Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(06): 645-650
DOI: 10.1055/s-0043-108252
GebFra Science
Review/Übersicht
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lungenmetastasenchirurgie beim pulmonal metastasierten Mammakarzinom

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Sascha Macherey
1   Medizinische Fakultät, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Peter Mallmann
2   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Wolfram Malter
2   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Fabian Doerr
3   Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Matthias Heldwein
3   Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Thorsten Wahlers
3   Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universität zu Köln, Köln, Germany
,
Khosro Hekmat
3   Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Universität zu Köln, Köln, Germany
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Khosro Hekmat
Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Universität zu Köln
Kerpener Straße 62
50931 Köln
Germany   

Publikationsverlauf

received 28. Februar 2017
revised 21. März 2017

accepted 02. April 2017

Publikationsdatum:
28. Juni 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Das pulmonal metastasierte Mammakarzinom kann systemisch oder lokal therapiert werden. Nach erfolgter Primärtumorresektion können Patientinnen mit isolierten, vollständig resektablen Lungenrundherden und sichergestellter funktioneller Operabilität einer Lungenmetastasektomie zugeführt werden. Nach Metastasenresektion wird ein medianes Überleben von 32 bis 96,6 Monaten erreicht, korrespondierende 5-Jahres-Überlebensraten liegen zwischen 30,8 und 54,4%. Der Eingriff ist mit einer Mortalität von 0 – 3% verbunden. Der wichtigste unabhängige Prognosefaktor für das Langzeitüberleben ist die vollständige Resektion aller Lungenmetastasen. Die Metastasenkonfiguration und das Metastasierungsmuster scheinen ebenso wie das krankheitsfreie Intervall, der Hormon- und HER2/neu-Rezeptorstatus für die Prognose zwar relevant, jedoch von nachrangiger Bedeutung zu sein. Intrapulmonale Metastasenrezidive können nach sorgfältiger Indikationsstellung ebenfalls reseziert werden. Dies kann in Einzelfällen ein günstiges Langzeitüberleben ermöglichen. Die Lungenmetastasenchirurgie sollte die Therapie der Wahl für selektionierte Patientinnen mit pulmonal metastasiertem Mammakarzinom sein.


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Einleitung

Das Mammakarzinom ist das häufigste Malignom der Frau [1]. Neben genetischer Prädispositionen bei vorliegenden BRCA-1- oder BRCA-2-Mutationen sind unter anderem eine frühe Menarche, eine späte Menopause, eine Hormonersatzbehandlung während und nach dem Klimakterium sowie Lebensführungs-assoziierte Faktoren wie Adipositas, Alkohol- oder Tabakkonsum als Risikofaktoren in der Literatur beschrieben [1]. Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland über 17 800 Frauen an einem Tumor der Brustdrüse [1]. Im fortgeschrittenen Tumorstadium stehen in Abhängigkeit vom Metastasierungsmuster sowohl lokale als auch systemische oder Kombinationstherapien zur Verfügung. Dieser systematische Übersichtsartikel fasst die aktuelle Studienlage hinsichtlich der Lungenmetastasenchirurgie beim isoliert pulmonal metastasierten Mammakarzinom nach stattgehabter Primärtumorbehandlung zusammen. Es erfolgt die Darstellung der Evidenz für thoraxchirurgische Verfahren und die Analyse von Prognosefaktoren.


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Übersicht

Methodik

Die zugrunde liegende Literaturrecherche basierte auf den Suchbegriffen „breast cancer“, „breast carcinoma“, „lung metastasis“, „lung metastases“, „pulmonary metastasis“, „pulmonary metastases“, „lung resection“, „pulmonary resection“, „lung surgery“, „pulmonary surgery“, „lung metastasectomy“ und „pulmonary metastasectomy“. Berücksichtigung fanden Publikationen, die ab dem 01.01.2000 in englischer oder deutscher Sprache veröffentlicht worden sind. Die am 15.02.2017 durchgeführte Literaturrecherche bot 2426 Treffer in der MEDLINE und einen Review-Artikel in der Cochrane Library. Nach schrittweiser Begutachtung konnten 11 Studien identifiziert werden, die über mindestens 20 Patientinnen mit Lungenmetastasektomie nach kurativ intendierter Primärtumorbehandlung berichten [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12].

Zehn der betrachteten Studien sind Fallserien und berichten zusammengenommen über 971 Patientinnen mit behandeltem Mammakarzinom und pulmonaler Metastasektomie [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11]. Der Operationszeitraum erstreckt sich von 1960 bis 2007. Weiterhin konnte eine Metaanalyse aus dem Jahr 2015 eingeschlossen werden, die 1937 Patienten analysiert hat [12]. Basierend auf der Klassifikation der Universität Oxford wird der Evidenzgrad der 10 Fallserien mit einem EbM-Level von 4 und der Metaanalyse von 3 beurteilt [13].


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Die Metastasektomie

In der Lungenmetastasenchirurgie kommen als operative Zugänge offen-chirurgische Verfahren oder die videoassistierte Thoraxchirurgie (englisch: video-assisted thoracic surgery, VATS) zum Einsatz. In den analysierten Studien fand die VATS deutlich seltener Anwendung als offen-chirurgische Verfahren ([Tab. 1]). Offen-chirurgische Operationen werden überwiegend via Thorakotomie durchgeführt. Die größere Inzision erlaubt gegenüber der VATS die manuelle Palpation des gesamten, unilateralen Lungenparenchyms und so selbst die Detektion von tumorsuspekten Befunden, die in den bildgebenden Verfahren gegebenenfalls nicht erfasst worden sind [14]. Die VATS eignet sich in der praktischen Anwendung am ehesten als Verfahren für Patientinnen mit einem einzelnen, peripher lokalisierten Lungenrundherd.

Tab. 1 Operationsbezogene Daten.

Studie

Patienten

singuläre Metastase

VATS-Anteil

anatomische Resektionen

R0-Resektion

postoperative Morbidität

postoperative Mortalität

VATS: videoassistierte Thorakoskopie; R0-Resektion: vollständige Metastasenresektion; –: keine Angabe.

Friedel et al. [2]

467

66%

3,6%

38,8%

84%

Ludwig et al. [3]

21

61,9%

0%

17%

100%

23,8%

0%

Planchard et al. [4]

125

59,2%

0%

26,4%

76,8%

12,8%

Tanaka et al. [5]

39

38,5%

0%

84,6%

Rena et al. [6]

27

88,9%

Chen et al. [7]

41

51,2%

34%

22%

100%

0%

Welter et al. [8]

47

61,7%

31,9%

57,4%

5,8%

0%

Yoshimoto et al. [9]

90

86,7%

88,9%

Kycler et al. [10]

33

42,4%

0%

18,2%

3%

Meimarakis et al. [11]

81

63%

27,2%

81,5%

7,6%

0%

Die Resektion einer Metastase kann unter Einhaltung der anatomischen Lungengrenzen als Segment-, Lob- oder Pneumonektomie erfolgen. In Abhängigkeit von der Metastasengröße eignen sich auch nicht anatomische Resektionen (bspw. Laserenukleation, Keilresektion). Während anatomische Resektionen eine höhere Sicherheit hinsichtlich der onkologischen Radikalität versprechen, bedeuten sie für die Patientin einen größeren Verlust potenziell-vitalen Lungenparenchyms. Die Varianz des Anteils anatomischer Resektionen lag in den Fallserien zwischen 17 und 88,9% ([Tab. 1]).

Die Metastasektomie ist sowohl mit einem palliativen als auch einem kurativen Behandlungsansatz vereinbar. Im palliativen Behandlungskonzept eignet sich die Metastasektomie zur Symptomkontrolle (Dyspnoe, Hämoptysen), wenn die funktionelle Operabilität gewährleistet ist. Die Indikationskriterien für eine kurativ-intendierte Lungenmetastasenchirurgie sind:

  1. das Mammakarzinom ist vollständig reseziert,

  2. synchrone, extrathorakale Metastasen sind ausgeschlossen,

  3. die funktionelle Operabilität ist sichergestellt,

  4. eine vollständige Resektion aller Lungenrundherde erscheint möglich.

Eine vollständige Resektion (R0-Resektion) der Metastasen dokumentierten die Studien für 57,4 – 100% der Patientinnen ([Tab. 1]). Neben der Metastasenresektion stellt sich die Frage nach der Durchführung einer mediastinalen Lymphadenektomie. Nur ein Bruchteil der Patientinnen wurde in den Fallserien einer Lymphadenektomie unterzogen, doch zeigten sich bei diesen in 7,8 – 44% der Fälle mediastinale Lymphknotenmetastasen [2], [3], [4], [8], [9], [11]. Die prognostische Bedeutung der Lymphadenektomie ist für Patienten mit Metastasektomie in den Originalarbeiten nicht evaluiert worden. Der Einfluss einer mediastinalen Lymphadenektomie auf das Langzeitüberleben bleibt somit unklar und sollte in zukünftigen Studien adressiert werden.

In der postoperativen Phase beschreiben die Fallserien bei 5,8 – 23,8% der Patientinnen Komplikationen, dabei handelte es sich in den meisten Fällen um leichte Komplikationen wie Atelektasen, Pneumo-, Hämatothoraces, Pneumonien oder Arrhythmien. Die Lungenmetastasenchirurgie ist mit einer postoperativen Mortalität von 0 – 3% verbunden und somit ein sicheres, therapeutisches Verfahren ([Tab. 1]).


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Das Postmetastasektomie-Überleben

Die mediane Nachbeobachtungszeit der Fallserien lag zwischen 20,6 und 102 Monaten [4], [7], [8], [9], [10], [11]. Die Lungenmetastasenchirurgie resultierte in einem medianen Postmetastasektomie-Überleben von 32 bis 96,6 Monaten ([Tab. 2]) [2], [3], [4], [5], [8], [9], [10], [11]. Nach Metastasenresektion lagen die 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 30,8 und 54,4% sowie die 10-Jahres-Überlebensraten zwischen 18 und 51% [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2015 untersuchte quantitativ die Überlebensprognose von Patientinnen mit Mammakarzinom nach Lungenmetastasenchirurgie [12]. Die Autoren poolten die Daten von 1937 Patientinnen aus 16 Fallserien [12]. Die ermittelte 5-Jahres-Überlebensrate lag bei 46% (95%-Konfidenzintervall: 43 – 49%), allerdings zeigte sich bei weitergehenden Analysen eine signifikante Heterogenität [12]. Zusammenfassend bleibt auf Basis der qualitativen Analyse festzuhalten, dass ausgewählte Patientinnen von der Metastasektomie profitieren und eine günstige Prognose aufweisen können.

Tab. 2 Überleben nach der Metastasektomie.

Studien

Resektionszeitraum

Patienten

medianes KFI

medianes Überleben

3-JÜLR

5-JÜLR

10-JÜLR

KFI: krankheitsfreies Intervall, definiert als Zeitraum zwischen Primärtumorresektion und Metastasendetektion; JÜLR: Jahres-Überlebensrate; –: keine Angabe.

Friedel et al. [2]

1960 – 1994

467

35 Monate

35%

20%

Ludwig et al. [3]

1989 – 1998

21

99,2 Monate

96,9 Monate

53%

Planchard et al. [4]

1972 – 1998

125

50,4 Monate

58%

45%

30%

Tanaka et al. [5]

1992 – 2001

39

66,8 Monate

32 Monate

30,8%

Rena et al. [6]

1990 – 2003

27

50 Monate

38%

18%

Chen et al. [7]

1991 – 2007

41

55 Monate

51%

51%

Welter et al. [8]

1998 – 2007

47

32 Monate

36%

Yoshimoto et al. [9]

1960 – 2000

90

67,2 Monate

75,6 Monate

54%

40%

Kycler et al. [10]

1994 – 2002

33

51,9 Monate

73,2 Monate

81,8%

54,4%

Meimarakis et al. [11]

1982 – 2007

81

82,4 Monate

Fan et al. [12]

1960 – 2007

1937

46%

Patientinnen können trotz vollständiger Resektion in der Folgezeit intrapulmonale Rezidive entwickeln. Diese können, wenn sie die allgemeinen Indikationskriterien zur Metastasektomie erneut erfüllen und eine Re-Metastasektomie ausdrücklich dem Patientenwunsch entspricht, ebenfalls thoraxchirurgisch therapiert werden. In der Studie von Friedel et al. erreichte die Subgruppe von Patientinnen mit Re-Metastasektomien mit 40% eine günstigere 5-Jahres-Überlebensrate als das gesamte Studienkollektiv (35%) [2]. Patientinnen verzeichneten nach Re-Metastasektomie ein medianes Postmetastasektomie-Überleben von rund 47 Monaten in der Studie von Meimarakis et al. [11]. Das günstige Langzeitüberleben nach Re-Metastasektomien mag zunächst überraschen, deutet es doch auf ein aggressives Primärtumorgeschehen bzw. eine hohe Tumorzelllast hin. Gleichsam gilt es zu berücksichtigen, dass die Indikationsstellung zur Re-Metastasektomie, ebenso wie bei der 1. Metastasenresektion, strengen Kriterien unterliegt. Patientinnen, die diese Kriterien erneut erfüllen, weisen keine disseminierten Metastasen sowie regelhaft einen vorteilhaften Allgemeinzustand auf und können bei vollständiger Resektion aller Lungenmetastasen von einer Re-Metastasektomie profitieren.


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Prognosefaktoren für das Postmetastasektomie-Überleben

Univariate Prognosemodelle

Die qualitativen Untersuchungsergebnisse von Prognosefaktoren auf Basis univariater Analysemodelle in den einzelnen Fallserien sind in [Tab. 3] dargestellt. Die Studienergebnisse legen nah, dass sowohl das Patientenalter als auch das Resektionsausmaß (anatomische oder nicht anatomische Resektionen) und der operative Zugangsweg (Thorakotomie vs. Thorakoskopie) keinen wesentlichen Einfluss auf die Patientenprognose nehmen. Das krankheitsfreie Intervall, definitionsgemäß der Zeitraum zwischen definitiver Behandlung des Primärtumors und der Metastasendiagnose, gilt in der Onkologie allgemein als wichtiger Prädiktor für die Tumorzelllast. In den analysierten Studien sind die Resultate hinsichtlich dieses Prognosefaktors heterogen. Während diesem Parameter in 6 Studien ein statistisch signifikanter Einfluss auf das Postmetastasektomie-Überleben nachgewiesen werden konnte, ermittelten 4 Autorengruppen keine Evidenz für einen signifikanten Einfluss auf die Prognose. Patientinnen erreichten trotz eines verkürzten krankheitsfreien Intervalls unter 36 Monaten ein medianes Überleben von 28,8 bis 34,4 Monaten und 5-Jahres-Überlebensraten von 21 bis 33,3% nach Lungenmetastasenchirurgie [4], [6], [7], [9]. Die vollständige Resektabilität aller Rundherde gilt als wesentliches Indikationskriterium zur Lungenmetastasenchirurgie. In 3 von 4 Fallserien erreichten Patientinnen mit R0-Resektion einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil [2], [10], [11]. In der Studie von Welter und Kollegen wurden Patientinnen mit R0- und R1-Resektion (medianes Überleben: ca. 30 Monate) zusammengefasst und mit makroskopisch unvollständig resezierten Patientinnen (medianes Überleben: ca. 16 Monate) verglichen, sodass in dieser Studie zwar kein statistisch signifikanter, jedoch ein klinisch relevanter Unterschied zu beobachten gewesen ist [8].

Tab. 3 Prognosefaktoren für das Überleben nach der Metastasektomie (univariate Analysen).

Prognosefaktoren (auf Basis univariater Analysen)

Friedel et al. [2]

Ludwig et al. [3]

Planchard et al. [4]

Tanaka et al. [5]

Rena et al. [6]

Chen et al. [7]

Welter et al. [8]

Kycler et al. [9]

Yoshimoto et al. [10]

Meimarakis et al. [11]

LM: Lungenmetastase; n. s.: statistisch nicht signifikant in der entsprechenden Studie; s.: statistisch signifikanter Prognosefaktor in der entsprechenden Studie; –: in der entsprechenden Studie nicht auf Signifikanz überprüft oder nicht berichtet; * Östrogen und Progesteronrezeptor zu Hormonrezeptor zusammengefasst.

Alter

n. s.

n. s.

n.s

n. s.

krankheitsfreies Intervall (Schwellenwert)

s. (36 Monate)

n. s. (24 Monate)

s. (36 Monate)

n. s. (60 Monate)

s. (36 Monate)

s. (36 Monate)

n. s. (36 Monate)

s. (36 Monate)

s. (36 Monate)

n. s. (24 Monate)

Metastasenanzahl

n. s.

n. s.

n. s.

n. s.

s.

s.

n. s.

n. s.

s.

Metastasengröße

s.

n. s.

n. s.

s.

Befall (uni- vs. bilateral)

n. s.

n. s.

n. s.

s.

s.

n. s.

Östrogenrezeptorstatus LM

n. s.*

n. s.*

s.

n. s.*

s.*

Progesteronrezeptorstatus LM

n. s.*

n. s.*

n. s.*

s.*

HER2/neu-Rezeptorstatus LM

s.

n. s.

Resektionsstatus

s.

n. s.

s.

s.

Resektionsausmaß

n. s.

n. s.

n. s.

operativer Zugang

n. s.

Re-Metastasektomie

n. s.

s.

n. s.

Die Fallserien ermittelten divergierende Resultate für die Metastasenanzahl, die -größe und das Befallsmuster (uni- vs. bilateral). Hervorzuheben ist, dass Patientinnen mit bilateraler Lungenmetastasierung und zweizeitiger Resektion ein medianes Überleben von bis zu 47 Monaten erreichen konnten [11].

In der immunhistochemischen Aufarbeitung des Mammakarzinoms sind der Status des HER2/neu-, des Östrogen- und des Progesteronrezeptors von zentraler Bedeutung. Lungenmetastasen eines Mammakarzinoms können diese Rezeptoren ebenfalls exprimieren und der Rezeptorstatus zwischen Primärtumor und Metastase kann divergieren [8], [11], [15]. In den univariaten Analysen zeigten sich abweichende Resultate hinsichtlich der prognostischen Relevanz, ein eindeutiger Einfluss konnte bisher nicht demonstriert werden.


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Multivariate Prognosemodelle

Die qualitativen Untersuchungsergebnisse von Prognosefaktoren auf Basis multivariater Analysemodelle, welche die Interaktion von Prognosefaktoren berücksichtigen, sind in [Tab. 4] zusammengefasst. Im statistischen Vergleich zeigte sich in allen 3 Studienkohorten ein signifikanter Überlebensvorteil für Patientinnen mit einem krankheitsfreien Intervall größer als 36 Monate, nichtsdestotrotz war selbst ein geringeres krankheitsfreies Intervall mit einem günstigen Langzeitüberleben assoziiert [4], [7], [10]. Fan et al. ermittelten in ihrer Metaanalyse eine Hazard Ratio von 1,7 für Patienten mit einem krankheitsfreien Intervall < 3 Jahre [12]. In je 2 Studien konnte ein signifikanter Überlebensvorteil für eine R0-Resektion [10], [11], eine geringere Metastasengröße [4], [11] und Metastasenanzahl [7], [11] demonstriert werden. In der Metaanalyse konnte für diese 3 Faktoren ebenfalls eine signifikante prognostische Relevanz nachgewiesen werden [12]. Die Studien von Chen et al. und Kycler et al. evaluierten den Einfluss des Befallsmusters auf die Überlebensprognose. In beiden Studien zeigte sich keine Evidenz für einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Patientinnen mit unilateraler oder bilateraler Lungenmetastasierung [7], [10].

Tab. 4 Prognosefaktoren für das Überleben nach der Metastasektomie (multivariate Analysen).

Prognosefaktoren (auf Basis multivariater bzw. gepoolter Analysen)

Planchard et al. [4]

Chen et al. [7]

Welter et al. [8]

Kycler et al. [10]

Meimarakis et al. [11]

Fan et al. [12]

n. s.: statistisch nicht signifikant in der entsprechenden Studie; s.: statistisch signifikanter Prognosefaktor in der entsprechenden Studie; –: in der entsprechenden Studie nicht auf Signifikanz überprüft oder nicht berichtet; HR: Hazard Ratio (95%-Konfidenzintervall); * Östrogen- und Progesteronrezeptor zu Hormonrezeptor zusammengefasst.

krankheitsfreies Intervall (< 36 Monate vs. > 36 Monate)

s.

s.

s.

s.

HR: 1,7 (1,37 – 2,1)

Metastasenanzahl

s.

s.

s.

HR: 1,31 (1,13 – 1,5)

Metastasengröße

s.

s.

Befall (uni- vs. bilateral)

n.s

n. s.

Resektionsstatus

s.

s.

s.

HR: 2,06 (1,63 – 2,62)

Östrogenrezeptorstatus

s.

n. s.

s.*

s.*

HR: 2,30 (1,43 – 3,7)

Progesteronrezeptorstatus

s.*

s.*

HR: 2,30 (1,43 – 3,7)

In der Studie von Welter et al. waren hormonrezeptorpositive Metastasen mit einem signifikanten Überlebensvorteil verbunden, demgegenüber stehen die Resultate von Kycler et al., die keinen statistisch signifikanten Unterschied zeigten [8], [10]. Meimarakis et al. fassten in der Analyse den Progesteron- und Östrogen- zum Hormonrezeptorstatus zusammen. Die Analyse offenbarte einen statistisch signifikanten Unterschied zugunsten hormonrezeptorpositiver Lungenmetastasen [11]. Dieses Resultat steht in Einklang mit Ergebnissen von Fan et al., die eine Hazard Ratio von 2,3 für hormonrezeptornegative Lungenmetastasen ermittelten [12]. Zusammenfassend scheint die immunhistochemische Untersuchung der Metastasenrezeptoren vor der Durchführung von additiven oder alleinigen Targeted Therapies sinnvoll zu sein, weil diese vom Rezeptorstatus des Mammakarzinoms abweichen können [8], [11], [15].


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Empfehlungen zur Lungenmetastasenchirurgie

Gemäß der aktuell gültigen S3-Leitlinie zur Behandlung des Mammakarzinoms könne eine Lungenmetastasektomie indiziert sein, wenn keine disseminierte Metastasierung sowie lediglich unilaterale Lungenmetastasen vorliegen und das krankheitsfreie Intervall mehr als ein Jahr beträgt (Good-Clinical-Practice-Empfehlung) [16]. Die „Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie“ (AGO) kommt in der Empfehlung „Besondere Situationen und Lokalisationen in der metastasierten Situation“ zu dem Schluss, dass die Lungenmetastasenresektion bei unilateraler Metastasierung mit keinem positiven Nutzen verbunden und daher nur in Einzelfällen zu erwägen sei [17]. Weiterhin sei bei bilateralen Lungenmetastasen tendenziell von der Metastasektomie abzusehen [17].

Sechs Studien berichten explizit über den Einschluss von Patientinnen mit einem krankheitsfreien Intervall kleiner als 12 Monate [4], [5], [6], [7], [8], [9]. Alle bis auf eine Fallserie berücksichtigten zudem Patientinnen mit bilateraler Lungenmetastasierung [2], [3], [4], [5], [7], [8], [9], [10], [11]. Auf Basis der präsentierten Überlebensdaten scheinen Patientinnen mit pulmonal metastasiertem Mammakarzinom auch bei einem krankheitsfreien Intervall von weniger als 12 Monaten und/oder einer bilateralen Lungenmetastasierung von der Metastasektomie profitieren zu können.


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Zusammenfassung

Die Metastasektomie ist ein sicheres Verfahren und sowohl mit einem kurativen als auch einem palliativen Behandlungskonzept vereinbar. Zusammenfassend sollte jede Patientin mit erfolgreich behandeltem Primärtumor und isolierter, syn- bzw. metachroner Lungenmetastasierung in der interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Erscheinen die funktionelle Operabilität und die Resektabilität aller Lungenrundherde gewährleistet, sollte eine Lungenmetastasenresektion erwogen werden. Der unbestritten wichtigste Prognosefaktor für das Postmetastasektomie-Überleben bleibt die vollständige Resektion (R0-Resektion) aller Metastasen. Die Lungenmetastasenanzahl kann ein limitierender Faktor sein, sollte auf Basis der aktuellen Evidenz bei der Indikationsstellung jedoch eine untergeordnete Rolle einnehmen. Ein krankheitsfreies Intervall < 12 Monate und eine bilaterale Lungenmetastasierung stellen primär keine Kontraindikationen für eine Metastasektomie dar. Insbesondere diese Patientinnen bedürfen jedoch einer sorgfältigen interdisziplinären Therapieentscheidung. Der Hormonrezeptor- und HER2/neu-Rezeptorstatus von Lungenmetastasen und Mammakarzinom kann divergieren. Der Rezeptorstatus des Mammakarzinoms sollte primär nicht zur Indikationsstellung für die Lungenmetastasektomie herangezogen werden, dennoch scheint der Rezeptorstatus der Lungenmetastasen seinerseits Einfluss auf das Postmetastasektomie-Überleben zu nehmen. Bei isolierten intrapulmonalen Rezidiven können Re-Metastasektomien bei bestehender medizinischer Indikation in Kombination mit vorhandenem Patientenwunsch erwogen werden und im Einzelfall mit einer günstigen Prognose vergesellschaftet sein. Die Lungenmetastasenchirurgie ist die Therapie der Wahl für selektionierte Patientinnen mit pulmonal metastasiertem Mammakarzinom.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Khosro Hekmat
Klinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Universität zu Köln
Kerpener Straße 62
50931 Köln
Germany