Zahnmedizin up2date 2016; 10(06): 579-593
DOI: 10.1055/s-0042-110141
Kraniomandibuläre Dysfunktion
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verbreitung und Ätiologie von kraniomandibulären Dysfunktionen (CMD) im Kindes- und Jugendalter

Christian Hirsch
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Publication Date:
01 December 2016 (online)

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Einleitung

Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche eher selten CMD-Patienten in der zahnärztlichen Sprechstunde sind, könnte zu der Annahme führen, dass die muskuloskelettalen Störungen im Kausystem in dieser Altersgruppe weniger verbreitet sind als im Erwachsenenalter. In Deutschland war eine Standortbestimmung zum Ausmaß dieser Erkrankungen, deren Ursachen noch immer weitgehend unklar sind, zunächst auch nur für Erwachsene und Senioren möglich.

Im Rahmen der bevölkerungsrepräsentativen Dritten Deutschen Mundgesundheitsstudie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (DMS III) wurden für rund 10 % (Monatsprävalenz) der Erwachsenen CMD-Schmerzen (also Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke, der Kaumuskulatur und angrenzender Strukturen) ausgewiesen, etwa 4 % der Erwachsenen in Deutschland suchten subjektiv eine Behandlung für CMD; bei Senioren waren sowohl Schmerzprävalenz als auch Behandlungsbedarf niedriger als bei Erwachsenen [1].

Etwa jeder 6. Erwachsene wird im Lauf seines Lebens zum CMD-Patienten [2]. Beim Blick in die Literatur zeigt sich allerdings, dass im Jugendalter die Symptomatik weitverbreitet ist (Übersicht in [3]) und dass in diesem Lebensabschnitt zudem wichtige ätiopathogenetische Weichenstellungen aufgrund der gleichzeitigen Wirkung vieler möglicher Einflussfaktoren erfolgen. Der entscheidende Aspekt dabei ist, dass die meisten Erwachsenen, die unter chronischen Schmerzen an den verschiedenen Körperregionen leiden, den Beginn dieser Beschwerden im Jugendalter sehen [4]. Auch bei CMD-Schmerzen werden Risikofaktoren, die deren Auslösung initiieren, im Jugendalter vermutet. Damit wird eines klar: Sollen die Prozesse verstanden werden, die zur Entstehung von CMD-Schmerzen führen, sind Untersuchungen im Jugendalter zwingend erforderlich.

Im 1. Teil dieses Beitrags werden Daten zur Verbreitung, zum Altersverlauf, zu den Beeinträchtigungen sowie zur Behandlungssuche von CMD im Jugendalter dargestellt, im 2. Teil ätiologische Aspekte anhand der aktuellen Literatur beleuchtet.