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DOI: 10.1055/s-0042-117096
Motorische Entwicklung – Physiotherapie durch die Eltern hilft Frühgeborenen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
20. Oktober 2016 (online)

Hintergrund: Bei Frühgeborenen ist die Reifung des Gehirns bei der Geburt noch nicht abgeschlossen, und gezielte Interventionen sollen daraus resultierende Rückstände und Defizite ausgleichen. Eine norwegische Gruppe stellt erste Ergebnisse einer von den Eltern durchgeführten Physiotherapie bei diesen Kindern vor.
Methoden: Ustad et al. nahmen in 3 norwegischen Zentren zwischen März 2010 und Oktober 2014 insgesamt 153 Kinder und ihre Eltern in die NOPPI-Studie auf.
NOPPI (Norwegian Physiotherapy Study in Preterm Infants) sollte Frühgeborene ≤ 32 Wochen bis zum korrigierten Alter von 24 Monaten begleiten und den Einfluss einer frühzeitig begonnenen Physiotherapie auf die motorische Leistungsfähigkeit beurteilen. Dazu wurden medizinisch stabile Kinder nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:
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Beginn einer Physiotherapie ab der 34. Woche postmenstruell über 3 Wochen; dazu erklärten ausgebildete Physiotherapeuten den Eltern verschiedene Interventionen zur Verbesserung von Kopf- und Haltungskontrolle und Orientierung zur Mittellinie, die 2-mal täglich über jeweils 10 min durchgeführt werden sollten (n = 74)
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ausschließliche Standardversorgung, bei der die Eltern lediglich allgemeine Informationen über die Versorgung der Kinder erhielten (n = 79)
In der jetzigen Analyse wurde mithilfe des Test of Infant Motor Performance (TIMP) die motorische Leistungsfähigkeit im Alter von 37 Wochen postmenstruell untersucht. Der TIMP prüft z. B. die Reaktionen des Säuglings auf visuelle und akustische Reize und auf das Handling durch die Eltern.
Ergebnisse: Die Ergebnisse von 61 Kindern der Interventionsgruppe wurden ausgewertet. Es ergab sich eine Verbesserung der TIMP-z-Scores von 0,06 im Alter von 34 Wochen auf nun 0,32. Bei den 74 Kindern der Kontrollgruppe dagegen hatte der Wert von 0,06 auf -0,10 abgenommen (p = 0,005).
Die Eltern von 56 Kindern der Interventionsgruppe hatten Tagebuch über die Physiotherapieübungen geführt. Dabei zeigte sich, dass im Mittel 1,3 Übungseinheiten pro Tag stattgefunden hatten, im Median für 9 min. Gründe, die die Durchführung der Intervention verhinderten, hingen meist mit dem Zustand des Kindes zusammen – es hatte Hunger, schien schläfrig oder lustlos. Unerwünschte Ereignisse durch die Intervention wurden nicht beschrieben.
Eltern könnten durch gezielte Physiotherapie bei ihren Frühgeborenen deren motorische Entwicklung fördern, meinen Ustad et al. Neu dabei ist vor allem der frühe Beginn dieser Übungen noch vor dem errechneten Geburtstermin. Möglicherweise fördern diese Interventionen die Proliferation der Nervenzellen sowie die Ausbildung von neuromuskulären Synapsen und Verbindungen der kortikospinalen Bahnen mit spinalen Motoneuronen – all das findet normalerweise pränatal vor allem im 3. Trimester statt. Nachuntersuchungen der Kinder bis zum 2. Lebensjahr sollen klären, inwieweit die Physiotherapie auch langfristig die Motorik der Kinder beeinflusst.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim