom ist eine Behandlung indiziert. Es muss
individuell entschieden werden, ob das Othämatom chirurgisch oder konservativ therapiert wird.
Zur Entscheidungsfindung werden folgende Faktoren in Betracht gezogen:
-
Alter und Allgemeinzustand des Tieres (Narkoserisiko)
-
Anamnese (erstes oder wiederholtes Auftreten)
-
mögliche zugrunde liegende Ursachen
Es gibt keine einheitliche ideale Therapie. Rezidive und Komplikationen inklusive
Deformation und Vernarbung der Pinna können bei allen Vorgehensweisen auftreten. Die Vor- und
Nachteile jeder Therapie sollten mit dem Besitzer diskutiert und gemeinsam entschieden werden.
Chirurgische Therapieansätze
Zu den chirurgischen Methoden gehören unter anderem die Inzision und Stanzbiopsie. Je nach
Literatur gibt es verschiedene Vorgehensweisen, die im Prinzip ähnlich sind: Das Othämatom
wird eröffnet, der Inhalt entfernt, der entstandene Hohlraum gespült und die Haut am unten
liegenden Knorpel befestigt, um das erneute Anfüllen zu vermeiden. Weitere Möglichkeiten
sind unterschiedliche Formen der Drainage sowie Lasertherapie. Inzision und Stanzbiopsie
müssen unter Vollnarkose durchgeführt werden, während Drainage und Lasertherapie unter
Sedation durchgeführt werden können, aber mit einer höheren Rezidivrate verbunden sind.
Inzision
Der „klassische“ chirurgische Ansatz zur Therapie des Othämatoms ist die Inzision. Beide
Seiten der Pinna werden aseptisch präpariert. Der Eingang zum Gehörgang kann mit Gaze oder
einem Schwamm verschlossen werden, um das Einlaufen von Blut zu vermeiden. Unter
Allgemeinanästhesie und sterilen Bedingungen wird ein longitudinaler oder S-förmiger
Hautschnitt an der konkaven Seite der Ohrmuschel gesetzt, der parallel zu den
Ohrrändern verläuft und von distal nach proximal erfolgt. Enthaltene Flüssigkeit und
Blutkoagula werden entfernt und der Hohlraum anschließend mit steriler Kochsalzlösung
gespült. Die Haut wird mit lockeren, multiplen Einzelheften an verschiedenen
Stellen über dem Othämatom am unten liegenden Knorpel befestigt.
Alternativ kann mit einer Matratzennaht, die neben dem Knorpel die Haut an der
konkaven und konvexen Seite der Pinna einschließt, gearbeitet werden. Dabei besteht ein
höheres Risiko, Blutgefäße, die vor allem an der konvexen Seite verlaufen, zu verletzen
oder zu ligieren. Andererseits ist so die Druckempfindlichkeit der Ohrmuschel auf die
Knoten geringer.
Die Inzisionsstelle wird nicht komplett verschlossen, um weiterhin ein Abfließen der
Flüssigkeit zu erlauben. Vorteilhaft ist die geringe Rezidivrate dieser Technik,
nachteilig sind das Narkoserisiko sowie oftmals eine Abheilung unter Narbenbildung und
Verformung der Pinna. Die chirurgische Inzision erspart die diagnostische Abklärung auf
mögliche zugrunde liegende Ursachen nicht [[19], [32]].
Stanzbiopsie
Diese Methode wird ebenfalls unter Vollnarkose und sterilen Bedingungen durchgeführt.
Präparation der Pinna und Verschluss des Gehörgangs erfolgen wie bei der Inzision. Zu
Beginn können an der Konkavseite der betroffenen Pinna wahlweise transverse
Entlastungsschnitte von etwa 1 cm am distalen und proximalen Rand des Othämatoms
gesetzt werden. So kann ein Zugang geschaffen werden, um angesammelte Flüssigkeit und
Koagula zu entfernen. Mit einer 4–6 mm Hautstanze werden mehrere Öffnungen
angelegt, die in Abständen von je etwa 1 cm die gesamte Hautoberfläche über dem Othämatom
abdecken und eine Drainage des gesamten Othämatoms erlauben sollen. Falls distale und
proximale Schnitte durchgeführt wurden, werden diese mit einer Einzelknopfnaht
verschlossen. Die ausgestanzten Öffnungen werden nur am Rand mit Knopfheften am unten
liegenden Knorpel fixiert, sie haben eine Drainagefunktion und heilen per secundam [[3], [19]].
Drainage
Es gibt verschiedene Drainagen und Methoden der Punktion, die insbesondere beim akuten
Othämatom (< 24 Stunden) und bei Patienten, die sich nicht für eine
Allgemeinanästhesie eignen, eingesetzt werden können.
Eine Punktion mit Aspiration kann eine akute Entlastung und Linderung schaffen, ist
jedoch als alleinige Behandlung i. d. R. nicht erfolgreich.
Eine Kombination mit Glukokortikoiden ist hierbei in Erwägung zu ziehen.
Der Eingriff kann unter Sedation und Lokalanästhesie durchgeführt werden. Eine einfache
Methode der Drainage ist, an der Konkavseite distal und proximal je einen kleinen
Hautschnitt durchzuführen, den Inhalt zu entleeren, zu spülen und eine
Penrose-Drainage zu legen. Alternativ kann eine Zitzenkanüle verwendet werden.
Anschließend wird ein Kopfverband angelegt und die Drainage für mindestens 1 Woche
belassen. Andere Methoden sind geschlossene Wundsaugdrainage-Systeme, z. B. mit
Schmetterlingskatheter und Vacutainer, die an der Konkavseite der Pinna fixiert werden.
Kürzlich wurde bei einer kleinen Anzahl von Hunden eine Methode mit Vakuumdrainage
beschrieben, die von der konvexen Seite im Hämatom platziert wird. Ein Halskragen ohne
Kopfverband war ausreichend, um die Drainage zu schützen. Die Methode war bei 5 von 5
Hunden erfolgreich [[17], [19], [27], [30],
[31]].
Kohlendioxidlaser (CO
2
-Laser)
Ähnlich wie bei der Inzision und Stanzbiopsie kann mit dem Laser ein etwa 1 cm langer Schnitt
angelegt werden, um das Hämatom zu drainieren und zu spülen. Dann werden mehrere kleine
Laserinzisionen (je 1–3 mm) über die gesamte Fläche durchgeführt und nicht
verschlossen. Mithilfe des Lasers soll die Anheftung von Haut und Knorpel aktiviert und
der Abfluss von Flüssigkeit gewährleistet werden. In einer Studie mit 10 Othämatomen beim
Hund war die Lasertherapie in allen Fällen erfolgreich. Bei 2 Hunden kam es anschließend
zur Ansammlung serosanguinöser Flüssigkeit. Diese Hunde mussten erneut therapiert werden
[[7], [26]].
Andere Methoden
Einzelne Studien beschreiben spezielle chirurgische Vorgehensweisen, die in der Regel eine
recht gute Erfolgsrate aufweisen, jedoch nur je eine kleine Gruppe Fälle behandeln.
Gewebekleber
Das Othämatom wird von der konkaven Seite her eröffnet, ausgeräumt und gespült – wie bei den
anderen Methoden beschrieben. Der Raum zwischen Haut und Knorpel wird mit Gewebekleber
(Cyanoacrylat) aufgefüllt, um so die Anheftung zu gewährleisten. Diese Methode ist
umstritten, da der Gewebekleber zur Granulombildung führen kann [[19], [20]]. Eine ähnliche Technik
wurde mit geringem Erfolg unter Verwendung von fibrinogen- und thrombinhaltigem
Dichtungsmittel durchgeführt [[4]].
