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DOI: 10.1055/s-0042-115625
Refrakturen nach Entfernung von Osteosynthesematerialien, eine vermeidbare Komplikation?
Refracture of Long Bones after Implant Removal, an Avoidable Complication?Korrespondenzadresse
Publication History
Publication Date:
14 October 2016 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Retrospektive Analyse der im eigenen Patientengut aufgetretenen Fälle von Refrakturen
- Ergebnisse der Datenerhebung
- Diskussion und Empfehlungen
- Schlussfolgerung: „Fazit für die Praxis“
- Literatur
Zusammenfassung
Refrakturen an den Extremitätenknochen nach Materialentfernung sind seltene, aber ernst zu nehmende Komplikationen, die in den meisten Fällen einen weiteren Eingriff notwendig machen. In einer retrospektiven Analyse der eigenen Fälle sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen Literatur zeigt sich, dass durch eine vollständige präoperative Diagnostik, durch Einhalten eines ausreichenden Intervalls von initialer Osteosynthese bis zur Materialentfernung, durch zurückhaltende Belastung des vorgeschädigten Knochens direkt nach der Materialentfernung und unter Berücksichtigung der Art der Frakturheilung die Komplikationsrate vermindert werden kann. Jedoch ist eine vollständige Vermeidung kaum möglich, da oft der ausdrückliche Wunsch des Patienten zur Materialentfernung vorhanden ist und biomechanisch eine Minderbelastbarkeit durch die residuellen Schraubenlöcher und die Demineralisationszonen im Bereich der ehemaligen Frakturzonen zumindest für einige Wochen postoperativ besteht. Entsprechend sollte in einigen Fällen die Empfehlung zum Verbleib des Osteosynthesematerials ausgesprochen werden.
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Abstract
Refractures of long bones after implant removal are a rare but serious complication, which in most cases make a reoperation necessary. We analysed our own cases and reviewed the scarce literature on this subject. As a result we found that it is possible to reduce this complication if a thorough preoperative preparation, an adequate interim time between initial osteosynthesis and hardware removal, a cautious force exposure of the weakened bone for a certain time period after implant removal and consideration of the character of the fracture healing is carried out. To entirely eradicate this complication will not be possible because a lot of patients demand the implant removal even though it is known that the demineralisation and residual screw holes both induce a reduction of energy absorbing capacity and therefore presuppose refracture if not complied with. In some cases the surgeon should recommend to let the implants remain in situ.
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Einleitung
Die Entfernung von Osteosynthesematerial zählt in Deutschland zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen im Krankenhaus. Mit fast 180 000 Eingriffen im Jahr 2010 liegt diese Operation nur knapp hinter den Osteosynthesen mit 215 000 auf Platz 11 und wird in Unfallchirurgie/Orthopädie nur noch von arthroskopischen Eingriffen und Bandscheibeneingriffen übertroffen. Nicht mit eingerechnet in diese Statistik der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ sind von niedergelassenen Kollegen durchgeführte Materialentfernungen (MEs).
Somit ist mindestens jeder 100. operative Eingriff in Deutschland eine Entfernung von Osteosynthesematerial. Unbekannt ist die Komplikationsrate und insbesondere die Refrakturrate nach Materialentfernung.
Während die Indikation zur Osteosynthese in der Unfallchirurgie in vielen Fällen eindeutig ist, bestehen bei der Indikationsstellung zur Materialentfernung erhebliche Diskrepanzen.
Immer wieder wird von Patienten und Kollegen die Frage gestellt, ob eine Materialentfernung nach Osteosynthese einer Fraktur sinnvoll ist und die Risiken des Eingriffs den Nutzen nicht übersteigen. Oft ist die Beantwortung dieser Frage abhängig von der individuellen Einstellung des behandelnden Chirurgen oder der jeweiligen Klinik, ohne dass eine ausreichende Evidenz in der Literatur vorhanden ist. Lediglich bei Kindern mit konsolidierten Frakturen nach Kirschner-Draht-, ESIN- oder Schraubenosteosynthese wird die Materialentfernung relativ klar empfohlen, hier ist offenbar ausreichend Evidenz vorhanden [1], [2].
Auch die Leitlinien der DGU spiegeln dieses Dilemma wider: „Die Indikation zur Implantatentfernung ist relativ und selten zwingend. Sie wird immer individuell gestellt. Es gibt keine evidenzbasierte Empfehlung.“
Mit Zunahme der operativen Stabilisierung von Knochenbrüchen am Bewegungsapparat wurde bereits früh die Frage der Notwendigkeit der Implantatentfernung und der Gefahr von Refrakturen diskutiert [3]. Namhafte Chirurgen befassten sich mit dem Problem der Materialentfernung als solches [4] und den möglichen Komplikationen [5]. Schon früh wurden Richtlinien bez. Zeitpunkt und Indikation basierend auf individuellen Erfahrungen festgelegt [6], ohne dass dabei jedoch Studien hohen Evidenzgrads zu Rate gezogen werden konnten. Ein Argument seitens der Gegner der Entfernung von Osteosynthesematerialien war und ist die mögliche Refraktur. In der Literatur finden sich insbesondere bez. der Refrakturen am Unterarm bereits einige, allerdings ältere Untersuchungen [7], [8], [9], [10], welche später in einer Art Peer Review zusammengefasst wurden [11]. Es zeigten sich Refrakturraten zwischen 0 und 21 % welche in der zusammenfassenden Studie je nach verwendetem Plattentyp aufgeschlüsselt wurden. Alle Frakturen wurden vorher als „erfolgreich verheilt“ beschrieben. Am distalen Femur wurden nach Plattenentfernung sogar Refrakturraten von 27 % beschrieben [12], [13]. Von Sen et al. wird die Materialentfernung intramedullärer Femurnägel empfohlen, da sie bei einliegendem Nagel und erneutem Unfall in 5 Fällen eine Distalisierung der Fraktur und deutlich kompliziertere Frakturtypen feststellten als ohne einliegenden Nagel [14]. In der durchgesehenen Literatur (PubMed) fanden wir keine Zahlen bez. Refrakturraten an Humerus und Tibia nach Osteosynthese und Materialentfernung unter der Schlagworteingabe „refracture humerus“ bzw. „refracture tibia“. Bei proximalen Humerusfrakturen wurde bei Patienten mit subakromialem Impingement durch die Entfernung des Osteosynthesematerials eine deutliche Schmerzreduktion beschrieben, aber selbst hier geben die Autoren nicht die generelle Empfehlung zur Durchführung der Materialentfernung [15].
Für das Auftreten einer Refraktur wurden u. a. die veränderte Knochenstruktur mit partieller Demineralisation nach Konsolidierung der Fraktur sowie die verbliebenen knöchernen Defekte im Bereich der ehemals einliegenden Schrauben als mögliche Ursache untersucht. Vor allem eine britisch-kanadische Arbeitsgruppe verglich die Veränderung der Elastizität und der Festigkeit des Knochens durch residuelle Schraubenlöcher vs. partieller Demineralisation und fand eine um 50 % herabgesetzte Energieaufnahmefähigkeit durch ein einziges Schraubenloch an der Tibia im Tierversuch [16] und eine verzögerte Auffüllung der residuellen schraubenassoziierten Knochendefekte in der „Single Photon Absorptiometry“ [10], [16], [17], [18].
Am proximalen Femur wurde in einer biomechanischen Studie mit Vergleich der Knochenfestigkeit nach Implantatentfernung eine veränderte Belastbarkeit bis zum Versagen im Vergleich zum gesunden Knochen festgestellt, ohne dass jedoch die Größe des Knochendefekts durch die verschiedenen verwendeten Implantate einen wesentlichen Unterschied verursachte [19].
Aufgrund der dargestellten sehr spärlichen und teilweise alten Literatur zu diesem Thema und den daraus resultierenden, meistenfalls auf persönlichen Erfahrungen (Evidenzgrad III–V) basierenden Therapieempfehlungen zur Materialentfernung haben die Autoren sich daher entschieden, neben den in den verfügbaren Veröffentlichungen zu diesem Thema dargestellten Ergebnissen zusätzlich eine Analyse der eigenen Zahlen durchzuführen und mit der Kombination eine aktualisierte Therapieempfehlung zur Vermeidung von Refrakturen abzugeben. Auch diese eigene Studie erreicht jedoch kein höheres Evidenzlevel als die in der Literaturliste aufgezeigten.
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Retrospektive Analyse der im eigenen Patientengut aufgetretenen Fälle von Refrakturen
Da im eigenen Vorgehen bei Refrakturen nach Implantatentfernung immer die nochmalige Osteosynthese empfohlen wird und diese im Falle der Einwilligung teilweise unter Verfahrenswechsel und Durchführung einer Spongiosatransplantation erfolgte, konnte die Suche auf die Operationsberichte beschränkt werden. Es wurden also alle Operationsberichte der Jahre 2006 bis 2011 bez. des Stichworts „Refraktur“ durchsucht. Da dieser Diagnose keine eigene Kodierung im „International Code of Diseases“ zugeordnet ist, wurde unter der ICD-Nummer T84.x und zusätzlich der entsprechenden Kodierung der Fraktur gesucht. Anschließend wurden alle Patienten, bei denen andere als die gesuchten Knochen betroffen waren, ausgeschlossen. Berücksichtigt wurden sowohl Fälle, bei denen die Materialentfernung in der eigenen Klinik durchgeführt wurde, als auch Patienten, die nach auswärtig durchgeführter Materialentfernung eine Refraktur erlitten haben und anschließend zur Reosteosynthese in unserer Klinik der Maximalversorgung (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik, Abteilung für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen) überwiesen oder verlegt wurden.
Ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen es bei einliegendem Osteosynthesematerial zu einem Implantatversagen (Bruch der Platte oder des Nagels) kam und die Patienten, bei denen aufgrund einer Pseudarthrose eine Revisionsoperation mit oder ohne Reosteosynthese durchgeführt werden musste.
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Ergebnisse der Datenerhebung
Nach Anwendung der o. g. Ausschlusskriterien fanden sich zunächst 15 Patienten mit Refrakturen nach Materialentfernung im Zeitraum von 6 Jahren zwischen Anfang 2006 und Ende 2011. Zusätzlich konnten 3 Patienten identifiziert werden, die trotz Refraktur keine weitere operative Therapie wünschten. Somit wurden die Daten von 18 Patienten bei der Untersuchung verwertet.
Zehn dieser Patienten wurden initial auswärtig behandelt. Bei 9 Patienten wurde die Fraktur initial als zweit- oder drittgradig offen nach Gustillo klassifiziert. Bei allen Patienten erfolgte die endgültige operative Versorgung der initialen Verletzung innerhalb der ersten 12 Tage, 6 der Patienten erhielten am Unfalltag eine Stabilisierung mittels Fixateur externe, auch in diesen Fällen erfolgte der Verfahrenswechsel bis spätestens zum 12. Tag nach Unfall. Bei einem Patienten wurde die Verletzung im Fixateur ausbehandelt. Bei 4 Patienten kam es im Verlauf zu revisionspflichtigen Infektionen im Bereich der Osteosynthese.
In 10 Fällen wurden die Materialentfernungen in auswärtigen Krankenhäusern bzw. Arztpraxen durchgeführt, anschließend erfolgte nach Diagnosestellung der Refraktur die Vorstellung in unserer Klinik.
