Zusammenfassung
Symptome und Anzeichen für Kiefergelenkerkrankungen (TMD) treten bei Kindern und Jugendlichen
relativ häufig auf. Diese Symptome und Anzeichen für TMD können während des zweiten
Lebensjahrzehnts auftreten und in ihrer Häufigkeit und Schwere zunehmen. In diesem
Zeitraum unterziehen sich etwa 20-30% der Kinder und Jugendlichen in den meisten westeuropäischen
Ländern einer kieferorthopädischen Behandlung.
In Hinblick auf das häufige Auftreten von Symptomen und Anzeichen für TMD bei Kindern
und Jugendlichen ist es wahrscheinlich, dass kieferorthopädisch behandelte Patienten
vor, während oder nach der Therapie Anzeichen und Symptome für temporomandibuläre
Störungen zeigen. Das Auftreten von Anzeichen und Symptomen für TMD während einer
kieferorthopädischen Therapie muss daher im Zusammenhang mit normalen longitudinalen
Veränderungen bei gleichaltrigen Individuen mit ähnlichen, aber unbehandelten Anomalien,
sowie bei Individuen vorzugsweise ohne Fehlstellungen betrachtet werden. Dieser Hintergrund
war der Anlass zur Durchführung der vorliegenden Untersuchung.
Das Ziel der Studie lag in der prospektiven und longitudinalen Untersuchung sowohl
von Symptomen und Anzeichen für temporomandibuläre Störungen (TMD), als auch okklusaler
Veränderungen bei Mädchen mit kieferorthopädisch behandelten Klasse-II-Anomalien im
Vergleich zu Individuen mit unbehandelten Klasse-II-Fehlstellungen bzw. mit normaler
Okklusion.
65 Klasse-II-Patientinnen wurden mit Multibandapparaturen kieferorthopädisch behandelt
(Orthodontiegruppe), 58 blieben unbehandelt (Klasse-II-Gruppe) und 60 Mädchen hatten
eine normale Okklusion (Normalgruppe).
In allen drei Gruppen zeigten sich bei den Angaben zu Symptomen und Anzeichen für
TMD individuelle Schwankungen im Verlauf der zwei- bzw. dreijährigen Studie. In der
Orthodontiegruppe lag die Häufigkeit von muskulären Anzeichen für temporomandibuläre
Störungen posttherapeutisch signifikant niedriger. Die Klasse-II- und die Normalgruppe
zeigten demgegenüber im Verlauf der zwei Jahre nur geringfügige Veränderungen. Kiefergelenkknacken
nahm zwar bei allen drei Gruppen im Verlauf der zwei Jahre zu, war allerdings in der
Normalgruppe weniger weit verbreitet. In der Normalgruppe traten auch die Symptome
und Anzeichen für TMD generell weniger häufig auf, als in der Orthodontie- bzw. in
der Klasse-II-Gruppe. Zwar nahm in der Orthodontiegruppe die Zahl der funktionellen
okklusalen Interferenzen im Verlauf der zwei Jahre ab, sie blieb aber in den anderen
beiden Gruppen unverändert.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine kieferorthopädische Therapie, ob
mit oder ohne Extraktion von Zähnen, weder das Risiko für die Ausprägung von Anzeichen
für TMD erhöht, noch bereits bestehende Symptome verschlechtert. Bei Individuen mit
Klasse-II-Anomalien und muskulären Anzeichen für TMD schien sich die Situation über
den Beobachtungszeitraum von zwei Jahren hinweg sogar eher zu verbessern. Die Normalgruppe
zeigte eine geringere Häufigkeit von Symptomen und Anzeichen für TMD als die Orthodontie-
bzw. die unbehandelte Klasse-II-Gruppe. Die beobachteten großen Schwankungen von Symptomen
und Anzeichen für TMD im Verlauf der Zeit führen uns dazu, eine eher konservative
Behandlungsstrategie zu empfehlen, wenn es um die Therapie des stomatognathen Systems
bei Kindern und Jugendlichen geht.
Abstract
Symptoms and signs of temporomandibular disorders (TMD) are relatively common in children
and adolescents. These symptoms and signs of TMD can appear, increase in frequency
and severity during the second decade of life. During this period, about 20-30 % of
the population of children and adolescents in most western European countries receive
orthodontic treatment.
In view of the high prevalence of symptoms and signs of TMD in children and adolescents,
it is likely that patients receiving orthodontic treatment might experience TMD before,
during or after their orthodontic treatment. The occurrence of signs and symptoms
of TMD during orthodontic treatment must therefore be seen in the light of normal
longitudinal changes in subjects of the same age with similar but untreated malocclusions
and preferably also in subjects without malocclusion. The above mentioned background
was the reason for performing this study.
The aim of this study was to prospectively and longitudinally study symptoms and signs
of temporomandibular disorders (TMD) and occlusal changes in girls with Class II malocclusion
receiving orthodontic treatment in comparison with untreated Class II malocclusions
and with normal occlusion subjects.
Sixty-five Class II subjects received orthodontic fixed straight-wire appliance treatment
(Orthodontic group), 58 subjects were orthodontically untreated (Class II group) and
60 subjects had a normal occlusion (Normal group).
Individual fluctuations of reported symptoms and signs of TMD were found in all three
groups over the two-three year period of the study. In the Orthodontic group, the
prevalence of muscular signs of TMD was significantly less common post-treatment.
The Class II group and the Normal group showed minor changes during the two-year period.
Temporomandibular joint clicking increased in all three groups over the two years
but was less common in the Normal group. The Normal group also had a lower overall
prevalence of symptoms and signs of TMD than the Orthodontic and the Class II group.
Functional occlusal interferences decreased in the Orthodontic group but remained
the same in the other two groups over the two years.
In conclusion, orthodontic treatment either with or without extractions did not increase
the risk for or worsen pre-treatment signs of TMD. On the contrary, subjects with
Class II malocclusions and signs of TMD of muscular origin seemed to benefit functionally
from orthodontic treatment in a two-year perspective. The Normal group had a lower
prevalence of symptoms and signs of TMD than the Orthodontic and the untreated Class
II groups. The large fluctuation of symptoms and signs of TMD over time leads us to
suggest a conservative treatment approach when stomatognathic treatment in children
and adolescents is considered.
Schlüsselwörter
Temporomandibuläre Störungen - Okklusion
Key words
Temporomandibular disorders - occlusion