Key words
visceral artery aneurysm - visceral artery pseudoaneurysm - acute bleeding - endovascular therapy
Einleitung
Aneurysmen und Pseudoaneurysmen der viszeralen Abgänge der abdominellen Aorta (VAA) sind seltene vaskuläre Pathologien mit einer Prävalenz von durchschnittlich 1 % (0,1 – 10 %) [1]. Aneurysmata der Viszeralarterien sind zumeist asymptomatisch und daher inzidentelle Nebenbefunde im Rahmen von CT- oder MRT-Untersuchungen. Sie können jedoch im Rahmen einer Ruptur lebensbedrohlich und akut interventionsbedürftig werden. VAAs können abhängig von Lokalisation, Konfiguration, Komorbiditäten und akutem klinischem Zustand des Patienten chirurgisch oder interventionell versorgt werden. Insbesondere bei Vorliegen umfangreicher Komorbiditäten wird die endovaskuläre Versorgung bevorzugt [2].
Die vorliegende retrospektive Studie analysiert die Erfahrungen der interventionellen Therapie von (Pseudo-)Aneurysmen der viszeralen Aortenabgänge einschließlich der Äste der Arteria renalis über einen 5-Jahreszeitraum von 2011 – 2015. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den technischen Erfolg, die periprozedurale Morbidität und mögliche Unterschiede zwischen wahren und Pseudoaneurysmen gelegt.
Material und Methoden
Als Ausgangskollektiv wurden alle VAAs auf Basis einer Recherche nach dem Terminus „Aneurysma“ im hauseigenen radiologischen Informationssystem ermittelt. Von den 1187 Treffern betraf die überwiegende Mehrzahl zerebrale Pathologien. Ferner Aneurysmen der thorakalen und abdominellen Aorta, der Beckenstrombahn und Arteria poplitea, welche ebenfalls von der weiteren Auswertung ausgeschlossen wurden. Insgesamt wurden 48 Eingriffe bei 38 Patienten identifiziert, bei denen VAAs behandelt wurden. Eingeschlossen wurden dabei alle (Pseudo-)Aneurysmen der Stromgebiete des Truncus coeliacus, der Arteria mesenterica superior et inferior, der Arteria lienalis sowie der Arteriae renales. Wahre Aneurysmen und Pseudoaneurysmen wurden mittels klinischer und bildmorphologischer Kriterien differenziert. Postoperative, posttraumatische und inflammatorisch bedingte Gefäßerweiterungen wurden aufgrund der Pathogenese als Pseudoaneurysmen gewertet. Demgegenüber wurden Aneurysmen auf dem Boden einer Vaskulitis und der tuberösen Sklerose sowie atherosklerotisch bedingte degenererative Aneurysmen als wahre Aneurysmen klassifiziert. Wurde ein Aneurysma detektiert, dessen Genese in Zusammenschau fehlender anderer ätiologischer Faktoren und bei passendem Patientenalter sowie weiteren atherosklerotischen Gefäßveränderungen in den vorliegenden Untersuchungen nicht anderweitig eingeordnet werden konnte, so wurde dies als atherosklerotisch degenerativ klassifiziert.
Ausgewertet wurden Daten über Patientenalter und Geschlecht, die Anzahl von Aneurysmen je Patient und die Behandlungshäufigkeit. Die Aneurysmagröße sowie eine etwaige aktive oder stattgehabte Blutung wurden dokumentiert. Dabei wurde auch die Genese der behandelten Aneurysmen unterschieden. Es erfolgte eine Differenzierung nach der Aneurysmalokalisation. Eine bestehende assoziierte Symptomatik wurde erfasst.
Es erfolgte die Gruppierung der Behandlungen in Eingriffe während der Routinearbeitszeit und der Dienstzeit. Die beiden Behandlungsgruppen wurden hinsichtlich der Erfolgsrate sowie der periprozeduralen Morbidität verglichen. Es wurden verwendete Materialien und Techniken aller Interventionen evaluiert. Der Anteil der primär erfolgreichen Interventionen sowie die Rate an Re-Interventionen wurde bestimmt. Technischer Erfolg wurde als Ausschalten des aneurysmatischen Gefäßsegmentes oder des zu-/abführenden Gefäßes mit postinterventionell nachweisbarem Perfusionsausfall des (Pseudo-)Aneurysmas gewertet.
Daneben erfolgte die Auswertung der interventionsassoziierten Komplikationen, definiert als unmittelbar mit der Intervention zusammenhängende Veränderungen in einem zeitlichen Zusammenhang von maximal 30 Tagen post interventionem. Dabei erfolgte die Einteilung anhand der Klassifikation der Society of Interventional Radiology in Minor- und Majorkomplikationen [3].
Es wurden Art und Dauer der Nachsorge im Hause sowie der entsprechende Behandlungserfolg im post-therapeutischen Verlauf registriert. Die Datenerhebung erfolgte anhand der digital archivierten Patientendaten inklusive Arztbriefen, radiologischen Befunden sowie Laborergebnissen.
Die Interventionen wurden durch insgesamt 6 interventionell tätige Radiologen der Abteilung durchgeführt, die alle mehrjährige Erfahrung mit der endovaskulären Behandlung von Aneurysmen haben.
Der statistische Vergleich von Häufigkeitsunterschieden zwischen zwei Gruppen erfolgte mittels Chi-Quadrat-Test für nominalskalierte Variablen, Merkmalsvergleiche zwischen nicht normal verteilten unabhängigen Gruppen mittels U-Test. Dabei wurde ein Signifikanzniveau von p = 0,05 festgelegt.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 38 Patienten in die Studie eingeschlossen, bei denen 48 Interventionen durchgeführt wurden. Das mittlere Alter der 19 Frauen und 19 Männer betrug 57,2 ± 16,1 Jahre (18 – 82 Jahre). Eine Patientin wurde dreimal, acht Patienten zweimal therapiert. Es wurden 43 Aneurysmen versorgt, 5 Patienten wiesen 2 Aneurysmen auf. Dabei handelte es sich in 23 Fällen um sog. echte Aneurysmen, in den übrigen 20 Fällen um Pseudoaneurysmen einschließlich Aneurysmata spuria. Die Aneurysmen hatten einen medianen Maximaldurchmesser von 22 ± 26 mm (Mittelwert 28 mm, Spanne 3 – 150 mm). Die echten Aneurysmen wiesen einen medianen Maximaldurchmesser von 22 ± 18 mm (Mittelwert 30 mm, Spanne 11 – 67 mm) auf, die Pseudoaneurysmen waren mit 9 ± 33 mm (Mittelwert 25 mm, Spanne 3 – 150 mm) Maximaldurchmesser signifikant kleiner (p = 0,04). 42 % (18/43) der VAAs präsentierten sich mit einer aktiven oder stattgehabten Blutung zum Zeitpunkt der Therapie. Es zeigte sich, dass Pseudoaneurysmen signifikant häufiger mit stattgehabter oder aktiver Blutung assoziiert waren, als echte Aneurysmen (63 vs 25 %, p = 0,012) ([Tab. 1]). Dabei waren die wahren Aneurysmen mit stattgehabter oder aktiver Blutung signifikant größer, als diejenigen ohne Blutungsereignis (Median 60 ± 18 mm vs. median 20 ± 7 mm, p = 0,004). Demgegenüber waren die Pseudoaneurysmen mit Blutungsereignis signifikant kleiner, als die nicht blutenden (Median 6 ± 11 mm vs. 30 ± 42 mm, p = 0,002). Über alle Aneurysmen egalisierte sich diese Differenz (Median 27 ± 27 mm vs. 25 ± 33 mm, p = 0,2). Von den 43 behandelten Aneurysmen waren 20 symptomatisch, dabei präsentierten sich 39 % (9/23) echter Aneurysmen mit klinischen Beschwerden, wobei 55 % (11/20) der Pseudoaneurysmen mit einer assoziierten Klinik behandelt wurden. In 65 % (n = 13) der Fälle waren abdominelle Schmerzen das führende Symptom, in 20 % (n = 4) ein relevanter Hb-Abfall im Rahmen einer aktiven Blutung sowie in 15 % (n = 3) eine Makrohämaturie. In 2 Fällen war die Symptomatik nicht durch die aktive oder stattgehabte Blutung bedingt, sondern Ausdruck der raumfordernden Wirkung des Aneurysmas.
Tab. 1
Patientencharakteristika.
