Rofo 2017; 189(03): 190-192
DOI: 10.1055/s-0042-123227
Bildessay
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sialadenitiden bei Granulomatose mit Polyangiitis

Granulomatosis with Polyangiitis of the Major Salivary Glands
Mustafa Kurucay
,
Jan Ole Werner
,
Hans Bösmüller
,
Sorin Dumitru Ioanoviciu
,
Joerg Henes
,
Marius Horger
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 March 2017 (online)

Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (früher: Morbus Wegener) ist eine autoimmune granulomatöse Vaskulitis. Die klassische Symptomtrias besteht aus einer Beteiligung der oberen und unteren Atemwege sowie einer Glomerulonephritis. Selten ist eine Manifestation in den großen Speicheldrüsen, die im Rahmen einer generalisierten Erkrankung oder isoliert befallen sein können. Insbesondere im letzteren Falle ist die Kenntnis dieser Differenzialdiagnose der Sialadenitis von Bedeutung, da bei einer Fehldiagnose und -therapie von einem fulminanten Krankheitsverlauf ausgegangen werden kann.

Bei der Granulomatose mit Polyangiitis handelt es sich um eine Anti-Neutrophile cyctoplasmatische Antikörper (ANCA)-assoziierte Autoimmunerkrankung, die mit einer aseptisch-nekrotisierenden Vaskulitis kleiner und mittlerer Gefäße einhergeht.

Die Ätiologie ist weitgehend unbekannt. Typischerweise treten Symptome im oberen und unteren Respirationstrakt auf, wie z. B. Schleimhautulzerationen, blutig-putride chronische Rhinitiden, Nasendeformationen (Sattelnase, Septumdeviation), pulmonale Infiltrate, Rundherde sowie Kavernen und folglich Husten/Hämoptysen. Im Verlauf kann bei einer Nierenbeteiligung eine Glomerulonephritis auftreten. Ein schweres Krankheitsgefühl und eine B-Symptomatik werden häufig beobachtet. Seltenere Manifestationsorte sind Organe wie Augen, Gelenke, Perikard und ZNS. Die Diagnose wird durch die Kombination klinischer, laborchemischer und histopathologischer Befunde gesichert. Laborchemisch wird eine Erhöhung der ANCAs mit cytplasmatischem Fluoreszensmuster (c-ANCA) mit dem Zielantigen Proteinase 3 (PR-ANCAs) beobachtet, seltener finden sich auch perinukleäre (p)-ANCAs. Diese Antikörper gelten als pathognomonisch für die Wegener Granulomatose. Eine Erhöhung der unspezifischen Entzündungsparameter wie BSG, CRP oder Leukozytenzahl ist Ausdruck der chronischen Inflammation. Pathologische Urinanalysen und erhöhte Nierenretentionsparameter weisen auf eine Nierenbeteiligung hin. Histopathologisch wird die Erkrankung durch eine leukozytoklastische Vaskulitis kleiner und mittlerer Gefäße, Granulome und fokale Nekrosen charakterisiert. In Nierenbiopsien finden sich zudem postvaskulitische Mikroaneurysmata ([Abb. 1]).

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Abb. 1 HE-Färbung. 100 × Vergrößerung. Nekrotisierende granulomatöse Vaskulitis mit wanddestruierenden histiozytären und granulozytären Infiltraten und fibrinöser Obliteration des Lumens.

Ein Befall der großen Speicheldrüsen bei der Granulomatose mit Polyangiitis ist selten. Am häufigsten betrifft dies die Glandula parotis, seltener die Glandula submandibularis oder sublingualis. Die Krankheit kann eine einzelne oder auch mehrere Speicheldrüsen befallen. Dabei kann der Befall der Speicheldrüsen Erstmanifestation bzw. einzige Manifestation (limitierte GPA) der Erkrankung sein. Ein Befall ist aber auch bei generalisierten Krankheitsverläufen beschrieben worden. Die GPA ist eine absolut Rarität unter den Ursachen einer neuaufgetretenen Speicheldrüsenschwellung oder Sialadenitis. Weitaus häufiger ist eine infektiöse und neoplastische Genese, sodass an diese Differenzialdiagnose häufig nicht gedacht wird. Spätestens nach Ausschluss einer Neoplasie in der Bildgebung bei neuaufgetretener Speicheldrüsenschwellung bzw. bei fehlendem Ansprechen einer fälschlicherweise als infektiös eingestuften Sialadenitis auf die Antibiotikatherapie sollte an diese Differenzialdiagnose gedacht und eine entsprechende weitere labormedizinische sowie histologische Diagnostik eingeleitet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Frühstadium der Erkrankung die ANCA-Serologie negativ ausfallen kann. Auch der histopathologische Befund kann initial nur eine unspezifische Entzündung zeigen. Die für die Erkrankung typischen Granulome und Nekrosen können vorerst fehlen. In diesem Fall sollten die Untersuchungen im Verlauf wiederholt werden, um die Diagnose schnell zu sichern, denn eine unbehandelte Granulomatose mit Polyangiitis birgt die Gefahr einer raschen Progredienz.

Die multimodale Bildgebung ist in solchen Fällen erforderlich. Die betroffenen Speicheldrüsen stellen sich dabei etwas vergrößert mit leicht verwaschener Binnenstruktur dar ([Abb. 2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10]). Die KM-angehobenen Untersuchungen (CECT oder post-contrast T1w-MRT) detektieren am besten die intraglanduläre Ischämie bzw. Komplettinfarzierung, allerdings ermöglichen sie keine Differenzierung von z. B. einer Abszedierung, da die Patienten in der Regel zu dem Zeitpunkt auch schon unter immunsuppressiver Therapie stehen und durchaus für Infekte anfällig sind. Die Sonografie zeigt dabei jedoch keine Abszessformation, sondern eine erhaltene, wenn auch nur etwas dichteangehobene und leicht unscharfe Binnenstruktur. Im Farb- und Power-Doppler sowie insbesondere im CEUS fallen im Gegensatz zu anderen Speicheldrüsenentzündungen (z. B. bei der infektösen Mononukleose) keine vermehrte, sondern eher eine verminderte Perfusion analog zum CECT oder CE-MRT auf. Eine T1-Signalerniedrigung ist meistens zu erwarten, gilt jedoch als unspezifisch. Dagegen ist eine T2-Signalerniedrigung in solchen Fällen differenzialdiagnostisch seltener, wird pathophysiologisch auf die fokalen Nekrosen zurückgeführt und als suggestiv für die GPA angesehen. Es ist die Zusammenschau dieser Methoden, die eine Abszedierung bildmorphologisch ausschließen lässt.

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Abb. 2 B-Bild Ultraschall (18 MHz linearer Schallkopf). Längsschnitt linke Gl. parotis. Deutliche Vergrößerung sowie etwas verwaschene Binnenstruktur mit einzelnen erweiterten Ausführungsgängen. Kein Anhalt für Abszedierung.
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Abb. 3 Gleiche Patientin wie Abb. 2. CEUS: nahezu vollständig fehlende Durchblutung der Gl. parotis mit lediglich minimaler peripherer Kontrastierung als Ausdruck einer Ischämie bei GPA-Vaskulitis.
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Abb. 4 Die B-Bild-Sonografie der Gl. submandibularis links zeigt eine moderate Drüsenvergrößerung sowie eine leicht inhomogene Binnenstruktur A. Die Farbdopplersonografie zeigt kein messbares Flusssignal in derselben Speicheldrüse B. Einzelne schwache Flusssignale im Power-Doppler lassen sich ausschließlich in der Peripherie nachweisen C. Leicht heterogene Elastizität derselben Speicheldrüse in der Ultraschall-Elastografie (Strain elastography) D. In der CEUS sind ebenfalls nur einzelne schwache Perfusionssignale aufgrund der diffusen Ischämie erkennbar E.
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Abb. 5 Axiale CECT mit Darstellung von umschriebenen Hypodensitäten im Bereich beider Gl. submandibulares, rechts > links bei GPA-Vaskulitis. Die CEUS (mittleres Bild) zeigt keine messbare Perfusion. In der B-Bild Sonographie findet sich keine korrespondierende Einschmelzung.
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Abb. 6 Bilateraler Befall der Gl. submandibulares bei GPA-Vaskulitis. Die CECT zeigt hier eine linksseitig vergrößerte Gl. submandibularis ohne umschriebene Hypodensitäten (Ischämien, Nekrosen), eher kontrastmittelaufnehmend (entzündliche Reaktion). Rechtsseitig hingegen erscheint die Gl. submandibularis komplett hypodens transformiert.
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Abb. 7 Bilateral bis auf die Drüsenkapsel hypodense Gl. submandibulares bei GPA. Auch hier keine Abszedierung, sondern eine glanduläre Ischämie gesichert.
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Abb. 8 Koronare CECT des Halses mit Darstellung multipler Hypodensitäten im Bereich der Gl. submandibulares bei Vaskulitis.
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Abb. 9 Koronare CECT zeigt außerdem eine Beteiligung des Oropharynx mit ebenfalls fokalen Gewebsnekrosen. Multifokale Nekrosen im Pharynx sowie lingual gehören mit zum Bild einer GPA-Vaskulitis.
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Abb. 10 Eine koronare T2-gewichtete Sequenz des Halses zeigte wenige Tage zuvor ein normales Signal der Speicheldrüsen.

Differenzialdiagnostisch kommen nicht spezifische chronische Inflammationen, Tuberkulose (Skrofulose), virale Infektionen, Sarkoidose, Fremdkörpergranulome sowie eine Rosai-Dorfman-Erkrankung infrage. Seltenere Erkrankungen wie die chronische rekurrierende Parotitis sowie die Kimura-Lymphadenopathie gehören ebenfalls zum differenzialdiagnostischen Spektrum. Letztere geht mit einer Gewebe- und Blut-Eosinophilie einher. Aufgrund des raschen klinischen Verlaufes und des klinischen Lokalbefundes sind Tumore der Speicheldrüsen wie Lymphome, Warthin-Tumore und pleomorphe Adenome weniger wahrscheinlich.

In der Therapie steht der stadiengerechte Einsatz von Immunsuppressiva im Vordergrund. Eine unbehandelte Granulomatose mit Polyangiitis hat eine schlechte Prognose und endet meist aufgrund einer rapid-progredienten Glomerulonephritis oder pulmonalen Hämmorrhagie letal.

Zusammengefasst ist eine rasch einsetzende Vergrößerung der Speicheldrüsen bei gleichzeitigem c-ANCA- und/oder PR3-ANCA-Anstieg dringend verdächtig auf eine GPA-induzierte Sialadenitis.