Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(14): 385
DOI: 10.1055/s-2001-12635
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gute ärztliche Fortbildung - in Deutschland zu selten!

Good further medical education - too rare in Germany!
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter C. Scriba, Schriftleiter der DMW

Obwohl die Ärzteschaft sich verstärkt um die Verbesserung ihrer Fortbildung bemüht, gibt es in diesem Bereich noch sehr viel zu tun. Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen vom 20. März 2001 zeigt erhebliche Defizite der ärztlichen Fortbildung in Deutschland auf.

Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass gute Fortbildungsveranstaltungen zu selten sind bzw. von den Ärzten im Durchschnitt zu wenig genutzt werden. Die Medizin hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine erhebliche Entwicklung durchlaufen. Das Maß an Aufmerksamkeit, Ressourcen oder formalen Regelungen, welche die ärztliche Fortbildung im gleichen Zeitraum erfahren hat, ist im Vergleich dazu erstaunlich gering. Auch ist vollkommen unklar, welche Ärzte die ohnehin zu seltenen guten Fortbildungsangebote mit welchem Erfolg wahrnehmen. Führt man sich vor Augen, dass sich das medizinische Wissen pro Jahrzehnt verdoppelt und die Anforderungen an die »gute ärztliche Praxis« sich schon in wenigen Jahren weitgehend ändern, wird klar, dass Ärzte Fortbildung mehr denn je brauchen.

Welchem Angebot steht nun ein fortbildungsinteressierter Arzt gegenüber? Viele Fortbildungsveranstaltungen sind nicht glaubwürdig. Die Interessen des Veranstalters sind teilweise nicht transparent oder Hinweise, auf welcher Evidenz das vermittelte Wissen beruht, fehlen. Viele Fortbildungsveranstaltungen sind auch zu wenig praxisrelevant. Eine qualitativ hochwertige Fortbildung muss sich doch an den Bedürfnissen der Ärzte orientieren! Auch die Art der Fortbildung macht es den Ärzten teilweise zu schwer. Aus einer Frontalveranstaltung, bei der die Teilnehmer nicht beteiligt werden und die sich nicht am Lernbedarf orientiert, wird sich nur sehr schwer ein Nutzen für die Versorgung der Patienten ergeben.

Die verstärkten Bemühungen der Ärzteschaft, ihre Fortbildung zu verbessern, sind sehr erfreulich. Es fehlen jedoch noch strenge, einheitliche Kriterien zur Akkreditierung bzw. Leitlinien, wie man eine qualitativ hochwertige Fortbildungsveranstaltung gestaltet. Ein wichtiger Punkt hierbei sollte sein, dass bei Fortbildungsveranstaltungen Neutralität und Unabhängigkeit gewährleistet sein müssen.

Der Sachverständigenrat empfiehlt in seinem Gutachten explizit, das Angebot systematisierter Fortbildungsserien, zum Beispiel in Fachzeitschriften, zu stärken. In diesem Heft beginnt die Deutsche Medizinische Wochenschrift eine solche Serie. Die Unabhängigkeit ihrer Fortbildungsbeiträge erreicht die DMW durch das Begutachtungsverfahren, für das auch ich als Schriftleiter einstehe. Auf dem Evaluationsbogen, der gemeinsam mit der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung entwickelt wurde, finden sich Fragen, aus deren Antworten man ablesen kann, ob wirklich der Bedarf der Teilnehmer getroffen wird. Neben der praxisorientierten Fortbildung sollen in dieser Serie gemeinsam mit den Teilnehmern sowohl die Qualität der Fortbildung ständig kontinuierlich verbessert als auch die Praxisrelevanz sichergestellt werden. Die Teilnahme am CME-Programm der DMW kann ich nur empfehlen. Machen Sie mit!

Fortbildung mit Leistungsnachweis wird wohl bald zum ärztlichen Alltag gehören. Eine regelmäßige Rezertifizierung der Facharztanerkennung im Abstand von mehreren Jahren ist eine der wesentlichen Empfehlungen, die aus dem Gutachten des Sachverständigenrates hervorgehen. Voraussetzungen der Rezertifizierung sollen der Nachweis von Fortbildungspunkten und das Bestehen einer Prüfung sein. Selbstverständlich wird nicht etwa daran gedacht, ein Staatsexamen zu wiederholen. Klar ist auch, dass die Rezertifizierung von Ärzten, die hausärztliche Funktionen haben, anders gestaltet werden muss als beispielsweise die der Hochschullehrer oder der Spezialisten in den Labors.

Im Hinblick darauf, was der Verlust der Facharztanerkennung für den Einzelnen bedeuten würde, hat sich der Sachverständigenrat die Entscheidung, Rezertifizierung zu empfehlen, nicht leicht gemacht. Es soll ausdrücklich den Selbstverwaltungsorganen überlassen bleiben, die Umsetzung dieses Vorschlages zu gestalten und angepasste Lösungen zu finden.

Betrachtet man, wie sehr sich das System der ärztlichen Fortbildung beispielweise durch Zertifizierung ändern wird oder auch, was die Einführung der Fallpauschalen in die Vergütung der ärztlichen Leistung bedeutet, so wird klar, welches Ausmaß an Neugestaltung der ärztlichen Tätigkeit in Deutschland auf uns zukommt. Lassen Sie uns gemeinsam im Sinne unserer Patienten daran arbeiten, dass unser Gesundheitswesen zu einem optimalen und weltweit führenden System wird!

Literatur

  • 1 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Gutachten 2000/2001. Baden-Baden: Nomos-Verlag, 2001: im Druck vgl. auch http://www.svr-gesundheit.de

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter C. Scriba

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