Patienten- und Aneurysmabezogene Variablen
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Patienten [n]
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38, 19 weiblich, 19 männlich
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medianes Alter [Jahre]
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57 ± 16 (18 – 82)
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mittleres Alter [Jahre]
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59
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Aneurysma/Pseudoaneurysma [n]
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23/20
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stattgehabte oder aktive Blutung
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18
|
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6/23 (25)
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12/20 (63)
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medianer maximaler Durchmesser [mm]
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22 ± 26 (3 – 150)
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mittlerer maximaler Durchmesser [mm]
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28
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Aneurysma [mm]
|
|
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22 ± 18 (11 – 67)
|
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30
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Pseudoaneurysma [mm]
|
|
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9 ± 33 (3 – 150)
|
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25
|
Nachsorgezeitraum [Monate]
|
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4 ± 7,2 (1 – 36)
|
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6,4
|
Insgesamt sechs Mal wurden Aneurysmen zweimal behandelt, dreimal im Sinne einer mehrzeitigen Behandlung, in drei Fällen bei einer Reperfusion des bereits behandelten Aneurysmas.
Am häufigsten waren die Arteria lienalis (n = 14) sowie die Arteria renalis bzw. deren parenchymatösen Äste betroffen (n = 17), gefolgt von der Arteria hepatica propia et communis (n = 5) und der Arteria gastroduodenalis (n = 4). Nur selten waren Truncus coeliacus (n = 1) sowie Arteria gastrica sinistra et dextra (n = 2) betroffen ([Tab. 2], [Abb. 1]).
Tab. 2
Lokalisation der behandelten Aneurysmen und Pseudoaneurysmen.
Lokalisation
|
Häufigkeit [n]
(Prozent)
|
Aneurysma [n]
|
Pseudoaneurysma [n]
|
Arteria renalis dextra et sinistra
|
17 (40)
|
7
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10
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Arteria lienalis
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14 (32)
|
10
|
4
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Arteria hepatica communis et propria
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5 (12)
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3
|
2
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Arteria gastroduodenalis
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4 (9)
|
1
|
3
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Truncus coeliacus
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1 (2)
|
1
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0
|
Arteria gastrica sinistra
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1 (2)
|
0
|
1
|
Arteria gastrica dextra
|
1 (2)
|
1
|
0
|
Abb. 1 Lokalisation und Inzidenz echter und Pseudoaneurysmata der viszeralen Gefäße. A Übersicht über die Häufigkeitsverteilung aller behandelter Aneurysmen und Pseudoaneurysmen. B Häufigkeitsverteilung der behandelten echten Aneurysmen. C Häufigkeitsverteilung der behandelten Pseudoaneurysmen.
Die häufigste Genese der therapierten Aneurysmen war atherosklerotisch degenerativ (n = 20, 47 %). Eine gesicherte vaskulitische Genese lag bei 2 Aneurysmen (5 %) vor. Einmalig wurde ein Aneurysma im Rahmen einer tuberösen Sklerose behandelt (2 %). Eine weitere häufige Ursache war eine vorangegangene Operation (n = 8, 19 %) und hier bis auf eine Ausnahme (Arteria hepatica) im Stromgebiet der Arteria renalis nach Nierenteilresektion. In sieben Fällen (16 %) war ein inflammatorisches Geschehen ursächlich für die Aneurysmata, zumeist im Rahmen einer akuten oder chronischen Pankreatitis. Lediglich in einem Fall beruhte die Inflammation nicht auf einem pankreatitischen Geschehen per se. Ursächlich war hier eine Pankreassekretleckage nach stattgehabter Whipple-Operation mit pankreatikoduodenaler Anostomoseninsuffizienz. Traumatisch bedingt waren insgesamt 5 Aneurysmen (12 %). [Tab. 3] weist die Genese der echten Aneurysmen und Pseudoaneurysmen aus.
Tab. 3
Genese der behandelten Aneurysmen und Pseudoaneurysmen.
Genese
|
Häufigkeit [n]
(Prozent)
|
Aneurysma/Pseudoaneurysma
|
Atherosklerose
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20 (47)
|
Aneurysma
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Vaskulitis
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2 (5)
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Tuberöse Sklerose
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1 (2)
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postoperativ-iatrogen
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8 (19)
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Pseudoaneurysma
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Inflammation
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7 (16)
|
Trauma
|
5 (12)
|
39 der 48 Interventionen wurden innerhalb der regulären Arbeitskernzeit (08:00 Uhr–17:00 Uhr) durchgeführt, 9 Behandlungen im Rahmen der interventionellen Rufbereitschaft außerhalb der Kernzeit. 25 % (12/48) der Eingriffe wurden unter Intubationsnarkose durchgeführt. In der Regel erfolgte die interventionelle Versorgung der Aneurysmen mittels fasertragenden Spiralen (62,5 %, n = 30), in Einzelfällen kombiniert mit einem Stentgraft (8,3 %, n = 4), endovaskulären Okkludern (Vascular Plug) (6,3 %, n = 3) oder Flüssigembolisaten (6,3 %, n = 3). Selten wurde ausschließlich ein Stentgraft (8,3 %, n = 4) oder ein Flüssigembolisat (6,3 %, n = 3) angewandt ([Abb. 2], [3]). In wenigen Fällen erfolgte insbesondere bei Verwendung von Coils eine ergänzende temporäre Gefäßokklusion mittels Gelfoam, wenn nach erfolgtem Coiling noch eine minimale Restperfusion des nachgeschalteten Gefäßterritoriums vorlag. Hier wurde mit groben Stücken Gelfoam, die auf Höhe der abgesetzten Coils appliziert wurden, die Blutstase durch die thrombogenen Eigenschaften des Materials gefördert. Eine genaue Differenzierung der verwendeten Materialien in Abhängigkeit von dem behandelten Gefäßterritorium gibt [Tab. 4].
Abb. 2 Fallbeispiel eines echten Aneurysmas der Arteria lienalis. A Computertomografische Darstellung eines inzidentellen sacciformen hilusnahen Aneurysma der Arteria lienalis einer 46-jährigen Patientin mittels koronarer MIP. B Darstellung desselben Aneurysmas in der selektiven Angiografie. Flaue Darstellung überlagernder Segmentäste. C Nach Coiling des Aneurysma-tragenden Gefäßabschnittes sowie ergänzender Implantation eines Vascular Plug zunächst nur unvollständiger Verschluss des Aneurysmahalses mit peristierend flauer Kontrastierung des Aneurysmalumens. D Postinterventionelle Darstellung in der DSA nach erfolgreicher Embolisation in 2. Sitzung. Vollständiger Verschluss des Aneurysmahalses durch ergänzende Coilimplantation.
Abb. 3 Versorgung eines Aneurysmas der Arteria gastroduodenalis mittels Spiralen. A Angiografische Darstellung eines inzidentellen Aneurysmas der Arteria gastrouodenalis einer 54-jährigen Patientin über einen Sos-Omni-Katheter aus dem Truncus coeliacus. B Sukzessives Coiling zweier aus dem Aneurysma abgehender Äste der Arteria gastroduodenalis zur Separation des Aneurysmas über einen koaxial geführten Mikrokatheter. C Abschlusskontrolle über eine Zoeliakografie nach Coiling der proximalen Arteria gastroduodenalis zur Ausschaltung des arteriellen Zustroms in das Aneurysma. Man erkennt eine partielle Coil-Dislokation in die Arteria hepatica propria ohne hämodynamisch relevante Flussreduktion. D Auch in einer CT-Nachuntersuchung 4 Monate nach der Therapie war die Perfusion der Arteria hepatica propria unbeeinträchtigt.
Tab. 4
Verwendete Materialien in Abhängigkeit von der Aneurysmalokalisation.
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Typ des verwendeten Materials: absolute Häufigkeit und prozentualer Anteil in Bezug auf das behandelte Gefäßterritorium
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Lokalisation
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Coils
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Stentgraft
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Flüssigembolisat
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Coils und Stentgraft
|
Coils und Flüssigembolisat
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Coils und Plug
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A. gastrica dextra et sinistra
|
2 (100)
|
–
|
–
|
–
|
–
|
–
|
A. gastroduo-denalis
|
4 (100)
|
–
|
–
|
–
|
–
|
–
|
A. hepatica propria et communis
|
–
|
3 (60)
|
–
|
1 (20)
|
1 (20)
|
–
|
T. coeliacus
|
1 (50)
|
–
|
–
|
1 (50)
|
–
|
–
|
A. lienalis
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9 (60)
|
–
|
1 (7)
|
2 (14)
|
1 (7)
|
2 (14)
|
A. renalis
|
12 (80)
|
1 (7)
|
2 (14)
|
–
|
–
|
–
|
41 Behandlungen waren primär technisch erfolgreich (85,4 %), fünfmal war eine Re-Intervention erforderlich, zweimal gelang der endovaskuläre Zugang und somit eine interventionelle Versorgung nicht. In einem Fall wurde ein primäres Therapieversagen registriert. Hier musste die Intervention aufgrund komplexer anatomischer Verhältnisse frustran abgebrochen werden, ohne dass das aktiv blutende Pseudoaneurysma der A. renalis okkludiert werden konnte. Der Patient musste daraufhin einer operativen Nephrektomie zugeführt werden. Im zweiten Fall gelang die Versorgung des Truncus coeliacus über einen transbrachialen Zugang nicht. Daraufhin wurde die Intervention abgebrochen und die Aneurysmaversorgung erfolgte in zweiter Sitzung über einen transfemoralen Zugang.
