Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(04): 143-144
DOI: 10.1055/s-0042-111896
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Geburtshilfe
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Polyhydramnion – Genetisch bedingtes transientes Bartter-Syndrom

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Publication Date:
29 August 2016 (online)

Hintergrund: Ein Polyhydramnion tritt bei 1–2 % aller Schwangerschaften auf und geht auf ein Ungleichgewicht zwischen Produktion und Beseitigung von Fruchtwasser zurück, wie es z. B. bei einer Ösophagusatresie der Fall ist. Selten kann ein Bartter-Syndrom die Ursache sein. Internationale Wissenschaftler beschreiben eine bisher unbekannte Form dieses Syndroms und die zugrunde liegenden Mutationen.

Methoden: Die Arbeitsgruppe um Laghmani hat insgesamt 13 männliche Säuglinge und ihre Familien untersucht.Die Kinder waren nach einer Schwangerschaft mit exzessivem Polyhydramnion als Frühgeburten, in 7 Fällen vor der 28. Woche, zur Welt gekommen und wiesen ein Bartter-Syndrom mit schwerem Elektrolyt- und Wasserverlust auf, das aber zwischen Woche 30 und 33 spontan sistierte. Die weitere Entwicklung der Kinder verlief bislang unauffällig.

Laghmani et al. untersuchten mittels Whole Exom Sequencing 2 Mitglieder einer ersten Indexfamilie und danach mit gezielten genetischen Analysen weitere Familienmitglieder sowie 6 weitere Familien, in denen ebenfalls betroffene Kinder geboren worden waren.

Ergebnisse: Alle Säuglinge waren unauffällig im Hinblick auf bekannte Mutationen, die mit einem Bartter-Syndrom assoziiert sind, wie SLC12A1 (kodiert für das Protein NKCC2), KCNJ1 (kodiert für ROMK) und BSND (kodiert für Barttin).

Dagegen fand sich bei jedem der 13 Jungen und ihren Müttern eine Mutation im Gen für das Protein MAGED2 (Melanoma-associated Antigen D2), das auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert ist. Insgesamt wurden 7 verschiedene trunkierende Mutationen gefunden, die zu einem vorzeitigen Kettenabbruch bei der Proteinsynthese führten. Keine dieser Mutationen war bei 110 Personen ohne familiäre Anamnese eines Polyhydramnions nachweisbar.

Knock-down- und Überexpressionsanalysen zeigten danach, dass die gefundenen MAGED2-Mutationen letztlich die Expression der Natrium-Chlorid-Kotransporter NKCC2 und NCC im distalen renalen Tubulus veränderten, sodass die Rückresorption der Elektrolyte beeinträchtigt wurde und es schließlich zu dem beobachteten Salz- und Wasserverlust kam.

Fazit

Ihre Untersuchungen zeigen eine neue, seltene Ursache für ein pränatales Bartter-Syndrom auf, fassen die Autoren zusammen. Wichtig daran erscheint ihnen vor allem die postnatale spontane Rückbildung – wenn die Kinder die Perinatalperiode überleben, ist eine jahrelange Behandlung beispielsweise mit Indometacin nicht erforderlich. Über die Ursache für diese Rückbildung kann derzeit nur spekuliert werden – infrage käme eine allmählich zunehmende Sensitivität auf Vasopressin oder eine vermehrte Expression der beiden Proteine mit der postnatal besseren Oxygenierung der Nieren.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim