Z Gastroenterol 2016; 54(06): 583-584
DOI: 10.1055/s-0042-105445
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief „Zur Diagnose der Fettleberkrankheit“

A. Arslanow
,
F. Lammert
Further Information

Publication History

26 January 2016

23 March 2016

Publication Date:
10 June 2016 (online)

Die neue S2k-Leitlinie „Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) fasst den aktuellen Kenntnisstand zu Epidemiologie, Risikofaktoren, Diagnostik und Therapie zusammen [1]. Die Leitlinie definiert: „Die Steatosis hepatis (Fettleber) zeichnet sich durch eine Einlagerung von Fett in den Hepatozyten aus.“ Sie spricht explizit von „Patienten mit nicht-alkoholischer Fettleber (NAFL)“, die im Verlauf eine Steatohepatitis (NASH) und eine Zirrhose entwickeln können (S. 671). Diese Definitionen legen eine bimodale Verteilung, die die Bevölkerung in Patienten mit und Gesunde ohne Fetteber dichotomisiert, nahe. Der Krankheitsbegriff dient aber nicht nur zur Beschreibung, sondern auch dazu, ärztliche Handlungen und Aktionen anzumahnen [2] [3]. Nur als Randbemerkung sei eingefügt, dass im Englischen zudem streng „Disease“ (wie in NAFLD) von „Illness“ unterschieden wird: Der Mensch kann eine „Krankheit“ haben, ohne „erkrankt“ zu sein, so dass man streng genommen von „Nicht-alkoholischer Fettleberkrankheit“ sprechen müsste.

Die Diagnose der NAFLD wird heute mittels Serummarkern und daraus abgeleiteter Scoring-Systeme, bildgebender Verfahren (Ultraschall, Computertomografie, Magnetresonanzverfahren) und Leberbiopsie vorgenommen. Vor über 10 Jahren fand die Ultraschall-basierte Elastografie (z. B. Fibroscan®) Einzug in die Hepatologie. Diese nicht-invasive Methode wurde kürzlich durch den simultan ermittelten Controlled Attenuation Parameter (CAP) erweitert [4] [5]. Dieses Verfahren nutzt die dem Ultraschaller gut vertraute Schallabschwächung bei zunehmender Leberverfettung aus, die häufig zur semiquantitativen Beurteilung des Steatose-Grades herangezogen wird. Beim CAP-Verfahren wird die Schallabschwächung quantifiziert und als CAP-Wert in [dB/m] angegeben. Auch wenn dieses Verfahren keinen „Goldstandard“ darstellt, erlaubt es doch umfangreiche und longitudinale Verlaufsbeurteilungen der Fettleberkrankheit in bisher nicht dagewesenem Umfang.

Am Universitätsklinikum des Saarlandes wurden im Zeitraum von Mai 2012 bis Dezember 2015 insgesamt 6814 Messungen mit dem Fibroscan® bei ambulanten Patienten der Inneren Medizin II (Schwerpunkte: Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin), bei stationären Patienten des gesamten Universitätsklinikums sowie im Rahmen von Studien an Patienten und Gesunden durchgeführt. Nach Abzug von 132 Test- und Trainingsmessungen berichten wir hier von 6682 Messungen. Bei einer medianen Untersuchungsdauer von 95 sec (Interquartilsabstand (IQR) 69 – 158 sec) wurde für die Kohorte ein medianer CAP-Wert von 245 dB/m (IQR 202 – 295 dB/m) dokumentiert; die Lebersteifigkeit als Maß für die Leberfibrose lag bei 7,3 kPa (IQR 5,2 – 12,2 kPa; [Abb. 1A, B]). Lange Zeit war die Erfassung des CAP-Werts auf den Einsatz der „M-Sonde“ des Fibroscan beschränkt; seit Kurzem kann dieser Parameter auch durch die „XL-Sonde“ erfasst werden, sodass insgesamt für > 90 % der Messungen ein CAP-Wert dokumentiert werden konnte. Technisch bedingt werden CAP-Werte zwischen 100 und 400 dB/m ausgedrückt, so dass Patienten mit niedrigen oder hohen Werten in die Randklassen fallen.