Die endovaskuläre Behandlung wies über alle Eingriffe eine Komplikationsrate von 10,4 % (n = 5) auf. In 4 Fällen lagen sog. Minorkomplikationen nach der SIR-Klassifikation (Society of Interventional Radiology) [3] vor, in 1 Fall eine Majorkomplikationen. Unter den Komplikationen waren insgesamt 4 Parenchyminfarzierungen im Stromgebiet der versorgten Aneurysmen, dabei handelte es sich stets um partielle Milzinfarzierungen ([Abb. 4]). Es kam bei keinem der Betroffenen zu einem Funktionsverlust der Milz im Nachbeobachtungszeitraum, sondern lediglich zu abdominellen Schmerzen im Sinne eines Post-Embolisationssyndroms. In keinem Fall kam es zu Leberinfarzierungen oder Darmischämien. Als einzige Majorkomplikation kam es in einem Fall zu einer temporären inkompletten Ischämie des Armes sowie Ausbildung eines kubitalen Abszesses nach transbrachialem Zugangsweg zur Therapie eines Aneurysmas des Truncus coeliacus. Die Ischämie war dabei unter post-interventioneller intravenöser Heparinisierung zügig rückläufig, der Abszess wurde chirurgisch eröffnet und heilte folgenlos ab. Es zeigte sich keine Erhöhung der Komplikationsrate bei notfallmäßig therapierten Aneurysmen im Rahmen einer stattgehabten oder aktiven Blutung gegenüber der elektiven Behandlung inzidenteller Aneurysmen. Ein tendenzieller, jedoch nicht signifikanter Unterschied bzgl. der periprozeduralen Morbidität ergab sich im Rahmen der Behandlung außerhalb der Arbeitskernzeit (22 % (2/9) vs. 8 % (3/39), p = 0,265). Es kam hier jedoch ausschließlich zu Milzinfarzierungen, die nur in einem Fall zu einer verlängerten Hospitalisation führte.
Abb. 4 Milzinfarzierung nach Coiling eines Aneurysmas der Arteria lienalis. CT des Oberbauches in portovenöser Kontrastmittelphase einen Tag postinterventionell nach Coiling eines aktiv blutenden idiopathischen Aneurysmas der Arteria lienalis. Die Untersuchung erfolgte bei beschwerdefreiem Patienten zur Beurteilung des Behandlungserfolges. Das Bild zeigt einen ausgedehnten Perfusionsausfall in dem der mittels Coils versorgten Arterie nachgeschalteten Milzabschnitt.
Kein Patient litt post-interventionell an dauerhaften therapiebedingten Folgeschäden, keiner der behandelten Patienten verstarb im Rahmen des klinischen Aufenthaltes nach erfolgter interventioneller Therapie.
Die Nachsorge im Hause war insgesamt sehr different. 62,5 % (n = 30) aller Interventionen wurden im Klinikum nachbeobachtet. Dabei betrug der mediane Nachbeobachtungszeitraum mittels diagnostischer Bildgebung 4 ± 7,2 Monate (Mittelwert 6,4, Spanne 1 – 36 Monate). In 6 Fällen erfolgte dabei lediglich die unmittelbare post-interventionelle Erfolgskontrolle im Rahmen des stationären Aufenthaltes oder unmittelbar poststationär bis zu 30 Tage nach stattgehabter Behandlung. Das Follow-up wurde überwiegend mittels Computertomografie durchgeführt (60 %, n = 18), in 4 Fällen mittels kontrastmittelgestütztem Ultraschall (CEUS) und ergänzender CT, zweimal ausschließlich mittels CEUS ([Abb. 5]) und je einmal mittels B-Bild-Sonografie, CEUS und EUS (Endosonografie) bzw. MRT. Dreimal wurde das behandelte Aneurysma durch eine Kombination aus MRT und konventioneller Angiografie kontrolliert. 3 der 43 Aneurysmen mussten daraufhin aufgrund einer detektierten Reperfusion nach 2 Wochen, 2 bzw. 4 Monaten erneut therapiert werden. Damit ergibt sich eine Reperfusionsrate von 7 % im Nachuntersuchungszeitraum. Die insgesamt 8 implantierten Stentgrafts wiesen im Nachbeobachtungszeitraum von median 3,5 Monaten (MW 3,75, Range 0 – 8 Monate) eine Offenheitsrate von 100 % auf.
Abb. 5 Postinterventionelle Erfolgskontrolle mittels kontrastmittelgestützter Sonografie. A Computertomografische Darstellung eines inflammatorischen Pseudoaneurysma der Arteria lienalis auf dem Boden einer chronischen Pankreatitis mit Ausbildung einer großen Pseudozyste im Pankreasschwanzbereich und Arrosion der Arteria lienalis rekonstruiert mittels koronarer MIPs. B Angiografische Darstellung des Pseudoaneurysmas ausgehend von der Arteria lienalis. Nur flau ist der Kontrastmitteleinstrom in das Pseudoaneurysma zu sehen (Pfeil). C In der Abschlusskontrolle nach langstreckigem Coiling der Arteria lienalis im Bereich des Aneurysmahalses mit insgesamt 15 Coils erfolgreiche Ausschaltung des geschädigten Gefäßabschnittes. D In der postinterventionell durchgeführten kontrastmittelgestützten farbcodierten Sonografie zeigt sich eine vollständige Ausschaltung des Aneurysmas (Versorgung mit insgesamt 15 Coils und 8 mm Vascular Plug) ohne Nachweis einer persistierenden Perfusion. Zudem zeigt sich ein partieller Perfusionsausfall des benachbarten Milzunterpols als Zeichen der postinterventionellen Parenchyminfarzierung, die in der Sonografie ohne Kontrastmittel nicht detektiert wird.
Diskussion
Ziel der Studie war die Betrachtung der endovaskulären Versorgung viszeraler Arterien am Klinikum Augsburg in einem 5-Jahres-Zeitraum. Untersucht wurden Charakteristika der behandelten Patienten sowie der Aneurysmata selbst, technische Aspekte der Interventionen und klinische Gesichtspunkte wie technischer Erfolg der Behandlung und Komplikationen.
Auch in einem Haus der Maximalversorgung mit einem überregionalen Einzugsgebiet für ca. 2 Millionen Bürger sind viszerale Aneurysmen eine seltene Entität. Die Genese der überwiegenden Anzahl der Aneurysmen sowohl in dem behandelten Kollektiv als auch im Vergleich mit anderen Studien ist die Gefäßwanddegeneration im Rahmen atherosklerotischer Veränderungen, gefolgt von Pseudoaneurysmen infolge iatrogener und inflammatorischer Komplikationen [4]. Die Zahl der iatrogenen Veränderungen, insbesondere die Entstehung von Pseudoaneurysmen im Stromgebiet der Arteria hepatica hat sich in der Vergangenheit durch die immer größere Anzahl perkutaner Leberinterventionen, wie Drainagenanlagen, Biopsien oder der PTCD (perkutane transhepatische Cholangiodrainage) sowie der hepatobiliären Chirurgie erhöht [5]. Unter den fünf behandelten Aneurysmen der Arteria hepatica im Patientenkollektiv waren zwei iatrogen, eines nach vorangegangener Whipple-Operation, eines nach Gastrektomie aufgetreten.
Da zu behandelnde Patienten häufig aufgrund weiterer Komorbiditäten ein erhöhtes Operationsrisiko aufweisen, bietet die interventionelle endovaskuläre Versorgung eine sichere und erfolgversprechende Alternative zum chirurgischen Vorgehen. Die Behandlungsindikation leitet sich dabei entweder aus der bestehenden Symptomatik ab oder wird aufgrund des mit dem Diameter des Aneurysmasacks zunehmenden Rupturrisiko ab einer minimalen Größe von 20 mm Durchmesser unabhängig vom Durchmesser des Trägergefäßes gesehen [6]. Diese größenabhängige Indikationsstellung wurde im untersuchten Kollektiv bei ausgeprägtem Behandlungswunsch auch bei inzidentellen asymptomatischen Aneurysmen nach ausführlicher Aufklärung über Risiken und Alternativen sowie gängige Komplikationen der Intervention um Aneurysmen mit einem Durchmesser von unter 20 mm erweitert. Dabei ist zu beachten, dass der natürliche Verlauf kleiner Aneurysmen (< 2 cm Durchmesser) durch die Literatur nicht hinreichend geklärt ist. Das Rupturrisiko ist jedoch nicht nur von der Größe, sondern auch von der Lage des Aneurysmas abhängig. So gehen Aneurysmen der A. hepatica mit einem größeren Rupturrisiko einher, als Aneurysmen der A. lienalis [7]. Von den 15 asymptomatischen echten Aneurysmen hatten 6 einen Durchmesser unter 20 mm. Eine Erweiterung der Indikationsstellung asymptomatischer Aneurysmen unabhängig von der Größe ergibt sich bei betroffenen Frauen mit bestehendem Schwangerschaftswunsch [8]. Zudem sollten alle Aneurysmen vaskulitischer Genese, die symptomatisch sind unmittelbar oder inzidentelle vaskulitische Aneurysmen im entzündungsfreien Intervall therapiert werden, die unter immunsupressiver Therapie keine signifikante Größenreduktion zeigen [9]. Zudem sollten alle Aneurysmen mit einer Größenzunahme von mehr als 0,5 cm/Jahr behandelt werden [10].
Es zeigte sich eine hohe technische Erfolgsrate. Unter den 48 Interventionen gab es lediglich ein definitives Therapieversagen mit nachfolgender Operationspflichtigkeit. Fünf Patienten konnten durch einen zweiten Eingriff definitiv versorgt werden. Der primäre technische Erfolg von 85 % spiegelt sich dabei auch in anderen Studien wider (75 – 98 %) [11]
[12]
[13]. Die Re-Interventionsraten bei Rezidiv oder primär nur partiellem Erfolg liegen mit 12,5 % in dieser Studie nicht wesentlich über den Ergebnissen anderer interventioneller Untersuchungen mit Re-Interventionsraten von 3 – 11 % [12]
[13]
[14] sowie vergleichbaren Ergebnissen der chirurgischen Behandlung mit Re-Operationsraten von 0 – 12 % [13]
[15]
[16]. Die Mortalitätsraten der elektiven chirurgischen Versorgung viszeraler Aneurysmen liegen bei ca. 5 % [15]
[17]. Die chirurgische Behandlung aktiv blutender Aneurysmen weist eine noch deutlich höhere Mortalität von 10 – 25 % auf [18]
[19]. Demgegenüber steht eine Mortalität von 0 % im eigenen Untersuchungskollektiv sowie vergleichbare Ergebnisse anderer Studien (3 – 7 %) [8]
[13]
[20]. Die Ergebnisse anderer Studien zeigen jedoch auch, dass die notfallmäßige interventionelle Behandlung gegenüber der elektiven Therapie eine deutlich höhere Mortalität von bis zu 17 % aufweist [21]. Dieses Ergebnis wurde im eigenen Untersuchungskollektiv so nicht bestätigt, die notfallmäßige Behandlung führte nicht zu einer signifikant höheren Mortalität. Auch die periprozedurale Morbidität ist im behandelten Kollektiv auf einem niedrigen Niveau, die häufigste Komplikation war die post-interventionelle Milzinfarzierung nach Behandlung lienaler Aneurysmen mit einer Rate von 57 % (4/7 Patienten im Follow up), von denen 3 symptomatisch waren. Diese Rate liegt dabei höher als in anderen Studien berichtet (21 – 40 %) [12]
[22]. Sowohl bei Morbidität als auch bei Mortalität muss jedoch insbesondere die begrenzte Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher Klassifikation der Komplikationen und die geringe Fallzahl sowohl in der vorliegenden Studie als auch der bisherigen Veröffentlichungen beachtet werden. Bei einer interventionsbedingten Gesamtmorbidität von 10 % (8 % therapiebedürftig) im Rahmen aller Interventionen des untersuchten Kollektives zeigt sich eine gute Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen (3 – 8 %) [8]
[22]
[23]. Demgegenüber ist die perioperative Morbidität der konventionellen chirurgischen Therapie im Sinne operationsassoziierter Komplikationen in einem Zeitraum von bis zu 30 Tagen nach der Operation mit 7 – 13 % ebenfalls vergleichbar [15]
[24]
[25]. Die Übersichtsarbeit von Hemp und Sabri hat gezeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen endovaskulärer und chirurgischer Therapie bezüglich periprozeduraler Morbidität und Mortalität gibt, jedoch einen deutlich reduzierten stationären Aufenthalt nach interventioneller Therapie [10].
Die post-interventionelle Kontrolle des lokalen Befundes mittels Schnittbildgebung ist zumindest im unmittelbaren postinterventionellen Verlauf unabhängig vom klinischen Verlauf zu empfehlen, um eine frühe Reperferusion des behandelten Aneurysmas auszuschließen oder zumindest kontrollbedürftige Komplikationen wie die Parenchyminfarzierung nachgeschalteter Organe zu detektieren. Klar definierte Nachsorgeschemata sind nicht etabliert. Zumindest eine unmittelbar postinterventionelle Kontrolle im Rahmen des klinischen Aufenthaltes sowie eine Kontrolle nach 3 und 12 Monaten werden in der Regel insbesondere bei echten Aneurysmen durchgeführt. Insbesondere das stark röntgendichte Coilmaterial, das in der überwiegenden Zahl der Interventionen angewandt wird, führt jedoch insbesondere in der CT häufig zu deutlichen Artefakten, die die Beurteilbarkeit der Aneurysmaperfusion und -größe mitunter deutlich einschränken. In Regionen, die sonografisch gut einsehbar sind, z. B. im Bereich des Milzhilus oder des Nierenparenchym kann der kontrastmittelgestützte Ultraschall insbesondere auch im Hinblick auf die fehlende Strahlenbelastung der Diagnostik ein probates Mittel zur post-interventionellen Verlaufskontrolle darstellen [26]. Auch die MRA hat eine hohe Sensitivität zur Beurteilung der Reperfusion von gecoilten Aneurysmen und kann aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung auch zur langfristigen Kontrolle genutzt werden [27].
Die interventionelle endovaskuläre Therapie von Aneurysmen viszeraler Arterien ist eine sichere und technisch erfolgreiche Behandlungsmöglichkeit. Dabei ist der Behandlungserfolg unabhängig von Gefäßterritorium oder Genese. Die Größe des Aneurysmas stellt keinen limitierenden Faktor dar. Somit ist an Zentren mit erfahrenen interventionellen Radiologen bei vergleichbaren Erfolgs- und Morbiditätsraten gegenüber der konventionellen Chirurgie die Intervention insbesondere bei Patienten mit multiplen Komorbiditäten auch in der Notfallsituation vorzuziehen. Dabei scheint bei bestehendem Reperfusionsrisiko eine Nachsorge zumindest im 1. Jahr nach erfolgter Therapie sinnvoll.
Schlussfolgerung
Die interventionelle endovaskuläre Behandlung von Aneurysmen der viszeralen Arterien ist sowohl im elektiven Einsatz als auch in der Notfallsituation eine sichere und erfolgreiche Therapiemethode. Dies gilt sowohl für wahre Aneurysmen als auch für die signifikant häufiger blutenden Pseudoaneurysmen. Dabei sind Therapieerfolg und periprozedurale Morbidität unabhängig von Aneurysmagröße, Lokalisation oder Genese. Bei vergleichbarer periprozeduraler Morbidität und Mortalität können multimorbide Patienten durch die kurze Dauer des stationären Aufenthaltes vom minimalinvasiven Vorgehen profitieren. Eine Nachsorge scheint bei dem gegebenen Reperfusionsrisikos nach interventioneller Therapie zumindest im 1. Jahr nach erfolgter Behandlung sinnvoll.
Klinische Relevanz der Studie
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Die Möglichkeit der interventionellen endovaskulären Behandlung viszeraler Aneurysmen auch in der Notfallsituation stellt eine sichere und Erfolg versprechende Therapie insbesondere für multimorbide Patienten dar.
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Aufgrund des hohen Blutungsrisikos besteht eine Behandlungsindikation für alle Pseudoaneurysmen.
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Eine Nachsorge ist bei bestehendem Reperfusionsrisiko im Rahmen der interventionellen Behandlung auch für inzidentelle Aneurysmen sinnvoll, nach Möglichkeit unter Zuhilfenahme von MRT oder CEUS zur Reduktion der Strahlenbelastung des Patienten.