Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 340-351
DOI: 10.1055/s-0043-103970
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Umsetzung der Empfehlung zur Impfung schwangerer Frauen gegen saisonale Influenza – Quoten und Akzeptanz

Article in several languages: English | deutsch
Sascha Baum
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Lübeck, Germany
4   Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
,
Thomas Hitschold
2   Frauenklinik des Klinikums Worms, Worms, Germany
,
Anouck Becker
3   Institut für Virologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
,
Sigrun Smola
3   Institut für Virologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
,
Erich Solomayer
4   Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
,
Achim Rody
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Lübeck, Germany
,
Jürgen Rissland
3   Institut für Virologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Sascha Baum
UKSH Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Haus 12, Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Germany

Publication History

received 04 January 2017
revised 14 February 2017

accepted 15 February 2017

Publication Date:
26 April 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung In Deutschland werden die Impfempfehlungen jährlich von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (= STIKO) überarbeitet und veröffentlicht. Im Jahre 2010 wurde die Impfempfehlung dahin gehend geändert, dass nun schwangere Frauen ab dem 2. Trimenon und solche mit zusätzlicher Grunderkrankung bereits ab dem 1. Trimenon die Impfung gegen saisonale Influenza erhalten sollten. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Impfquote und den Faktoren, die diese beeinflussen.

Methode Hierzu wurde in den beiden Influenzasaisons 2012/2013 und 2013/2014 eine Querschnittsstudie an 2 Level-1-Perinatalzentren in 2 verschiedenen Bundesländern (Saarland und Rheinland-Pfalz) mit insgesamt 253 schwangeren Frauen durchgeführt. Schwangere wurden mittels standardisiertem und vorgetestetem Fragebogen bezüglich ihres Kenntnisstands zur Impfempfehlung der saisonalen Influenza und eventueller, die Impfentscheidung beeinflussender Faktoren befragt. Weiterhin wurden Daten aus dem Impfpass und dem Mutterpass ausgewertet.

Ergebnisse Insgesamt war bei 19,5 % der Graviden eine Influenzaimpfung in der Schwangerschaft angegeben. Eine signifikant hohe Influenza-Impfbereitschaft zeigte sich mit 43,3 % in der Gruppe der Schwangeren, die bereits vor der Schwangerschaft Influenzaimpfungen erhalten hatten. Eine noch höhere und auch signifikante Impfquote fand sich mit 49,4 % bei den Schwangeren, die diese Impfung durch ihren Frauen- oder Hausarzt empfohlen bekommen haben. Im Gegensatz dazu waren nur 3,3 % der Graviden gegen Influenza geimpft, die diese Empfehlung nicht durch ihren Arzt erhalten haben.

Diskussion Die ungenügende Anwendung der Empfehlung zur Influenza-Schutzimpfung bei Schwangeren sowie die mangelnde Vorerfahrung der Graviden mit dieser Impfung sind Hauptgründe für eine mangelnde Impfbereitschaft gegen Influenza in der Schwangerschaft.

Schlussfolgerung Einer der Hauptpunkte um die Influenzaimpfrate zu erhöhen, besteht in der Beratungsintensivierung der Schwangeren durch die Gynäkologen.


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Einleitung

In Deutschland werden die Impfempfehlungen jährlich von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (kurz: STIKO) überarbeitet und veröffentlicht [1]. In den 2010 veröffentlichten Impfempfehlungen der STIKO war die Erweiterung hinsichtlich der saisonalen Influenzaimpfung auch für Schwangere ab dem 2. Trimenon empfohlen. Gravide mit zusätzlich vorliegender Grunderkrankung sollten die Impfung bereits im 1. Trimenon erhalten [2]. Da es sich bei dem Influenza-Impfstoff um einen Totimpfstoff handelt, ist die Impfung schwangerer Frauen zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft möglich. Die Empfehlung der STIKO, gesunde Schwangere erst ab dem 2. Trimenon zu impfen, ist darin begründet, dass es im 1. Trimenon häufig zum Auftreten von Spontanaborten kommt und diese nicht in Zusammenhang mit der Influenzaimpfung gebracht werden sollen [3].

Die meisten Untersuchungen zur Morbidität, Mortalität und dem Krankheitsverlauf bei Schwangeren mit einer Influenzainfektion wurden während der Influenzapandemien 1918, 1957 und 2009 durchgeführt. Schwangere Frauen erkranken zwar nicht häufiger an Influenza als Nichtschwangere, jedoch sind sie im Falle einer Influenza signifikant häufiger hospitalisierungsbedürftig aufgrund eines erhöhten Risikos zur Entwicklung influenzabedingter Komplikationen [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Im Vergleich zur Normalbevölkerung lag das Hospitalisierungsrisiko bei Schwangeren während der H1N1-Pandemie von 2009 in den USA bei 0,32/100 000 Schwangeren vs. 0,08 pro 100 000 der Normalbevölkerung. Schwangere hatten somit ein mehr als 4-fach höheres Risiko, aufgrund einer Influenza A (H1N1) im Vergleich zur Normalbevölkerung hospitalisiert zu werden [7]. Zum anderen ist bei Schwangeren mit Influenzainfektion das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt deutlich erhöht, wobei umfassende Daten lediglich im Rahmen von Influenzapandemien erhoben werden konnten [6], [7], [8], [9], [10], [11]. Mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine mütterliche Influenzainfektion während der Schwangerschaft nicht nur mit einem erhöhten Spontanabortrisiko einhergeht, sondern auch mit einer vorzeitigen Entbindung, niedrigerem Geburtsgewicht, einer erhöhten Rate an SGA-Kindern und erhöhter fetaler Sterblichkeit [8], [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15], [16], [17], [18].

Während der Pandemie von 1918 in den USA und dem United Kingdom konnte gezeigt werden, dass Schwangere eine höhere Rate sekundärer Pneumonien und auch eine höhere Sterblichkeit gegenüber der Normalbevölkerung aufwiesen [19], [20], [21]. Eine erhöhte Sterblichkeit von schwangeren Frauen gegenüber nicht Schwangeren im gebärfähigen Alter konnte auch während der Pandemie von 1957 festgestellt werden [22], [23].

Während dieser beiden Influenzapandemien traten bei 50 % der Schwangeren eine Pneumonie auf, die mit einer mütterlichen Mortalitätsrate von 50 % und einer Gesamtrate an verlorenen Schwangerschaften von 52 % einherging [24], [25], [26]. Bei allen registrierten Todesfällen der Influenza-A-Infektion im Jahre 2009 in den USA lag der Anteil der Schwangeren bei 5 %. Bei den Schwangeren, die intensivmedizinisch betreut werden mussten, lag die Sterblichkeit bei 20 %. Davon waren 8,9 % im 1. Trimenon, 26,8 % im 2. Trimenon und 64,3 % im 3. Trimenon [27].

Kelly et al. gaben für Schwangere ein relatives Risiko von 1,4 an, im Vergleich zur Normalbevölkerung an einer H1N1-Influenza-Infektion zu versterben [28].

Die Angaben zur Mortalität der aufgrund einer Influenzainfektion hospitalisierten Schwangeren lag zwischen 3,6 und 20 % [27], [29], [30], [31].

In 2 Metaanalysen wurde errechnet, dass ein relatives Risiko von 6,8 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 4,5–12,3) für eine Hospitalisierung bzw. ein signifikant erhöhtes Risiko für einen stationären Aufenthalt in Bezug zu Nichtschwangeren mit einer Odds Ratio (OR) von 2,44 (95 %-KI 1,22–4,87) besteht [32], [33].

Eine weitere Untersuchung gibt eine influenzabedingte Morbidität bei Schwangeren im 3. Trimenon, die zu einer Hospitalisierung führt, von 2,5 pro 1000 Schwangeren im letzten Schwangerschaftsdrittel an [34].

Cox et al. konnten während der Influenzasaison 1998/1999 und 2001/2002 eine Morbidität von Atemwegserkrankungen, die zur Hospitalisierung der Schwangeren führten, von 22,3 pro 1000 feststellen, was dem Doppelten im Vergleich zu dem außerhalb der Influenzasaison entspricht [35].

Eine Untersuchung aus Kanada ist eine der wenigen, welche die Hospitalisierungsrate Schwangerer außerhalb von Pandemien untersuchte. Hier konnte gezeigt werden, dass die Hospitalisierungsrate bei Schwangeren im 3. Trimenon während der Influenzasaison 5-mal höher ist als bei Nichtschwangeren. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Hospitalisierungsrate unter Schwangeren während der Influenzasaison mehr als doppelt so hoch ist wie außerhalb der Influenzasaison [36].

Eine Influenzaimpfung in der Schwangerschaft gilt prinzipiell als unbedenklich, da es sich um einen Totimpfstoff handelt. Es existieren keinerlei Anhaltspunkte für Teratogenität. Ferner konnten durch die Impfung die oben beschriebenen Komplikationen in einigen Studien sogar signifikant gesenkt werden [8], [37], [38], [39], [40], [41], [42], [43], [44]. Weiterhin hat die Influenzaimpfung einen protektiven Effekt auf das ungeborene Kind aufgrund der diaplazentaren Übertragung mütterlicher Antikörper [39], [40], [41], [42], [43], [44], [45], [46]. Diese Antikörper zirkulieren im Blut des Säuglings etwa bis zum 4. Lebensmonat und gewährleisten in dieser Zeit einen gewissen Infektionsschutz, zu dessen Aufbau das kindliche Immunsystem noch nicht in der Lage ist [44].

Aus diesen Tatsachen lässt sich schlussfolgern, dass durch die Impfung gegen die saisonale Influenza die Zahl der Erkrankungen und damit auch die Zahl der Hospitalisierungen und der schweren Krankheitsverläufe, mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung, reduziert werden kann. Für das ungeborene Kind können sich durch die Impfung Vorteile durch eine eventuelle Senkung der Rate an Frühgeburten und auch an SGA-Geburten ergeben. Postpartal kann durch die diaplazentare Übertragung der mütterlichen Antikörper auf den Feten so ein gewisser Schutz des Neugeborenen gegen eine Influenzainfektion erzielt werden. Somit ergeben sich aus der Impfung gegen die saisonale Influenza für die Schwangere und das ungeborene sowie das neugeborene Kind zahlreiche Vorteile, bei sehr überschaubarer Risikosituation.

Bislang existieren kaum Daten in Deutschland, inwiefern die Änderung der Impfempfehlungen aus dem Jahre 2010 von den Schwangeren angenommen wurde.

Fast alle Daten bezüglich der Morbidität und Mortalität sowie des Krankheitsverlaufs bei Schwangeren gehen aus den Influenzapandemien von 1918, 1957 und 2009 hervor.

Daten zur Morbidität und Mortalität der saisonalen Influenza bei Schwangeren werden in Deutschland nicht systematisch erhoben. So besteht auch nur eine Meldepflicht, wenn die Influenza labortechnisch nachgewiesen wurde.

Mit dieser Untersuchung sollte zum einen die Akzeptanz der Influenza-Impfempfehlungen bei Schwangeren untersucht werden und zum anderen Einflussfaktoren bestimmt werden, die für oder gegen eine Impfung sprechen.


