Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2016; 48(01): 4-12
DOI: 10.1055/s-0042-103520
Forschung
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Umwelt und Krebs – Eine Bestandsaufnahme

Michael Kundi
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Publication Date:
26 April 2016 (online)

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Zusammenfassung

Seit der Untersuchung der Anteile exogener Faktoren an der Krebsmortalität von Doll und Peto sind 35 Jahre vergangen. Etwa zwei Drittel der Fälle wurden in dieser Studie auf Rauchen und Ernährung zurückgeführt und nur 4 % auf Kanzerogene am Arbeitsplatz und 2 % auf Umweltfaktoren. Der seither beobachtete Trend der Krebsinzidenz und -mortalität bestätigt diese Berechnungen nur teilweise; ein höherer Anteil als ursprünglich ermittelt könnte auf andere Faktoren, unter anderem auch auf Umweltfaktoren, zurückgehen. Umweltkanzerogene können natürlichen Ursprungs sein (z. B. Sonnenlicht, UV, Radon), in den meisten Fällen handelt es sich aber um Einwirkungen infolge von Aktivitäten des Menschen (Verkehr, Haushalt, Industrie). Bei den physikalischen Faktoren spielen Expositionen gegenüber Radon und Radontöchtern, Radionukliden von Kernkraftwerken und Reaktorkatastrophen und andere Quellen ionisierender Strahlung sowie möglicherweise Magnetfelder des Kraftstroms eine Rolle. Expositionen gegenüber Feinstaub einschließlich Dieselruß, Metallverbindungen und anderen adsorbierten Stoffen können die Lungenkrebsrate beeinflussen und Erfolge der präventiven Tabakpolitik zumindest teilweise zunichtemachen. Die Exposition gegenüber Schwermetallen kann ebenfalls das Krebsgeschehen beeinflussen. Innenraumschadstoffe sind zwar meist als Einzelsubstanzen nur in niedrigen Konzentrationen vorhanden, aber in Kombination könnten sie ebenfalls die Entwicklung von Karzinomen beeinflussen. Passivrauchen, aber auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) aus Verbrennungsvorgängen und endokrin wirksame Substanzen können hier genannt werden. Wie hoch der Umweltkanzerogenen zuzuschreibende Anteil an Krebserkrankungen heute ist, muss zukünftigen Analysen vorbehalten bleiben, ebenso wie die Frage, welchen Faktoren dabei die größte Bedeutung zukommt.

Summary

Thirty-five years have passed since the seminal work of Doll and Peto about the fractions of cancer deaths that can be attributed to exogenous factors. About two thirds of cases were attributed to smoking and nutrition and only 4 % to occupational carcinogens and 2 % to environmental factors. Cancer incidence and mortality trends during the past decades are only partially supporting these calculations, higher proportions may be attributable to other factors and among them also to environmental carcinogens. Such environmental factors may be of natural origin (e. g. solar radiation, UV, radon) but in most cases they are a consequence of human activities (transportation, households, industry). Among physical factors exposure to radon and radon daughters, to radionuclides from nuclear power plants, fallout from reactor accidents and other sources of ionizing radiation as well as power frequency magnetic fields play a role. Exposure to particulate matter including diesel exhaust, metal compounds and other adsorbed substances could have an impact on lung cancer rates and may compromise the success of tobacco policies. Also exposure to heavy metals could have an impact on neoplastic development. Indoor toxicants are typically found at low levels for individual substances but could in combination exert an impact on the development of malignant diseases. Passive smoking as well as PAHs from combustion processes and endocrine disruptors are among such factors. Assessment of today’s proportion of cancer cases attributable to environmental factors as well as the ranking if these factors must be left to future analyses.