Aktuelle Urol 2017; 48(05): 390-394
DOI: 10.1055/s-0042-123143
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom: 2 Techniken zur Biopsieentnahme im Vergleich

Lee DJ. et al.
Comparative Effectiveness of Targeted Prostate Biopsy Using Magnetic Resonance Imaging Ultrasound Fusion Software and Visual Targeting: a Prospective Study.

J Urol 2016;
196: 697-702
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Publication Date:
30 August 2017 (online)

 

    Bei Verdacht auf Prostatakarzinom gilt die transrektale Biopsie unter Sonografiekontrolle als „Goldstandard“. Problematisch aber ist, dass bei dieser systematischen Probenentnahme karzinomatöse Veränderungen übersehen werden können. Die Orientierung an verdächtigen Läsionen in MRT-Aufnahme kann die diagnostische Ausbeute verbessern, aber auch hier gibt es verschiedene Techniken. Mediziner aus den USA habe nun 2 Vorgehensweisen direkt verglichen.


    #

    Daniel Lee und seine Kollegen haben dazu 286 Männer in eine prospektive Vergleichsstudie aufgenommen. Alle Patienten waren bei Verdacht auf ein Prostatakarzinom zur MRT und Biopsie überwiesen worden, und die Wissenschaftler setzen nun bei jedem Mann 2 verschiedene Entnahmetechniken ein, beide orientierten sich an in der MRT aufgefallenen Läsionen (Regions of Interest, ROIs):

    • Bei Technik 1 gleicht der Mediziner bei der Biopsie visuell die MRT-ROIs mit dem aktuellen transrektalen sonografischen Bild ab und entnimmt dann die Proben.

    • Bei Technik 2 erfolgt mithilfe einer speziellen Software eine Fusion der präinterventionellen MRT-Aufnahmen mit den „Live-Bildern“ der Sonografie (Fusionsbildgebung), anhand derer die Biopsieorte gewählt werden.

    Die Mediziner entnahmen bei jedem Patienten aus jeder ROI jeweils 2 Stanzzylinder mit den beiden Techniken und verglichen dann

    • den Nachweis hochgradiger Prostatakarzinome (Gleason-Score ≥ 7) und

    • den Nachweis aller Prostatakarzinome

    Knapp zwei Drittel der Patienten wiesen eine frühere positive Biopsie auf, etwa ein Viertel war noch nicht biopsiert worden, und bei den restlichen Männern war eine frühere Biopsie negativ ausgefallen.

    Bei der jetzigen Untersuchung wurden insgesamt 396 ROIs biopsiert. Dabei fand sich mindestens 1 hochgradiges Karzinom

    • bei 78 Patienten in den mit Technik 1 entnommenen Proben gegenüber

    • 74 Patienten in den mit Technik 2 entnommenen Proben

    Auch beim Nachweis aller Prostatakarzinome, also auch der niedrig malignen, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied in der diagnostischen Ausbeute.

    Den Wissenschaftlern fiel aber auf, dass nur etwa die Hälfte der Karzinome einheitlich mit beiden Techniken entdeckt wurde. Dabei schnitten die beiden Verfahren je nach Lokalisation des Tumors unterschiedlich ab: Bei Karzinomen in der Übergangszone war die Fusionsbiopsie (Technik 2) erfolgreicher, bei Tumoren an der Prostatabasis schnitt Technik 1 besser ab.

    Fazit

    Nach diesen Daten zeigen die beiden am MRT-Bild orientierten Biopsietechniken keinen relevanten Unterschied beim Nachweis von Prostatakarzinomen insgesamt, fassen die Autoren zusammen. Allerdings ergänzen sich die beiden Verfahren abhängig von der anatomischen Lokalisation der verdächtigen Befunde innerhalb der Prostata. Möglicherweise kann also zukünftig die Kombination der beiden Entnahmetechniken die Diagnose vor allem von hochgradigen Prostatamalignomen verbessern.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

    Kommentar

    Der zunehmende Einsatz der multiparametrischen MRT (mpMRT) in der Primärdiagnostik des Prostatakarzinoms führt den Urologen in Klinik und Praxis vor neue Herausforderungen: Nachdem der Nutzen einer Fusion der Informationen aus der mpMRT mit dem transrektalen Ultraschall zur gezielten Navigation in Kombination mit einer systematischen Biopsie vielfach belegt, und die Überlegenheit gegenüber der alleinigen systematischen ultraschallgesteuerten Biopsie gezeigt werden konnte, ist bislang unklar welche Fusionstechnik verwendet werden sollte.


