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DOI: 10.1055/s-2001-10865
Prämedikation vor Endoskopien
Publication History
Publication Date:
31 December 2001 (online)
Frage: In einigen gastroenterologischen Praxen und Klinikabteilungen ist es üblich, zur Prämedikation vor Endoskopien Midazolam und Diazepam zu rezeptieren. Gibt es eine rationale Begründung für die Kombination dieser beiden Benzodiazepine?
Antwort: Diagnostische obere gastrointestinale Endoskopien können mit lokaler pharyngealer Anästhesie allein, intravenöser Sedation allein oder mit der Kombination beider Verfahren durchgeführt werden [14]. Welches Verfahren letztendlich angewendet wird, hängt von den Erwartungen des Patienten, den Erfahrungen des Untersuchers und von den Gewohnheiten der jeweiligen endoskopischen Abteilung ab [1] [12] [15]. Eine ausreichende Sedierung, gegebenfalls in Kombination mit einer Anxiolyse und einer Amnesie bei erhaltener Bewusstseinslage („conscious sedation”), scheint die Untersuchung zu erleichtern sowie die Kooperation und Zufriedenheit der Patienten zu steigern [6].
Wenn eine Sedierung erwünscht oder erforderlich ist, wird in den meisten Ländern ein Benzodiazepin, zum Beispiel Diazepam (Valium), ein in Fett emulgiertes Diazepam (Diazemuls) oder Midazolam (Dormicum) angewandt [1] [5] [9] [12]. Diazepam ist das traditionell verwendete Sedierungsmittel; eine Fettemulsion des Diazepams wird eingesetzt, um den Wirkungseintritt zu beschleunigen. Bei Midazolam handelt es sich um ein potentes Benzodiazepin mit einer zusätzlichen amnestischen und in hoher Dosierung auch hypnotischen bzw. narkotischen Wirkung; es wird seit Anfang der 80er Jahre in der Anästhesiologie angewandt und hat später auch Verwendung in der Gastroenterologie gefunden. Die durchschnittlich applizierte Dosis für eine gastrointestinale Endoskopie liegt, zum Beispiel in England, bei 13,5 mg Diazepam und 5,7 mg Midazolam [12]. Die applizierte Dosis muss bei Patienten über 60 Jahren reduziert werden. Die an das Körpergewicht adaptierte Gesamtdosis liegt bei rund 0,15 mg/kg Körpergewicht Diazepam bzw. 0,07 mg/kg Körpergewicht Midazolam; bei Midazolam kann etwa die Hälfte der Dosis initial gegeben werden, der Rest wird bei Bedarf appliziert (titriert).
Diazepam und Midazolam unterscheiden sich pharmakokinetisch voneinander durch eine 2-4fach kürzere Wirkdauer von Midazolam im Vergleich zu Diazepam (1,5-3 vs 8-13 Stunden) sowie eine 6-10fach längere Eliminationshalbwertszeit von Diazepam bzw. dessen Metaboliten im Vergleich zu Midazolam (25-41 vs 2-4 Stunden). Damit lässt sich eine Sedierung mit Midazolam durch Titration des Präparates (stufenweise Gabe) besser als mit Diazepam steuern; der Patient erholt sich schneller von der Sedierung. Allerdings scheint die atemdepressive Nebenwirkung von Midazolam ausgeprägter als bei Diazepam zu sein. Für Midazolam existiert ein kurz wirksamer Antagonist, das Flumazenil (Anexat), welches benutzt werden kann, um kurzfristig eine Übersedierung mit kardiopulmonaler bzw. respiratorischer Komplikation zu beheben (zum Beispiel bei akzidenteller Überdosierung oder bei einer unerwartet starker Wirkung). Diese Komplikationen sind die häufigsten Nebenwirkungen einer intravenösen Sedierung bei der oberen gastrointestinalen Endoskopie. Wenn eine Sedierung durchgeführt wird, sollten die Empfehlungen zum Monitoring der Patienten beachtet werden [2] [11]. Diese sind:
eine ausreichende apparative Austattung sowie eine qualifizierte personelle Besetzung für den Fall einer kardiopulmonalen Notfallsituation; die präoperative Identifikation von Risikopatienten; eine kontinuierliche Gabe von Sauerstoff bei Risikopatienten sowie eine kontinuierliche Überwachung des Patienten während und nach der Untersuchung (zum Beispiel mittels Pulsoxymeter und/oder EKG-Monitor).
Bei therapeutischen Endoskopien im oberen Gastrointestinaltrakt, endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikographien (ERCP) und in der Mehrzahl der Koloskopien wird häufig zusätzlich zur Sedierung eine Analgesie gewünscht [2] [9] [13]; ein Teil der Koloskopien kann auch ohne Sedierung durchgeführt werden [7]. Die Kombination eines Benzodiazepins mit einem Opiat, zum Beispiel Pethidin oder Fentanyl, wird am häufigsten eingesetzt [2] [9] [13]. Dabei ist zu beachten, dass das Opiat die sedative Wirkung des Benzodiazepins bis auf das 8fache potenzieren kann. Bei dieser Kombination kann es häufiger zum Abfall der Sauerstoffsättigung kommen als bei der alleinigen Gabe von Diazepam [13]. Es empfiehlt sich, das Opiat eine halbe Stunde vorher zu geben; anschließend wird eine reduzierte Dosis des Benzodiazepins (rund 25 % der normalen Dosis) appliziert und gegebenfalls nach Bewusstseinslage nachtitriert [12]. Im pädiatrischen Bereich, vereinzelt auch bei Erwachsenen, wird auch eine Kombination Midazolam und Ketamin (Ketanest) angewendet [8].
Vergleichende Studien zwischen Diazepam/fettemulsiertem Diazepam und Midazolam zeigten, aufgrund der amnestischen Wirkung bei gleichen kardiorespiratorischen Nebenwirkungsraten, tendenzielle Vorteile von Midazolam gegenüber Diazepam. Dies gilt insbesondere für die Zufriedenheit der Patienten [3] [16] [18], allerdings hat Midazolam einen höheren Verbraucherpreis [16]. Eine eindeutige klinische Überlegenheit eines bestimmten Präparates konnte nicht festgestellt werden. Querschnittumfragen unter den endoskopisch tätigen Kollegen ergaben, dass signifikante regionale Unterschiede im Gebrauch eines bestimmten Präparates existieren: Midazolam und Diazepam werden in England in gleicher Maße benutzt; allerdings bevorzugen die North-West-Regionen Midazolam, während die Ost-Regionen Diazepam favorisieren [12]. In den USA wird hauptsächlich Midazolam angewendet [1]. Vergleichbare Daten für Deutschland gibt es nicht. Pharmakologisch erkennbare Gründe für einen kombinierten Gebrauch dieser beiden Benzodiazepinen für eine gastrointestinale Endoskopie sind nicht bekannt. Ebenso fehlen publizierte klinische Daten zu dieser Kombination.
Seit zirka 5 Jahren wird Propofol, ein Kurznarkotikum mit dosisabhängiger sedativ-hypnotischer Wirkung und sehr kurzer Halbwertszeit von 2-5 Minuten zur Sedierung in der Gastroenterologie benutzt [4] [10] [17]. Unter Propofolgabe tritt die Sedierung sehr rasch ein, und die Wirkungsdauer ist extrem kurz, die Patienten erholen sich also sehr rasch von der Sedierung. Allerdings ist die thera
peutische Breite, das heißt der Übergang zwischen Sedierung und Narkose, deutlich geringer als bei Midazolam. Propofol soll kontinuierlich, zum Beispiel über einen Perfusor appliziert werden. Vergleichende Studien zwischen Propofol und Midazolam zeigten tendenzielle Vorteile zugunsten von Propofol mit rascherem Wirkungseintritt, kürzerer Wirkungsdauer und besserer Patientenzufriedenheit. Propofol zeigt allerdings eine tendenziell höhere Rate an kardiopulmonalen Nebenwirkungen. Aus forensischen Gründen sollten beim Gebrauch von Propofol zur intravenösen Sedierung in der Endoskopie höhere Anforderungen an das Patientenmonitoring als beim Gebrauch eines Benzodiazepins erfüllt sein: Außer der kontinuierlichen kardiopulmonalen Überwachung, zum Beispiel mit einem Pulsoxymeters und/oder EKG-Monitor, ist die Anwesenheit eines zweiten intensivmedizinisch erfahrenen Arztes oder eines Anästhesisten für die Medikamentenapplikation und Kontrolle zwingend geboten. Propofol soll für besondere Situationen, zum Beispiel bei Benzodiazepinabusus oder Benzodiazepinunverträglichkeit (paradoxe Reaktion), benutzt werden. Ein routinemäßiger Einsatz von Propofol zur Sedierung in der gastroenterologischen Endoskopie ist derzeit nicht sinnvoll.
Literatur
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PD Dr. med. Huan N. Nguyen
Prof. Dr. med. Dipl.-Biochem. Siegfried Matern
Medizinische Klinik III Universitätsklinikum der RWTH
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