Das Intervall bis zur Materialentfernung betrug im Mittelwert 562 Tage, hier wurden auch 4 Patienten mit Segmenttransport einbezogen. Der zeitliche Mittelwert von der Materialentfernung bis zum Auftreten der Refraktur betrug 154 Tage, bei 5 Patienten trat die Refraktur innerhalb der ersten 4 Wochen nach Materialentfernung auf.
Am häufigsten betroffen waren das Femur (9-mal) sowie die Klavikula und die Tibia (jeweils 4-mal), die in der Literatur am häufigsten beschriebene Refraktur am Unterarmschaft hingegen trat nur einmal auf.
Bei den Femurfrakturen handelte es sich 4-mal um konsolidierte Kallusdistraktionen, die nach Entfernung der zum Abschluss der Distraktion eingebrachten Platte bei Belastung entweder im Bereich der Andockstelle (2-mal) oder im Bereich einer ehemaligen Schanz-Schraube des Transportfixateurs (2-mal) frakturierten (siehe [Abb. 1]).
Bei 3 Patienten war die frühzeitige Materialentfernung aufgrund eines fulminanten Infekts im Bereich des Implantats indiziert worden und unter dem Wissen der verminderten Belastbarkeit erfolgt. Trotz Entlastung kam es hier aber jeweils im Rahmen der Alltagstätigkeit ohne neuerliches Trauma im frühen Verlauf zu einer Refraktur. Bei insgeasmt 14 der 18 Patienten trat die Refraktur ohne adäquates Trauma auf, nur bei 4 Patienten führte ein echtes Trauma zum erneuten Bruch des Knochens.
Bei einer Patientin trat die Refraktur im Bereich der ehemaligen nach mehrfachen Revisionen und Verfahrenswechsel verheilten Fraktur in Schaftmitte an der Tibia durch ein adäquates Torsionstrauma beim Sport 13 Monate nach Materialentfernung (ME) auf. In diesem Fall war eine zunächst geplante Marknagelung aufgrund des vollständig aussklerosierten Markraums nicht möglich, daher wurde eine erneute Plattenosteosynthese mit ortsständiger Spongiosatransplantation durchgeführt, welche zur Ausheilung führte (siehe [Abb. 2]).
Bei 15 der Patienten wurde eine Reosteosynthese mit Spongiosaplastik in unserer Klinik durchgeführt, 1 Patient ließ die notwendige Reoperation auswärtig durchführen, 1 Patient mit Klavikulaschaftfraktur und Refraktur nach Materialentfernung wollte keine weitere Operation durchführen lassen. Es bildete sich daraufhin eine Pseudarthrose aus, mit welcher der Patient aber bis heute gut zurechtkommt. Bei dem anderen Patienten war es bei initial drittgradig offener distaler Unterschenkelfraktur und Lappendeckung mit zahlreichen Revisionen und Ausbehandlung im Hybridfixateur nach Entfernung des Fixateurs 19 Monate nach dem Unfall zu einer Refraktur am medialen Anteil des distalen Pilons gekommen, welche aufgrund der Weichteilsituation und der relativen Beschwerdefreiheit nicht operativ therapiert wurde.
Bei 9 der reoperierten 15 Patienten führte die erneute Therapie zu einer radiologisch vollständigen knöchernen Konsolidierung der Refraktur. Bei einem Patienten kam es nicht zur Ausheilung der Refraktur am proximalen Femur mit einem Bruch der implantierten Kondylenplatte, sodass hier als Salvage Procedure eine Hüfttotalendoprothese implantiert werden musste. Bei 2 Patienten kam es nicht zu einer knöchernen Konsolidierung bei ohne Lockerungszeichen einliegenden Osteosynthesematerialien und relativer Beschwerdefreiheit, sodass hier auf Wunsch der Patienten keine weiteren Operationen durchgeführt wurden. Die restlichen 3 Patienten entzogen sich dem Follow-up und konnten nicht erreicht werden.