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Methoden

Befragungsmodalitäten

Von Dezember 2012 bis Februar 2014 wurde an der Universitätsfrauenklinik in Homburg/Saar und von Februar 2013 bis Februar 2014 an der Frauenklinik des Klinikums Worms diese Untersuchung zur Erhebung des Influenza-Impfstatus in der Schwangerschaft durchgeführt. Alle Schwangeren, die sich in diesen beiden Frauenkliniken im Kreißsaal bzw. der Pränatalambulanz vorstellten, wurden gebeten, einen standardisierten und vorgetesteten Fragebogen zu beantworten ([Abb. 1]) sowie ihren Impfpass mitzubringen. Im Hauptbefragungszeitraum, dem Jahr 2013, hatte die Klinik in Homburg/Saar 1286 und die Klinik in Worms 1585 Geburten.

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Abb. 1  Fragebogen zur Erhebung der Einflussfaktoren auf den Impfstatus.

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Erhobene Parameter

Es wurde mittels des Fragebogens erhoben, ob allgemeine Erkrankungen wie bspw. Herz-, Lunge- oder Darmerkrankungen oder ein Hypertonus oder Diabetes vorlagen. Weiterhin wurde nach einer Präeklampsie und eventuellen Infektionserkrankungen gefragt. Allgemeine Daten wie der Beruf der Schwangeren und ob Sport vor oder während der Schwangerschaft getrieben wurde, wurden ebenso eruiert. Bei den spezifischen Fragen zur Impfsituation wurde gefragt, ob Impfungen in der Schwangerschaft, Grippeschutzimpfungen im Speziellen in oder bereits auch schon vor der Schwangerschaft durchgeführt wurden und von wem die Grippeschutzimpfung eventuell empfohlen wurde. Auch nach eventuellen negativen Erfahrungen mit der Grippeschutzimpfung wurde gefragt.

Nach den eventuellen Gründen einer Ablehnung der Influenzaimpfung wurde in Form einer offenen Frage gefragt.

Ferner wurden Daten aus dem Mutterpass und dem Impfausweis der Frauen mit deren schriftlicher Zustimmung erhoben ([Tab. 1]).

Tab. 1  Aus Mutterpass und Impfpass erhobene Daten.

Mutterpass

Impfpass

  • Gewicht vorher

  • BMI

  • wievielte Gravidität

  • besonderes

  • Vorerkrankungen

  • familiäre Belastung

  • Neuerkrankung

  • besondere Belastungen

  • Mehrlinge

  • Fruchtwasser

  • Immunität gegen Röteln

  • Chlamydien

  • LSR erfolgt

  • HBsAg positiv

  • Pneumokokken

  • Meningokokken

  • Influenza; Datum der letzten Impfung

  • TBC

  • Gelbfieber

  • Cholera

  • Typhus abd.

  • HPV

  • FSME

  • Tollwut

  • Virus der japanischen B-Enzephalitis

  • Pocken

Als Einflussfaktoren auf die Durchführung einer Influenzaimpfung in der Schwangerschaft wurden das Alter der Patientinnen, der BMI, die Gravidität, die Durchführung von Sport, ob die Patientin in der Schwangerschaft eine Empfehlung zur Durchführung der Impfung erhalten hatte, eventuelle Vorerkrankungen, ob vor der Schwangerschaft eine Grippeimpfung durchgeführt wurde, die Durchführung einer NT-Messung, die Ausbildung und die Tätigkeit in Gesundheitsberufen abgefragt.

Um zu überprüfen, ob bei Frauen mit einem erhöhten BMI häufiger eine Influenza-Impfempfehlung ausgesprochen wurde, erfolgte eine Einteilung in 2 Gruppen nach den Kriterien der WHO [47]. Als normalgewichtig wurden Frauen mit einem BMI (Body-Mass-Index) bis 24,99 kg/m2 und ab einem BMI von 25,00 kg/m2 als übergewichtig gewertet.


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Darstellung des Kollektivs

Insgesamt nahmen an der Befragung in der Universitätsfrauenklinik in Homburg 187 Schwangere und in der Frauenklinik des Klinikums Worms 66 Gravide teil. Dies ergab ein Gesamtkollektiv von 253 Schwangeren. Von diesen 253 Schwangeren konnte bei 236 Frauen (= 93,28 %) jeweils eine verwertbare Aussage zur Impfentscheidung bezüglich der saisonalen Influenzaimpfung erhoben werden. Somit konnte bei 17 Fragebogen nicht die Frage nach der Influenzaimpfung beantwortet werden.

Der Schwerpunkt lag bei dieser Studie auf dem Wissen zur Influenzaimpfung sowie auf den Einflussfaktoren für oder gegen eine Impfentscheidung. Diese Impfentscheidungen bzw. Impfempfehlungen wurden dann in Korrelation zu den abgefragten Parametern gesetzt.

Bei den Fragebogen kam es immer wieder vor, dass einzelne Fragen von den Patientinnen nicht beantwortet wurden. Diese fehlenden Angaben zu den einzelnen Parametern wurden dann bei der Auswertung von der Gesamtstichprobenzahl abgezogen. Die Prozentangaben beziehen sich somit auf die jeweils geänderte Gesamtzahl.


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Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung wurde mittels des Statistikprogramms IBM® SPSS® Statistics 21.0 durchgeführt.

Als statistische Tests kamen der Kolmogorov-Smirnov-Test, der Mann-Whitney-U, der exakte Test nach Fisher sowie der χ2-Test zum Einsatz.

Zur Überprüfung einer Variablen auf Normalverteilung wurde der Kolmogorov-Smirnov-Test verwendet. Der Mann-Whitney-U-Test wurde zum Aufdecken eines Unterschieds in der Verteilung einer kontinuierlichen Variablen in 2 Gruppen, der exakte Test nach Fisher sowie der χ2-Test zur vergleichenden Untersuchung der Verteilung einer nominalen Variablen in 2 Gruppen, eingesetzt.

Eine statistische Signifikanz wurde erreicht bei einem p-Wert < 0,05.

Nummer des Ethikvotums: 144/14


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Ergebnisse

Durchgeführte Influenzaimpfung in der Schwangerschaft

Von dem Kollektiv an beiden Kliniken (n = 236 Frauen) lag lediglich bei 46 (19,5 %) eine dokumentierte Influenzaimpfung in der Schwangerschaft vor.

Differenzierter betrachtet zeigte das Kollektiv aus Rheinland-Pfalz (= Worms) mit 28,6 % eine deutlich höhere Impfbereitschaft als dies in der saarländischen Gruppe mit 16,2 % (= Homburg) der Fall war.


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Normalverteilung

Die Normalverteilung des Gesamtkollektivs und der Untergruppen wurde mittels Kolmogorov-Smirnov-Test überprüft. Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Normalverteilung beschreibt eine Gaußʼsche Kurve. Hier gibt die Standardabweichung (= SD) an, wie viel Prozent der Messwerte sich um den Mittelwert verteilen. Exemplarisch ist in [Abb. 2] die Normalverteilung des Alters der Patientinnen des Gesamtkollektivs (n = 253) grafisch dargestellt.

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Abb. 2  Grafische Darstellung der Normalverteilung des Alters im Gesamtkollektiv (n = 253).

Eine Normalverteilung lag bei den Parametern Alter, BMI und Gravidität vor. In [Tab. 2] sind jeweils die Mittelwerte und die Standardabweichungen des Gesamtkollektivs bezüglich der Parameter Alter, BMI und Graviditäten aufgelistet. Die übrigen Parameter wurden mittels Entscheidungsfragen abgefragt und ließen somit nur eine Ja-/Nein-Antwort zu.

Tab. 2  Parameter mit Normalverteilung.

Parameter

Gesamtkollektiv n

Mittelwert

Standardabweichung

Alter

253

31,34

4,679

BMI

117

24,54

5,089

Graviditäten

187

1,75

1,013


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Zusammenhang zwischen Alter und durchgeführter Influenzaimpfung

Das Durchschnittsalter des normalverteilten Gesamtkollektivs der 253 Teilnehmerinnen lag bei 31,34 Jahren (SD = 4,7). Bei der Altersverteilung der Schwangeren zeigte sich, dass das Kollektiv der Schwangeren, die sich für die Influenzaimpfung (n = 46), entschieden hatten, ein Durchschnittsalter von 32,6 Jahren (SD = 4,5) aufwiesen, während die Graviden, die diese Impfung ablehnten (n = 190), im Durchschnitt 30,9 Jahre (SD = 4,5) alt waren. Somit zeigte sich im Gesamtkollektiv der Frauen, die Angaben zum Impfstatus machten (n = 236; Durchschnittsalter 31,2 Jahre; SD = 4,6), kein signifikanter Unterschied (p = 0,6) zwischen den Gruppen.

Während sich beim mittleren Alter im Homburger Kollektiv kein signifikanter Unterschied zwischen den akzeptierenden und den ablehnenden Schwangeren zeigte (p = 0,47), war das Ergebnis in Worms signifikant (p = 0,01). In Worms war das mittlere Alter derer, die sich gegen Influenza impfen ließ, mit 32,8 Jahren höher (SD = 4,8) im Vergleich zu 29,2 Jahren (SD = 4,4) bei den Schwangeren, die eine Influenzaimpfung ablehnten.


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Zusammenhang zwischen Gravidität und dokumentierter Influenzaimpfung

52,9 % (n = 99) der Befragten waren erstmalig schwanger. Im Kollektiv zeigte sich, dass mit 21,7 % (n = 18) ein höherer Anteil der Mehrgebärenden, im Vergleich zu den Erstgebärenden mit 14,1 % (n = 13), sich in der Schwangerschaft impfen ließ. Dieser Trend war nicht statistisch signifikant (p = 0,135).


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Zusammenhang zwischen BMI (= Body-Mass-Index) und durchgeführter Influenzaimpfung

Weder im Gesamtkollektiv (n = 107) noch in den Untergruppen war ein signifikanter Zusammenhang zwischen BMI und Impfverhalten zu erkennen. In allen Kollektiven zeigte sich, dass sich eher Frauen mit einem höheren BMI für die Grippeschutzimpfung entschieden hatten. Der mittlere BMI der Geimpften im Gesamtkollektiv (n = 17) lag bei 27,1 kg/m2 (SD = 7,8) im Vergleich zu 24,2 kg/m2 (SD = 4,6) bei denen, welche die Influenzaimpfung nicht durchführen ließen (n = 90; p = 0,099).


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Zusammenhang zwischen BMI und Empfehlung zur Durchführung der Influenza-Schutzimpfung

Zur Überprüfung, ob Frauen mit einem erhöhten BMI häufiger die Durchführung der Influenza-Schutzimpfung empfohlen bekommen hatten, wurde eine Unterteilung in 2 Gruppen vorgenommen. Eine Gruppe stellten die Normal-/Untergewichtigen (BMI bis 24,99 kg/m2) und die andere Gruppe die der Übergewichtigen (BMI ab 25,00 kg/m2) dar. Hier zeigte sich, dass in dem Gesamtkollektiv (n = 117) der Frauen, bei denen der BMI ermittelt werden konnte, 63,25 % (n = 74) der Schwangeren normal- bzw. untergewichtig waren und 36,75 % (n = 43) laut der WHO-Definition ein Übergewicht aufwiesen. Bei 49 dieser Schwangeren konnte der Status einer Impfempfehlung erhoben werden. Hier zeigte sich, dass bei 29 der normal- oder untergewichtigen Schwangeren und 20 der Übergewichtigen eine Influenzaimpfung während der Schwangerschaft empfohlen wurde. Somit wurde bei 39,19 % der Norm- bzw. Untergewichtigen und bei 46,51 % der übergewichtigen Schwangeren seitens der Ärzte bzw. Hebamme die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft empfohlen. Dieser Unterschied zeigt einen nicht signifikanten p-Wert von 0,13.


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Zusammenhang zwischen dem Erhalten einer Impfempfehlung und dokumentierter Influenzaimpfung

Von den 240 Frauen der Gesamtpopulation, die Angaben zum Erhalt einer Impfempfehlung machten, gaben 65,4 % (n = 157) an, nicht über die Möglichkeit der Influenzaimpfung informiert worden zu sein.

Von den über die Impfempfehlung in der Schwangerschaft aufgeklärten 83 Frauen (= 34,6 %) wurden 28,3 % (n = 68) nur durch den Frauenarzt und 1,7 % (n = 4) sowohl durch den Frauenarzt als auch durch den Hausarzt über die Impfoption aufgeklärt. Bei 2,5 % (n = 6) der Schwangeren erfolgte die alleinige Aufklärung über die Möglichkeit der Influenzaimpfung durch den Hausarzt.

Weitere Informationsquellen für 2,1 % (n = 5) der Informierten waren der Betriebsarzt sowie die in der Klinik tätigen Ärzte und die Hebammen.

Bei Betrachtung der Untergruppen zeigten sich deutliche Unterschiede bezüglich der Informationssituation an den beiden Erhebungsstandorten. Während im Homburger Kollektiv 27,8 % (n = 49) der Patientinnen über die Möglichkeit der Durchführung der Influenza-Schutzimpfung informiert waren, lag der Anteil in der Wormser Gruppe bei 53,1 % (n = 34). In beiden Studienpopulationen war jeweils der Frauenarzt die wichtigste Informationsquelle für die Schwangeren. In [Tab. 3] sind jeweils die Informationsquellen und deren prozentuale Verteilung nach den beiden Standorten aufgelistet.

Tab. 3  Prozentuale Aufteilung der Informationsquellen der Untergruppen aus Homburg und Worms.

Empfehlungen

Anzahl n (HOM)

in Prozent (HOM)

Anzahl n (WO)

in Prozent (WO)

nicht empfohlen worden

127

72,2

30

46,9

durch Hausarzt (= HA)

4

2,3

2

3,1

durch sonstige

4

2,3

1

1,6

durch Frauenarzt (= FA)

38

21,6

30

46,9

durch HA und FA

3

1,7

1

1,6

gesamt

176

100

64

100

Um die Auswirkungen einer expliziten Impfempfehlung darzustellen, wurden die Graviden in die Gruppen „informiert“ vs. „nicht informiert“ aufgeteilt. Zu letzterer Gruppe zählten alle Schwangeren ohne Impfempfehlung, also auch die, die sich selbst informierten.

Wie in [Abb. 3] dargestellt, lassen sich 49,4 % (n = 41) der Frauen, welche die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft empfohlen bekommen haben, auch wirklich impfen. Bei den Schwangeren ohne Impfempfehlung waren es nur 3,3 % (n = 5). Dieser Unterschied ist statistisch hoch signifikant (p = 0,0001).

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Abb. 3  Informationsstatus und Influenzaimpfung Gesamtkollektiv (n = 236).

Diese hohe Signifikanz setzt sich bei Betrachtung der Unterkollektive aus Homburg und Worms (mit jeweils einem p-Wert von 0,0001) fort.

Als unterschiedlich zeigte sich bei den nicht informierten Frauen in den beiden Untergruppen, dass im Homburger Kollektiv immerhin 5 der „nicht informierten“ Frauen (entsprechend 4,0 %) sich selbstständig für die Impfung entschieden, während es in Worms keine einzige Schwangere war.

Aus [Abb. 4] ist erkennbar, dass Frauen, welche die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft empfohlen bekommen haben – insbesondere durch ihren Frauenarzt –, diese auch eindeutig häufiger durchführen lassen (p = 0,001).

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Abb. 4  Impfempfehlung und Durchführung im Gesamtkollektiv (Homburg n = 176; Worms n = 64).

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Zusammenhang zwischen Vorimpfung und durchgeführter Influenzaimpfung

Insgesamt lagen bei 229 Schwangeren Daten aus den Impfpässen zu durchgeführten Vorimpfungen vor. In [Tab. 4] ist aufgelistet, wie viele der Befragten bereits die Grippeschutzimpfung hatten durchführen lassen und wie oft diese Impfungen vor dieser Schwangerschaft wahrgenommen wurden.

Tab. 4  Dokumentierte Anzahl Vorimpfungen Gesamtkollektiv.

Zahl der Vorimpfungen

Anzahl n

in Prozent

0

163

71,2

1

29

12,7

2

14

6,1

3

6

2,6

4

9

3,9

5

3

1,3

6

4

1,7

7

0

0

8

1

0,4

gesamt

229

100

Zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Durchführung von Grippeschutzimpfungen vor der Schwangerschaft und der Wahrnehmung der Impfung während der Schwangerschaft wurde das Gesamtkollektiv in eine „Vorimpfung ja“- und eine „Vorimpfung nein“-Gruppe unterteilt.

Es zeigt sich ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl der Influenzaimpfungen vor der Schwangerschaft und der Entscheidung für die Influenzaimpfung während der Schwangerschaft (p-Wert = 0,0001). Von den 66 Frauen, die vor ihrer Schwangerschaft bereits mindestens eine Influenzaimpfung erhalten hatten, ließen sich 26 (43,3 %) auch in ihrer Schwangerschaft impfen. Dagegen waren es von den 154 Frauen ohne vorherige Influenzaimpfung nur 17 (11,0 %). Bei Betrachtung der beiden Untersuchungsorte zeigt sich diese Signifikanz auch in beiden Gruppen (p-Wert Homburger Gruppe = 0,0001; p-Wert Wormser Gruppe = 0,003).

In der unten aufgeführten Tabelle ([Tab. 5]) sind die häufigsten Gründe aufgeführt, die in der offenen Frage von den Schwangeren gegen die Durchführung der Influenzaimpfung angegeben wurden.

Tab. 5  Gründe gegen die Durchführung der Influenza-Schutzimpfung in der Schwangerschaft.

Influenzaerkrankung wird unterschätzt

Impfstoff wird als zu riskant eingestuft

verschiedene sonstige Gegenargumente

  • Grippe ist nicht gefährlich

  • Infektionsrisiko für Grippe klein

  • kein Bedarf

  • kein Risiko, an Grippe zu erkranken

  • Grippezeit vorbei

  • Kind kommt im Sommer zur Welt

  • auch sonst keine Grippe gehabt

  • selten krank

  • noch nie Grippe gehabt

  • niedrige Ansteckungsgefahr

  • habe keinen Grund dafür

  • keine Risikogruppe

  • Grippeimpfung ist unnötig

  • nicht relevant

  • keine Angst vor Infektion

  • gutes Immunsystem

  • Impfung ist zu gefährlich

  • hatte früher Fieber als Nebenwirkung

  • Impfung macht krank

  • Bedenken wegen Schwangerschaft

  • generell gegen Impfungen

  • Angst vor Nebenwirkungen

  • Bedenken wegen Sicherheit

  • Gefahr für das Kind

  • Angst vor Komplikationen

  • Impfungen sind nicht sicher

  • Angst vor Risiken und Nebenwirkungen

  • Zweifel an Effektivität der Impfung

  • Angst vor Nebenwirkungen bei vorliegender MS-Grunderkrankung

  • Bedenken wegen Impfstoffsicherheit und Wirkung

  • noch nie gegen Grippe geimpft

  • Angst vor Nebenwirkungen

  • Unverträglichkeit

  • Angst um das Kind

  • schlechte Erfahrungen

  • unnötige Einflüsse auf das Kind

  • Risikoschwangerschaft

  • keine Grippesaison

  • wegen Fibromyalgie

  • Vaskulitis

  • kein Interesse

  • nicht daran gedacht

  • Angst vor Spritzen

  • Multiple Sklerose

  • lasse mich auch sonst nicht impfen

  • wurde nicht darüber informiert

  • sinnlos

  • Erkältung

  • Zeitpunkt verpasst

  • nie krank

  • Partner hält es nicht für notwendig

  • nicht darüber nachgedacht

  • Schwangerschaft schon fast beendet

  • nicht während Schwangerschaft

  • medizinische Kontraindikation

  • abgelehnt

  • aus Vorsicht

  • noch nie gehabt

  • unentschlossen

  • auch keine Grippeschutzimpfung außerhalb der Schwangerschaft

  • werde nicht leicht krank

  • wegen meines Morbus Crohn

Hierbei konnten 2 Hauptargumente herausgearbeitet werden. Zum einen war dies, dass die Influenzaerkrankung in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt wurde und zum anderen, dass der Impfstoff von den Schwangeren als zu riskant eingestuft wurde.


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Diskussion

Die Hauptschwierigkeit der Untersuchung war, dass viele Schwangere bereit waren, den Fragebogen auszufüllen, jedoch ihren Impfpass nicht mehr verfügbar hatten. Somit war die objektive Überprüfung der Angaben zum Impfverhalten schwer durchführbar.

In denen von der STIKO empfohlenen Zielgruppen für die saisonale Influenzaimpfung wird gemäß den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Impfquote von wenigstens 75 % angestrebt. Diese wird jedoch bei keiner der Zielgruppen derzeit deutschlandweit erreicht [48], [49]. Es gelingt jedoch auch in anderen Ländern nicht, die Zielvorgabe der WHO zu erreichen. Die Zahlen des Impfverhaltens schwanken global sehr stark. So lag bspw. die Rate an Influenzaimpfungen bei Schwangeren in der Saison 2011/2012 in Slowenien bei 2 % und in den USA bei 47 % [50], [56], [57]. Die Gründe hierfür sind sehr vielschichtig. Sie reichen von unterschiedlichen Aufklärungs- bzw. Informationssystemen über verschiedene Formen der Finanzierung der Impfungen bis hin zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Empfehlung einer Vakzinierung bei Schwangeren.

Betrachtet man die durchschnittlichen Impfraten in den von der STIKO benannten Zielgruppen für die Saisons 2007/2008 bis 2010/2011, so waren durchschnittlich 26 % des medizinischen Personals, 52 % der Personen über 60 und 42 % der chronisch Kranken gegen saisonale Influenza geimpft [51]. Besonders schwach präsentierten sich im bundesweiten Durchschnitt das Saarland und Rheinland-Pfalz. Hier wurden in der Saison 2007/2008 weniger als 50 % (Saarland) bzw. weniger als 40 % (Rheinland-Pfalz) der mindestens 60-Jährigen geimpft [52]. Eine Ursache, warum gerade in Rheinland-Pfalz und im Saarland die Impfraten am niedrigsten sind, lässt sich in der Literatur nicht finden.

Im Vergleich dazu lagen die Impfraten der Schwangeren in unserer Untersuchung mit 19,5 % nochmals deutlich darunter. Diese Impfrate deckt sich jedoch mit den von Bödecker et al. gefundenen Daten. Hier wurde in einer deutschlandweiten Befragung unter 1025 Schwangeren im Zeitraum Februar und März 2013, also zwar in einem kürzeren Zeitintervall, aber zum selben Zeitpunkt eine Influenza-Impfrate von 23 % gefunden [53]. Da dieses Ergebnis deutschlandweit erhoben wurde, lässt dies vermuten, dass die von uns in den beiden Bundesländern gefundene Impfrate keinen außergewöhnlich niedrigen Ausreißer darstellt, sondern eher den bundesweiten Durchschnitt widerspiegelt. Somit ist die besonders niedrige Impfrate nicht regional bedingt, sondern eher ein kollektivbedingtes Problem.

Seit 1966 existiert in den USA bereits die Empfehlung, Schwangere mit chronischen Grunderkrankungen gegen Influenza zu impfen. Im Jahre 1995 wurde die Influenza-Schutzimpfung für alle Schwangeren im 3. Trimenon, ab 1997 auch im 2. Trimenon und schließlich ab 2004 für alle Schwangere empfohlen [54], [55], [56], [57].

Somit stellen sich die Influenza-Impfempfehlungen für Schwangere deutlich unterschiedlich zu denen in Deutschland dar. Als fester Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge wurden in den USA zwischen 2009 bis 2013 Impfquoten zwischen 47,1 % und 50,5 % erzielt [55], [58], [59]. Dies sind mehr als doppelt so hohe Impfraten wie in unserem Kollektiv. Bei der Betrachtung der potenziellen Einflussfaktoren bezüglich des Influenza-Impfverhaltens zeigte sich ein nicht signifikanter Trend beim Alter und beim Body-Mass-Index dahin gehend, dass sich bevorzugt ältere Schwangere und solche mit einem höheren BMI zur Impfung entschieden haben. Eine Erklärungsmöglichkeit kann darin liegen, dass übergewichtigen Frauen prinzipiell ihr erhöhtes Risiko gegenüber kardiovaskulären Erkrankungen und schwangerschaftsbedingten Komorbiditäten bewusst ist und sie daher bestrebt sind, andere mögliche Risikofaktoren weitestgehend zu minimieren [60], [61]. Dieses Bewusstsein des erhöhten Risikos scheint nicht nur bei den Betroffenen selbst eine Rolle zu spielen, sondern auch bei den diese behandelnden Ärzte und Hebammen. So zeigte sich, dass übergewichtige Schwangere, wenn auch nicht signifikant, dennoch häufiger die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft empfohlen bekommen haben.

Der Trend bezüglich des Alters passt zu der Erkenntnis, dass sich vermehrt Frauen, die bereits eine oder mehrere Schwangerschaften zuvor erlebt haben, für die Influenzaimpfung in der Schwangerschaft entscheiden. Da Erstgebärende entsprechend durchschnittlich jünger sind als Mehrgebärende, sind diese Ergebnisse kongruent.

Hatte eine Frau vor ihrer Schwangerschaft bereits Influenza-Schutzimpfungen durchführen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in der Schwangerschaft impfen lässt, mit 43,3 % hoch signifikant höher im Vergleich zu 11 % bei Frauen, die noch keine Influenzaimpfung hatten.

Ursache dafür könnte ein Mangel an Erfahrung mit der Influenzaimpfung bei nicht vorgeimpften Schwangeren sein. Frauen hingegen, die bereits früher eine Influenzaimpfung erhalten hatten, können in der Schwangerschaft auf eigene Erfahrungswerte zurückgreifen. Außerdem fällt auf, dass sich Erstgebärende mit 14,1 % seltener in ihrer Schwangerschaft gegen Influenza impfen lassen als Mehrgebärende mit 21,7 %. Diese statistisch nicht signifikante Tendenz könnte damit erklärbar sein, dass eine Frau, für die eine Schwangerschaft eine völlig neue Erfahrung ist, um Vermeidung jeglicher, möglicherweise nur subjektiv empfundener Risiken, bemüht ist.

Zu einer Reduzierung solcher subjektiven Risikoängste trägt hier am deutlichsten eine intensive Aufklärungsarbeit bei. Dies wird dadurch deutlich, dass eine explizit ausgesprochene Empfehlung zur Influenzaimpfung in der Schwangerschaft durch den betreuenden Frauenarzt oder Hausarzt ganz signifikant mit einer Steigerung der Annahme eben dieser Impfung einhergeht. Von 83 Frauen, die diese Impfung nahegelegt bekommen hatten, haben sich 41 auch wirklich impfen lassen. Von den 157 Frauen, die keine Impfempfehlung erhalten hatten, ließen sich lediglich 5 aus eigenem Antrieb in ihrer Schwangerschaft gegen Influenza impfen. In der bereits oben aufgeführten Untersuchung aus Deutschland von Bödeker et al. war Misstrauen das Hauptargument der Schwangeren gegen die Influenzaimpfung [53]. Als weitere Ursachen wurden das mangelnde Bewusstsein der Notwendigkeit zur Influenzaimpfung und der Existenz einer offiziellen Empfehlung zur Durchführung ermittelt. Auch dies deckt sich mit unseren Ergebnissen. Wie aus [Tab. 5] ersichtlich waren die beiden Kernpunkte gegen die Durchführung einer Influenzaimpfung in der Schwangerschaft ein Unterschätzen des Risikos, das von einer Influenzainfektion ausgeht und zum anderen wurde die Impfung als zu gefährlich in der Schwangerschaft eingeschätzt.

Zahlreiche weitere Studien geben als häufig geäußertes Argument der Schwangeren Bedenken bezüglich der Sicherheit der Influenzaimpfung an [62], [63], [64], [65], [66].

Der große Einfluss betreuender Ärzte auf das Impfverhalten schwangerer Patientinnen wurde bereits früher als wesentlicher Faktor für Durchimpfungsraten identifiziert [67]. Honkanen et al. (1996) kamen zu dem Ergebnis, dass eine umfassende Information durch den Arzt den Hauptgrund für eine hohe Influenza-Impfquote bei älteren Patienten in Finnland darstellt [68]. Blank et al. konnten in ihren Studien für die Influenzasaisonen 2006/2007 und 2007/2008 für Deutschland zeigen, dass die Impfempfehlung durch den Arzt mit 71 bzw. 76,4 % einen der Hauptgründe für durchgeführte saisonale Influenzaimpfungen darstellte [69], [70], was durch die Erhebung von Wortberg et al. bestätigt wurde [71].

Untersuchungen aus Australien und Hongkong kamen auch zu dem Ergebnis, dass die Akzeptanz einer Influenzaimpfung in der Schwangerschaft nicht etwa mit dem Alter korreliert, sondern signifikant von dem Erhalten einer Impfempfehlung durch den betreuenden Arzt abhängt [72], [73], [74].

