Intensivmedizin up2date 2018; 14(04): 411-429
DOI: 10.1055/s-0044-101115
Internistische Intensivmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Elektrolytstörungen: Hypo- und Hypernatriämie

Michael Broll
,
Stefan John
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Publication Date:
16 November 2018 (online)

Ziel dieses Artikels ist die Vermittlung eines möglichst praxisnahen Vorgehens bei Diagnostik und Therapie dieser häufigen und oft unterschätzten Störungen. Zunächst werden physiologische Mechanismen in Bezug auf Volumen- und Osmoregulation betrachtet. Neben primären natriumbedingten Ursachen spielen auch Osmolalitätsprobleme wie z. B. Wasserintoxikation, Hyperglykämie oder Urämie eine entscheidende Rolle.

Kernaussagen
  • Dysnatriämien gehören zu den häufigsten Elektrolytstörungen im klinischen Alltag. In der Regel gehen hyper- und hypoosmolare Störungen mit einer Störung der Wasserbilanz einher. Die Folgen sind strukturelle Veränderungen der Zellmorphologie im Sinne einer Zellschwellung bei Hypo- oder Zellschrumpfung bei Hyperosmolarität. Die Unkenntnis über die Pathophysiologie kann zu voreiligen therapeutischen Maßnahmen mit einer weiteren Patientengefährdung führen.

  • Die Hauptkomplikation ist ein zu schneller Ausgleich einer chronisch adaptierten Elektrolytstörung mit Entwicklung eines osmotischen Demyelinisierungssyndroms oder eines Hirnödems. Hierbei sollte immer die Gesamtosmolalität betrachtet werden. Veränderungen, die die Gesamtosmolalität beeinflussen, wie z. B. ein hyperosmolares glykämisches Koma oder eine Urämie, sind in ihrer Behandlung und der physiologischen Auswirkung auf die zelluläre Stresssituation einer Hypernatriämie äquivalent und müssen stets langsam ausgeglichen werden.

  • Im Zweifel ist bei unklarer Dauer immer von einer chronischen Störung (> 48 h) auszugehen. Nur bei akuten lebensbedrohlichen Symptomen sind auch akut durchzuführende Maßnahmen wie z. B. die Substitution einer hochprozentigen Kochsalzlösung zum Natriumausgleich indiziert. Ansonsten gilt der Grundsatz „Primum nil nocere“, indem zu rasche Veränderungen der Osmolarität unbedingt vermieden werden müssen.

  • Bei chronischen Störungen mit milder Beschwerdesymptomatik steht die Diagnostik und Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Patienten, die sich klinisch eu- oder hypervolämisch präsentieren, profitieren bei einer Hyponatriämie eher von einer Trinkmengenrestriktion.

  • Patienten mit einem Diabetes insipidus sind besonders gefährdet, wenn ihnen der Zugang zu freiem Wasser verwehrt wird. Eine enterale Volumensubstitution ist, wenn möglich, zu bevorzugen.