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DOI: 10.1055/s-0043-102693
Entwicklung und Validierung eines Fragebogens für Beckenbodenfunktionsstörungen und deren Risikofaktoren während der Schwangerschaft und postpartal
Article in several languages: English | deutschCorrespondence/Korrespondenzadresse
Publication History
received 01 December 2016
revised 29 January 2017
accepted 30 January 2017
Publication Date:
26 April 2017 (online)
Zusammenfassung
Einleitung Ziel der Arbeit war es, einen Beckenbodenfragebogen zu entwickeln und zu validieren, der Risikofaktoren und Symptome von Beckenbodenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft und nach der Geburt, ihre Beeinflussung der Lebensqualität, den Schweregrad und den Symptomverlauf erfasst.
Methoden Der validierte Deutsche Beckenbodenfragebogen wurde angepasst, eine Risikofaktoren-Domäne entwickelt und von initial 233 nulliparen Frauen im letzten Trimenon, 6 Wochen (n = 148) und 1 Jahr postpartal (n = 120) beantwortet und vollständig psychometrisch getestet. Symptomverläufe und Einfluss von Risikofaktoren wurden ausgewertet.
Ergebnisse Die Frauen waren im Median 31 (19–46) Jahre alt. Spontan vaginal wurden 63 %, vaginal operativ 15 % und per sectionem 22 % entbunden. Inhaltsvalidität: Fehlende Antworten überstiegen nie 4 %. Konstruktvalidität: Der Fragebogen unterschied signifikant zwischen Frauen mit und ohne Leidensdruck. Reliabilität: Die Cronbachs-Alpha-Werte lagen über 0,7 für die Blasen-, Darm und Haltefunktion, für die Sexualfunktion bei 0,65. Die Test-Retest-Analyse zeigte moderate bis fast vollkommene Übereinstimmung. Die Intraclass-Koeffizienten für die Domänenscores lagen zwischen 0,732 und 0,818 im akzeptablen bis optimalen Bereich. Reaktivität: Der Fragebogen konnte Veränderungen signifikant verfolgen mit guten Effektgrößen für alle Domänen. Risikofaktoren für Beckenbodensymptome waren die familiäre Prädisposition, ein maternales Alter ab 35 Lebensjahre, ein BMI ab 25, Nikotinabusus, die subjektive Unfähigkeit, den Beckenboden willentlich zu kontrahieren und der postpartale Wundschmerz.
Schlussfolgerung Es konnte ein valider, zuverlässiger und reaktiver Beckenbodenfragebogen für die Erfassung von Risikofaktoren und Beckenbodendysfunktionen, deren Häufigkeit und Beeinflussung der Lebensqualität in der Schwangerschaft und postpartal entwickelt werden. Durch ein Scoringsystem ist es möglich, den Fragebogen zur Beurteilung eines Symptom- bzw. Therapieverlaufs einzusetzen.
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Einleitung
Beckenbodenfunktionstörungen wie Harninkontinenz und Deszensus haben häufig zunächst nur geringe Auswirkungen auf die Lebensqualität und werden als der Lebensphase zugehörig vorübergehend akzeptiert, z. B. in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt. Bei Persistenz und Progredienz können sie jedoch stark das hygienische und soziale Wohlbefinden der Frauen beeinträchtigen [1], [2], [3] · Trotz der hohen Prävalenz von Harninkontinenz und Genitaldeszensus [4], [5] ist die Aufklärung über die Beckenbodenfunktionalität kein standardisierter präventiver Prozess im deutschen Gesundheitswesen. Dies würde sich in der Schwangerschaft oder direkt postpartal, also dem Zeitraum einer hohen Beanspruchung und häufigen Traumatisierung des Beckenbodens, anbieten.
Eine systematische Erfassung von Beckenbodensymptomen und möglichen prädisponierenden Faktoren in der Schwangerschaft oder postpartal wurde in Deutschland bisher nicht publiziert. Dazu bedarf es validierter Erfassungsinstrumente, damit die Fragen gut verstanden werden, zuverlässig die wirklich beabsichtigten Variablen erfasst werden und der Fragebogen auch zwischen Frauen mit und ohne Problemen unterscheiden kann [6]. Die psychometrische Testung eines Fragebogens beinhaltet nach Empfehlungen der International Consultation on Incontinence (ICI) [6] die Prüfung der Reliabilität, Validität und der Reaktivität.
Validierte Beckenbodenfragebögen bieten die Möglichkeit, Beckenbodensymptome, deren Frequenz und Stärke, den Verlauf und die Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erfassen [3], [4]. Ziel dieser Arbeit war es, einen bisher nicht für die Schwangerschaft und den postpartalen Zeitraum verfügbaren Beckenbodenfragebogen zu entwickeln und zu validieren. Ein weiteres Ziel war die Entwicklung einer Risikodomäne zur Erfassung von Risikofaktoren von Beckenbodenfunktionsstörungen in der Schwangerschaft, peri- und postpartal. Da die emotionale Verarbeitung der Geburt und eine postpartale Depression Angaben beeinflussen können [7], [8], sollte der Fragebogen hierzu Fragen enthalten.
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Methoden
Aufbau des Fragebogens
Als Grundlage diente die auf deutsch validierte Version des Australian Pelvic Floor Questionnaires (Deutscher Beckenbodenfragebogen) [9], [10], [11] mit 4 Domänen der Beckenbodenfunktionsbereiche, der Blasen-, Darm-, Halte- und Sexualfunktion. Komplett neu entwickelt wurden die Domänen zu Risikofaktoren und zum Geburtsverlauf. Die Entbindungsdomäne umfasste Fragen zum Geburtsverlauf, zur emotionalen Verarbeitung der Geburt, assoziierter postpartaler Schmerzen und wurde von den Studienteilnehmerinnen 6 Wochen postpartal als Zusatzmodul beantwortet.
Zur Fragebogenanpassung an jüngere Frauen wurden die Fragen zur manuellen Reponierung eines Deszensus zur Miktion und Defäkation herausgenommen. Neu aufgenommen wurden Fragen zum Stuhlschmieren als Erweiterung des Bereichs der analen Inkontinenz und Fragen zur Wahrnehmung der Blasen- bzw. Darmfüllung. Fragen zur Beeinflussung der Lebensqualität, der Inkontinenzmenge und der Dauer der Symptomatik wurden eingebracht. Es erfolgten Layoutveränderungen zur besseren Übersicht und Auswertbarkeit.
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Validität
Zur Prüfung der Inhaltsvalidität wurden explorative Interviews mit Hebammen, Urogynäkologinnen und Physiotherapeutinnen durchgeführt, um die Fragebogenkonstruktion und Frageformulierung zu überprüfen. Außerdem erfolgten Interviews mit nicht urogynäkologisch geschulten Frauen aus den Bereichen der Kommunikationswissenschaften und der Psychologie. Im Rahmen eines Pretestings erfolgte die mehrfache Adaptation des Fragebogens an die sprachlichen und kognitiven Anforderungen der Frauen. Fehlende Angaben im Fragebogen sollten pro Frage nicht mehr als 4 % betragen, ein höherer Wert lässt auf unverständliche Fragen schließen [12].
Die Konstruktvalidität wurde getestet, um sicherzustellen, dass der Fragebogen signifikant zwischen Frauen mit und ohne Beckenbodensymptomen diskriminieren kann [12]. Hierzu wurden die Domänenscores der Frauen mit und ohne Leidensdruck verglichen und auf den bereits aus den Validierungsstudien bekannten differenzierenden Unterschied von 1 („minimal important difference“) geprüft [11]. Der Leidensdruck wurde für die Blasen-, Darm-, Deszensus- und sexuellen Symptome mit der Frage „Wie sehr stören Sie Ihre Blasensymptome/Darmsymptome/Senkungssymptome/sexuellen Symptome?“ erfasst und konnten mit „nicht zutreffend – habe keine Symptome“, „überhaupt nicht“, „ein wenig“, „ziemlich“ und „sehr“ beantwortet werden. Die Angabe von „ein wenig“ wurde bereits als Leidensdruck bewertet und die Variable entsprechend dichotomisiert.
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Reliabilität
Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse aufgrund von Symptomausprägung und nicht von Messfehlern wurde mit der internen Konsistenz und der Test-Retest-Analyse geprüft. Die interne Konsistenz – die Stärke der Beziehungen der einzelnen Faktoren jeder Domäne zueinander – wurde mit Cronbachs Alpha geprüft [12], [13].
Die Test-Retest-Reliabilität zur Erfassung der Ergebnisstabilität des Fragebogens erfolgte im 3. Trimenon im Rahmen des Pretestings. Aufgrund der schnellen körperlichen Veränderungen in der Schwangerschaft wurde auf den sonst empfohlenen Zeitabstand von 2 Wochen verzichtet und die erneute Befragung in deutlich kürzerem Abstand durchgeführt [12], [14]. Der Grad der Übereinstimmung wurde mit Cohens Kappa [15] geprüft. Zusätzlich erfolgte die Überprüfung der individuumsgebundenen absoluten Übereinstimmung der Befragungsergebnisse im Test-Retest mittels Intraclass Correlation Coefficient ICC [16], [17].
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Reaktivität „sensitivity to change“
Die Sensitivität des Fragebogens, Veränderungen nach der Geburt und 1 Jahr postpartal zu erfassen, wurde über „distribution-based“-Methoden getestet. Hierfür erfolgte die Kalkulation von Effektgrößen über die mittlere Scoreveränderung und die Standardabweichung des Ausgangsscores [13] bzw. die Kalkulation der standardisierten Reaktionsmittel über die mittlere Scoreveränderung und die Standardabweichung der Veränderungen [18]. Es wurde somit überprüft, ob das Scoringsystem der Verlaufsbeurteilung dienen kann.
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Frauenkollektiv und Anwendung der Fragebögen
Die Rekrutierung der Frauen erfolgte im Rahmen von präpartalen Sprechstunden und Geburtsvorbereitungskursen in Berlin. Einschlusskriterien waren nullipare Frauen 18 Jahre oder älter und bisher unkomplizierte Schwangerschaft. Zu den Ausschlusskriterien gehörten unzureichende Deutschkenntnisse, Diabetes mellitus, neurologische Erkrankungen sowie fetale Fehlbildungen und andere Erkrankungen, welche die Compliance für die Fragebogenvalidierung beeinträchtigen könnten. Auf Basis der berechneten Effektgrößen bei der Validierung des „Deutschen Beckenboden-Fragebogen“ erfolgte eine Power-Kalkulation bzw. Fallzahlkalkulation. Mit einer Power von 80 % und einem α = 0,05 kann ab einer Stichprobengröße von n = 50 die Scoreveränderung in einer Domäne um 1 (minimal clinically important difference) signifikant dargestellt werden [11].
In [Abb. 1] ist der Ablauf der Studie mit Fragebogenentwicklung, Pretesting, eingeschlossenen Frauen sowie fehlenden Daten grafisch dargestellt. Der Fragebogen wurde im 3. Trimenon und dann 6 Wochen sowie 1 Jahr postpartal beantwortet. Für die Befragung 1 Jahr nach der Geburt wurde der Fragebogen per E-Mail verschickt. Alle Interviews und Fragebogenausgaben erfolgten durch die Erstautorin (MM).



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Risikofaktoren und Komorbidität
Die Beckenbodensymptomverläufe, Komorbiditäten und der Einfluss von Risikofaktoren wurden mit dem Mann-Whitney-U-Test, Kreuztabellen, binär logistischer und in einer multivariaten Regression auf Unabhängigkeit hin ausgewertet.
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Ergebnisse
Initial wurden 233 Frauen im 3. Trimenon rekrutiert. Sie waren im Median 31 (19–46) Jahre alt. Für die Befragung 6 Wochen nach der Geburt standen 148/233 (64 %) Frauen zur Verfügung. Von diesen 148 Frauen gebaren spontan vaginal 63 % (94/148), vaginal operativ 15 % (22/148) und 22 % (32/148) wurden per sectionem entbunden. Nach einem Jahr beantworteten 120/148 (62 %) Frauen den Fragebogen online oder per Post. Insgesamt füllten 109 Frauen den Fragebogen zu allen 3 Terminen aus. [Abb. 1] zeigt den Studienverlauf. Die meisten nicht mehr teilnehmenden Frauen waren nicht kontaktierbar oder füllten den Fragebogen nicht aus. Die im 1. Fragebogen angegebenen Beckenbodensymptome unterschieden sich nicht signifikant bei Frauen, die weiterhin teilnahmen, und denen, die nicht teilnahmen (Prävalenz von Harninkontinenz 46 vs. 51 %, anale Inkontinenz 24 und 24 %, Deszensussymptome 30 vs. 21 %, sexuelle Dysfunktion 69 vs. 64 %). Auch das mediane Alter und der BMI war nicht verschieden (31 Jahre sowie 26 und 27 kg/m2 im 3. Trimenon).
In [Abb. 2] sind die Prävalenzen von ausgesuchten typischen Beckenbodensymptomen in den 4 Domänen über die Befragungszeiträume zusammengefasst. Im 3. Trimenon gaben 49 % der Frauen eine Harninkontinenz an, vorrangig eine Belastungs- bzw. Mischinkontinenz (45 %). Aufgrund des Rückgangs der Belastungsinkontinenz im Wochenbett reduzierte sich die Harninkontinenz auf 36 %. Ein Jahr postpartal trat bei mehr als der Hälfte der Frauen eine Harninkontinenz auf.



Reliabilität – interne Konsistenz
Es zeigten sich gute bis sehr gute Werte für Cronbachs Alpha ([Tab. 1]). Da bei weniger als 10 Items in einer Domäne Cronbachs Alpha einen niedrigen Wert annehmen kann, wurden zusätzlich zur Bestimmung der Homogenität in der Domäne der Sexualfunktion die Mittelwerte für die Inter-Item-Korrelation berechnet, die mit 0,24 und 0,20 für die Befragungszeitpunkte in der Schwangerschaft und postpartal in einem sehr guten Bereich von 0,2 bis 0,4 lagen [6]. Cronbachs Alpha für die Entbindungsdomäne war 0,64 mit einem Mittelwert für die Inter-Item-Korrelation bei weniger als 10 Items von 0,29.
Blasenfunktion |
Darmfunktion |
Haltefunktion |
Sexualfunktion |
Entbindung |
|
---|---|---|---|---|---|
3. Trimenon |
0,78 |
0,79 |
0,77 |
0,65 |
– |
6 Wochen postpartal |
0,77 |
0,60 |
0,72 |
0,61 |
0,64 |
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Test-Retest-Reliabilität
Die Prüfung der Messstabilität des Fragebogens erfolgte in der Pretesting-Phase mit 47 Frauen, die den Fragebogen im 3. Trimenon der Schwangerschaft ausgefüllt hatten. In [Tab. 2] sind Cohens Kappa-Werte als Übereinstimmungskoeffizient und der ICC mit einem Konfidenzintervall von 95 % unter Angabe der unteren und oberen Werte für die jeweiligen Items in der absoluten Übereinstimmung und als Gesamtwert für den jeweiligen Funktionsbereich dargestellt. Die Werte lagen zwischen 0,43 als moderate Übereinstimmung und 0,96 als fast vollkommene Übereinstimmung. In der Blasendomäne lag der ICC zwischen 0,709 und 0,951, in der Darmdomäne zwischen 0,797 und 0,982, in der Haltefunktionsdomäne zwischen 0,658 und 0,883 und in der Sexualdomäne zwischen 0,644 bis 0,793 im akzeptablen Bereich.
Domäne/Frage |
Kappa |
ICC (95 %-KI) |
p |
---|---|---|---|
Blasenfunktion |
0,43–0,85 |
0,818 (0,709–0,951) |
< 0,001 |
Darmfunktion |
0,50–0,96 |
0,874 (0,797–0,982) |
< 0,001 |
Haltefunktion |
0,49–0,70 |
0,801 (0,658–0,883) |
< 0,001 |
Sexualfunktion |
0,47–0,64 |
0,732 (0,644–0,793) |
< 0,001 |
familiäre Prädisposition |
0,88 |
– |
< 0,001 |
Nikotin |
0,70 |
– |
< 0,001 |
Beckenbodenkontraktion |
0,67 |
– |
< 0,001 |
perinealer Schmerz |
0,80 |
– |
< 0,001 |
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Konstruktvalidität
Der Fragebogen diskriminierte über die jeweiligen Domänen-Symptomscores sowohl prä- als auch postpartal signifikant (p < 0,05) zwischen Frauen mit und ohne Leidensdruck ([Tab. 3]). Bei Frauen mit Leidensdruck sind die Symptomscores in der Blasen-Darm- und Deszensusdomäne um einen Scorepunkt signifikant höher als bei Frauen ohne Leidensdruck, was dem bereits etablierten minimal-bedeutsamen Unterschied (minimal important difference) entspricht [11].
