Für mich als Mutter kann eine logopädische
Diagnostik eine Antwort darauf geben,
ob mein Kind eine altersgemäße
Sprachentwicklung hat oder nicht. Wenn
die Sprachentwicklung auffällig ist, sollte
sie mir sagen, was auffällig ist und ob eine
Behandlung notwendig ist. Für das Kind
ist die Diagnostik die Chance eine rechtzeitige
Behandlung zu erhalten, damit die
Sprachentwicklung nicht immer weiter
von der regelrechten Entwicklung abweicht
und damit es später nicht zu Schulproblemen
kommt.
? Im Rahmen einer sprachtherapeutischen
Diagnostik werden
oftmals standardisierte
Verfahren durchgeführt, die ein Kind
mit altersgleichen Kindern vergleicht.
Wie stehen Sie zu solchen Verfahren?
Für mich als Mutter sind diese Verfahren,
die vielleicht für das Kind nicht immer angenehm
sind, da es seine Schwächen dabei
merken kann, wichtig, damit ich weiß, ob
und wenn, wie stark mein Kind in seiner
Sprachentwicklung von der regelrechten
Entwicklung abweicht. Ich halte die standardisierte
Diagnostik für das Kind zumutbar,
gerade wenn die Situation freundlich
und spielerisch gehalten ist.
? Sie haben viele diagnostische
Sitzungen in den verschiedensten
Institutionen durchlaufen.
Sehen Sie Unterschiede in der Art der
Durchführung und den Ergebnissen?
Allein die zeitliche Dauer einer Untersuchung
unterschied sich deutlich je nach
Einrichtung. Am Kürzesten was diese auf
dem Gesundheitsamt, wo ich das Gefühl
hatte, dass eine Standarddiagnostik, nicht
spezifisch auf mein Kind zugeschnitten,
durchgeführt wurde. Mein Kind musste
hier nur einzelne Wörter produzieren, so
dass es seine Schwierigkeiten mit dem
Satzbau gar nicht zeigen konnte. Die pädaudiologische
Diagnostik war ähnlich
kurz. Sie wurde in einem zu engem Raum
in meinem Beisein durchgeführt und ich
konnte sehen, dass mein Kind nicht bei
der Sache war. Im SPZ oder in der Praxis
war die Diagnostik deutlich ausführlicher
und z.T. wurde mir gut erklärt, welche Befunde
sich ergaben.
? Gab es Unterschiede zwischen
den verschiedenen Therapeuten
Ihrer Kinder hinsichtlich des
Themas Diagnostik?
Die Therapeuten, die meine Kinder hatten,
verhielten sich sehr unterschiedlich zum
Thema Diagnostik. Unsere langjährigste
Therapeutin führte nach ausführlicher
Erstdiagnostik in regelmäßigen Abständen
eine Verlaufsdiagnostik zur Kontrolle des
Therapieerfolges und des Entwicklungsstandes
durch. Dies war bei anderen Therapeuten
nicht unbedingt der Fall. Eine
Zeitlang hatte z.B. mein jüngstes Kind in
einer Integrationseinrichtung Logopädie.
Die erste Logopädin führte erst, nachdem
sie schon fast ein Jahr therapierte, auf
mein Drängen einige Tests durch. Die
zweite Therapeutin meinte, dass man Diagnostik
nur sehr selten machen dürfe, da
man den Kindern schaden könne und auch
sie führte erneut erst auf mein Drängen
hinsichtlich der Frage der Schulwahl einige
Tests durch. Die anschließenden Erläuterungen
der Ergebnisse hatten eine sehr
unterschiedliche Qualität. Zum Teil konnte
ich die Ergebnisse nicht genau verstehen.
? Sie haben unter anderem,
obwohl Ihr Kind logopädisch
betreut wurde, noch vertiefte
logopädische Diagnostik bei Ihnen
empfohlenen Therapeuten durchführen
lassen. Können Sie erklären, warum?
Wir waren sehr verunsichert, was den
Sprachentwicklungsstand unseres dritten
Kindes betraf, da wir aufgrund bis dato geführter
Gespräche nicht das Gefühl hatten,
dass die aktuelle Therapeutin in der
Lage war, diesen adäquat zu untersuchen
und zu beurteilen. Durch private Kontakte
wurde uns eine Therapeutin empfohlen,
die eine sehr umfassende Diagnostik
durchführte, uns die Ergebnisse erläuterte
und auch den Besuch einer Sprachheilschule
empfahl. Die diagnostischen Befunde
erklärten eine Reihe unserer Beobachtungen
und bestärkten uns in der
Wahl der Sprachheilschule.
? Würden Sie sagen, dass das
Verhalten von Sprachtherapeuten
hinsichtlich Diagnostik für
Sie etwas über die Qualität von
Sprachtherapeuten aussagt?
Eine detaillierte Diagnostik ist für mich
die Voraussetzung für eine optimale Therapie,
insofern gibt es einen Qualitätszusammenhang.
Mangelnde Diagnostik ist
für mich ein Qualitätsmangel. Allerdings
sind nicht alle, die sehr gute Diagnostiker
sind, auch sehr gute Therapeuten, d.h.
wenn die diagnostische Qualität stimmt,
heißt das nicht automatisch, dass die therapeutische
Qualität stimmt.
Herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview führte Prof. Annette
Fox-Boyer, Rostock.