    Hierbei kommen auf der einen Seite eine hohe Präzision der Biopsie suspekter Läsionen zur optimalen Tumordetektion und auf der anderen Seite ökonomische Faktoren zum tragen, die insbesondere einen teils hohen Kosten- und Zeitaufwand sowie eine Lernkurve der Biopsietechnik betreffen.


    Die „in-bore“-Biopsie mit MRT-navigierter gezielter Biopsie suspekter Läsionen zeigt in den Untersuchungen hohe Detektionsraten, findet aufgrund des hohen Kosten- und Zeitaufwands jedoch keinen breiten klinischen Einsatz. Da zudem keine systematische Biopsie durchgeführt werden kann, können bis zu 15 % klinisch signifikanter Karzinome übersehen werden.


    Von größerer Relevanz für den klinischen Einsatz sind daher die kognitive (visuelle) Bildfusion und Software-basierte Fusionssysteme. Bei der kognitiven Bildfusion dienen anatomische „Leistrukturen“ der Prostata als Orientierung, um die zuvor analysierten Läsionen in der mpMRT im Ultraschall aufzufinden und gezielt zu biopsieren. Software-basierte Fusionssysteme ermöglichen ein automatisiertes Übereinanderlegen von mpMRT und Live-Ultraschall zur Echtzeit-Navigation. Die Bildmodalitäten können dabei plan (rigide) oder elastisch unter Berücksichtigung der Deformierung der Prostata durch die Ultraschallsonde fusioniert werden. Die Biopsieführung erfolgt entweder manuell freihändig oder durch robotische Arme unterstützt.


    Die kognitive Bildfusion ist hierbei kostengünstiger und potenziell schneller durchzuführen. So ist diese Technik insbesondere im ambulanten Bereich ein attraktives Verfahren und benötigt einen nur unwesentlich höheren Aufwand in der Vorbereitung und Durchführung als die rein systematische ultraschallgesteuerte Biopsie.


    Die Studie von Lee et al. geht daher der wesentlichen Frage nach, ob mit der kognitiven Fusionsbiopsie Prostatakarzinome im Allgemeinen und speziell Hochrisiko-Tumore mit gleicher Genauigkeit detektiert werden können. Als sekundäre Endpunkte werden der Einfluss der Tumorlokalisation innerhalb der Prostata auf die Detektion sowie die Tumorlänge im Stanzzylinder evaluiert.


    Im Untersuchungszeitraum wurde dabei ein Kollektiv von 296 Patienten mit mindestens einem auffälligen MRT-Areal biopsiert. Die Patienten hatten zu 65 % bereits einen gesicherten Tumor, 26 % erhielten eine Primärbiopsie und 5,6 % wiesen mindestens eine negative Vorbiopsie auf. Weitere 3,1 % erhielten eine Re-Biopsie nach primärer Therapie eines Prostatakarzinoms. Die Biopsie wurde durch 2 Operateure durchgeführt, wobei zunächst 2 Stanzzylinder kognitiv fusioniert und anschließend 2 weitere Stanzzylinder aus dem gleichen suspekten Areal mit der Biopsieplattform Urostation (Koelis, Frankreich) entnommen wurden.


    Es konnten dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen kognitiv fusionierter und Software-basierter Fusionsbiopsie festgestellt werden. Dies galt sowohl für alle Prostatakarzinome als auch Hochrisiko-Tumore, die mit einem Gleason Score von ≥ 7 definiert wurden. Weiterhin fand sich kein Unterschied in der maximalen Tumorinfiltration der Stanzzylinder. Auffällig war jedoch, dass nur 52 % der gefunden Hochrisiko-Tumore durch die beiden Biopsietechniken identisch waren. Zudem konnten durch die Software-basierte Fusionsbiopsie 15 % mehr Tumore in der Transitionalzone detektiert werden, während die kognitiv fusionierte Biopsie 11 % mehr Hochrisiko-Tumore in basalen Prostataanteilen fand.


