Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2018; 53(05): 364-379
DOI: 10.1055/s-0043-112099
Topthema
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Kardioanästhesie: Monitoring der Gerinnung und Gerinnungstherapie

Coagulation Monitoring and Bleeding Management in Cardiac Surgery
Berthold Bein
,
Robert Schiewe
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Publikationsdatum:
17. Mai 2018 (online)

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Zusammenfassung

Die Transfusion von allogenen Blutprodukten ist mit einer Erhöhung der perioperativen Morbidität und Letalität assoziiert. Störungen der Hämostase sind insbesondere bei kardiochirurgischen Patienten häufig anzutreffen und können zu transfusionspflichtigen Blutungen führen. Eine zielgerichtete Therapie der häufig komplexen Gerinnungsstörungen erfordert eine differenzierte Diagnostik.

Abstract

The transfusion of allogeneic blood products is associated with increased morbidity and mortality. An impaired hemostasis is frequently found in patients undergoing cardiac surgery and may in turn cause bleeding and transfusions. A goal directed coagulation management addressing the often complex coagulation disorders needs sophisticated diagnostics. This may improve both patientsʼ outcome and costs. Recent data suggest that coagulation management based on a rational algorithm is more effective than traditional therapy based on conventional laboratory variables such as PT and INR. Platelet inhibitors, cumarins, direct oral anticoagulants and heparin need different diagnostic and therapeutic approaches. An algorithm specifically developed for use during cardiac surgery is presented.

Kernaussagen
  • Im Bereich der Kardioanästhesie sind Störungen der Hämostase häufig anzutreffen und können zu transfusionspflichtigen Blutungen führen.

  • Die Transfusion von allogenen Blutprodukten ist mit einer Erhöhung der perioperativen Morbidität und Letalität assoziiert. Durch Anwendung von Patient-Blood-Management kann eine Vielzahl unnötiger Transfusionen vermieden und somit das Outcome des Patienten verbessert werden.

  • Bei Niereninsuffizienz ist häufig eine Dosisanpassung gerinnungshemmender Medikamente erforderlich und ein scheinbar zeitgerechtes Absetzen vor Operationen nicht sicher ausreichend.

  • Bei oft komplexen Gerinnungsstörungen erfordert eine zielgerichtete Therapie eine differenzierte Diagnostik mit Darstellung der Gerinnselfestigkeit und -stabilität. Konventionelle Gerinnungsanalytik ist hierfür ungeeignet.

  • Eine Gerinnungsalgorithmus-basierte Therapie ist effizienter als eine empirische Therapie und sollte bei diffusen Blutungen verwendet werden. Ein Algorithmus sollte verständlich und leicht umsetzbar sein, auch in Stresssituationen.

  • Die Reaktion auf POC-basierte Analysewerte kann bei kurzer Analysedauer auch noch der aktuellen Situation gerecht werden. Zudem werden durch eine POC-basierte Gerinnungstherapie direkte und indirekte Kosten reduziert.

  • Die ROTEM-Analyse liefert Aussage zur Gerinnselfestigkeit und -stabilität. Sie hat sich als perioperative Gerinnungsanalytik bewährt. Bei Vorbehandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern ist die ROTEM-Analyse jedoch nicht komplett valide verwertbar. Zudem ist ein umfangreiches Qualitätsmanagementsystem zwingend erforderlich.

  • Bei Vorbehandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern und diffuser perioperativer Blutung bleibt nur eine 2-stufige Therapie mit Desmopressin und ggf. Thrombozytenkonzentraten. Bei diffuser Blutung und entsprechender Anamnese rechtfertigt die klinische Einschätzung allein die Therapie.

  • Ein Gerinnungsfaktorenmangel oder ein Fibrinogenmangel sollte durch entsprechende Konzentrate ausgeglichen werden und nicht durch die Gabe von FFP. FFP bergen das Risiko von u. a. Hämodilution, TRALI und Immunmodulation.