Somit sind die beiden Hauptfaktoren für die Impfentscheidung einer Frau in der Schwangerschaft die eigenen Impferfahrungen und die Haltung des betreuenden Arztes. Dies ist bemerkenswert, da Informationen zur Influenzaimpfung in der Schwangerschaft in Internetforen und Schwangerschaftsratgebern zu finden sind [75], [76].

Dennoch haben sich lediglich 5 von allen befragten Patientinnen aus eigenem Antrieb bzw. durch eigene Recherche für die Impfung entschieden. Somit sind die betreuenden Ärzte der ausschlaggebende Faktor für die Impfquote.

Eine Erhebung aus Deutschland untersuchte die Gründe, warum die Influenzaimpfung während der Schwangerschaft von niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen nicht empfohlen wurde. Hier äußerten 39,6 % Sicherheitsbedenken beim Ungeborenen gefolgt von einem zu großen Aufwand des Aufklärungsgesprächs (30,2 %) und Sicherheitsbedenken bei der Schwangeren mit 29,2 %.

Danach folgten als Gegenargumente mit jeweils 24,0 % der Zweifel am Nutzen der Impfung und die zu geringe Vergütung. 16,7 % gaben eine fehlende Notwendigkeit für die Impfung an [77].

Anhand dieser Zahlen ist zu ersehen, dass selbst im Jahre 2016 von zahlreichen niedergelassenen Kollegen die Information bezüglich der Sicherheit und der Vorteile der Influenzaimpfung in der Schwangerschaft als noch zu gering erachtet wird.

Zu den Studienlimitationen zählt sicherlich, dass sie nur an 2 Zentren durchgeführt wurde und so nur eine eingeschränkte Aussagekraft über die bundesweite Impfsituation bei Schwangeren zulässt.

Eine weitere Schwäche der Studie liegt darin, dass die Befragung der Schwangeren in den beiden Zentren nicht im gleichen Zeitintervall stattgefunden hat. Hier mag sich eine Verzerrung der Daten ergeben können. Dies kann sich auch aus der Tatsache ergeben, dass die Befragung sowohl im Winter als auch im Sommer stattfand und sich im Winter eine andere Impfrate als im Sommer ergab.

Dennoch zeigten sich in der Studie von Bödeker et al. vergleichbare Ergebnisse wie in unserer Untersuchung in Bezug auf die Influenza-Impfrate und die gegen die Impfung hervorgebrachten Bedenken [53].

Optimierungspunkte unserer Untersuchung wären gewesen abzufragen, in welcher Schwangerschaftswoche die Impfung durchgeführt bzw. empfohlen wurde, in welcher Schwangerschaftswoche die Patientinnen befragt wurden, zu welchem Zeitpunkt im Jahr die Befragung durchgeführt wurde, den Bildungsstand genauer zu klassifizieren und auch sozioökonomische Faktoren wie das Haushaltseinkommen und die Staatsbürgerschaft mit aufzunehmen.

Als Stärke der Studie ist zu werten, dass nicht nur die subjektive Aussage der Patientinnen zur Durchführung der Grippeschutzimpfung in der Schwangerschaft erhoben wurden, sondern dies durch die Überprüfung der Impfung im Impfpass auch objektiviert wurde. Jedoch erwies sich gerade die Überprüfung des allgemeinen Impfstatus und des Status bezüglich der Influenzaimpfung anhand des Impfpasses als schwierig, da dieser bei einer großen Zahl schwangerer Teilnehmerinnen nicht mehr auffindbar war.


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Schlussfolgerungen

Da offenbar der betreuende Arzt in Gesundheitsfragen den höchsten Stellenwert für die Schwangere besitzt, könnten mit Informationskampagnen für die in der Niederlassung tätigen Ärzte, die an genau dieser Stelle ansetzen, wesentlich höhere Impfquoten erreicht werden.

Diese vermehrten Informationen sollten in erster Linie den Frauenärzten zugetragen werden, da sie die Hauptansprechpartner der Schwangeren sind. Jedoch sind hier auch Allgemeinmediziner und Hebammen mit in Betracht zu ziehen, da auch sie mit Fragen der Impfung in der Schwangerschaft konfrontiert werden.


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Fünf Kernaussagen

  • Die dokumentierte Influenza-Impfrate im gesamten Untersuchungskollektiv der Schwangeren lag bei 19,5 %.

  • Die Influenza-Impfrate bleibt somit weit unter den von der STIKO und der WHO anvisierten 75 % zurück.

  • Hohe Influenza-Impfbereitschaft ist bei Schwangeren zu finden, die bereits früher eine Influenzaimpfung erhalten hatten.

  • Der Haupteinflussfaktor auf die Impfrate sind die Empfehlungen der die Schwangere betreuenden Ärzte.

  • Eine Erhöhung der Impfrate ist durch Intensivierung der Aufklärung seitens der betreuenden Ärzte möglich.


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Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Sascha Baum
UKSH Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Haus 12, Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Germany


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Fig. 1  Questionnaire used to collect data on factors affecting vaccination status.
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Fig. 2  Graph showing normal distribution of the variable “age” for the total patient population (n = 253).
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Fig. 3  Information status and influenza vaccination for the total patient population (n = 236).
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Fig. 4  Vaccination recommendation and implementation for the total patient population (Homburg n = 176; Worms n = 64).
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Abb. 1  Fragebogen zur Erhebung der Einflussfaktoren auf den Impfstatus.
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Abb. 2  Grafische Darstellung der Normalverteilung des Alters im Gesamtkollektiv (n = 253).
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Abb. 3  Informationsstatus und Influenzaimpfung Gesamtkollektiv (n = 236).
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Abb. 4  Impfempfehlung und Durchführung im Gesamtkollektiv (Homburg n = 176; Worms n = 64).