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DOI: 10.1055/s-2001-11859-2
Erwiderung
Publication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)
»Wenn jemand behauptet, Mäuse mit dem IQ japanischer Gymnasiasten geklont zu haben, und ich kann das Untersuchungsergebnis selbst nicht nachvollziehen - was heißt das dann schon? Seine Mäuse sind nicht meine Mäuse, und außerdem bin ich vielleicht eben einfach nicht so gut wie er« [2].
Wäre die Sorgfalt bei der Lektüre meiner kurzen Übersichtsarbeit ebenso groß gewesen wie das höflich bekundete Interesse daran, meine listigen Freunde von der Charité hätten ihre Lesart des Textes nicht mir als Verunglimpfung einer etablierten Therapie in den Mund gelegt: Selbstverständlich betrachte ich die tracheobronchiale Stentversorgung nicht als »fragwürdige Intervention«, wie die im Leserbrief als Zitat gekennzeichnete Wendung dies suggeriert. Geschweige denn, dass ich grundsätzlich dagegen wäre; das behaupten die Autoren am Ende ihrer Stellungnahme. Meine Kritik richtet sich vielmehr - und das ist der Zweck der ausführlichen Analyse - gegen den anekdotischen Argumentationsrahmen, mit dem die Rolle diverser Endoprothesen innerhalb palliativer oder eben auch kurativer Langzeitkonzepte festgelegt werden soll. Sie wendet sich nicht gegen die Rekanalisationstechnik per se, wohl aber gegen eine zuweilen kopf- (und herz-)lose Praxis.
Es läge mir fern, das handwerkliche Geschick meiner Kollegen in Frage zu stellen. Wenn sie aber den »Effekt der Stentimplantation . . . durch die eindrucksvolle klinische Besserung« beweisen wollen, so ist das ein Evidenzerlebnis, das schon durch die literaturbekannte Misserfolgsrate von bis zu 23 % in der Akutphase ebenso eindrucksvoll relativiert wird (siehe Tab. 2, 4, 6). Evidenz ist eben nicht »evidence« [1] [3]. Meine kritische Haltung zur Stentversorgung benigner Stenosen mit unveröffentlichten Daten entkräften zu wollen, ist nicht einfach, zumal auch ich ein paar gute Gewährsleute aufbiete. Wir werden sehen: Sobald wir Schmidt und Mitarbeiter peer-reviewed und schwarz auf weiß besitzen, können wir in Ruhe prüfen und diskutieren. Bis dahin: Geduld.
Noch einmal: Auf der Basis welcher, wie zustandegekommener, wie überprüfter, wo publizierter Erfahrungen mit wie vielen und wie ausgewählten Patienten entscheiden wir uns bei gegebener Indikation für welche Rekanalisationsmaßnahmen, u. U. mit welchem Material (und mit welchem nicht), vor allem aber: mit welchem kurativen oder palliativen Ziel? Die rationale Antwort auf diese Fragen wird unsere interventionelle Praxis verbessern. Darin bin ich mit den Autoren einig. Die »evidenzbasierte« Medizin existiert ja nicht erst, seitdem dieser faule Neologismus in die Welt gesetzt wurde. Es ist natürlich ökonomisch naiv, »gut kontrollierte prospektive Vergleichsstudien zwischen Stents verschiedener Hersteller und ähnlicher mechanischer Qualität« zu verlangen, wie ich es getan habe. Und ich sehe mit Vergnügen, dass Schmidt und Witt in ihrem letzten Satz diese Forderung pflichtschuldigst und etwas lustlos paraphrasieren. Angesichts des Firmengerangels in den bronchologischen Zentren werden sich die Hersteller bedanken und ihre Weingüter ohne uns bestellen. Aber lassen wir es bei dieser programmatischen Forderung, sie gehört immerhin zu dem Positivsten, was ich den Leserbriefschreibern, die sich über zu wenig davon beklagen, zu bieten habe.
Nun zur Skepsis, die ja am Anfang stand: Sie ist mir zur zweiten Natur geworden. Weniger davon ist nicht zu haben. Aber ich bin kompromissbereit. Vielleicht einigen wir uns auf die Losung: Weniger Hemdsärmeligkeit - mehr Kritik!?
Literatur
- 1 Brockhaus Enzyklopädie. 19. Auflage, Band XX, Stichwort Evidenz F. A. Brockhaus Mannheim 1993: 687
- 2 Chargaff E. Ernste Fragen. Essays. Klett-Cotta, Stuttgart 2000: 214
- 3 Oxford English Dictionary. 2nd ed., Volume V. Oxford, Stichwort: Evidence Clarendon Press 1989: 469-470
Privatdozent Dr. K. Wassermann
Klinik III für Innere Medizin der Universität zu Köln
Josef-Stelzmann-Straße
50924 Köln