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DOI: 10.1055/s-2001-11197-2
Erwiderung
Publication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)

Ich möchte Dormann für den kritischen Leserbrief danken, in dem er ein für die klinische Praxis hochrelevantes Thema, nämlich die Frage nach der klinischen Notwendigkeit einer generellen Antibiotikaprophylaxe vor Anlage einer PEG-/PEJ-Sonde aufgreift. Diese Frage wurde in den letzten Jahren in der Literatur und auf Kongressen sehr ausführlich und kontrovers diskutiert. Bisher liegen sieben publizierte Studien vor, die den klinischen Stellenwert einer generellen Antibiotikaprophylaxe untersucht haben, wobei fünf Studien einen relevanten Effekt nachweisen konnten, während zwei Studien dies nicht belegen konnten (Zusammenfassende Darstellung s. [5]). So besteht zumindestens dahingehend allgemeiner Konsens, dass aufgrund der kontroversen Daten in der publizierten Literatur und der verschiedenen, z. T. erheblichen Schwächen der einzelnen publizierten Studien es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist, den klinischen Nutzen und damit die generelle Notwendigkeit einer routinemäßigen einmaligen antibiotischen Prophylaxe vor PEG-/PEJ-Anlage abschließend und endgültig zu beurteilen.
Dies ist auch das Ergebnis einer bundesweiten, interdisziplinären Konsensuskonferenz verschiedener auf die endoskopische Anlage von enteralen Sondensystemen spezialisierter Zentren (Internisten, Chirurgen, HNO-Ärzte, Neurologen, Pädiater, etc.), bei der sich kein Konsens für die klinische Notwendigkeit einer generellen antibiotischen Prophylaxe fand. Die in meinem Artikel [4] und auch von Herrn Dormann zitierten Studien zu diesem Thema weisen zu viele Schwächen und Kritikpunkte auf, um nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin eindeutige, allgemein gültige Aussagen zum jetzigen Zeitpunkt zuzulassen (Details s. [5]).
Sicher weist Dormann zu Recht darauf hin, dass es sich bei einer PEG-Anlage nach der Fadendurchzugsmethode um einen kontaminierten Eingriff handelt. Aus den in der Literatur vorliegenden Daten lassen sich aber keine typischen Keimstraßen nachweisen. Die Vermutung, dass es zu einer signifikanten Verschleppung von Rachenkeimen beim Durchziehen der inneren Halteplatte durch den Oropharynx mit konsekutiver Kolonisation dieser Keime im Stomakanal kommt, lässt sich nicht belegen [1] [3].
Die von Dormann angesprochene Verhinderung auch von schwerwiegenden systemischen Komplikationen durch eine einmalige Antibiotikaprophylaxe wurde bisher nur in zwei Studien dokumentiert und kann aufgrund der vielen gravierenden Kritikpunkte, die in Referenz [5] ausführlich dargelegt worden sind, definitiv nicht als bewiesen angesehen werden.
Wir haben, wie viele andere Zentren, mittlerweile die früher konsequent durchgeführte prophylaktische Einmalgabe eines Antibiotikums als generelle präinterventionelle Routinemaßnahme abgeschafft, ohne dass dies konsekutiv zu einer Steigerung der beobachteten Infektionsrate geführt hat. Trotzdem stimme ich Dormann zu, wenn er für sich die Schlussfolgerung zieht, dass sich die Argumentation für die Notwendigkeit einer routinemäßigen generellen Antibiotikaprophylaxe genauso überzeugend - oder aber aus wissenschaftlich-klinischer Sicht genauso wenig überzeugend - führen lässt. Diese Diskussion kann einfach zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend entschieden werden. In jedem Fall stimmen wir darin überein, dass im Zweifelsfall eher für als gegen eine Antibiotikaprophylaxe entschieden werden sollte.
Unsere Schlussfolgerung für die praktische klinische Tätigkeit ist die, dass wir - wie andere Zentren auch - nur bei Patienten mit besonderem Risikoprofil eine Antibiotikaprophylaxe durchführen. Zweifelsfrei sind alle Patienten, bei denen die Indikation zur Anlage einer PEG-/PEJ-Sonde gestellt wurde, im weitesten Sinne Risikopatienten aufgrund der vorliegenden Grunderkrankung. Versuche, im Rahmen von systematischen Untersuchungen besondere Risikopatienten zu definieren, brachten bisher widersprüchliche Ergebnisse und zeigen allenfalls kasuistisch belegte Risikoprofile. Wenn aufgrund der individuellen Vorgeschichte, der vorliegenden Grunderkrankung oder des klinischen Status des Patienten ein besonderes Infektionsrisiko anzunehmen ist, muss in der klinischen Praxis die Indikation zur Durchführung einer einmaligen Antibiotikaprophylaxe großzügig gestellt werden; das heißt aber nicht, dass sie generell bei allen notwendig ist.
Auch die von Dormann aufgeworfene Frage, ob bei dieser spezifischen Indikationsstellung ein Erstgenerations-Cephalosporin effektiver ist als ein Drittgenerations-Cephalosporin, lässt sich anhand der vorliegenden klinischen Daten nicht abschließend beurteilen. Ein Drittgenerations-Cephalosporin, oder ein Breitbandpenicillin ist sicher potenter, aber es ist auch erheblich kostenintensiver. Die Frage, ob es in dieser Indikationsstellung auch klinisch effektiver ist als ein Erst- oder Zweitgenerations-Cephalosporin, ist definitiv aufgrund der vorliegenden Literatur nicht zu beurteilen. Aus unserer Sicht sollten aber hier die gleichen Richtlinien wie für die etablierte Antibiotikaprophylaxe bei großen abdominalchirurgischen Eingriffen auch gelten. Hier ist mikrobiologischer- und pharmakologischerseits etabliert, keine Breitspektrum- und Reserveantibiotika zur Prophylaxe einzusetzen, und etablierte Experten sagen explizit [2], dass Antibiotika wie Cephalosporine der dritten Generation oder Piperacillin, bzw. Mezlocillin, unter dieser Indikationsstellung nie gegeben werden dürfen.
Die wahrscheinlich wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung entzündlicher Komplikationen bei PEG-/PEJ-Anlage sind nach wie vor die konsequente Einhaltung etablierter Vorgehensweisen bei der Sondenplatzierung [4] [5] mit konsequenter initialer Stomapflege und adäquaten Verbandswechseln nach standardisiertem Vorgehen unter Verwendung lokaldesinfizierender Maßnahmen.
Literatur
- 1 Akkersdijk W L, van Bergeijk J D, van Egmond T. et al . Percutaneous endoscopic gastrostomy (PEG): Comparison of push and pull methods and evaluation of antibiotic prophylaxis. Endoscopy. 1995; 27 313-316
- 2 Daschner T. Antibiotika am Krankenbett. Springer Verlag, Berlin 2000
- 3 Jonas S K, Neimark S, Panwalker A P. Effect of antibiotic prophylaxis in percutaneous endoscopic gastrostomy. Am J Gastroenterol. 1985; 80 438-414
- 4 Löser Chr. Endoskopische Anlage von Sondensystemen (PEG-/PEJ-Sonde) für die enterale Ernährung. Dtsch Med Wschr. 2000; 125 805-809
- 5 Löser Chr, Keymling M. Antibiotikaprophylaxe vor Anlage einer perkutan-endoskopischen Gastrostomie (PEG-Sonde). Z Gastroenterol. 2000; 38 271-273
Prof. Dr. med. Christian Löser
Leitender Oberarzt
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