Gesundheitswesen 2018; 80(08/09): 685-692
DOI: 10.1055/s-0042-124663
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Langzeitpflegepräferenzen der Älteren in Deutschland – Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage

Long-Term Care Preferences Among Individuals of Advanced Age in Germany: Results of a Population-Based Study
André Hajek
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Thomas Lehnert
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Annemarie Wegener
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Steffi G. Riedel-Heller
2   Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Leipzig
,
Hans-Helmut König
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. März 2017 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund

Im Zuge der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass der Bedarf an Langzeitpflege in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen wird. Demzufolge ist das Wissen um die Langzeitpflegepräferenzen von großer Relevanz. Diese Arbeit zielt darauf ab, die Langzeitpflegepräferenzen der älteren Menschen in Deutschland darzustellen.

Methoden

Auf Basis eines Literaturreviews und von Experteninterviews wurde ein Fragebogen zur Messung von Langzeitpflegepräferenzen entwickelt. Im Jahr 2015 wurde eine bevölkerungsrepräsentative Telefonbefragung von Personen im Alter ≥65 Jahre in Deutschland (n=1 006) durchgeführt.

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter der Stichprobe betrug 75,2 Jahre (±6,6 Jahre; Spannweite 65–96 Jahre). Knapp 90% der Senioren präferieren die Pflege in den eigenen 4 Wänden. Andere Pflegesettings erhalten deutlich weniger Zustimmung. Dies gilt vor allem für Pflege im Ausland. Während in einer häuslichen Pflege sowohl eine Betreuung durch Personen aus dem Umfeld als auch eine Betreuung durch einen professionellen Pflegedienst recht hohe Zustimmungswerte aufweisen, weist eine ganztägige Betreuung (z. B. durch privat bezahlte Pflegekräfte) geringe Zustimmungswerte auf. Hinsichtlich zusätzlicher Dienste im Falle einer häuslichen Pflege ist vor allem eine hauswirtschaftliche Hilfe, die Nutzung eines Fahrdienstes sowie ein Notrufsystem/Hausnotruf wichtig. Dagegen wird eine Alltagsbegleitung für weniger wichtig gehalten. Im Falle einer stationären Pflege ist es über 90% der Befragten wichtig, in einem eigenen Zimmer zu wohnen, am liebsten in der Nähe des jetzigen Wohnortes bzw. in der Nähe des Wohnortes der nächsten Angehörigen. Zudem werden im Falle einer stationären Pflege vielfältige Angebote für wichtig gehalten.

Schlussfolgerung

Die geäußerten Präferenzen lassen vermuten, dass eine Lücke zwischen Erwartungen an die Pflege und der Pflegerealität klafft. Dieser Lücke sollte durch geeignete Maßnahmen begegnet werden, z. B. durch eine Sensibilisierung der Bevölkerung zur Notwendigkeit einer privaten Vorsorge.

Abstract

Background

The need for long-term care is expected to increase markedly in the next decades as a result of demographic ageing. Consequently, it is important to know the long-term care preferences. This study investigated the long-term care preferences among older individuals in Germany.

Methods

Based on a systematic review and expert interviews, a questionnaire was designed to assess long-term care preferences. Data were gathered from a representative telephone survey of the German population (n=1,006; 65 years and above) in 2015.

Results

The mean age was 75.2 years (±6.6 years, ranging from 65 to 96 years). While nearly 90% of the individuals preferred home care, other care settings such as nursing care abroad were mostly undesired. In case of home care, most of the individuals preferred care provided by friends/family or formal caregivers, whereas the idea of all-day care services (such as employed private caregivers) was less popular. With respect to home care, additional services such as household assistance, transportation services, and emergency call systems were highly valued by the study participants, whereas continual supervision throughout the day was seen as less important. In case of inpatient care, more than 90% of the individuals preferred a private room, with the inpatient facility located near home or close to relatives’ homes. A wide range of activities was appreciated.

Conclusion

Given these preferences, it is assumed that there is a gap between expectations (preferences) and reality (utilization) regarding long-term care in Germany. Interventions aimed at minimizing this gap are urgently needed. For example, strategies to raise the awareness of private long-term care provision might be fruitful.