Leidensdruck |
n |
Scorepunkte |
p |
||
---|---|---|---|---|---|
Blasenfunktion |
3. Trimenon |
nein |
160 |
1,5 (0,0–4,4) |
< 0,001 |
ja |
72 |
2,5 (0,6–6,4) |
|||
postpartal |
nein |
129 |
0,8 (0,0–3,3) |
< 0,001 |
|
ja |
16 |
1,9 (0,8–5,0) |
|||
Darmfunktion |
3. Trimenon |
nein |
171 |
1,7 (0,0–4,4) |
< 0,001 |
ja |
60 |
2,8 (1,7–5,0) |
|||
postpartal |
nein |
113 |
1,7 (0,6–3,9) |
0,037 |
|
ja |
34 |
2,2 (0,6–5,0) |
|||
Haltefunktion |
3. Trimenon |
nein |
210 |
0,0 (0,0–5,0) |
< 0,001 |
ja |
22 |
3,3 (0,0–6,7) |
|||
postpartal |
nein |
118 |
0,0 (0,0–5,0) |
< 0,001 |
|
ja |
22 |
3,3 (1,7–6,7) |
|||
Sexualfunktion |
3. Trimenon |
nein |
105 |
0,7 (0,0–4,3) |
0,045 |
ja |
29 |
1,4 (0,7–4,3) |
|||
postpartal |
nein |
70 |
0,0 (0,0–3,6) |
< 0,001 |
|
ja |
24 |
1,4 (0,7–3,6) |
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Inhaltsvalidität
Für keine der Fragen im endgültigen Fragebogen für schwangere und postpartale Frauen überstiegen fehlende Antworten 4 %.
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Reaktivität und Scoringsystem
In [Tab. 4] sind die Mittelwerte der Domänenscores und der Scoreveränderungen, die Effektgrößen und die standardisierten Reaktionsmittel aufgeführt. Der Fragebogen zeigte sich reaktiv gegenüber Veränderungen in der Schwangerschaft und postpartal mit statistisch signifikanten Scoreveränderungen (p < 0,01), insbesondere bei der Blasenfunktion.
Domänenscores |
MW Score T1 |
MW Score T2 |
MW Scoreänderung |
Effektgrößen |
standardisiertes Reaktionsmittel |
p |
---|---|---|---|---|---|---|
Blase – SchS – 6 Wo pp |
2,02 ± 1,1 |
0,93 ± 0,84 |
− 1,09 ± 0,31 |
1,00 |
1,14 |
0,000 |
Blase – 6 Wo pp- 1 a pp |
0,93 ± 0,84 |
1,07 ± 0,80 |
0,14 ± 0,68 |
0,16 |
0,21 |
0,072 |
Darm – SchS – 6 Wo pp |
2,03 ± 0,98 |
1,98 ± 1,06 |
− 0,06 ± 1,06 |
0,06 |
0,05 |
0,624 |
Darm – 6 Wo pp – 1 a pp |
1,98 ± 1,06 |
1,58 ± 1,05 |
− 0,39 ± 0,90 |
0,44 |
0,43 |
0,000 |
Desz. – SchS – 6 Wo pp |
0,44 ± 1,02 |
0,76 ± 1,31 |
0,32 ± 1,54 |
0,30 |
0,23 |
0,023 |
Desz. – 6 Wo pp – 1 a pp |
0,76 ± 1,31 |
0,86 ± 1,41 |
0,10 ± 1,42 |
0,07 |
0,07 |
0,482 |
Sex – SchS – 6 Wo pp |
0,94 ± 1,0 |
1,53 ± 1,1 |
0,59 ± 1,36 |
0,58 |
0,42 |
0,001 |
Sex – 6 Wo pp – 1a pp |
1,53 ± 1,1 |
0,84 ± 0,97 |
− 0,69 ± 1,17 |
0,60 |
0,59 |
0,000 |
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Risikofaktoren
In der univariablen Analyse konnten die familiäre Prädisposition, ein Alter über 35 Lebensjahren, ein BMI ab 25, Nikotinabusus und die subjektive Unfähigkeit, den Beckenboden willentlich zu kontrahieren, zu verschiedenen Befragungszeitpunkten als Risikofaktoren eruiert werden. In der Schwangerschaft erwies sich häufiger als 3-mal Sport pro Woche als ein protektiver Faktor gegenüber der analen Inkontinenz. Rückenschmerzen, schweres Heben, langes Sitzen und chronischer Husten waren dagegen keine Risikofaktoren.
