Aktuelle Urol 2016; 47(03): 186-187
DOI: 10.1055/s-0042-106180
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierenzellkarzinom – Tumorfreier Resektionsrand bei partieller Nephrektomie

Contributor(s):
Judith Lorenz

J Urol 2015;
194: 1548-1553
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 June 2016 (online)

 

    Die operative Therapie kleiner Nierentumoren kann in Form einer offenen, laparoskopischen oder roboterassistierten partiellen Nephrektomie erfolgen. Aufgrund der vielfältigen perioperativen Vorteile gewinnen hierbei insbesondere die minimal invasiven Verfahren zunehmend an Bedeutung. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat mithilfe einer großen populationsbasierten Studie untersucht, ob eine mikroskopisch vollständige Tumorexzision durch alle 3 chirurgischen Verfahren gleichermaßen gewährleistet ist.
    J Urol 2015; 194: 1548–1553

    mit Kommentar

    Tabayoyong und Kollegen haben mithilfe des nationalen Krebsregisters 11 587 Patienten (medianes Alter 56 ± 12 Jahre) identifiziert, die zwischen 2010 und 2011 an insgesamt 1500 Kliniken in den USA aufgrund eines Nierentumors bzw. eines Nierenzellkarzinoms = 4 cm im klinischen Stadium T1a mittels partieller Nephrektomie behandelt worden waren. Ein offen chirurgisches, ein laparoskopisches oder ein roboterassistiertes Vorgehen war in 5094 (44 %), 1681 (14 %) bzw. 4812 (42 %) Fällen gewählt worden. Das primäre Outcome umfasste den Anteil positiver chirurgischer Schnittränder in den 3 Behandlungsgruppen. Ferner wurde analysiert, welche Einflussfaktoren eine R1-Resektion begünstigen.

    Insgesamt wurden in 806 Fällen (7 %) positive chirurgische Schnittränder diagnostiziert. Nach laparoskopischer bzw. roboterassistierter partieller Nephrektomie wurde eine R1-Resektion signifikant häufiger beobachtet als nach offen chirurgischem Vorgehen (8,1 bzw. 8,7 % vs. 4,9 %; p < 0,001). Zwischen 2010 und 2011 stieg die Inzidenz positiver Schnittränder bei laparoskopischem bzw. roboterassistiertem Vorgehen von 7,2 auf 9,1 % (p = 0,16) bzw. von 7,8 auf 9,3 % (p = 0,08) und nahm bei offener partieller Nephrektomie von 5,0 auf 4,9 % (p = 0,77) ab.

    Im Rahmen der multivariaten logistischen Regressionsanalyse wurden die Tumorgröße (2–3 cm vs. <2 cm; Odds Ratio [OR] 1,21; p = 0,037) sowie das laparoskopische (OR 1,81; p < 0,001) und das roboterassistierte (OR 1,79; p < 0,001) Operationsverfahren im Vergleich zur offenen partiellen Nephrektomie als unabhängige Risikofaktoren für eine R1-Resektion identifiziert. Die Auswertung der Daten gemäß der Art der behandelnden Kliniken (akademische versus kommunale Zentren) erbrachte vergleichbare Ergebnisse: das laparoskopische sowie das roboterassistierte Vorgehen waren in beiden Fällen mit einem signifikant höheren Risiko für positive Schnittränder assoziiert. Patienten, die in einem Zentrum mit hoher jährlicher Fallzahl behandelt wurden, hatten jedoch signifikant seltener tumorpositive Schnittränder als in kleineren Zentren therapierte Patienten (4,5 vs. 7,7 %; p < 0,001).

    Fazit

    Im Vergleich zur offenen Nephrektomie, so die Schlussfolgerung der Autoren, muss bei einem laparoskopischen bzw. einem roboterassistierten chirurgischen Vorgehen bei Patienten mit einem Nierenzellkarzinom im klinischen Stadium T1a mit einer höheren R1-Resektionsrate gerechnet werden. Der Einfluss des Sicherheitsrandes auf das langfristige onkologische Outcome der Patienten, so Tabayoyong et al., müsse jedoch im Rahmen weiterer Studien evaluiert werden. Ferner sei zu klären, ob die Lernkurve der Operateure Einfluss auf die R1-Resektionsrate hat.

