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DOI: 10.1055/s-0042-103527
Ursachen behandeln
Die Bedeutung der Umweltmedizin in der GynäkologiePublication History
Publication Date:
26 April 2016 (online)
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe; habilitierte 1982 als bundesweit zweite Frau im Fach Gynäkologie; 1993 bis 2002 Gründerin und Leiterin der Ambulanz für Naturheilkunde an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg; Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft für Naturheilverfahren, Akupunktur und Umweltmedizin (NATUM) in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe; Gründungsmitglied der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin (IGUMED); Schwerpunkte: Naturheilkunde und Umweltmedizin
DZO: Sie gründeten 1993 die bundesweit erste Ambulanz für Naturheilkunde an einer Universitäts-Frauenklinik. Was war damals Ihre Motivation, warum Sie diese Einrichtung ins Leben gerufen haben?
Prof. Gerhard:
Da ich mich jahrelang an derselben Klinik befand und die Chance hatte, immer wieder dieselben Patientinnen zu treffen, fiel mir auf, dass die üblichen schulmedizinischen Methoden zwar oft einen Soforteffekt hatten, bspw. das Antipilzmittel bei Scheidenpilzen oder Hormone bei Gelbkörperschwäche, dass aber nach Absetzen der Medikamente der alte Zustand in kürzester Zeit wieder da war.
Als ein neuer Kollege begeistert von der Akupunktur erzählte und ich mit ihm einige meiner Patientinnen behandelte, war ich überwältigt von den Veränderungen und begann sofort eine entsprechende Ausbildung. Meine Forschungsergebnisse zu naturheilkundlichen und umweltmedizinischen Themen wurden nicht überall gerne gesehen, da ich zum Beispiel zeigen konnte, dass Ohrakupunktur bei einer bestimmten Gruppe von Frauen ohne Eisprung genauso wirksam wie Hormontabletten war und dass Pestizide bzw. Amalgame zu Unfruchtbarkeit führen können.
Immerhin wurde die Karl und Veronica Carstens-Stiftung auf mich aufmerksam, sodass ich von nun an einen starken Partner und Förderer hatte, was mir ermöglichte, in größerem Ausmaß auch weitere, bisher nicht in der Uniklinik überprüfte Methoden zu erlernen, einzusetzen und auszuwerten. Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung, die über Jahre einzelne Studien unterstützt hatte, entwickelte mit mir zusammen das Zukunftsmodell einer Ambulanz für Naturheilkunde und Umweltmedizin an einer Uniklinik, die damit wegweisend auch für andere Städte sein sollte.
Obwohl die Dokumentation nach 4 Jahren ergab, dass die Ambulanz viele zusätzliche Patientinnen an das Klinikum gebunden hatte und in der Bevölkerung sehr beliebt war, lehnte das Klinikum die Übernahme ab. Im letzten Moment wurde ein neuer Retter gefunden, die H. W. und J. Hector-Stiftung, die sich bereit erklärte, weitere 5 Jahre die Ambulanz zu finanzieren. Immerhin besteht die Ambulanz auch heute noch, nach 20 Jahren, unter dem Dach der Abteilung für Endokrinologie und ihres Direktors Prof. Strowitzki, allerdings mit eingeschränkter Kapazität.
DZO: Was war damals das Besondere an der naturheilkundlichen Ambulanz in Heidelberg?
Prof. Gerhard:
Wir hatten Ärzte, die eine normale schulmedizinische Ausbildung durchliefen und die gleichzeitig eine spezielle naturheilkundliche Methode, Homöopathie, Akupunktur oder Umweltmedizin, beherrschten. Täglich fand ein interdisziplinärer Austausch zwischen den Therapeuten statt, und jede Woche gab es ausführliche Fallkonferenzen. Die Patientinnen und die Ärzte füllten Dokumentationsbögen aus, die mit Hilfe eines abteilungseigenen Biometrikers ausgewertet werden konnten. Zahlreiche Doktoranden bearbeiteten wissenschaftliche Fragestellungen. Dadurch konnte beispielsweise gezeigt werden, wie Umweltgifte das Hormongleichgewicht bei der Frau beeinflussen können, oder welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Homöopathie oder die Akupunktur wirken können.
