Überblick über das Verfahren
Überblick über das Verfahren
Angestrebt wird mit dem Case Management eine kontinuierliche,
integrierte Bearbeitung einer personen- und situationsbezogenen Problemstellung
auf ausgemachte Ziele hin. Das Verfahren wird als ein Management bezeichnet, weil ein Prozess der
Unterstützung, Behandlung und Bewältigung in der Versorgungskette zu
organisieren und in Koordination des Ressourceneinsatzes sowie in Kooperation
mehrerer Beteiligter durchzuführen ist. Es wird fallbezogen gehandelt, das heißt sachwaltend in
Beziehung auf die Lage (und Probleme) eines Menschen und auf
Problemlösungen, die in seiner Situation angezeigt sind. Bei Suchtkranken
ist Abhängigkeit, ist Kontrollverlust „der Fall” und die
damit gegebene individuelle körperliche, psychische, soziale und
wirtschaftliche bzw. finanzielle Problemsituation. Zur Problemlösung sind
im Einzelfall verschiedene Dienste, Hilfen und Maßnahmen angebracht; sie
werden im Case Management auf das Verhalten, die Defizite, aber auch auf eigene
Stärken und Selbsthilfepotenziale des Suchtkranken als Subjekt seines
eigenen Lebens abgestimmt [1,2]. Nicht der Mensch wird hier
„gemanagt”, sondern ein Handeln miteinander, das auf die
Bewältigung und Besserung einer Lebenslage bzw. auf Daseinserweiterung
gerichtet ist. Gegenstand des Managements ist insgesamt die individuelle
Rehabilitation, hier von suchtmittelabhängigen Menschen, als ein in
Kooperation erfolgender Prozess.
Bei akuten und kurzfristigen Behandlungsmaßnahmen und Hilfen
ist ein Case Management nicht indiziert. Das Verfahren hebt auf einen
längeren Zeitverlauf ab, für den eine Ausgangssituation geklärt
wird, Bedarfsfeststellungen zu treffen sind, ein planmäßiges
Vorgehen angebracht ist und der Verlauf überwacht gehört.
Personenbezogen ist ein Case Management nicht generell bei jeder
Suchtmittelabhängigkeit, sondern in ausgewählten Fällen in
Betracht zu ziehen, bei denen es für den Erfolg auf die Ablauforganisation
und die abgestimmte Begleitung der Versorgung ankommt. Zum Beispiel beim
Angebot der Substitutionstherapie oder in der Erprobung einer
heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger. In einem
Versorgungssystem für Suchtkranke generell gehört allerdings die
Entscheidungsfindung, in welchen Fällen ein Case Management erfolgt und in
welchen nicht, selber zum Case-Management-Programm. Folgerichtig wird eine
Organisation, die örtlich oder regional für die integrierte
Versorgung von Drogenabhängigen zuständig ist, auch das Case
Management auf ihre Klientel insgesamt beziehen (vgl. den Beitrag von Leber und
Stoop in diesem Heft). Nur so kann die Erfüllung des Versorgungsauftrags
transparent gemacht und detailliert dargestellt werden.
Im Einzelfall korrespondiert dem Case Management das individuelle
Management in der Lebensführung (life
management): Die professionelle Vorgehensweise knüpft an die
Lebensbewältigung einer Person an bzw. setzt dort an, wo diese
Bewältigung nicht gelingt oder unzureichend bleibt. Süchtige versagen
gegenüber psychoaktiven Drogen; sie sind von ihnen abhängig, und das
hat eine Menge Folgen (Beziehungsabbrüche, Isolation, Schulden,
Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, Delinquenz) und verschiedene Gründe
(psychische Instabilität, Komorbidität, Lebenskrisen usw.). Mit der
Abhängigkeit leben oder sie überwinden - dieser
persönlichen Aufgabe kommt das Case Management von der Seite der Dienste
her in schrittweiser Bearbeitung des ganzen Problemzusammenhangs unter
planmäßiger Beiziehung formeller und informeller Ressourcen
nach.
Dimensionen im Verfahren
Dimensionen im Verfahren
Ob nun primär personen- oder organisationsbezogen, um seinen
Zweck erfüllen zu können, gehören zum Case Management,
unabhängig davon, in welchem Versorgungsbereich des Sozial- und
Gesundheitswesens es eingesetzt wird, stets die Komponenten
-
Feststellung einer Aufgabe,
-
Einschätzung der Lage,
-
eine Zielvereinbarung,
-
die Planung des Vorgehens,
-
eine kontrollierte Ausführung vereinbarten Handelns,
-
die Prüfung und Bewertung seines Erfolgs
-
sowie eine Rechenschaftslegung.
Es bleibt zunächst offen, wer dienstlich und fachlich für
welche Momente im Case Management zuständig ist bzw. die Fallführung
übernimmt. Aber die Natur des Verfahrens impliziert, dass von der
Ausgangssituation im Hilfeprozess bis zu seinem (vorläufigen) Abschluss
ein Zusammenhang besteht und überblickt werden kann. Case Management
vermeidet eine bruchstückhafte Leistungserbringung und sorgt für
Behandlungskontinuität.
In den eingeführten Begriffen des Verfahrens sind damit, egal
wo es zum Einsatz kommt, die folgenden Dimensionen oder Phasen im Case
Management angesprochen:
-
Vorfeldklärung/Outreach (Inwieweit
erreicht ein Dienst seine Nutzer bzw. wie erreichen potenzielle Nutzer den
Dienst?), Zugangseröffnung, Kontaktaufnahme und Engagement in einem Fall
(Klärung der Zugangsberechtigung und Zuständigkeit, Fallaufnahme,
Vereinbarung des Vorgehens, Herstellen einer Arbeitsbeziehung),
-
Assessment (Prozess der
Situationseinschätzung, Klärung der Problemlage unter Beiziehung von
Fachdiensten und ihrer Diagnostik und Bedarfsfeststellung mit den
Beteiligten),
-
Planung als Gesamtplanung
(Zielvereinbarung und darauf bezogene Absprachen und Kontrakte zum Vorgehen
unter Nutzung formeller Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten und
informeller Unterstützung),
-
Monitoring (kontrollierte Umsetzung der
Planung bei koordinierter Leistungserbringung einschließlich
Überwachung des Nutzerverhaltens),
-
Evaluation (regelmäßige
Fallüberprüfung, Prozess- und Ergebnisbewertung) als
Einschätzung der Wirksamkeit der Versorgung und ggf. Revision des
Vorgehens mit Re-Assessment und neuen
Vereinbarungen,
-
Entpflichtung nach Erfüllung der
Aufgabe und fallübergreifende Rechenschaftslegung: Accountability als verantwortliche Berichterstattung.
Wenn diese Dimensionen nicht vorhanden sind, kann fachlich nicht von
einem Case Management gesprochen werden. Ich höre in der Praxis oft das
Argument: Was im Case Management vorgesehen sei, das mache man doch schon
längst. Man prüfe eine Leistungsberechtigung, stelle den Hilfebedarf
fest, plane, koordiniere die Arbeit und bewerte die Ergebnisse. Nur geschieht
das eben meistens nicht systematisch in einem
durchgängigen, auf seine Zielstrebigkeit und Wirksamkeit hin reflektierten
Prozess, der als ganzer die Bezeichnung Case Management verdient. Es
organisiert den Zusammenhang von Handlungen. Deshalb
kann mit deren vereinzeltem Vorkommen nicht gut argumentiert werden.
Die Handlungsstruktur von Case Management ist zugleich
organisations- bzw. systembezogen und personenbezogen. In der ersten der
o. g. Dimensionen hat eine humandienstliche Organisation (hier: der
Suchtkrankenhilfe) zu klären, für welche Zielgruppe und in welchen
Fällen sie tätig wird und in welchen Fällen an andere Dienste
verwiesen wird. Hier spielt die „Philosophie” der Organisation
eine tragende Rolle und sollte den Mitarbeitern bewusst sein. Der Effekt der
stattfindenden Selektion ist durch den ganzen Verlauf einer Versorgung zu
verfolgen, und zum Abschluss eines jeden Falles gehört die
Überprüfung, ob die Zielstellung, mit der per Auswahlentscheidung
angefangen wurde, richtig war und sich das ganze Setting im Case Management
bewährt hat.
Das Verhältnis zur Therapie
Das Verhältnis zur Therapie
Auf eine ausführliche Darstellung des Case Managements im
Einzelnen sei hier verzichtet [3]. Gleichgültig in welchen Bereichen ein
Case Management durchgeführt wird: Es organisiert und strukturiert den
Ablauf des Handelns in den oben genannten Dimensionen. Es bestimmt nicht
inhaltlich über die Art der Hilfe, Unterstützung oder Behandlung,
stellt somit auch keine Behandlungs- oder Unterstützungsweise dar und ist
nicht auf eine bestimmte Pädagogik, Psychologie oder Heilkunst festgelegt.
Oft kann ein Fachdienst für sich allein schon deshalb kein Case Management
durchführen, weil er für eine bestimmte Behandlungsart oder einen
bestimmten Behandlungsabschnitt zuständig ist. Das Management eines Falles
hat das ganze personenbezogene Behandlungs- oder Unterstützungsgeschehen
zum Gegenstand, das in seinen Einzelheiten fachspezifisch und von der jeweils
ausführenden Stelle zu verantworten ist.