    Kommentar

    Einfluss auf Gesamtüberleben bleibt zu klären

    Die Nierenteilresektion (PN) bildet die Standardtherapie für Nierentumoren im klinischen Stadium T1a. Ein wichtiges chirurgisches Qualitätsmerkmal der PN ist die TRIFECTA, die sich aus warmer Ischämiezeit < 20–25 min, negativem Absetzungsrand und keiner perioperativen Komplikation zusammensetzt [ 1 ]. Mithilfe der TRIFECTA können die verschiedenen Operationstechniken der PN (offen (OPN), konventionell laparoskopisch (LPN) und robotisch assistiert laparoskopisch (RPN) verglichen werden.

    Tabayoyong et al. sind die ersten Autoren, die in einer auf der National Cancer Database basierenden Studie (n = 11 587) zeigen konnten, dass die PSM-Rate (PSM: positiver Absetzungsrand) für pT1a-Nierenzellkarzinome bei der LPN um 1,81 und der RPN um 1,79 gegenüber der OPN erhöht ist. In der Analyse wurden verschiedene Kliniken (Uniklinikum versus städtisches Haus) und Standorte (ländlich versus städtisch) erfasst, was in den meisten anderen Studien nicht berücksichtigt worden ist [ 2 ]–[ 4 ]. Ferner konnten Tabayoyong et al. herausstellen, dass die PSM bei den Kliniken mit den meisten jährlichen Eingriffen am geringsten war.

    Nicht berücksichtigt wurde die Lernkurve der minimalinvasiven Techniken, die einen entscheidenden Einfluss auf die TRIFECTA haben kann. Die Daten wurden 2010 und 2011 erfasst, sodass die verbesserten Techniken (z. B. zero ischemia) nicht berücksichtigt werden konnten. In einer Studie von Sorokin et al. konnte gezeigt werden, dass die PSM bei der RPN nach Technikmodifikation von 28 % auf 2 % gesenkt werden konnte [ 5 ]. Die Lokalisation des Tumors und der Schwierigkeitsgrad der PN, was z. B. anhand des RENAL-Scores [ 6 ] vorhergesagt werden kann, wurden nicht erfasst. In einer prospektiven multizentrischen Studie war ein prädiktiver Faktor für einen positiven Absetzungsrand bei PN die Lokalisation des Tumors am Nierenoberpol [ 7 ].

    In der Diskussion gehen die Autoren darauf ein, dass 6 % der untersuchten Patienten eine höhere Komorbiditätsrate aufwiesen und somit auch einer Active Surveillance hätten zugeführt werden können. Eine Studie von Sun et al. konnte zeigen, dass die Tumorresektion von 4 cm großen Tumoren bei multimorbiden Patienten, älter als 75 Jahre keinen Vorteil für das Gesamtüberleben bringt [ 8 ].

    Einfluss des PSM auf das Gesamtüberleben

    In einer kanadischen Studie mit 664 Patienten lag die PSM-Rate nach PN bei 10,7 %. Nach einem medianen Follow-up von fast 8 Jahren lag die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate für Patienten mit PSM bei 84,4 % und für Patienten mit negativen Absetzungsrand bei 88,6 % (p = 0,58, log rank test) [ 3 ]. Im Gegensatz wiesen Maurice et al. bei 6038 Patienten nach PN mit Nierenzellkarzinom im Stadium pT1–pT3a und 5,3 % PSM nach einem medianen Follow-up von fast 6 Jahren eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 89 % (Patienten mit PSM) versus 92 % (p = 0,002) nach [ 4 ]. Inwieweit sich ein PSM negativ auf das Gesamtüberleben auswirkt, bleibt in längeren Follow-up-Studien noch zu klären.

    Zusammenfassend sind für die Einhaltung der TRIFECTA die Patientenselektion, die Tumorlokalisation und die Tumorgröße entscheidend. Ob eine Nierenteilresektion bei einem cT1a-Tumor offen, laparoskopisch oder robotisch assisitert laparoskopisch durchgeführt wird, hängt maßgeblich von der Ausstattung der jeweiligen Klinik und der persönlichen Erfahrung der jeweiligen Operateure mit den verschiedenen Operationstechniken ab. Die Klinik mit den erfahrensten Operateuren und den meisten PN wird die geringsten PSM erzielen können.

    PD Dr. Frederik C. Roos, Frankfurt a. M.


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    PD Dr. Frederik C. Roos


    ist Oberarzt an der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

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