DZO: Sie haben auch eine Ausbildung zur Umweltmedizinerin absolviert und waren Gründungsmitglied der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin (IGUMED). Was hat sich in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Umweltmedizin geändert?
Prof. Gerhard:
Vor 20 Jahren gab es viel mehr Ärzte als heute, die eine Weiterbildung in Umweltmedizin absolvierten. Das Interesse an der Umweltmedizin hat seitdem eher abgenommen, da eine Umweltsprechstunde zeitlich sehr aufwendig ist und nicht als Kassenleistung abgerechnet werden kann. Leider ist es heutzutage so, dass es eine klinische Umweltmedizin eigentlich nicht mehr gibt, da die Umweltmedizin nicht als eigenständiges Fach, sondern in der Hygiene bzw. Arbeitsmedizin angesiedelt und darunter subsumiert wird.
DZO: Wo sehen Sie die heutigen Herausforderungen der Umweltmedizin und einer an Prävention orientierten Medizin?
Prof. Gerhard:
Gerade in der Frauenheilkunde ist die Bedeutung von Umweltfaktoren auf die Gesundheit der Frau durch Studien eminent. Zudem ist bekannt, dass Frauen viele Umweltgifte schlechter metabolisieren als Männer. Leider wird immer noch zu wenig berücksichtigt, dass Grenzwerte für potenziell giftige Substanzen in Vielstoffgemischen sinnlos sind, da es nicht möglich ist, eine einzelne Substanz als Auslöser für eine umweltbedingte Erkrankung zu definieren. Diese Vielstoffgemische können zu Zyklusstörungen bis hin zu hormonabhängigen Tumoren der Brust führen. Es ist meines Erachtens wichtig, dass gerade in diesem Bereich intensiv geforscht wird und Maßnahmen im Sinne des Verbraucherschutzgedankens ergriffen werden. Eine zukünftige Herausforderung wird außerdem sein, neben der chemischen Umweltverschmutzung die Folgen der physikalischen Umweltverschmutzung (Elektrosmog) zu begrenzen und hier weitere Forschung zu betreiben.
DZO: Gibt es aus Ihrer Sicht umweltmedizinische Fragestellungen, die bei Krebspatienten dringend abgeklärt werden sollten?
Prof. Gerhard:
Jedem Patienten empfehle ich dringend, eine geo- und elektrobiologische Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Plätze, auf denen sich der Patient am meisten aufhält, wie der Schlafplatz, eventuell auch der Arbeitsplatz, sollten vorrangig untersucht und „entstört“ werden. Heute sind die Messmethoden so ausgefeilt, dass von Hokuspokus nicht die Rede sein kann. Gerade in Bezug auf Brust- und Prostatakrebs sollte dringend der Einfluss von endokrinen Disruptoren erforscht werden. Die Patienten benötigen Aufklärung und Hilfe, wie sie im Alltag östrogenaktive Umweltgifte vermeiden können (Ernährung, Trinkwasser, Gebrauchsgegenstände).
DZO: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?
Prof. Gerhard:
Auch ich habe meinen Schlaf- und Arbeitsplatz vorsorglich untersuchen lassen und Änderungen vorgenommen, die mir zu einem ungestörten Schlaf verhelfen. Das Handy nutze ich nur ausnahmsweise, wenn ich unterwegs bin. Einmal im Jahr mache ich eine leichte Fastenkur und gehe zu Vorsorgeuntersuchungen. Ich versuche, mich überwiegend bio-vollwertig zu ernähren und nehme Nahrungsergänzungsmittel ein (verzichte aber nicht auf Kaffee und Wein). Ich betreibe verschiedene Sportarten in Maßen und entspanne mich mit Yoga. Allerdings kämpfe ich täglich damit, neben der Arbeit genügend Zeit für Familie und Freunde freizuschaufeln.