Pinna-Kissen
In einer Studie wird eine spezielle Polsterung der Pinna beschrieben. Nach Inzision und
Drainage des Othämatoms wird zur Kompression ein spezielles Kissen an der konvexen Seite
angelegt, bestehend aus einem schweren Gegenstand wie einem Stein, der mit
Baumwolle und Gaze gepolstert und verbunden wird. Die Autoren haben diese Methode mit
herkömmlichen Methoden verglichen und ein besseres kosmetisches, zeit- und kostensparendes
Resultat erzielt [[8]].
Knorpelanlagerung mit intradermalem Verschluss
Nach chirurgischer Eröffnung, Entleerung und Spülung des Othämatoms werden die
Knorpelschichten aneinander gelegt und mit einer Intradermalnaht alternierend an
beiden Seiten der Inzision fixiert. In einer Studie mit 23 Hunden wurde für diese Methode
eine Erfolgsrate von 91 % beschrieben [[11]].
Konservative Behandlungsansätze: Glukokortikoide
Der Einsatz von Glukokortikoiden kann entweder lokal oder systemisch erfolgen. Hierbei gibt
es die folgenden Möglichkeiten, die auch miteinander kombiniert werden können:
Topische Injektion nach Punktion
Die Pinna wird auf der Innenseite geschoren und aseptisch präpariert. Die Ohrmuschel wird
punktiert und die enthaltene Flüssigkeit aspiriert. Glukokortikoide, z. B.
Dexamethason-Injektionslösung, werden in den nun entstandenen Hohlraum injiziert.
Eine sterile Arbeitsweise ist auch bei einer topischen Injektion sehr wichtig, um
Komplikationen wie Abszessbildung zu vermeiden.
Diese Methode bedarf keiner Allgemeinanästhesie, muss aber an mehreren aufeinanderfolgenden
Tagen durchgeführt werden. Sie ist zudem umstritten, da durch die Injektion der Abstand
zwischen Knorpel und Haut wieder vergrößert wird und die Wundheilung durch die
Glukokortikoide verzögert werden kann [[12], [19], [22], [30]].
Systemische Behandlung
Orale Glukokortikoide können als alleinige Therapie oder unterstützend, z. B. in Kombination
mit einer Penrose-Drainage, eingesetzt werden, um Entzündung, Schmerz und
Juckreiz/Kopfschütteln zu lindern. Es eignet sich beispielsweise Prednisolon in einer
Anfangsdosis von 1–1,5 mg/kg 1 × täglich oder auf 2 Gaben aufgeteilt. Die Anfangsdosis
wird dann je nach Klinik, möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen und zugrunde
liegender Ursache in langsamen Schritten reduziert, z. B. um etwa 30 % alle 7–14 Tage. Es
gibt keine größeren wissenschaftlichen Publikationen zur Erfolgsrate der systemischen
Therapie mit Glukokortikoiden im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden. Ein
erfolgreicher empirischer Einsatz als Monotherapie und in Kombination mit anderen
Therapien ist beschrieben [[15], [28]].
Alternativer Behandlungsansatz
Blutegel
Der Einsatz von Blutegeln zur Therapie des Othämatoms erfolgt ohne Sedation (▶
Abb.
[
7
]). Zur Präparation wird die Pinna mit
sterilen Tupfern und NaCl-Lösung gereinigt. Medizinische Blutegel (Hirudo
medicinalis) werden in einem Gefäß, z. B. in einer 20-ml-Spritze ohne Kolben, auf das
Othämatom aufgesetzt. Die Blutegel saugen sich fest und sezernieren Speichel u. a. mit
analgetischen, antientzündlichen, antithrombotischen, vasoaktiven und enzymatischen
Eigenschaften. Nach etwa 15–30 Minuten fällt der Egel selbstständig ab. Die Behandlung
wird mehrfach innerhalb einiger Tage wiederholt. Es gibt nur wenige Berichte über die
Anwendung beim Othämatom und die Erfolgsrate in der Literatur [[2], [5], [21]].
