Intensivmedizin up2date 2018; 14(04): 371-389
DOI: 10.1055/s-0044-100989
Allgemeine Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Definitionen der Sepsis

Thomas Schmoch
,
Michael Bernhard
,
Florian Uhle
,
Johannes Bickenbach
,
Gernot Marx
,
Thorsten Brenner
,
Markus A. Weigand
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. November 2018 (online)

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Ein diagnostischer Goldstandard für das Krankheitsbild der Sepsis existiert nicht. In den Jahren 2014 und 2015 erarbeitete eine Taskforce neue internationale Konsensus-Definitionen für Sepsis und septischen Schock (SEPSIS-3). Diese sind zwar deutlich spezifischer als ihre Vorgänger, weisen aber ihrerseits auch einige Schwächen auf.

Kernaussagen
  • Sepsis ist gemäß SEPSIS-3 definiert als eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion verursacht wird.

  • Die Organdysfunktion ist dabei definiert als ein Anstieg des Sepsis-related Organ Failure Assesment Score (SOFA-Score) um ≥ 2 Punkte.

  • Der septische Schock ist definiert als eine Teilmenge der Sepsis. Bei Patienten mit septischem Schock sind die zirkulatorischen, zellulären und metabolischen Veränderungen mit einer höheren Letalität assoziiert als bei der Sepsis.

  • Konkret wird der septische Schock als Sepsis mit zusätzlichem Vorliegen eines Vasopressorbedarfs zur Erhaltung des mittleren arteriellen Drucks (MAP) von ≥ 65 mmHg und einem Serumlaktat von ≥ 2 mmol/l trotz adäquater Flüssigkeitssubstitution definiert.

  • Gemäß SEPSIS-3 haben Patienten mit Sepsis bereits eine Letalität von etwa 10%, während Patienten im septischen Schock eine Letalität von ≥ 40% aufweisen. Dies wird von einer Vielzahl an Validierungsstudien bestätigt.

  • SEPSIS-3 sagt damit Letalität spezifischer voraus als SEPSIS-1/2.

  • Cave: Patienten, die die Definition von SEPSIS-3 erfüllen, haben bereits ein Organversagen. Ziel muss es aber sein, ein Organversagen zu verhindern.

    • Die Diagnosestellung erfordert den SOFA-Sore. Die Erstellung des SOFA-Scores (Laborwerte) kostet Zeit.

    • Entscheidende Messwerte des SOFA-Scores (Kreatinin, Bilirubin, Thrombozytenzahl) hängen der eigentlichen Organschädigung zeitlich hinterher.

  • In der Medizin ist es üblich, erst eine Diagnose zu stellen, bevor man eine Therapie beginnt. Dieses Vorgehen muss mit SEPSIS-3 verlassen werden. Ein Patient mit drohender Sepsis profitiert davon, ohne Zeitverzug behandelt zu werden.

  • Auch der für den Rettungs- und Notarztdienst, die Notaufnahme und Normalstationen vorgeschlagene Screeningtest des qSOFA-Scores hilft nicht, diese zeitliche Lücke zu schließen, da dieses Tool noch spezifischer ist und Patienten mit einer höheren Letalität selektioniert als der SOFA-Score. Die Sensitivität des qSOFA für die 30-Tages-Letalität bei Patienten, die aufgrund einer Infektion in die Notaufnahme kommen, liegt bei 50 – 70%. Eine entscheidende Anzahl an Patienten, die im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes an einer Sepsis versterben, wird mit dem qSOFA nicht erkannt.

  • Mit SEPSIS-3 werden neue Konzepte benötigt, ab wann die Sepsisbündel der SCC gestartet werden sollten, damit:

    • Patienten, die eine Sepsis haben (SOFA ≥ 2), aber qSOFA-negativ sind, rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt werden, bevor die Laborergebnisse vorliegen, mit denen der SOFA bestimmt werden kann.

    • Patienten, bei denen ein Organversagen droht, die die SEPSIS-3-Definition aber noch nicht erfüllen, erkannt und adäquat behandelt werden.