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Diskussion und Empfehlungen
Der häufig vom Patienten geäußerte Wunsch nach Entfernung einliegender Osteosynthesematerialien sollte vom behandelnden Arzt ernst genommen und die Risiken und möglichen Folgen eingehend besprochen werden. Bei einliegenden Platten an den Extremitätenknochen, insbesondere nach primärer Frakturheilung, sollte eine ausreichende knöcherne Ausheilung der ehemaligen Fraktur röntgenologisch verifiziert werden. Insbesondere bei stattgehabten Frakturen der im Diameter kleinen Knochen Klavikula, Radiusschaft, Ulnaschaft und Fibula sollte bereits bei der initialen Osteosynthese auf eine möglichst zentrale Lage der Schraubenlöcher geachtet werden, da randständige Schraubenlöcher als Sollbruchstelle zu betrachten sind [18].
Teilweise wird auch die Gefahr einer Stressfraktur am Plattenrand bei länger einliegenden Platten, welche dann als Grund für die Materialentfernung dienen, angeführt (siehe [Abb. 3]). Eine höhergradige Evidenz für diese Annahme existiert jedoch nicht [20].
Das Überbohren von abgebrochenen Schraubengewinden im Rahmen der Materialentfernung an kaliberschwachen Knochen sollte vermieden werden (siehe [Abb. 4]).
Dem Überbohren vorzuziehen sind verbleibende, nicht überstehende Schraubengewinde, über deren Existenz der Patient postoperativ aufgeklärt werden muss. Insbesondere am Unterarm, an dem durch Kompression eine anatomische stufen- und spaltfreie Rekonstruktion Ziel der Therapie ist und häufig erreicht werden kann, um somit eine primäre Knochenbruchheilung zu induzieren, sollte im Rahmen der präoperativen Diagnostik vor Materialentfernung eine überlagerungsfreie Röntgendiagnostik beider Knochen angestrebt werden. Falls es bei der Röntgenbilddarstellung zu Überlagerungen des Osteosynthematerials mit den abzubildenden knöchernen Strukturen kommt, wie dies am Unterarm nach Doppelplattenosteosynthese häufig der Fall ist, empfiehlt es sich, die Röntgendarstellung mit Schrägaufnahmen, also in 4 Ebenen, durchzuführen. In Einzelfällen kann diese Diagnostik auch mittels CT erfolgen, allerdings sollten schon vor Indikationsstellung des mit einer erhöhten Strahlenbelastung einhergehenden CTs die zu erwartenden Artefakte durch die einliegenden Platten bedacht werden. Häufig ist insbesondere am Unterarm und bei einliegenden Stahlimplantaten keine zusätzliche Information durch die CT-Diagnostik im Vergleich zur konventionellen 4-Ebenen-Röntgendiagnostik bez. des Durchbauungsgrads ehemaliger Frakturen zu erwarten. Demgegenüber kann uns die CT-Diagnostik bei Tibiafrakturen wertvolle Zusatzinformationen bez. der Frakturheilung zur Verfügung stellen. Am Unterarm nach primärer Knochenbruchheilung sollten die Osteosynthesematerialien vorzugsweise eher länger, also z. B. 18 Monate, belassen werden. Bewährt hat sich am Unterarm im eigenen Vorgehen auch die fraktionierte Materialentfernung. Durch diese Maßnahmen und die im eigenen Vorgehen bereits seit mehr als 15 Jahren praktizierte zweizeitige Materialentfernung nach Unterarmschaftfrakturen ist u. E. auch die geringe Refrakturrate im eigenen Patientengut im Vergleich zu den in der Literatur dargestellten Daten zu erklären. Da durch dieses Vorgehen jedoch eine zusätzliche Narkose notwendig wird, bestehen auch hier berechtigte Bedenken. In einer Publikation wird dementsprechend sogar von der Entfernung der Osteosynthesematerialien am Unterarm abgeraten [21], als Grund für diese Empfehlung wird die Kompressionsplattenosteosynthese mit daraus resultierender primärer Frakturheilung sowie die angenommene hohe unklare Refrakturrate angeführt.
Bei einer vorliegenden Frakturheilung unter Verminderung des ursprünglichen Diameters des Knochens ist die Entfernung einliegender Platten nicht zu empfehlen (siehe [Abb. 5]).
In diesem Falle sollte eine additive Spongiosaplastik zunächst ohne ME erwogen werden oder die Platte als „Refrakturprophylaxe“ in situ verbleiben. Dies gilt auch und insbesondere nach Infektverläufen und/oder Transportverfahren an langen Röhrenknochen mit daraus resultierenden Mineralisationsstörungen und Sklerosierungszonen, welche als Regionen minderer Belastbarkeit betrachtet werden müssen. Die Refrakturgefahr im Bereich des proximalen Femurs nach subtrochantärer Osteotomie [22] und nach Fixation von Schenkelhalsfrakturen [23] mit anschließender Entfernung der Osteosynthesematerialien wurde beschrieben und muss ebenfalls diesem Pathomechanismus zugerechnet werden.
Nach Abschluss eines Segmenttransports hat es sich bei reduzierter Belastbarkeit des Knochens daher im eigenen Vorgehen bewährt, eine sog. „Schutzosteosynthese“ in Form einer Platte einzubringen, welche die Sollbruchstelle langstreckig überbrückt und, je nach Verlauf und Röntgendiagnostik, nicht mehr entfernt wird.
Im Falle einer durchgeführten Materialentfernung und Entfernung von sehr randständigen, die Kortikalisbegrenzung nach außen durchbrechenden Schraubenlöchern sollte eine temporäre Entlastung bis zur ausreichenden biologischen Auffüllung der Schraubenlöcher durchgeführt werden. Die Arbeitsgruppe um Rosson konnte nachweisen, dass die residuellen Schraubenlöcher sich in Abhängigkeit vom Alter des Patienten erst nach bis zu 18 Wochen vollständig aufgefüllt hatten und leiteten daraus die Empfehlung ab, sportliche Betätigungen nach Plattenentfernung für 4 Monate zu pausieren [17].
Zusammenfassend ist die Materialentfernung an den Extremitätenknochen eine häufige, aber keine triviale Operation und sollte daher der Empfehlung der Leitlinien und der Literatur entsprechend individuell indiziert werden.
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Schlussfolgerung: „Fazit für die Praxis“
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ausführliche Aufklärung über Nutzen und Risiko der Materialentfernung
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vollständige, überlagerungsfreie Röntgendiagnostik zur Verifizierung der ausreichenden Festigkeit der ehemaligen Frakturzone
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im Zweifel keine Entfernung des Osteosynthesematerials
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auf ausreichenden Zeitabstand zwischen Osteosynthese und ME achten, nach initial offenen Frakturen oder bei verzögerter Frakturheilung das Osteosynthesematerial eher länger belassen als üblich
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bereits bei der initialen Osteosynthese an Knochen mit kleinem Diameter auf zentrale Schraubenplatzierung achten
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bei der Materialentfernung insbesondere randständige abgebrochene Schraubengewinde lieber belassen und nicht überbohren
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bei verringerter Belastbarkeit (z. B. Transport- bzw. Andockstelle nach Kallusdistraktion) Platte belassen und evtl. additive Spongiosaplastik statt ME
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bei störenden Platten (z. B. am Tractus iliotibialis), aber noch nicht sicherer Duchbauung den Wechsel auf ein kürzeres, weniger störendes Implantat als „Schutzosteosynthese“ in Erwägung ziehen
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bei Verdacht auf verminderte Stabilität im Bereich residueller Schraubenlöcher sollte eine Teilbelastung für einige Wochen empfohlen werden
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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