    Die Ergebnisse der Studie sind kongruent mit denen zweier vorheriger Untersuchungen, die ebenfalls keinen signifikanten Unterschied in der Tumordetektion zwischen beiden Fusionstechniken zeigten [1, 2]. Durch die unmittelbar aufeinander folgenden Biopsie mit beiden Techniken aus derselben Läsion innerhalb einer Biopsiesitzung wird ein aussagekräftiger Vergleich möglich.


    Die Software-basierte Technik zeigt dabei Vorteile in der Transitionalzone. Die Erklärung der Autoren, hier schlechter visualisierbare Läsionen durch automatisierte Bildfusion gezielter biopsieren zu können, erscheint plausibel. Insbesondere durch die inhomogene Konfiguration der Transitionalzone bei zunehmender Prostatahyperplasie lassen sich maligne Läsionen für den Urologen schwieriger auffinden. Dass basal gelegene Hochrisiko-Tumore häufiger durch die kognitive Bildfusion entdeckt wurden, wird auf Limitationen der automatisierten elastischen Bildfusion bei der Konturierung der Prostatagrenzen zurückgeführt. Vor allem die Kompression der Prostatabasis durch die Biopsie führe möglicherweise zu Abweichungen in der Fusion. Diese Annahmen konnten ebenso in einer anderen Arbeit beim Vergleich verschiedener Software-basierter Fusionssysteme an Prostataphantomen festgestellt werden [3]. Einschränkend ist in dieser Arbeit die Verwendung nur eines Software-basierten Systems, da sich im ex vivo Vergleich verschiedener Systeme insbesondere zwischen Technik der Bildfusion (rigide/elastisch) und Zugangsweg (transrektal/transperineal) Unterschiede in der Genauigkeit zeigen [3].


    Zu beachten ist, dass sich zwar in der Gesamtdetektion keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Techniken zeigten, die gefundenen Tumore jedoch nur zur Hälfte übereinstimmten (52 %). Da pathologische Auswertungen von Prostatektomiepräparaten als Referenz fehlen, lässt sich hier nur schwer beurteilen, ob es sich um unterschiedliche Tumoren handelt, oder Tumore durch eine jeweilige Technik beispielsweise nur in ihren Randbereichen erreicht wurden. Der hohe Anteil an Re-Biopsien bei bekanntem Prostatakarzinom und zur Rezidivdiagnostik nach primärer Therapie könnte die Diversität der Tumore bedingen.


    Einige methodische Auffälligkeiten sollten bei der Bewertung der Ergebnisse Berücksichtigung finden. Hervorzuheben ist hierbei, dass alle Biopsien nur durch zwei in der mpMRT-Interpretation und Fusionsbiopsie erfahrene Operateure durchgeführt wurden. Es bleibt unklar, ob jeweils ein Operateur eine Technik pro Biopsiesitzung durchführt oder ob durch denselben Operateur beide Techniken angewandt werden. In jedem Fall ist nur Rückschluss auf die Tumordetektion einer sehr kleinen Gruppe von Operateuren zu ziehen, womit ein wesentliches Problem der kognitiven Fusion offenkundig wird. Die Technik erfordert ein hohes Maß an Expertise in der transrektalen Sonographie der Prostata und MRT-Interpretation. Hierbei ist eine relevante Lernkurve zu erwarten. Die Anwendung der Technik beschränkt sich daher insbesondere in Zentren mit niedrigerer Fallzahl auf wenige Operateure. Software-basierte Fusionssysteme bieten hier den Vorteil einer computerbasierten automatischen Bildfusion und abhängig vom System unterstützten Biopsieführung. Eine breitere Anwendbarkeit auch in verschiedenen Ausbildungsgraden ist daher anzunehmen.