Geburtsparameter wie Geburtsmodus, Geburtsverletzungen, Episiotomie, Naht, Wundschmerz, Geburtsgewicht, Stillen, die Teilnahme an einem Rückbildungskurs und deren Assoziation zu Symptomen der Beckenbodendysfunktion wurden analysiert. Bei einer vaginalen Geburt war gegenüber einer Sectio das Risiko, 6 Wochen post partum Harninkontinenzsymptome zu entwickeln, 3-fach erhöht (OR 2,7 [1,0–7,1]), 1 Jahr postpartal war jedoch kein erhöhtes Risiko mehr zu verzeichnen. Bei Deszensussymptomen erhöhte sich allerdings 1 Jahr nach der vaginalen Geburt das Risiko von OR 5,1 (1,1–23,2) 6 Wochen postpartal auf OR 8,2 (1,9–36,2). Die Ergebnisse der multivariablen logistischen Regression sind in [Tab. 5] zusammengefasst.
Befragungszeitpunkt |
Risikofaktoren |
Regressionskoeffizient B |
p |
OR (KI) |
|
---|---|---|---|---|---|
Harninkontinenz |
3. Trimenon |
Unfähigkeit BBK |
1,554 |
0,032 |
4,7 (1,1–19,6) |
fam. Prädisposition |
0,748 |
0,049 |
2,1 (1,0–4,5) |
||
BMI 25+ |
0,671 |
0,022 |
2,0 (1,1–3,5) |
||
6 Wochen postpartal |
BMI 25+ |
1,111 |
0,008 |
3,0 (1,3–6,9) |
|
1 Jahr postpartal |
fam. Prädisposition |
1,207 |
0,036 |
3,3 (1,1–10,3) |
|
Alter 35+ |
1,323 |
0,022 |
3,8 (1,2–11,6) |
||
anale Inkontinenz |
3. Trimenon |
Unfähigkeit BBK |
1,554 |
0,022 |
4,7 (1,2–18,0) |
fam. Prädisposition |
0,865 |
0,026 |
2,4 (1,1–5,1) |
||
Sport > 3×/Woche |
− 0,685 |
0,040 |
0,5 (0,3–1,0) |
||
1 Jahr postpartal |
Alter 35+ |
1,029 |
0,020 |
2,8 (1,2–6,6) |
|
Unfähigkeit BBK |
1,125 |
0,015 |
3,1 (1,2–7,6) |
||
Deszensus |
6 Wochen postpartal |
Nikotinabusus |
0,719 |
0,049 |
2,1 (1,0–4,2) |
1 Jahr postpartal |
fam. Prädisposition |
1,181 |
0,016 |
3,3 (1,3–8,5) |
|
sexuelle Dysfunktion |
3. Trimenon |
Unfähigkeit BBK |
0,920 |
0,012 |
2,5 (1,2–5,1) |
Nikotinabusus |
0,951 |
0,008 |
2,6 (1,3–5,2) |
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Diskussion
Der speziell für schwangere und postpartale Frauen modifizierte selbstadministrierte Beckenbodenfragebogen zeigte sich zuverlässig, valide und reaktiv. Der hier entwickelte Fragebogen ist eine adaptierte Version des an urogynäkologischen Patientinnen validierten Deutschen Beckenbodenfragebogens [9], [11]. Der Deutsche Beckenbodenfragebogen wurde als Grundlage gewählt, da er selbstadministriert in 42 Fragen mit separaten Skalen Symptome aller Beckenbodenfunktionsbereiche, unterer Harntrakt-, Darm-, Halte-, und Sexualfunktion mit Schweregrad, Häufigkeit und jeweils die Beeinflussung der Lebensqualität erfasst. Weitere deutschsprachige validierte Fragebögen, die alle Bereiche der Beckenbodendysfunktion erfassen oder hinsichtlich Schwangerschaft und Geburt psychometrisch getestet wurden, existierten nicht. Auch in der internationalen Literatur wurden trotz einer Vielzahl von validierten Fragebögen zur jeweiligen Erfassung von Harn- oder Stuhlinkontinenz, Deszensussymptomen oder sexueller Dysfunktion keine Instrumente gefunden, die für schwangere oder postpartale Frauen entwickelt wurden.