Diese Aussage ist sehr bedeutsam für das Verständnis von
Case Management. Es leistet in der Regel nicht direkt,
hier und jetzt und bei akutem Bedarf einen Dienst am Menschen, sondern
organisiert und steuert fallbezogen für eine Person den Prozess einer
länger dauernden Problembewältigung. An ihr können nacheinander
und nebeneinander mehrere Personen, Dienststellen und Einrichtungen beteiligt
sein. Case Management organisiert einen Versorgungszusammenhang
(continuum of care), koordiniert den Einsatz der
Beteiligten in ihm, so dass eine zielgerichtete und zielwirksame Zusammenarbeit
erfolgt. Dabei bietet sich je nach Blickrichtung ein anderes Bild.
Für den professionellen Helfer
bedeutet das Prinzip der koordinierten Kooperation, auf die Einheit von
helfender Beziehung und Fallzuständigkeit zu verzichten und die eigene
Leistung in die im Versorgungszusammenhang zu erbringende Gesamtleistung
einzuordnen. Case Management funktioniert in Vernetzung. Es ist in dem Maße angebracht, in dem in
und mit einem Netzwerk von Diensten und Einsatzstellen gearbeitet wird.
Entweder im Behandlungsverbund eines Trägers (s. dazu Baudis in diesem
Heft) oder in einem trägerübergreifenden Verbundsystem. Fallweise
kommuniziert ein Case Manager intern mit beteiligten Fachkräften und
koordiniert die Leistungserbringung. Extern kooperiert er mit anderen
Einrichtungen, ambulanten Diensten, Sozialamt, Arbeitsamt usw. und nicht
zuletzt mit den Angehörigen von Suchtkranken. Case Management ist ein
Management im Netz der Versorgung, Unterstützung oder Behandlung. Sie
erfolgt an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. An jeder Stelle und
in jedem Stadium sollte man wissen, wer beteiligt ist, welche Verabredungen
getroffen wurden und wieweit man mit ihnen gekommen ist. Was in dem
(örtlich und zeitlich) verteilten Geschehen erfolgt, bedarf füglich
einer systematischen Dokumentation - als
Anforderung auch an informationstechnologische Unterstützung.
Für den Nutzer (Klienten, Patienten)
fordert ein Case Management zur aktiven Beteiligung am Prozess der
Problembewältigung auf. In allen Phasen wird das Engagement des
Betroffenen „in eigener Sache” verlangt, Angehörige oder
Betreuer eingeschlossen. Mit gemeinsamer Situationseinschätzung, Planung,
Kontrakten, mit der Dokumentation und der regelmäßigen
Überprüfung des Verlaufs sichert das Case Management den
Versorgungszusammenhang gegen die Unzuverlässigkeit des Abhängigen,
seine Ausflüchte und Rückfälle ab. Prinzipiell ist von der
Zuständigkeit einer Person für ihre selbstverantwortliche
Lebensführung und Problembewältigung auszugehen. Das Verfahren
erinnert ständig an sie und sie ist auch das Ziel des schrittweisen
Vorgehens. In Fällen von schwerer und chronischer Abhängigkeit ist
eine intensive Begleitung geboten, aus der dann therapeutische Aspekte kaum
ausgeblendet werden können.
Case Management ermöglicht ein je unterschiedliches Vorgehen im
Einzelfall, weil in ihm die Differenzierung mit der persönlichen Situation
(im Assessment) begründet wird, in der Behandlungs- und Hilfeplanung
ausgelegt, in der Umsetzung kontrolliert und mit dem Betroffenen evaluiert
wird.
Koordinieren und Vernetzen
Koordinieren und Vernetzen
Case Management verbindet, was ohne es Stückwerk bleibt.
Personenbezogen hat die Notwendigkeit von Case
Management ihren Grund in der Komplexität der Probleme, die
gesundheitlich, psychisch, sozial und in der wirtschaftlichen
Lebensführung zu bewältigen sind. Systembezogen hat das Case Management seinen Grund in der
Tatsache, dass die vielen vorhandenen Dienste und Einrichtungen je für
sich tätig sind und die Versorgung - hier von
Suchtmittelabhängigen - fragmentarisch übernehmen. Die
Koordinierungs- und Vernetzungsarbeit erfolgt in jeder Dimension des
Verfahrens: Im Vorfeld fallbezogenen Handelns bereits mit der
Zugangseröffnung (Outreach) für die
Problemgruppe: Es soll sichergestellt werden, dass potenzielle Nutzer die
Hilfen erreichen, die sie brauchen. Dazu sind Information und Werbung
nötig. Dienststellen und Fachkräfte außerhalb der
Suchtkrankenhilfe, die Kontakt mit Abhängigen haben, sind einzubeziehen
und zu sensibilisieren. Erfahrungsgemäß wird nur ein Teil der
Suchtkranken humandienstlich (medizinisch und sozial) erreicht und versorgt;
oft tauchen sie nur in Krisensituationen auf. Viele, die
behandlungsbedürftig sind, machen keine Therapie. Im Kooperationsmodell
nachgehende Sozialarbeit bei chronisch Mehrfachabhängigen hat sich
gezeigt, dass die Zugangseröffnung durch einen Case Manager, der die
Abhängigkeitskranken vor Ort aufsucht und anspricht, ein wesentliches
Erfolgsmoment darstellt, weil dadurch auch sonst gar nicht erreichbare oder
anders nicht rechtzeitig zu erreichende Personen an Hilfen herangeführt
werden [4]. Das Case Management erfüllt in der Dimension der
Zugangseröffnung auch eine präventive Funktion.
