Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(41): 1248
DOI: 10.1055/s-2000-7729
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bedeutung des Knochen-Isoenzyms der alkalischen Phosphatase

K. Werner
  • Laborverantwortlicher an der Orthopädischen Universitätsklinik
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Frage: Bei einer 75-jährigen Patientin ist seit über 10 Jahren immer wieder eine isolierte mäßiggradige Erhöhung der alkalischen S-Phosphatase (AP) festgestellt worden (letzter Wert 468 U/l). Außer einer Leber- und Gallenwegsdiagnostik (mit negativen Resultaten) haben die verschiedenen behandelnden Ärzte keine Konsequenzen gezogen. Jetzt wurde bei einer Untersuchung aus anderem Anlass in einer Universitätsklinik erstmals auch das Knochen-Isoenzym der AP bestimmt und deutlich erhöht gefunden, etwa gleichzeitig trat eine akute LWS-Symptomatik auf. Ein Knochen-Szintigramm und eine gezielte Röntgendiagnostik ergaben einen M. Paget der gesamten rechten Ulna sowie schwere LWS-Veränderungen mit Deckplatteneinbrüchen, deren Zusammenhang mit einem M. Paget offen blieb. Sicher wäre die Diagnose der M. Paget (oder einer anderen Erkrankung mit erhöhter Osteoblastenaktivität) wesentlich früher gestellt worden, ggf. mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen, hätte man das Knochen-Isoenzym der AP sofort bestimmt. Auch wäre die überflüssige Gallenwegdiagnostik vermieden worden.

In meiner alten Klinik war mit dem Labor vereinbart worden, dass bei der jeweils erstmaligen Feststellung einer erhöhten AP automatisch die Leucin-Aminopeptidase (LAP) mitbestimmt wurde. War diese normal, wurden von Anfang an die Weichen der Diagnostik in Richtung auf einen Knochenprozess gestellt. Das hat diagnostische Irrwege erspart.

Die Bestimmung des Knochen-Isoenzyms der AP soll sehr teuer sein - was kostet vergleichsweise die Bestimmung der LAP? Wie groß sind Spezifität und Sensitivität der Kombination von erhöhter AP und normaler LAP als Indikator eines Knochenprozesses im Vergleich zur Kombination erhöhte AP und Knochen-Isoenzym der AP?

Anwort: Nach Erkrankungen der Leber und der Gallenwege sind Erkrankungen des Knochengewebes aufgrund einer Mitbeteiligung des Skelettsystems bei anderen Grunderkrankungen die zweithäufigste Ursache erhöhter Gesamt-AP-werte. Hingegen finden sich pathologische Werte bei primären Erkrankungen des Skelettsystems nur selten.

Zur Diagnose einer Knochenerkrankung haben das Röntgenbild, ergänzt durch Computertomogramm und Magnetresonaztomogramm stärkere Aussagekraft [1] [3].

Pathologische Werte der Gesamt-AP, insbesondere solche > 800 U/l weisen dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine knochenbedingte AP-Erhöhung hin, wenn andere Parameter (LAP, GPT, γ-GT) normale Werte zeigen. Nach Behr et al. [2] ist die diagnostische Sensitivität der Knochen-AP zur Diagnostizierung von Knochenerkrankungen etwa doppelt so hoch wie die der Gesamt-AP, wenn ab einem Gesamt-AP-Wert > 130 U/l die Knochen-AP quantitativ bestimmt wird.

Zu dem genannten Fall der Frage, bei dem u.a. ein M. Paget der rechten Ulna diagnostiziert wurde, möchten wir auf eine Studie von Ziegler und Frank [4] hinweisen. Danach hat von den Laboruntersuchungen bei M. Paget die Gesamt-AP bei dieser Erkrankung die größte diagnostische Bedeutung und gibt nicht selten den ersten Hinweis. Geschildert wird, dass in einer Patientengruppe mit polyostotischer Manifestation ein Mittelwert von 721 U/l zu verzeichnen war, während bei monoostotischem Verlauf der Wert nur 386 U/l betrug.

Der vom Fragesteller genannte Wert von 468 U/l liegt in etwa dieser Größenordnung und damit wesentlich über den von Thomas [1] bei Frauen dieser Altersgruppe angegebenen Normalwerten von 60-170 U/l.

Bei normalen Leber- und Gallenwerten hätte man im genannten Fall also eher an eine Beteiligung des Skelettsystems denken können.

Zur Frage nach den Kosten der Bestimmungen von Gesamt-AP, Knochen-AP und LAP kann nach Rückfrage beim Institut für Klinische Chemie unseres Klinikums nur bedingt und unter Vorbehalt geantwortet werden.

Während die reinen Laborkosten bei der Gesamt-AP max. etwa 0,50 DM betragen, liegen sie bei der Knochen-AP bei etwa 1,30 DM, abrechnungsmäßig (GOÄ, EBM) sind es bei der Gesamt-AP ca. 2,00 DM.

Die Kosten für die LAP-Bestimmung dürften ähnlich sein; sie wird aber wegen der geringen diagnostischen Aussagekraft an unserem Klinikum nicht mehr durchgeführt.

Literatur

  • 1 Thomas L. Labor und Diabnose. Die Medizinische Verlagsgesellschaft Marburg; 1992
  • 2 Behr W. et al . Quantitative Bestimmung der alkalischen Knochenphosphatase durch Ausfällung mit Weizenkeimlektin.  Ärztl Lab. 1986;  32 159
  • 3 Bessler W. Röntgenologische und szinitgraphische Diagnose von Skeletterkrankungen im Vergleich zur alkalischen Phsophataseaktivität im Serum.  Schweiz Med Wschr. 1974;  104 333
  • 4 Ziegler R, Frank K. Diagnostik bei Morbus Paget des Skeletts.  Dtsch med Wschr. 1988;  113 100

Diplom-Chemiker Dr. rer. nat. K. Werner

Laborverantwortlicher an der Orthopädischen Universitätsklinik

Rostock