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Abb. 1 Häufigkeitsverteilung der A CAP-Werte (N = 6099) und B Lebersteifigkeitswerte (N = 6682) mittels Ultraschall-basierter Elastographie (Fibroscan®) am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Aus ärztlicher Sicht wesentlich ist, dass die CAP-Werte keine bimodale Verteilung haben: Es gibt also nicht Menschen mit oder ohne Fettleber, sondern nur Individuen mit mehr oder weniger viel Fett in der Leber. Leberfett lässt sich – wie der Blutdruck – metrisch und nicht nur ordinal messen. Der mediane CAP-Wert von 245 dB/m zeigt nach den publizierten Voruntersuchungen an, dass viele Teilnehmer an der Untersuchung bereits eine „Fettleber“ haben [6]. Letztlich ist es eine Frage der Krankheitsdefinition und langfristiger Studien mit harten Endpunkten (Überleben, Zirrhosekomplikationen), welchen Schwellenwert wir der Diagnose der Fettleber zugrunde legen. Interessant ist auch, dass nur wenige Patienten sehr niedrige oder sehr hohe CAP-Werte und demnach eine Leber mit sehr geringer oder sehr starker Fetteinlagerung haben. Die Verteilung insgesamt kann mit der einer Allgemeinbevölkerung verglichen werden, da die Kohorte in ihrer Ätiologie und Krankheitsschwere sehr heterogen aufgebaut ist.

Die S2k-Leitlinie [1] empfiehlt das Screening auf NAFLD nur bei Personen mit Risikofaktoren (Adipositas, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, Medikamente). Hinsichtlich der genetischen Prädisposition weist sie darauf hin, dass Patienten mit einer homozygoten Variante im PNPLA3-Gen (p. I148 M) eine höhere Prävalenz für die Entstehung einer NAFLD aufweisen. Patienten mit NAFLD sind aber häufig asymptomatisch mit normwertigen Transaminasen. Die CAP-Methode erlaubt nicht nur ein Screening auf NAFLD in der Allgemeinbevölkerung, sondern auch kurzfristige Verlaufskontrollen unter der in der Leitlinie als einzige Therapie bei Fettleber empfohlenen Lebensstilmodifikation [1]. Weitere Interventionsstudien mit Monitoring des CAP-Werts werden benötigt, um Behandlungsziele zu definieren und letztlich ein „Treat-to-Target“-Konzept zu implementieren.

Die CAP-Messung zeichnet sich dadurch aus, dass sie patientenfreundlich und nicht invasiv ist. Die Durchführung durch Funktionspersonal, die kurze Messdauer und die geringen variablen Kosten zeichnen die Methode aus – sie kann daher mit Recht als „EKG des Hepatologen“ bezeichnet werden.

 
  • Literatur

  • 1 Roeb E, Steffen HM, Bantel H et al. S2k-Leitlinie nicht alkoholische Fettlebererkrankungen. Z Gastroenterol 2015; 53: 668-723
  • 2 Engelhardt HT. Der Begriff „Gesundheit“ und „Krankheit“. In: Schramme TH, (Hrsg) Krankheitstheorien. Berlin: Suhrkamp; 2012: 42-61
  • 3 Maio G. Die verlorene Kunst des Seinlassens. Eine Folge des industrialisierten Medizinbetriebs. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1014-1018
  • 4 De Ledinghen V, Vergniol J, Foucher J et al. Non-invasive diagnosis of liver steatosis using controlled attenuation parameter (CAP) and transient elastography. Liver Int 2012; 32: 911-918
  • 5 Kwok R, Choi KC, Wong GLH et al. Screening diabetic patients for non-alcoholic fatty liver disease with controlled attenuation parameter and liver stiffness measurements: a prospective cohort study. Gut 2015; DOI: 10.1136/gutjnl-2015-309265. [Epub ahead of print]
  • 6 Arslanow A, Stokes CS, Weber SN et al. The common PNPLA3 variant p. I148M is associated with liver fat contents as quantified by controlled attenuation parameter (CAP). Liver Int 2016; 36: 418-426