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DOI: 10.1055/s-0042-111035
77-jähriger Mann mit Dyspnoe und akralen Zyanosen
77-year old man with dyspnea and acral cyanosis
Ein 77-jähriger, zunehmend immobiler Mann (BMI 47,9 kg / m2) mit bekanntem Obesitas-Hypoventilationsyndrom leidet an akuter, intubationspflichtiger Dyspnoe. Eine CT ergibt eine Lungenarterienembolie im linken Unterlappen. Unter Vollantikoagulation mit unfraktioniertem Heparin bei bekannter chronischer Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate < 30 ml / min) entwickelt er am 9. Behandlungstag eine Zyanose aller Fußzehen. Der Umfang beider Extremitäten ist symmetrisch vermehrt. Im Blutbild (▸ [ Abb. 1 ]) und der Kompressionssonografie zeigen sich drei pathologische Befunde (▸ [ Abb. 2 ]).
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Welche Befunde sind es?
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Erlauben diese Befunde eine Diagnose?
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Wenn ja, welche?
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Sind Differenzialdiagnosen möglich?
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Wenn ja, welche?
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Befunde
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Thrombozytenabfall um > 50 % von 161 auf 33 / nl am 9. Behandlungstag
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fehlende Komprimierbarkeit der V. femoralis communis
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intraluminal echoreicher Kontrast
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Diagnose
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Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II
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Differenzialdiagnosen
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Patientenverwechslung
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Pseudothrombozytopenie
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disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
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Erläuterung
Die Diagnose „HIT“ wird klinisch gestellt. Neben dem Thrombozytenabfall und einem 4 T-Score [4] von 7 (< 4: geringe Wahrscheinlichkeit für eine HIT) wies unser Patient auch Plättchenfaktor-4-Antikörper auf. Kompressionsonografisch fanden sich neben der Schwellung und den akralen Zyanose typischerweise u. a. tiefe Beinvenenthrombosen beidseits, die bei Aufnahme nicht vorhanden waren.
Die HIT lässt sich in zwei Formen einteilen [1]:
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nicht-immunologische Frühform (HIT I)
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immunologische bzw. Antikörper-vermittelte Form (HIT II)
Die HIT I tritt meist innerhalb der ersten Behandlungstage auf. Unter Behandlung mit unfraktioniertem Heparin (UFH) tritt in bis zu 5 % der Fälle eine spontan reversible Thrombozytopenie auf. Bei der HIT II fallen die Thrombozyten bei nicht sensibilisierten Patienten i. d. R. zwischen dem 5. und 10. Behandlungstag um > 50 % ab, typischerweise begleitet von venösen und arteriellen Thromboembolien [2]. Im Vergleich zu niedermolekularem Heparin (NMH) ist bei UFH das Risiko für eine HIT signifikant höher. Deshalb ist NMH u. a. zur Thromboseprophylaxe zu bevorzugen [3]. Möglicherweise ist Fondaparinux künftig eine effektive und sichere Alternative in der Behandlung der HIT II [5].
Durch wiederholte Messung mit Zitratblut konnte im vorgestellten Fall eine Pseudothrombozytopenie (= nicht-immunologische Verklumpung der Thrombozyten im EDTA-Blut) ausgeschlossen werden. Laborchemisch zeigte sich bei normwertigem Antithrombin III und Fibrinogen zudem kein Hinweis auf eine DIC. Die Antikoagulation wurde umgehend auf den reversiblen Thrombininhibitor Argatroban umgestellt. Darunter normalisierte sich die Thrombozytenzahl im Verlauf (▸ [ Abb. 3 ]). Nach fehlgeschlagenen Extubationsversuchen begannen wir nach chirurgischer Tracheotomie mit dem Weaning.
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Erklärung
Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).
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Literatur
- 1 Salter BS, Weiner MM Trinh et al. Heparin-induced Thrombozytopenia: A comprehensive clinical review. J Am Coll Cardiol 2016; 67: 2519-32
- 2 Greinacher A. Heparin-Induced Thrombocytopenia. N Engl J Med 2015; 373: 252-261
- 3 Warketin TE, Levine MN, Hirsh J et al. Heparininduced thrombocytopenia in patients treated with low-molecuar-weight heparin or unfractionated heparin. N Engl J Med 1995; 332: 1330-1335
- 4 Lo GK, Juhl D, Warkentin TE et al. Evaluation of pretset clinical score (4 T’s) fort he diagnosis of heparin-induced thromocytopenia in two clinical settings. J Thromb Haemost 2006; 4: 759-765
- 5 Kang M, Alahmadi M, Sawh S et al. Fondaparinux fort he treatment of suspected heparininduced thrombocytopenia: a propensity scorematched study. Blood 2015; 125: 924-929
Korrespondenz
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Literatur
- 1 Salter BS, Weiner MM Trinh et al. Heparin-induced Thrombozytopenia: A comprehensive clinical review. J Am Coll Cardiol 2016; 67: 2519-32
- 2 Greinacher A. Heparin-Induced Thrombocytopenia. N Engl J Med 2015; 373: 252-261
- 3 Warketin TE, Levine MN, Hirsh J et al. Heparininduced thrombocytopenia in patients treated with low-molecuar-weight heparin or unfractionated heparin. N Engl J Med 1995; 332: 1330-1335
- 4 Lo GK, Juhl D, Warkentin TE et al. Evaluation of pretset clinical score (4 T’s) fort he diagnosis of heparin-induced thromocytopenia in two clinical settings. J Thromb Haemost 2006; 4: 759-765
- 5 Kang M, Alahmadi M, Sawh S et al. Fondaparinux fort he treatment of suspected heparininduced thrombocytopenia: a propensity scorematched study. Blood 2015; 125: 924-929