Gesundheitswesen 2019; 81(02): 106-112
DOI: 10.1055/s-0043-102181
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie geht es Menschen nach dem Tod eines schwerkranken Angehörigen? – Onlinebefragung zur psychischen Belastung und Versorgungszufriedenheit von Hinterbliebenen

Aftermath of death of a seriously ill family member: Online survey of psychological distress and care satisfaction of relatives
Antje Gottschalk-Fleischer
1   Abteilung für Innere Medizin, Muldentalklinik, Krankenhaus Wurzen, Wurzen
,
Norbert Köhler
2   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig, Leipzig
,
Elmar Brähler
2   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig, Leipzig
,
Anja Mehnert
2   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig, Leipzig
,
Heide Götze
2   Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Leipzig, Leipzig
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Publication History

Publication Date:
12 May 2017 (online)

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Zusammenfassung

Ziel der Studie Ziel der Arbeit ist die Darstellung der psychosozialen Belastungssituation sowie der Versorgungszufriedenheit von Hinterbliebenen nach Versterben eines gepflegten Angehörigen.

Methodik In einer querschnittlichen Online-Befragung von Hinterbliebenen nach Versterben eines gepflegten Angehörigen wurden Ängstlichkeit und Depressivität (HADS) erhoben und einer Vergleichsgruppe aus der Bevölkerung gegenüber gestellt. Erfasst wurden weiterhin die Zufriedenheit mit der Versorgung des Patienten am Lebensende (ZUF-8) sowie die Beurteilung des Sterbeprozesses und der Unterstützung danach (HOPE-Modul, ESSI). Zusammenhänge von soziodemografischen und versorgungsrelevanten Faktoren mit der psychischen Belastung der Hinterbliebenen wurden analysiert.

Ergebnisse Von den 200 Hinterbliebenen (93% weiblich, im Mittel 306 Tage seit Versterben des Angehörigen vergangen) waren 31% die Hauptpflegeperson des Angehörigen. Die Hinterbliebenen gaben eine hohe psychische Belastung an (starke Ängstlichkeit: 41%/starke Depressivität: 35%). Die Versorgung am Lebensende war aus Sicht der Hinterbliebenen teilweise ungenügend: etwa ein Drittel der sterbenden Patienten hatte Schmerzen und etwa 20% wurden nicht würdig behandelt. Nach dem Tod des Angehörigen erhielten 44% der Hinterbliebenen keine Informationen zu Unterstützungsangeboten, jeder dritte vermisste seelischen Beistand. Unzufriedenheit mit der Versorgung und Unterstützung ging mit einer höheren psychischen Belastung einher, ebenso wie höheres Alter und eine kurze Pflegedauer.

Schlussfolgerung Die hohe psychische Belastung Hinterbliebener impliziert einen hohen Unterstützungsbedarf, dem in der Praxis häufig nicht entsprochen wird. Auch die Versorgung der Patienten am Lebensende ist teilweise ungenügend. Neben einer guten Vorbereitung auf den bevorstehenden Tod des Angehörigen und die Zeit danach, benötigen Hinterbliebene niedrigschwellige psychosoziale Unterstützungsangebote.

Abstract

Aim of the study The aim of the study was to assess the level of psychosocial distress and satisfaction with care in family caregivers after the death of a close relative.

Method Anxiety and depression (HADS) of family caregivers were evaluated in both bereaved family caregivers and a comparable group from the general population. Furthermore, satisfaction with care (ZUF-8) and social support (HOPE-Module, ESSI) were assessed after the patients had died. Regression models were employed to analyze associations between psychological distress and sociodemographic and care-related variables.

Results We conducted an online survey with 200 bereaved family caregivers (93% female, time since death of the relative: M=306 days). Of these, 31% were the primary caregiver. The bereaved caregivers were highly psychologically distressed (high anxiety: 41%/high depression: 35%). From the survivors’ point of view, care at the end of life was partially insufficient: about one in three of the dying patients had suffered from pain and 20% had not been treated with dignity. After the relative had passed away, 44% of the bereaved caregivers did not get information about support offers; one in three missed emotional assistance. Dissatisfaction with care and support was associated with increased psychological distress, higher age and a shorter period of care.

Conclusion The high level of psychological distress in bereaved family caregivers suggests high supportive care needs, which are often not met in practice. Family caregivers need to be prepared for the time after their relative's death and should be offered psychosocial support.