Die interne Konsistenz – also die Stärke der Beziehungen der einzelnen Faktoren jeder Domäne zueinander – wurde mittels Cronbachs Alpha erfasst. Es zeigten sich akzeptable bis gute Werte. Für die Sexualfunktion und die Entbindungsdomäne wurden zusätzlich die Mittelwerte für die Inter-Item-Korrelation berechnet, da bei einer Itemzahl < 10 Cronbachs Alpha einen niedrigen Wert annehmen kann. Die Inter-Item-Korrelationen lagen zwischen 0,20 und 0,29 und damit im Optimalbereich von 0,2 bis 0,4. Der Gesamtwert des Fragebogens für Cronbachs Alpha lag mit 0,69 im Bereich für empfehlenswerte Befragungsinstrumente [12], [13]. Eine Überprüfung der Domäne der Risikofaktoren erfolgte nicht, da keine Beziehungen der sehr unterschiedlichen Punkte (Beckenboden-Willkürkontraktion, familiäre Prädisposition, Nikotinabusus) zu erwarten waren. Des Weiteren wurden die objektivierbaren Risikofaktoren BMI und Alter keiner Reliabilitätsprüfung unterzogen.
Für die Anwendung eines Fragebogens in einer longitudinalen Studie ist die Stabilität des Befragungsinstruments von Bedeutung. Mangelnde Stabilität kann zu einer Fehlinterpretation der Symptomfluktuation durch Progress und Remission sowie Ausprägung der Symptomstärke und -frequenz führen. Aufgrund des zu erwartenden starken Einflusses von Schwangerschaft und Geburt erfolgte die Überprüfung der Kurzzeit-Test-Retest-Reliabilität nicht im Befragungsabstand von 14 Tagen, sondern mit einem Zeitabstand von einem Tag. Die Werte der Übereinstimmungskoeffizienten der Test-Retest-Befragung ergaben mit 0,43 bis 0,96 eine moderate bis fast vollkommene Übereinstimmung. Die Intraclass-Correlation-Coefficients lagen für die Domänenscores über 0,7 im akzeptablen bis exzellenten Bereich.
Die Konstruktvalidität konnte über signifikante Unterschiede zwischen den Domänen-Symptomscores bei Frauen mit und ohne Leidensdruck gezeigt werden. Bei Frauen mit Leidensdruck ist der Symptomscore der Blasenfunktion 1,0–1,1 Scorepunkte (Schwangerschaft und postpartal) signifikant höher als bei Frauen ohne Leidensdruck, bei der Darmfunktion 0,5–1,1 Scorepunkte, bei der Haltefunktion 3,3 Scorepunkte und bei der Sexualfunktion 0,7–1,4 Scorepunkte. Diese Scoreunterschiede stimmen mit den Angaben der Minimal important Difference in den einzelnen Domänen überein [11]. Generell erscheint die Erfassung des Leidensdrucks ein gutes Mittel zu sein, um symptomatische Frauen einer Behandlung zuzuführen. Ein bestimmter Dysfunktionsscore im Fragebogen muss hierfür nicht erreicht werden.
Die Konstruktvalidität und die interne Konsistenz wurden für den Fragebogen 6 Wochen, aber nicht mehr 1 Jahr postpartal angegeben. Der postpartale Fragebogen wurde so zusammengestellt, dass er auch 3 oder 12 Monate nach der Geburt angewendet werden kann. Zu diskutieren wäre im weiteren Verlauf nach einer Geburt dann die Anwendung eines für die allgemeine Bevölkerung oder für urogynäkologische Patientinnen validierten Instruments.
Auf die Testung der konvergenten Validität wurde für diesen Fragebogen verzichtet, da kein anderer auf Deutsch validierter Fragebogen zum Vergleich herangezogen werden konnte. Für den Deutschen Beckenbodenfragebogen für urogynäkologische Patientinnen konnte die konvergente Validität über die Prüfung der abgefragten Symptome und der klinischen Einschätzung des Deszensus nach IUGA/ICS-Standardisierung sowie mit den Ergebnissen von Stresstest und Urodynamik gezeigt werden [9].
Die Inhaltsvalidität konnte durch eine Beantwortungsrate von mehr als 96 % der jeweiligen Fragen bestätigt werden. Des Weiteren wurden im Vorfeld die Identifizierung von Symptomen, die Überprüfung des Fragebogens als Konstrukt und die fundierte Formulierung der Items über Experteninterviews vorgenommen.
