Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(06): 237
DOI: 10.1055/s-0042-121412
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Neonatologie
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Ernährung /Entwicklung – Einfluss von Muttermilch auf die neurokognitive Entwicklung von Frühgeborenen

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Publication Date:
21 December 2016 (online)

Hintergrund: Frühgeborene haben postnatal andere Anforderungen an ihre Ernährung als Termingeborene, u. a. zur Unterstützung der neurologischen Entwicklung. Ob Muttermilch, die bei reifen Kindern als optimale Ernährung gilt, bei Frühgeborenen diese Entwicklung positiv beeinflusst, hat eine australische Gruppe in der sekundären Auswertung der DINO-Studie untersucht.

Methoden: Die Studie „DHA for Improvement of Neurodevelopmental Outcomes“ (DINO) sollte ursprünglich untersuchen, ob bei Frühgeborenen mit einem Alter ≤ 33 Wochen die Gabe von Docosahexaensäure (DHA) an ihre stillenden Mütter bis zum errechneten Geburtstermin die neurokognitive Entwicklung der Kinder verbessert. Primärer Endpunkt war das Ergebnis in den Bayley Scales of Infant Development II (Bayley II) im korrigierten Alter von 18 Monaten. Da sich dabei kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen (DHA- bzw. Plazebogabe) gezeigt hatte, kombinierten die Wissenschaftler um Talia Jacobi-Polishook jetzt die beiden Kohorten und prüften, ob die Menge an gefütterter Muttermilch mit dem untersuchten Outcome zusammenhing.

Ergebnisse: Die Daten von 611 ehemaligen Frühgeborenen konnten in die Auswertung einbezogen werden. Dabei fanden sich keine relevanten Zusammenhänge der Bayley-II-Punktwerte mit der Menge an gefütterter Muttermilch oder mit der Dauer der Muttermilchernährung nach Angaben der Mütter. Das galt für beide Subskalen des Bayley II (kognitive und motorische Fähigkeiten) und auch nach Adjustierung für eine Reihe von Störfaktoren wie Gestationsalter, Geburtsgewicht, Gabe von Kortikosteroiden, Schweregrad postnataler Erkrankungen und sozioökonomische Variablen. Die einzige Ausnahme war eine signifikante positive Assoziation der kognitiven Subskala des Bayley II mit der Dauer der Muttermilchernährung bei Kindern, die mit einem Gestationsalter zwischen 29 und 33 Wochen zur Welt gekommen waren (n = 364; 0,3 Punkte für jeden zusätzlichen Monat).

Fazit

Nach diesen Daten fördert die Ernährung mit Muttermilch bei (ehemaligen) Frühgeborenen nicht die neurokognitive Entwicklung, meinen die Autoren. Es könnte allerdings sein, dass ein Alter von anderthalb Jahren noch zu früh ist, um eine ausreichend valide Einschätzung zu erlauben. Möglicherweise kommen Untersuchungen im Schulalter zu anderen Ergebnissen. Darüber hinaus gehörten die hier eingeschlossenen Familien vor allem zur gut ausgebildeten weißen Mittelschicht, sodass eine Verallgemeinerung für andere Gruppen nicht möglich ist.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim