Pulmonale Chlamydieninfektionen sind seit 1879 bekannt, als J. Ritter den nach Vogelkontakt auftretenden „Pneumotyphus” beschrieb. Als Erreger wurde in den 1930er Jahren Chlamydia psittaci identifiziert [1]. Bereits 1943 wies Smadel darauf hin, dass neben C. trachomatis und C. psittaci noch eine dritte humanpathogene Chlamydienspezies existieren müsse, da in vielen Fällen von „Psittakose” trotz positivem Ausfall der Komplementbindungsreaktion kein Vogelkontakt eruierbar war [2]. Wegen der schwierigen Anzuchtbedingungen dauerte es noch 40 Jahre, bis die Erklärung für diese klinische Beobachtung gegeben werden konnte: Chlamydia pneumoniae, zunächst synonym als TWAR-Stamm bezeichnet, wurde 1983 von einem Studenten der University of Washington in Seattle (AR-39) während einer Pharyngitis isoliert, nachdem bereits 1965 der gleiche Erreger bei einem taiwanesischen Kind (TW-183) in einem Konjunktivalabstrich gefunden worden war. Seit 1986 zeigten weltweit klinische Studien, dass dieser Mikroorganismus bei einem überraschend hohen Anteil der ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen involviert ist.
C. pneumoniae teilt die wesentlichen Eigenschaften der beiden anderen humanpathogenen Chlamydienspezies: Es handelt sich um ein obligat intrazelluläres, gramnegatives Bakterium, welches zur Gewinnung energiereicher Phosphate wie ATP auf den Wirtsstoffwechsel angewiesen ist (Energieparasit) und einen distinkten Entwicklungszyklus mit zwei unterschiedlichen Zustandsformen aufweist, den umweltresistenten, infektiösen Elementarkörperchen und den umweltsensiblen, aber metabolisch aktiven und vermehrungsfähigen Retikularkörpern (Abb. [1]). Unterschiede zwischen den Chlamydienspezies betreffen neben morphologischen und biochemischen Charakteristika vor allem das Wirtsspektrum und die klinischen Manifestationen (Tab. [1]). Das Wirtszellspektrum von C. pneumoniae ist besonders breit und umfasst neben Epithelzellen, den klassischen Zielzellen der Chlamydien, Monozyten/Makrophagen, Endothelzellen, Fibroblasten und glatte Muskelzellen [3]. Diese Eigenschaft eröffnet dem Erreger die Möglichkeit, in unterschiedlichen Organen und Geweben zu persistieren und disseminierte Infektionen auszulösen; so wird C. pneumoniae in von der respiratorischen Eintrittspforte weit entfernten Kompartimenten wie dem Liquor cerebrospinalis nachgewiesen [4].
Als Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) spielt C. pneumoniae eine bedeutende Rolle und gehört in den meisten neueren Studien zu den 3 - 4 häufigsten Ätiologien. Demgegenüber ist die Inzidenz der Ornithose aufgrund der besseren Überwachung der Vogelbestände in Mitteleuropa in den letzten Dekaden deutlich zurückgegangen: dem Robert-Koch-Institut wurden 1999 109 Fälle gemeldet [5]. Auch wenn hier von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist, kann der Anteil von C. psittaci-Infektionen bei der CAP insgesamt auf < 1 % geschätzt werden. C. trachomatis schließlich ist von herausragender Bedeutung als Erreger der nichtgonorrhoischen Urethritis und Hauptursache der erworbenen Infertilität der Frau. In der Lunge ist seine Pathogenität auf zwei seltene Situationen beschränkt: die durch Infektion über den Geburtskanal via Aspiration erworbene Neugeborenenpneumonie und die kasuistisch beschriebene und vermutlich durch hämatogene Streuung verbreitete Pneumonie bei hochgradig immundefizienten Patienten.
Tab. 1Charakteristika humanpathogener Chlamydienspezies
| C. pneumoniae | C. psittaci | C. trachomatis |
Wirtsreservoir | Mensch | Vögel | Mensch |
Serovare | 1 | nicht definiert | 18 |
C. pneumoniae DNA-Homologie | > 96 % | < 10 % | < 10 % |
Plasmide | Nein | ja | ja |
% Nachweis bei ambulant erworbener Pneumonie | 5 - 15 | < 1 | 0 |
Klinik | Infekte deroberen Atemwege,Pneumonie | Pneumonie | Neugeborenenpneumonie, Trachom, Urethritis, Lymphogranuloma venerum |
Epidemiologie und Klinik
Die Seroprävalenz von C. pneumoniae steigt im Schulkindalter steil an und beträgt bei Erwachsenen im Mittel 60 - 80 % [6]. Sie bleibt bis ins hohe Alter aufgrund von Persistenz bzw. Reinfektionen hoch und zeigt ein mäßiges Nord-Südgefälle mit höheren Prävalenzen in südlichen Regionen. Es ist anzunehmen, dass sich nahezu jeder Mensch mindestens einmal im Leben mit diesem Erreger auseinandersetzt. Die Übertragung erfolgt nach heutigem Wissen direkt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion, Zwischenwirte oder Tierreservoire sind nicht relevant. Epidemien mit deutlicher Zunahme der Erkrankungszahlen treten in unseren Breiten im Abstand von 5 - 7 Jahren auf [7]. Das klinische Spektrum ist vielgestaltig (Tab. [2]): Asymptomatische Verläufe sind in etwa 70 % der Infizierten zu erwarten [6] und ein Erregernachweis mittels PCR aus Nasopharynxsekret bei Gesunden ist gut dokumentiert [8]. Bei Infektionen des oberen Respirationstrakts wie Sinusitis, Otitis, Pharyngitis und Tracheobronchitis wird C. pneumoniae in etwa 5 % nachgewiesen. Der Erreger zählt in den westlichen Ländern mit einer Inzidenz von durchschnittlich 5 - 15 % zu den häufigen Ursachen der ambulant erworbenen Pneumonie [9]
[10]
[11]
[12]
[13], wobei Koinfektionen v. a. mit Pneumokokken in 10 - 20 % beobachtet werden. In diesen Fällen wird C. pneumoniae infolge seiner epitheltoxischen Eigenschaften die Rolle eines Wegbereiters der eitrigen Superinfektion zugeschrieben. Charakteristisch für die C. pneumoniae-Pneumonie ist ein langsamer Krankheitsbeginn mit grippeartigen Symptomen und einer Pharyngitis mit ausgeprägter Heiserkeit. Die Lungenentzündung wird meist 1 - 2 Wochen nach Erkrankungsbeginn manifest und zeigt eher einen milden Verlauf mit subfebrilen Temperaturen, unproduktivem Husten und herdförmigen, subsegmentalen Infiltraten. Es werden aber auch schwere Infektionen mit multilobären oder disseminiert interstitiellen Infiltraten beobachtet, ohne dass zusätzliche Erreger nachgewiesen werden (Abb. [2]). Die Röntgenmorphologie ist vielgestaltig und kann nicht zur Abgrenzung von anderen Pneumonieformen herangezogen werden [14]. Beobachtungen von C. pneumoniae-Epidemien in amerikanischen Altersheimen belegen eine deutlich erhöhte Mortalität bei prädisponierten und multimorbiden Personen [15]. Der Krankheitsverlauf ist protrahiert, Rezidive bzw. persistierende Infektionen trotz gezielter Antibiotikatherapie sind nicht ungewöhnlich [16].
Ähnlich wie urogenitale und okuläre Chlamydieninfektionen zeigt auch die C. pneumoniae-Infektion eine Neigung zur Entwicklung immunpathologischer Syndrome. Hierzu gehören u. a. das Erythema nodosum, Arthralgien und Myalgien, das Löfgren-Syndrom sowie das Guillain-Barré-Syndrom [6]
[17]
[18]. In-vitro-Untersuchungen belegen die Fähigkeit des Mikroorganismus zur Stimulierung proinflammatorischer Mediatoren nach intrazellulärer Infektion: Hierzu gehören die Produktion von Zytokinen und Chemokinen wie TNF-α, IL-1β, IL-6, IL-8 und MCP-1, die Generierung reaktiver Sauerstoffspezies und die verstärkte Expression von Adhäsionsmolekülen [19]
[20]
[21].
Zelluläre Immundefizienz fördert das Wachstum von C. pneumoniae. So lassen sich experimentell persistierende Lungeninfektionen durch Kortikoidtherapie erzeugen [22]. Klinische Daten liegen insbesondere bei HIV-Infizierten vor: In diesem Kollektiv wurde eine C. pneumoniae-Infektion serologisch bzw. mittels PCR von mehreren Autoren gehäuft nachgewiesen [23]
[24]
[25]. Infolge der bei AIDS häufig anzutreffenden polymikrobiellen Infektionen ist die Beurteilung der ätiologischen Bedeutung allerdings schwieriger.
Tab. 2Klinische Manifestationsformen der C. pneumoniae-Infektion
gesichert:
|
Sinusitis, Otitis media |
Pharyngitis |
Tracheobronchitis |
ambulant erworbene Pneumonie |
COPD Exazerbation |
Asthma-Exazerbation |
Reaktive Arthritis |
möglich:
|
Atherosklerose |
chronisches Asthma bronchiale |
Lungenemphysem |
hypothetisch:
|
Sarkoidose |
multiple Sklerose |
Diagnostik
Im Labor findet sich bei akuter C. pneumoniae-Infektion meist eine beschleunigte BSG sowie ein deutlich erhöhtes C-reaktives Protein bei normalen Leukozytenzahlen. Wird eine bronchoalveoläre Lavage durchgeführt, so zeigt sich im Differenzialzellbild eine relative Lymphozytose bei makroskopisch nichteitrigem Sekret; es werden sowohl CD4- als auch CD8-Alveolitiden beobachtet [25]. Die Diagnose wird gesichert durch den Erregernachweis mittels PCR und/oder Kultur, wobei letztere aufgrund der schwierigen Anzuchtbedingungen eine niedrige Sensitivität aufweist und nur in wenigen Referenzlabors verfügbar ist (Tab. [3]). Der meist versuchte indirekte Nachweis mittels Serologie ist in der Aussagekraft durch mehrere Faktoren limitiert: zum einen liegt bei Erwachsenen wegen der hohen Seroprävalenz meist keine Primärinfektion vor, so dass positive IgM-Titer als Hinweis auf akute Infektion selten beobachtet werden. Durchseuchungstiter mit IgG-Antikörpern sind dagegen häufig, ohne dass aus der Höhe eines Einzeltiters sicher zwischen frischen und abgelaufenen Infekten differenziert werden kann. Auch die Aussagekraft von IgA-Antikörpern, die mit der mukosalen Infektion besser korrelieren sollen, ist umstritten. Der beweisende vierfache IgG-Titeranstieg tritt meist mit mehreren Wochen Verzögerung auf und ist daher in der Akutphase der Erkrankung nicht hilfreich. Schließlich zeigen der direkte Erregernachweis und die Serologie keine enge Korrelation: so lässt sich aus der Höhe der Antikörperspiegel nicht auf die Anwesenheit von C. pneumoniae in atherosklerotischen Plaques schließen. Insgesamt dürften die meisten Labors beim derzeitigen Stand der Technologie nicht in der Lage sein, die Diagnose einer C. pneumoniae-Pneumonie im Akutstadium zweifelsfrei zu stellen, so dass die Therapie empirisch erfolgen muss.
Tab. 3Diagnostik der C. pneumoniae-Infektion
Verfahren | Sensitivität | Spezifität |
KBR | + | genussspezifisch |
Mikroimmunfluoreszenztest | ++* | speziesspezifisch |
Kultur | + | +++ |
PCR | +++ | +++ |
* bei Abnahme von gepaarten Serumproben im Abstand von mindestens drei Wochen |
Therapie
C. pneumoniae ist in vitro gegenüber Makroliden, Tetrazyklinen, Fluorchinolonen und Rifampicin empfindlich (Tab. [4]), wobei die meisten Daten zur klinischen Effektivität bei Makrolid- und Chinolontherapie vorliegen. Klinisch relevante Resistenzen gegenüber diesen Antibiotika sind bislang nicht dokumentiert worden; allerdings liegen Beobachtungen über einen Anstieg der minimalen Hemmkonzentration von Makrolidantibiotika unter Therapie vor [26]. Die Empfehlungen zur Therapiedauer der C. pneumoniae-Pneumonie in internationalen Richtlinien reichen von 10 - 14 Tagen [27]
[28].
Tab. 4Antibiotikaempfindlichkeit von C. pneumoniae in vitro (nach Gieffers et al. [62])
Antibiotikum | MHK [μg/ml] |
Erythromycin | 0,05 |
Azithromycin | 0,1 |
Roxithromycin | 0,025 |
Ofloxacin | 0,5 |
Levofloxacin | 0,4 |
Moxifloxacin | 0,025 |
Rifampicin | 0,005 |
Doxycyclin | 0,1 |
Penicillin G | > 500 |
C. pneumoniae und Asthma
Klinische Beobachtungen zu einer Assoziation zwischen dem Asthma bronchiale und der C. pneumoniae. Infektion wurden bereits 1991 publiziert: Hahn et al. hatten bei 19/365 ambulanten Patienten mit Infekten der unteren Atemwege nach serologischen Kriterien eine akute Chlamydieninfektion diagnostiziert. Bei 9/19 (47 %) dieser Patienten fand sich eine bronchiale Obstruktion, und in einer Follow-up-Studie über sechs Monate wurde eine „asthmatische” Bronchitis bei 29,6 % der seropositiven, aber nur 7 % der seronegativen Patienten beobachtet; das relative Risiko war bei Seropositivität um den Faktor 7,2 [95 %-Konfidenzintervalle: 2,2 - 23,5] erhöht [29]. Diese Assoziation war in der Subgruppe mit den höchsten Serumantikörpertitern und bei nichtatopischen Patienten besonders ausgeprägt.
In-vitro-Untersuchungen geben Hinweise auf mögliche Pathomechanismen für eine Beziehung zwischen der C. pneumoniae-Infektion und dem Asthma: Hierzu gehören neben epitheltoxischen Effekten [30] der Nachweis einer spezifischen Sensibilisierung mit anti-C. pneumoniae-IgE-Antikörpern bei Kindern mit „reaktiver” Bronchitis [31] sowie die Fähigkeit des Erregers, nach Interaktion mit humanen Alveolarmakrophagen die Sekretion proinflammatorischer Zytokine wie des Tumornekrosefaktor-α zu stimulieren [21]. Weitere klinische Studien stützen die Hypothese eines Zusammenhanges zwischen bestimmten Verlaufsformen des Asthmas und einer Chlamydieninfektion [32]
[33]
[34]
[35]: So verglichen Cook et al. in einer prospektiven Studie bei 123 Patienten mit akutem Asthma, 46 Patienten mit schwerem, chronischem Asthma und 1518 Kontrollen den Serostatus hinsichtlich einer akuten oder abgelaufenen C. pneumoniae-Infektion. Die Autoren fanden Hinweise für eine abgelaufene Infektion bei 34,8 % der Patienten mit chronischem Asthma im Vergleich zu 12,7 % bei den Kontrollpatienten [32]. Diese Differenz war statistisch signifikant, während sich keine Unterschiede zwischen den Kollektiven hinsichtlich der Inzidenz akuter C. pneumoniae-Infektionen ergaben. Von Hertzen und Koautoren konnten zeigen, dass die Prävalenz hoher IgG-Antikörpertiter gegen C. pneumoniae bei Patienten mit lange bestehendem, nichtatopischem Asthma deutlich erhöht war [35]. Cunningham et al. untersuchten in einer longitudinalen Studie über 13 Monate bei 108 Schulkindern die Beziehung zwischen der Frequenz von Asthmaexazerbationen und dem Nachweis von C. pneumoniae mittels PCR und spezifischen sekretorischen IgA-Antikörpern (sIgA) im Nasopharyngealsekret [33]. Als Hauptresultat dieser Studie fand sich eine signifikante Korrelation zwischen der Konzentration von C. pneumoniae-spezifischem sIgA und der Exazerbationsrate im Beobachtungszeitraum (Abb. [3]).
Die Daten zur Assoziation zwischen einer persistierenden C. pneumoniae-Infektion und dem Verlauf eines chronischen Asthmas lassen unterschiedliche Interpretationen zu und bedürfen der Bestätigung durch weitere Studien mit gut definierten Kollektiven und ausreichenden Patientenzahlen. Dagegen zeigen Untersuchungen zum Erregernachweis in der akuten Exazerbation ein klares Bild: C. pneumoniae spielt hier mit einer Inzidenz von 4,5 % bei Kindern [36] und 5,4 % bei Erwachsenen [37] gegenüber viralen Erregern eine untergeordnete Rolle, steht aber unter den bakteriellen Erregern an erster Stelle.
Unklar ist dagegen, ob Asthmatiker auch außerhalb von Infektexazerbationen von einer Antibiotikatherapie profitieren. Eine erste doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie zum Effekt einer Therapie mit Roxithromycin wurde über sechs Wochen bei 219 Patienten aus Neuseeland, Italien und Argentinien durchgeführt. Es handelte sich um ambulante Patienten mit einem moderaten, symptomatischen Asthma und einer positiven C. pneumoniae-Serologie. Das mittlere FEV1 betrug 2,57 l (77 % des Vorhersagewertes), und bei 78 bzw. 85 % der Patienten lag eine Atopie vor. Die bislang nur in Abstractform veröffentlichten Ergebnisse zeigen einen signifikanten Anstieg des abendlichen Peakflow in der Verumgruppe gegenüber Plazebo (15 vs. 3 l/min) sowie einen verbesserten Tagessymptomenscore [38]. Darüber hinaus wurden in der behandelten Gruppe tendenziell auch ein höherer morgendlicher Peakflow und ein besserer Nachtsymptomenscore beobachtet. Dagegen fanden sich keine Unterschiede hinsichtlich des FEV1, der Tagesvariabilität und des Betaagonistenverbrauchs zwischen den beiden Gruppen, und der Therapieeffekt war sechs Wochen nach Ende der Behandlung nicht mehr signifikant. Für eine nähere Bewertung dieser Ergebnisse bleibt die komplette Veröffentlichung abzuwarten.
Chlamydia pneumoniae und COPD
Auch bei der COPD finden sich in der Exazerbation bei 5 - 8 % der Patienten Hinweise für eine akute C. pneumoniae-Infektion [39]
[40]; in einzelnen Studien werden sogar Inzidenzen bis zu 22 % berichtet [41]. Dagegen gibt es bislang keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Rolle des Erregers im chronischen Krankheitsverlauf. Jüngste morphologische Daten zum Erregernachweis mittels Elektronenmikroskopie [42] im Lungengewebe bei Patienten mit Emphysemen unterschiedlicher Genese eröffnen neue Forschungsperspektiven.
C. pneumoniae und Atherosklerose
Ein Zusammenhang zwischen vorausgegangener Atemwegsinfektion und dem Auftreten eines Myokardinfarkts wurde schon länger vermutet und konnte kürzlich durch eine Fall-Kontrollstudie eindrucksvoll bestätigt werden: Das relative Risiko, an einem Infarkt zu erkranken, war in der Infektgruppe maximal um das 3,6fache erhöht [43].
1988 wiesen Saikku u. Mitarb. erstmals anhand serologischer Daten aus der Helsinki Heart Study auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der C. pneumoniae-Infektion und der Atherosklerose hin [44]. Inzwischen ist diese Assoziation durch eine große Zahl weiterer seroepidemiologischer Studien sowie Metaanalysen überwiegend bestätigt worden [45]
[46] (Abb. [4]). Spezifischere Hinweise für die Rolle des Erregers bei der vaskulären Inflammation, die nach heutigem Verständnis zentraler Bestandteil der Pathogenese der Atherosklerose ist, liefern Studien über den Nachweis von C. pneumoniae in atherosklerotischen Plaques, der mittels Immunhistochemie oder PCR in 25 - 55 % und mittels Kultur in immerhin 8 % gelang [47]
[48]
[49]. Damit ist die Anwesenheit vitaler Erreger in der Gefäßwand überzeugend demonstriert. Unklar bleibt allerdings weiterhin, wie C. pneumoniae aus dem Respirationstrakt in die Zirkulation gelangt und von dort in die Gefäßwand eindringt. Eine direkte Dissemination der freien Erreger über die Blutbahn ist nie beobachtet worden, und es fehlen klinische Korrelate einer septischen Streuung. Dagegen ist die intrazelluläre Persistenz in pulmonalen Monozyten/Makrophagen, die als Vektor der Disseminierung dienen [50] und über regionale Lymphknoten rezirkulieren können, ein plausibles Erklärungsmodell. Als Evidenz für die Bedeutung dieses Weges kann angeführt werden, dass in Blutmonozyten von Patienten mit koronarer Herzkrankheit Chlamydien identifiziert werden konnten [51] und dass die Infektionsrate von Gefäßwandzellen mit C. pneumoniae, aber nicht mit C. trachomatis und C. psittaci, durch Kokultivierung mit Monozyten/Makrophagen gesteigert werden kann [52]. Auch die Fähigkeit des Erregers, nach Kontakt mit Makrophagen, Endothelzellen und glatten Muskelzellen eine ausgeprägte proinflammatorische Reaktion mit Sekretion von reaktiven Sauerstoffspezies, Zytokinen und Chemokinen auszulösen, ist von verschiedenen Arbeitsgruppen demonstriert worden [3]
[53]. Unklar bleibt, ob die Mikroorganismen mit den Monozyten in die bereits erkrankte Gefäßwand einwandern, oder ob die Erreger über eine primäre Gefäßwandentzündung tatsächlich in der Lage sind, die Atherosklerose kausal zu beeinflussen. Die Beurteilung der pathogenetischen Rolle des Erregers schwankt daher zwischen den Hypothesen eines „innocent bystanders”, dessen Anwesenheit in dem entzündlichen Plaque zufällig ist, eines Kofaktors, der gemeinsam mit anderen Risikofaktoren an der Pathogenese beteiligt ist, und des primären kausalen Prinzips im Sinne der Atherosklerose als Chlamydieninfektion des Gefäßsystems.
Hinweise für eine kausale Rolle der Chlamydien in der Pathogenese der Atherosklerose liefern tierexperimentelle Untersuchungen, die zeigen konnten, dass im Anschluss an eine respiratorische C. pneumoniae-Infektion ein Teil der Tiere unter geeigneten Bedingungen Atherome entwickelt [54]. Unter einer Makrolidtherapie konnten diese Gefäßveränderungen günstig beeinflusst werden. Die Daten über den Effekt therapeutischer Interventionen beim Menschen sind dagegen inkonklusiv: Nachdem zwei kleinere, kontrollierte Studien kurzfristige Effekte einer Makrolidtherapie hinsichtlich klinischer Endpunkte bei Patienten nach Myokardinfarkt bzw. mit akutem Koronarsyndrom gezeigt hatten [55]
[56], waren diese im weiteren Verlauf nicht mehr nachweisbar, und eine dritte Studie mit seropositiven KHK-Patienten zeigte bei einer dreimonatigen Therapiephase mit Azithromycin keine Unterschiede zwischen Verum- und Plazebogruppe. Allerdings war die klinische Ereignisrate in beiden Gruppen sehr niedrig [57]. Umfangreiche klinische Studien mit jeweils mehreren tausend Patienten werden derzeit durchgeführt, um die offenen Fragen hinsichtlich einer Intervention mit Antibiotika abzuklären. Bis die Ergebnisse dieser Studien vorliegen, sollte von einer unkritischen Antibiotikatherapie bei Patienten mit Atherosklerose abgesehen werden, auch um die ohnehin ansteigende Resistenzentwicklung häufiger bakterieller Erreger gegenüber den Makrolidantibiotika nicht weiter zu beschleunigen. Andererseits spricht nichts dagegen, bei Patienten mit Atherosklerose, die aus anderen Gründen eine Antibiotikatherapie benötigen, bevorzugt Substanzen zu wählen, die auch gegenüber C. pneumoniae wirksam sind. Hierbei kann man sich, ähnlich wie beim Asthma, die antiinflammatorischen Eigenschaften der Makrolide zunutze machen. Diese sind von den antibiotischen Effekten unabhängig [58] und umfassen u. a. die Inhibition der Chemokinproduktion und der Leukozytenproliferation, einen proapoptotischen Effekt auf Entzündungszellen und im Bereich der Atemwege eine Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität [59]. Sie könnten über eine gestörte Chemotaxis auch die vaskuläre Inflammation günstig beeinflussen.
Daneben zeigen Daten anderer Autoren und unserer Arbeitsgruppe, dass die inzwischen häufig bei Patienten mit Atherosklerose eingesetzten HMG CoA Reduktase-Hemmer (Statine) neben ihren lipidsenkenden Eigenschaften ebenfalls ausgeprägte antiinflammatorische Effekte haben (Abb. [5]). So wird in vitro die C. pneumoniae-induzierte Sekretion der Chemokine IL-8 und MCP-1, die für die Entwicklung der vaskulären Inflammation von herausragender Bedeutung sind, durch Koinkubation mit Cerivastatin signifikant gehemmt [53]. Die inhibitorische Wirkung der Statine scheint dabei über Metabolite der Mevalonsäure und der Isoprenoide vermittelt zu sein. So konnten wir zeigen, dass die inhibitorischen Effekte des Statins nach Zugabe von Mevalonat teilweise reversibel waren.
Daneben scheint der Aktivierung der endothelialen Typ-III-NO-Synthetase (ecNOS) durch Statine eine entscheidende Bedeutung zuzukommen, in deren Folge es zu einer verminderten Expression des Transkriptionsfaktors NF-κB und damit zur Inhibition proinflammatorischer Gene kommt. So zeigten Kaesemeyer u. Mitarb., dass es durch Pravastatin zu einer Verbesserung der endothelialen Funktion durch Aktivierung der eNOS kommt [60]. Eigene In-vitro-Untersuchungen machten deutlich, dass es durch Cerivastatin zu einer verminderten Aktivierung von NF-κB kommt [53].
Auch wenn der exakte Signaltransduktionsweg noch nicht ausreichend charakterisiert ist, so spricht vieles dafür, dass die in zahlreichen Studien nachgewiesene klinische Effektivität der Statine bei koronarer Herzkrankheit auch durch die Hemmung einer erregerabhängigen Entzündung bedingt ist. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, dass in den großen Interventionsstudien bei der KHK die günstigen Wirkungen der Statine hinsichtlich klinischer Endpunkte weitgehend unabhängig von ihrem lipidsenkenden Effekt waren [61].
Zusammenfassend hat C. pneumoniae als jüngster Vertreter der Chlamydienfamilie bereits eine bemerkenswerte Karriere als humanpathogener Infektionserreger hinter sich. An seiner ätiologischen Rolle bei den ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen besteht kein Zweifel. Probleme bereitet noch die mangelhaft standardisierte und häufig ineffiziente Diagnostik. Ein breiterer Einsatz aussagekräftiger, moderner diagnostischer Methoden stößt in der Praxis auf ökonomische Grenzen. Therapeutisch steht für die akute respiratorische Infektion ein ausreichendes Arsenal an wirksamen Antibiotika zur Verfügung.
Die Neigung des Erregers zur intrazellulären Persistenz, zu Reinfektionen und zur Triggerung immunpathologischer Syndrome machen C. pneumoniae zu einem interessanten Kandidaten für die Pathogeneseforschung chronisch entzündlicher Erkrankungen. Unter diesen zeigen das Asthma und die Atherosklerose nach derzeitigem Kenntnisstand die engste Assoziation zur C. pneumoniae-Infektion. Der Nachweis einer kausalen Beziehung steht allerdings noch aus, so dass von therapeutischen Interventionen außerhalb von Studien abgeraten werden sollte.
Abb. 1Entwicklungszyklus von Chlamydia pneumoniae. a) schematische Darstellung; b) immunfluoreszenzoptischer Nachweis von Einschlusskörpern in humanen Alveolarmakrophagen 72 h nach In-vitro-Infektion (× 400).
Abb. 2Röntgenthoraxbild einer akuten, intensivtherapiepflichtigen C. pneumoniae-Pneumonie mit Erregernachweis mittels PCR in der bronchoalveolären Lavage.
Abb. 3Beziehung zwischen C. pneumoniae-spezifischem sekretorischen IgA im nasopharyngealen Sekret und Exazerbationsrate bei 108 britischen Schulkindern mit Asthma. Nach Cunningham et al. [33].
Abb. 4Odds Ratios in epidemiologischen Studien zur Beziehung zwischen dem C. pneumoniae-Serostatus und koronarer Herzkrankheit (modifiziert nach Danesh et al. [45]). MI = Myokardinfarkt, AP = Anginapectoris, KHK = koronare Herzkrankheit, EKG = KHK-typische EKG-Veränderungen.
Abb. 5Freisetzung von Monozyten chemotaktischem Protein-1 (MCP-1) durch Alveolarmakrophagen von 6 Probanden mit und ohne In-vitro-Infektion durch Chlamydia pneumoniae 10 μg/ml (CWL) und nach Koinkubation mit Cerivastatin 0,48 μg/ml über einen Zeitraum von 96 h (nach Kothe et al. [53]). *p < 0,05 vs. Kontrollen ohne Cerivastatin.