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DOI: 10.1055/s-0042-117637
Dysphagie bei Neutropenie unklarer Genese
Dysphagia at Neutropenia of Unknown PrimaryPublication History
Publication Date:
16 November 2016 (online)
Falldarstellung
Die Vorstellung des 45 Jahre alten, männlichen Patienten erfolgte über die zentrale Notaufnahme bei exazerbierenden Beschwerden bei einer seit 7 Tagen bestehenden Dysphagie, Fieber über 40°C, starken Gliederschmerzen und schlechtem Allgemeinbefinden. Es bestand keine bekannte Immunsuppression oder chronische Erkrankungen. Ambulant war bereits über den Hausarzt bei V. a. eine akute Tonsillitis über 4 Tage eine orale Antibiose mit Cefuroxim erfolgt. Hierunter hatte sich jedoch keine Besserung ergeben. Bei der Erstvorstellung in der HNO-Klinik konnten im Spiegelbefund kleine, atrophe, diskret gerötete Gaumenmandeln beidseits dargestellt werden ([Abb. 1]), wodurch sich die Symptomatik allerdings nicht erklären ließ.
Sonografisch zeigten sich beidseits entlang der Gefäßnervenscheide mehrere, reaktive bis ca. 1,5×1,5 cm große Lymphknoten mit Hiluszeichnung. Initial war über die Notaufnahme bei schlechtem Allgemeinbefinden und hohen Temperaturen eine komplette körperliche Untersuchung, ein Röntgen-Thorax und eine Abdomensonografie erfolgt. Hier zeigten sich unauffällige Befunde. Laborchemisch zeigte sich ein erhöhtes CRP von 260,3 mg/l [<7,5 mg/l] bei Leukozyten von 2,0 Gpt/l [4,4–11,3 Gpt/l]. Bei bestehender Leukopenie, sowie erhöhten Temperaturen und Entzündungswerten erfolgte die Bestimmung eines Differenzialblutbildes. Hier ergab sich eine Neutropenie von 0,55 Gpt/l [1,8–7,7 Gpt/l]. Daher erfolgte die stationäre Aufnahme zur intravenösen antibiotischen Abschirmung mit Ceftriaxon und zur Umfelddiagnostik. Eine analgetische Therapie erfolgte mit Ibuprofen und Xylocain-haltiger Mundspüllosung. Eine Kontrolle der Laborwerte 3 Tage später zeigte eine mäßige Abnahme des CRP bei einer Zunahme der Transaminasen. Im Differenzialblutbild konnte eine zunehmende Leukopenie und Neutropenie beobachtetet werden. Innerhalb weiterer 3 Tage zeigte sich in den Blutbilduntersuchungen ein rückläufiges CRP, sowie ein Anstieg der Leukozyten bei persistierender Neutropenie. Bei Kernschatten und atypischen Leukozyten in der manuellen Differenzierung des Blutbildes erfolgte die Verlegung des Patienten in die Hämatoonkologie zur weiteren Diagnostik und zum Ausschluss einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder eines Lymphoms. Die Knochenmarksbiopsie zeigte morphologische und immunologische Veränderungen, welche sich mit reaktiven Veränderungen vereinbaren ließen ([Abb. 2]).
Bei einem ungewöhnlich hohen EBV-IgG- und nicht erhöhtem IgM-Titer in der Serologie wurde die quantitative EBV-PCR angeschlossen, bei der sich ein positiver EBV-Nachweis mit einer hohen Viruslast von 2,58E5 Kop./ml zeigte. Aus der Befundkonstellation ergab sich der Rückschluss auf eine EBV-Reaktivierung mit sehr hoher Viruslast. Differenzialblutbild, Bestimmung der Immunglobuline und Knochenmarksbiopsie erbrachten keinen Anhalt für eine Immunsuppression. In Zusammenschau aller Befunde ergab sich die Diagnose einer EBV-Reaktivierung mit fieberhafter Lymphadenopathie und Neutropenie. Innerhalb weiterer 5 Tage entfieberte der Patient unter Fortsetzung der begonnenen antibiotischen Abschirmung mit Ceftriaxon und die paraklinischen Entzündungszeichen sowie die Neutrophilenzahlen und die Transaminasenwerte im Sinne einer zusätzlichen hepatischen EBV-Beteiligung normalisierten sich ([Abb. 3]). Der Patient konnte bei subjektivem Wohlbefinden entlassen werden.