Intensivmedizin up2date 2017; 13(02): 179-201
DOI: 10.1055/s-0042-119305
Neuro-Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Koma – der bewusstseinsgestörte Patient aus neurologischer Sicht

Wenke Dietrich
,
Thomas Finkenzeller
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Publication Date:
23 May 2017 (online)

Bewusstseinsstörungen stellen sich in der Notfallsituation zunächst unspezifisch dar mit einer Vielzahl von möglichen Ursachen. Daher müssen die Informationen aus Anamnese, Inspektion, allgemeiner und neurologisch-klinischer Untersuchung, Labor- und insbesondere der zerebralen Bildgebung zu einer schlüssigen Arbeitsdiagnose zusammengeführt werden. Prognostisch entscheidend ist eine schnelle und dennoch ausreichend differenzierte Diagnosestellung als Grundlage der Therapie.

Kernaussagen
  • Eine algorithmische Herangehensweise erleichtert die Differenzialdiagnostik von Bewusstseinsstörungen und vermeidet diagnostische und therapeutische Versäumnisse. Eine Vielzahl von Informationen muss zu einer neuroanatomischen und einer Syndromkategorie und dann zu einer ätiologischen Arbeitshypothese zusammengeführt werden. Simultan zur diagnostischen Aufarbeitung müssen bei hinreichendem Verdacht auf neurologische oder internistische Erkrankungen spezifische Therapiemaßnahmen initiiert werden.

  • Durch die neurologische Notfalluntersuchung kann in wenigen Minuten der Schweregrad der Bewusstseinsstörung bestimmt und eine syndromale und neuroanatomische Einordnung der Bewusstseinsstörung vorgenommen werden.

  • Dabei sollten folgende klinische Syndrome unterschieden werden:

    • Bewusstseinsstörung

      • ohne/mit fokalen Symptomen,

      • ohne/mit Hirnstammschädigungszeichen,

      • ohne/mit Meningismus.

  • Fokal-neurologische Symptome im Koma sind Red Flags einer primären ZNS-Erkrankung. Wichtige Ausnahmen von dieser Regel stellen das diabetische (hypo- und hyperglykämische) Koma und die hepatische Enzephalopathie dar.

  • Eine zerebrale Bildgebung ist bei Bewusstseinsstörungen immer notwendig: Bei Verdacht auf eine primäre Störung der Hirnfunktion ist sie prioritär, bei internistischer Ursache kann sie dem primären Management der Erkrankung nachfolgen.

  • Bildgebende Diagnostik:

    • Die bildgebende Notfalldiagnostik der Wahl ist die native kraniale Computertomografie (CCT).

    • Bei unauffälliger nativer CCT-Untersuchung und unklarer Komaursache sollte eine zusätzliche vaskuläre Bildgebung erfolgen: CT-Angiografie zum Ausschluss eines Verschlusses der A. basilaris, A. cerebri media und A. carotis oder CT-Venografie bei klinischem Verdacht einer Sinusthrombose.

  • Laboruntersuchung:

    • Durch die Routine-Laboranalytik können die meisten metabolischen Störungen und Intoxikationen ausgeschlossen oder bestätigt werden.

    • Ist die Bewusstseinsstörung nach Labor- und CT-Diagnostik nicht hinreichend erklärt, müssen mittels einer Liquoruntersuchung entzündliche Ursachen oder eine CT-negative SAB ausgeschlossen werden.