Die Reaktivität des Fragebogens (Sensitivität gegenüber Veränderungen) zeigte sich vom Befragungszeitpunkt im 3. Trimenon gegenüber allen folgenden Befragungen 6 Wochen und 1 Jahr postpartal in allen Domänen. Die prospektiv erhobenen longitudinalen Daten über Beckenbodensymptome weisen den aus internationalen Studien bekannten Symptomverlauf auf [19], [20], [21]. Bei der Blasenfunktion ergaben sich die stärksten Scoreveränderungen, sowohl aufgrund der Häufigkeit in der Schwangerschaft als auch aufgrund des Symptomrückgangs post partum. Die Rate an Frauen, die nicht teilnahmen, war relativ hoch (25 % 6 Wochen und 38 % 1 Jahr postpartal), was jedoch nicht selten ist bei Fragebogenerhebungen [22], [23]. Die Analyse der demografischen Daten und der Beckenbodensymptome beim initialen Befragungszeitpunkt in der Schwangerschaft zeigte für weiterhin teilnehmende und nicht teilnehmende Frauen keine signifikanten Unterschiede. Dies kann sicher als Schwäche dieser Studie gewertet werden, obwohl die eigentliche Fragebogenvalidierung davon nicht abhängig ist.
Die für postmenopausale Frauen etablierten Risikofaktoren zeigten auch in der Schwangerschaft und post partum eine signifikante Assoziation mit dem Auftreten von Beckenbodendysfunktionen: familiäre Prädisposition, ein Alter von über 35 Lebensjahren bei der Geburt, ein BMI ab 25 und Nikotinabusus. Zusätzlich war die subjektive Unfähigkeit, den Beckenboden willentlich zu kontrahieren, mit Beckenbodenproblemen vergesellschaftet. Als protektiver Faktor erwies sich Sport häufiger als 3-mal pro Woche. Ein Teil dieser Faktoren ist modifizierbar und hierin liegt die Bedeutung des Risikomoduls. Frauen können gezielt über ihr erhöhtes Risiko aufgeklärt werden. Und wenn sie übergewichtig sind, rauchen oder den Beckenboden nicht gezielt anspannen können, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Neben der Eigenverantwortung der Frauen für ihren Lebensstil sollten die betreuenden Frauenärztinnen und -ärzte ggf. eine spezifische Beckenbodenrehabilitation verschreiben. Interessanterweise erhöhte die vaginale Geburt nur bei der Befragung 6 Wochen post partum das Risiko für eine Harninkontinenz, nicht mehr 1 Jahr postpartal.
Bei den Teilnehmerinnen dieser Studie konnten keine Geburtsparameter als Risikofaktoren eruiert werden bis auf den postpartalen Wundschmerz, dessen Bedeutung in unserem Setting ungeklärt ist. Hier scheint es 1 Jahr nach der Geburt eher um die emotionale Verarbeitung der Schmerzen peripartal zu gehen.
Eine Stärke dieser Studie ist das relativ homogene Frauenkollektiv, was zugleich eine Schwäche ist, da der Fragebogen hier nur bei primiparen Frauen angewendet wurde. Primiparae wurden gewählt, um die Symptomveränderungen und mögliche Risikofaktoren darstellen zu können. Im postpartalen Modul des endgültigen Fragebogens wird jedoch auf vorangegangene Geburten eingegangen, damit der Fragebogen für alle Frauen anwendbar ist. Eine weitere Stärke der Studie ist, dass das Kollektiv von einer Person befragt wurde, sodass unterschiedliche Fragetechniken z. B. bei der initialen Fragebogenentwicklung keine Rolle spielten.
Obwohl für die Reliabilitätsprüfung des Fragebogens nur 50 Frauen notwendig waren, sind deutlich mehr Frauen rekrutiert worden, da ein weiteres Ziel die Erhebung von Risikofaktoren war und eine hohe Ausfallrate eingerechnet wurde.
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Schlussfolgerung
Ein validierter Fragebogen für die Erfassung von Risikofaktoren und Symptomen einer Beckenbodenfunktionsstörung, deren Häufigkeit, Stärke und Beeinflussung der Lebensqualität in der Schwangerschaft und postpartal steht nun zur Verfügung. Das Scoringsystem ermöglicht die Verlaufsbeurteilung. Der Einfluss von Risikofaktoren wurde analysiert und in einer neu entwickelten Risikodomäne zusammengefasst.
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