Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(3): 170-174
DOI: 10.1055/s-2001-11819-3
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wichtige und neue Gesichtspunkte zur Pharmakologie undToxikologie der Lokalanästhetika

B. M. Graf
  • Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der R. Karls-Universität, Heidelberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. April 2004 (online)

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James Young Simpson war einer der ersten, der den Begriff Lokalanästhesie 1848 erstmals in einer Publikation verwandt, wobei bereits damals hierunter die gezielte Blockade der Erregungsleitung zum Gehirn verstanden wurde, wenn auch bevorzugt mit mechanischen Mitteln (Kompression, Kältezufuhr etc.). Den Ruhm, der wirkliche Entdecker und somit Vater der Lokalanästhesie zu sein, darf Carl Koller, ein Wiener Ophtalmologe, für sich in Anspruch nehmen, der als erster über den klinischen Einsatz von Kokain als Lokalanästhetikum berichtete [7]. Da die Anwendung von Kokain mit erheblichen Zwischenfällen bis hin zur psychischen Abhängigkeit behaftet war, setzte rasch eine emsige Suche nach besser geeigneten Substanzen ein, wobei initial überwiegend Lokalanästhetika vom Estertyp Verwendung fanden. 1943 wurde von Nils Lofgren in Stockholm mit Lidocain das erste Lokalanästhetikum vom Säureamidtyp synthetisierte [9], eine Gruppe, die bis heute entscheidend das pharmakologische Bild der Lokalanästhesie prägt und dessen jüngster Vertreter das Pipecoloxylididderivate Ropivacain darstellt. Charakteristikum aller Lokalanästhetika ist, dass sie in einem umschriebenen Gebiet zur Ausschaltung der Empfindung der Schmerzwahrnehmung führen, wobei diese lokalanästhetische Wirkung bei Ester- und Amidlokalanästhetika überwiegend auf einer spezifischen Blockade schneller spannungskontrollierter Natriumkanäle in der Nervenmembran des neuronalen Axons beruht, wodurch die Ausbildung eines neuronalen Aktionspotentials verhindert wird. Kommt es zu einer systemischen Anreicherung von Lokalanästhetika im Körper, werden nicht nur periphere neuronale Natriumkanäle blockiert, sondern alle erregbaren Membranen, sodass mit erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen gerechnet werden muss. Im Vordergrund stehen hierbei Störungen des zentralen Nervensystems, des kardiovaskulären Systems, vor allem des Reizleitungsystems, sowie der glatten und der quergestreiften Muskulatur.

Obwohl Lokalanästhetika seit Jahrzehnten täglich in der Klinik genutzt werden und zu den sicheren Medikamenten in der Hand des Anästhesisten zählen, wurde vor kurzem mit Ropivacain ein neues langwirkendes Lokalanästhetikum in die Klinik eingeführt, bzw. steht mit Levobupivacain (S(-)-Bupivacain) ein reines optisches Isomer eines bereits seit Jahrzehnten bekannten Langzeitlokalanästhetikums unmittelbar vor der klinischen Zulassung. Beide Substanzen zählen zur Gruppe der 1957 erstmals synthetisierten Pipecoloxylidide, zu denen auch Mepivacain als Vertreter aus der Gruppe der mittellange wirksamen Lokalanästhetika zählt (Abb. [1]). Entscheidend für die Pharmakologie aller Pipecoloxylididderivate ist deren Substituent am tertiären Amid. Ist dieser eine Methylgruppe handelt es sich um Mepivacain. Wird Methyl durch Butyl ersetzt, liegt Bupivacain vor. Wird Propyl als Substituent verwendet, so handelt es sich um Ropivacain, das in der Klinik nur als reines optisches S(-)-Enantiomer Verwendung findet, was besonders hinsichtlich akuter Toxizität von Bedeutung sein dürfte.