Dialyse aktuell 2016; 20(08): 383
DOI: 10.1055/s-0042-116781
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Immunsuppression nach Nierentransplantation

Was sind die Langzeitauswirkungen einer Therapie mit Belatacept?
Markus van der Giet
1   Berlin
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Publikationsdatum:
10. Oktober 2016 (online)

 

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    Quelle: Vincenti F, Rostaing L, Grinyo J et al. Belatacept and long-term outcomes in kidney transplantation. N Engl J Med 2016; 374: 333–343

    Thema: In einer vorangegangenen Analyse der Phase-III-Studie BENEFIT, in der eine Belatacept basierte Immunsuppression mit einer Ciclosporin basierten Immunsuppression verglichen wurde, konnte ein vergleichbares Patienten- und Transplantatüberleben gezeigt werden, wobei die Nierenfunktion signifikant besser bei den Patienten mit Belatacept-Therapie war. Nun wurden die Endergebnisse der 7-Jahre-Nachbeobachtungs-Phase vorgestellt.

    Projekt: Patienten bekamen zur Randomisierung (Transplantationszeitpunkt) in dieser Phase-III-Studie eine intensive, eine weniger intensive Belatacept-Therapie oder einer Ciclosporin basierte Immunsuppression. Es wurde die Effizienz und Sicherheit für alle Patienten, die randomisiert und auch transplantiert wurden, nach 7 Jahren ausgewertet (84 Monate).

    Ergebnisse: 666 Patienten wurde randomisiert den Studienarmen zugeordnet und transplantiert. Von 660 Patienten, die behandelt wurden, wurden 153 von 219 mit einer intensiven Belatacept-Dosis behandelt, 163 von 226 wurden mit einer reduzierten Belatacept-Dosis behandelt und 131 von 215 bekamen eine Ciclosporin basierte Immunsuppression die erfolgreich über 84 Monate nachbeobachtet werden könnten. Es konnte in der Gruppe der intensiven Belatacept-Therapie und auch der reduzierten Belatacept-Therapie ein um 43 % reduziertes Risiko für Todesfälle oder auch Transplantatverlust gegenüber einer Ciclosporin basierten Immunsuppression beobachtet werden (HR mit intensiver Belatacept-Therapie von 0,57; 95-%-Konfidenz-Intervall 0,35–0,95; p = 0,02; HR mit reduzierter Belatacept-Therapie von 0,57, 95-%-KI 0,35–0,94, p = 0,02). Beide Belatacept-Regime zeigten in Bezug auf das Auftreten von Todesfällen bzw. Transplantatverlust den gleichen Effekt. Die mittlere errechnete glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) stieg über 7 Jahre bei den beiden Belatacept-Therapie-Dosierungen, wohingegen die Nierenfunktion im Ciclosporin-Arm abnahm. Das kumulative Auftreten von schweren Nebenwirkungen nach 84 Monaten war in allen Behandlungsarmen gleich.

    Fazit: Das Patienten- und Transplantüberleben sowie die mittlere eGFR war 7 Jahre nach der Therapie in beiden Belatacept-Behandlungsarmen besser als im Ciclosporin-Arm. Die Studie wurde von Bristol-Myers Squibb finanziert und ist registriert unter der ClinicalTrials.gov-Nummer NCT00256750.

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    Kommentar

    Die Studie zeigt ein beeindruckendes Ergebnis, auch wenn nicht alle Patienten erfolgreich über 7 Jahre nachbeobachtet werden konnten. Es zeigt sich klar, dass eine Ciclosporin-Therapie bei adäquater Immunsuppression durch Belatacept deutlich unterlegen ist und v. a. die Nierenfunktion und damit das Langzeit-Transplantat-Überleben erheblich profitiert. Bei derartigen Studienergebnissen könnte man zu dem Schluss kommen, dass doch eine neue optimale Immunsuppression bzgl. der Nierentransplantation gefunden ist, aber hier muss man doch ein bisschen Wasser in den Wein gießen. Es gibt mehrere Probleme, die bedacht werden sollten:

    • Bei der Studie wurde Belatacept gegenüber dem Calcineurininhibitor Ciclosporin A überprüft. Es mittlerweile hinreichend gezeigt, dass die bessere Vergleichssubstanz Tacrolimus sein sollte. Die hier angewandte Vorgehensweise ist aber die Folge einer Auflage der amerikanischen Arzneimittelbehörden, die explizit Ciclosporin A als Komparatorsubstanz gefordert hatten.

    • Es darf nicht vergessen werden, dass Belatacept bei EBV-positivem Status kontraindiziert ist, da vermehrt Lymphome beobachtet wurden.

    • In der Frühphase nach einer Transplantation kam es unter einer CNI-freien, Belatacept basierten Immunsuppression zu vermehrten Rejektionsraten. Diese waren zwar unkompliziert zu behandeln und haben nicht zu einem vermehrten Transplantatverlust geführt. Aber dennoch zeigte sich in der Frühphase der Transplantation unter Belatacept eine ggf. zu geringe Immunsuppression.

    Die Gruppen, die sich mit Belatacept intensiv auseinandersetzen, nutzen sogar mittlerweile eine 4-fach-Immunsuppression in der Frühphase nach Transplantation, wozu neben Belatacept sogar Tacrolimus für ein Jahr als Immunsuppression empfohlen wird, um die Abstoßungsreaktionen zu blockieren. Hier könnte man sich fragen, ob hier nicht eine Konversion nach 6 oder 12 Monaten sinnvoller ist, was derzeit Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen ist. Prinzipiell muss man aber festhalten, dass der reduzierte eGFR-Verlust (eGFR: errechnete glomeruläre Filtrationsrate) unter Belatacept gegenüber Ciclosporin erstaunlich ist. Da wir wissen, dass jeder eGFR-Verlust auch mit dem Auftreten erhöhter kardiovaskulärer Risiken assoziiert ist, könnte auch Belatacept aufgrund der besseren Nierenfunktion ein besseres kardiovaskuläres Risikoprofil aufweisen. Dies ist derzeit allerdings nur Spekulation und der Beweis muss noch erbracht werden. Insgesamt zeigt sich in dieser Langzeitbeobachtung aber ein beeindruckendes und beachtenswertes Studienergebnis.

    Prof. Prof. h. c. Dr. Markus van der Giet, Berlin


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