    Weiterhin wird durch die Autoren beschrieben, dass die Auswertung der mpMRT durch 6 verschiedene Radiologen mit uroradiologischer Erfahrung von 6 – 15 Jahren in der Interpretation von Prostata-MRT`s erfolgte. Es wird jedoch nicht angegeben, ob die Befundung hierbei nur durch einen Radiologen oder eine Reevaluation durch einen zweiten Radiologen durchgeführt wurde. Das angewandte Bewertungssystem entspricht einem klinikinternen Klassifikationssystem (Likert-Skala von 1 – 5), nicht jedoch der standardisierten Auswertung nach PI-RADS. Alle Läsionen mit einem Score von mindestens 3 wurden zur gezielten Biopsie herangezogen (75 % Grad 4 und Grad 5). Angaben zur Größe der suspekten Läsionen fehlen jedoch ebenso wie Informationen darüber, durch wen die Areale in den MR-Sequenzen markiert wurden. Studien konnten belegen, dass die Tumordetektionsrate durch spezifisches Training des Uroradiologen deutlich gebessert werden kann [4]. Die PI-RADS Klassifikation wurde in Version 1 und 2 mehrfach validiert und wird zur Anwendung von führenden Gesellschaften empfohlen [5 – 7]. Dass die Größe des Tumors mit der Detektion in der mpMRT korreliert, konnte ebenfalls belegt werden [8]. Eine Berücksichtigung dieser Faktoren im Vergleich der beiden Techniken findet sich in der Arbeit von Lee et al. nicht.


    Insgesamt zeigt die Studie von Lee et al. demnach, dass in der Gesamtdetektion von Prostatakarzinomen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen beiden Fusionstechniken zu erwarten sind, wenn die Biopsie durch Experten durchgeführt wird und unterstützt damit die Ergebnisse der bisher wenigen Vorarbeiten. Um die Verfahren als gleichwertig betrachten und dementsprechend auch die kognitive Fusion für den breiten Einsatz empfehlen zu können, bedarf es jedoch weiterer direkter Vergleiche unter Berücksichtigung aller o. g. Einflussfaktoren und verschiedener Fusionsplattformen.


    Die Autoren

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    Prof. Dr. Manuel Ritter, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Geschäftsführender Oberarzt
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    Dr. Niklas Westhoff, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Assistenzarzt

    Literatur


    [1] Wysock JS, Rosenkrantz AB, Huang WC, et al. A prospective, blinded comparison of magnetic resonance (MR) imaging-ultrasound fusion and visual estimation in the performance of MR-targeted prostate biopsy: the PROFUS trial. European urology. Aug 2014; 66: 343 – 351.


    [2] Puech P, Rouviere O, Renard-Penna R, et al. Prostate cancer diagnosis: multiparametric MR-targeted biopsy with cognitive and transrectal US-MR fusion guidance versus systematic biopsy--prospective multicenter study. Radiology. Aug 2013; 268: 461 – 469.


    [3] Westhoff N, Siegel FP, Hausmann D, et al. Precision of MRI/ultrasound-fusion biopsy in prostate cancer diagnosis: an ex vivo comparison of alternative biopsy techniques on prostate phantoms. World journal of urology. Nov 09 2016.


    [4] Garcia-Reyes K, Passoni NM, Palmeri ML, et al. Detection of prostate cancer with multiparametric MRI (mpMRI): effect of dedicated reader education on accuracy and confidence of index and anterior cancer diagnosis. Abdominal imaging. Jan 2015; 40: 134 – 142


    [5] Roethke MC, Kuru TH, Schultze S, et al. Evaluation of the ESUR PI-RADS scoring system for multiparametric MRI of the prostate with targeted MR/TRUS fusion-guided biopsy at 3.0 Tesla. European radiology. Feb 2014; 24: 344 – 352


    [6] Renard-Penna R, Mozer P, Cornud F, et al. Prostate Imaging Reporting and Data System and Likert Scoring System: Multiparametric MR Imaging Validation Study to Screen Patients for Initial Biopsy. Radiology. May 2015; 275: 458 – 468


    [7] Woo S, Suh CH, Kim SY, Cho JY, Kim SH. Diagnostic Performance of Prostate Imaging Reporting and Data System Version 2 for Detection of Prostate Cancer: A Systematic Review and Diagnostic Meta-analysis. European urology. Feb 11 2017


    [8] Bratan F, Niaf E, Melodelima C, et al. Influence of imaging and histological factors on prostate cancer detection and localisation on multiparametric MRI: a prospective study. European radiology. Jul 2013;23: 2019 – 2029


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    Prof. Dr. Manuel Ritter, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Geschäftsführender Oberarzt
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    Dr. Niklas Westhoff, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Assistenzarzt