Abb. 7 Anwendung von Blutegeln beim Othämatom. a) Französische Bulldogge
mit atopischer Dermatitis und bilateralem Othämatom. b) Aufsetzen eines
medizinischen Blutegels (Hirudo medicinalis) mithilfe einer 20-ml-Spritze
ohne Kolben. c) Angesaugter Blutegel. (© Universität Bern)
Postoperative Versorgung
Kopfverband und Halskragen
Bei den chirurgischen Verfahren ist postoperativ ein Verband anzulegen.
Der Kopfverband darf nicht zu eng anliegen und insbesondere keinen Druck auf die
Atemwege ausüben.
Das nicht betroffene Ohr bleibt dabei frei. Der Eingang zum externen Gehörkanal auf der
betroffenen Seite sollte ebenfalls frei bleiben, um bei Vorliegen einer Otitis externa
eine lokale Therapie zu ermöglichen. Zudem wird unter dem Verband sonst ein optimales
Milieu für Bakterien und Hefepilze geschaffen. Die Inzisionsstelle sollte zugänglich
bleiben, damit sie vom Besitzer regelmäßig kontrolliert und ggf. vorsichtig gereinigt
werden kann, z. B. mit steriler Kochsalzlösung.
Ein Problem mit Kopfverbänden ist häufig, dass sie rutschen, feucht werden, verschmutzen oder
das Tier irritieren. Zum Schutz vor Trauma und Verschmutzung wird zusätzlich ein
Halskragen angelegt.
Alternativ zum Verband kann ein elastischer Strumpfverband dienen, der weniger
schützend, aber auch weniger irritierend ist. Die Besitzer müssen angeleitet werden, dass
sie OP-Wunde und Verband zu Hause täglich beobachten und wenn nötig in der Praxis
kontrollieren lassen. Verband und OP-Wunde sollten ohnehin mindestens alle 3 Tage
tierärztlich untersucht und der Verband erneuert werden. In der Heilungsphase werden Hunde
unter Leinenzwang und Katzen im Haus gehalten. Bei komplikationsloser Heilung können die
Fäden nach 2 Wochen gezogen und spätestens dann Kopfverband und Halskragen entfernt werden
[[3], [32]].
Analgesie
Eine gute Analgesie ist ebenfalls eine wichtige Säule der Therapie. Je nach Allgemeinzustand
des Patienten, labordiagnostischen Resultaten und gewähltem Therapieansatz kann ein
passendes Analgetikum gefunden werden. Postoperativ können beim sonst gesunden Hund und
mit Bedacht auch bei der Katze nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAIDs wie z. B.
Meloxicam) für 3–10 Tage oral eingesetzt werden. Das Risiko für Nebenwirkungen ist
abzuwägen.
Die postoperative Gabe von NSAIDs darf nicht zusammen mit systemischen Glukokortikoiden
und nur begrenzt mit topischen Glukokortikoiden erfolgen.
Insbesondere bei hospitalisierten Patienten können zusätzlich Opioide, z. B. Buprenorphin
oder Tramadol, eingesetzt werden [[32]].
Antibiotikum
Ein orales Breitbandantibiotikum ist postoperativ für 10 Tage zu geben. Es kann
empirisch gewählt oder im Fall einer Otitis bei durchgeführter bakterieller Untersuchung
je nach Resistenztest bestimmt werden [[32]].
Prognose
Bei fachgerechter und zeitiger Versorgung des Othämatoms sowie Diagnose und Behandlung einer
zugrunde liegenden Erkrankung ist die Prognose gut. Das Othämatom sollte nach 2–3 Wochen
verheilt sein. Therapiemöglichkeiten beinhalten chirurgisches und konservatives Vorgehen und
sollten individuell für jeden Patienten entschieden werden. Rezidive und Komplikationen
inklusive Deformationen durch Narbenbildung sind dennoch bei allen Therapieansätzen möglich. Das
Othämatom kann für Tierarzt und Besitzer eine durchaus frustrierende Erkrankung sein, da die
Grundursache nicht immer gefunden werden kann.