Zu ihr gehört Motivationsarbeit (dazu Schmid/Vogt in diesem
Heft). Sie findet im Case Management nicht isoliert statt, sondern als Schritt
auf dem Weg der Behandlung und Unterstützung, dessen Gangbarkeit dem
Suchtkranken klar werden soll. Im Assessment, bei der Planung, in der laufenden
Begleitung und bei Gelegenheit von einer Prozess- und Erfolgsbeurteilung
(Evaluation) wird daran erinnert, was der Beweggrund der Bemühungen ist.
Die Klarstellung eingangs, dokumentiert für den weiteren Verlauf, kann
auch verhindern, dass der eine oder andere Abhängige auf seinem Weg durch
das System an verschiedenen Behandlungsstellen lernt, sich in Anpassung an
vermutete Erwartungen „therapeutisch korrekt” über sich und
seine Situation zu äußern. Herkömmlich muss der Suchtkranke
„vor vielen Schreibtischen, in zahlreichen Gesprächen unter vier
Augen und in mehreren Gruppen immer wieder berichten, wie es zur Sucht gekommen
ist. Anfänglich wird dies noch in einer Mischung aus Angst und
Erschütterung, Reue, Abwehr und Besserungswillen geschehen. Später
zieht sich der Affekt immer mehr aus dem Bericht zurück. Der Patient
eignet sich alles an, was ihm an Fragen und Vorhaltungen entgegengebracht
worden ist. Darüber verwandelt sich sein Bericht” [5].
Ein gut dokumentiertes Assessment
unterrichtet die Beteiligten und insbesondere den Patienten selber über
seine Situation. Im abgesteckten Rahmen des Case Managements sind
Abhängigkeitskranke meistens bereit, die nötigen Informationen zu
geben, und auch einverstanden, dass diese intern per EDV weitergegeben und in
Dateien vorgehalten werden. Mit dem Datenschutz argumentieren vor allem Dienste
und Mitarbeiter, die (noch) nicht in das Case Management einbezogen sind. Ohne
feste Vereinbarungen zur Kooperation weigert sich manche Stelle, trotz
vorliegender Entbindung von der Schweigepflicht, Auskünfte zu geben. So
die Feststellung im Kooperationsmodell nachgehende Sozialarbeit. „Mit
der potentiell umfangreichen Weitergabe von Informationen oder dem
Informationsaustausch zwischen Case Manager und anderen Diensten hatten
Klienten keine Schwierigkeiten, sie unterstützten die Case Manager
vielmehr dabei z. B. durch Schweigepflichtsentbindungen” [6].
In der Phase der Hilfeplanung geht es um
das bedarfs- und situationsentsprechende Abstecken dessen, was sich stufenweise
kurz- und längerfristig erreichen lässt. In der Planung kommt man auf
die Motivation des Patienten und seine Compliance zurück. Der Hilfeplan
schafft Verbindlichkeit und ist ein Instrument der Qualitätssicherung
(hierzu Schu/Schlanstedt/Oliva in diesem Heft). Die Planung betrifft im
Hinblick auf die Absicht des Patienten, mit der Abhängigkeit
„fertig zu werden”, seine Lebensplanung in den wesentlichen
Bereichen des Arbeitens, Wohnens und der sozialen Beziehungen. Hier sind
verbindliche Absprachen und auch schriftliche Kontrakte anzustreben, deren
Einhaltung dann im weiteren Verlauf zu prüfen ist. Das Wann, Wo und Wie
von medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlungen und
komplementären Maßnahmen wird in die Planung einbezogen, nicht aber
die fachliche Therapieplanung. Das Case Management koordiniert zwar
Behandlungen, führt sie aber nicht durch und ist für sie auch nicht
zuständig.
Fallführung im System
Fallführung im System
Die Stärke von Case Management besteht in der durch es
bewerkstelligten Wegleitung durch das Suchthilfesystem. Sie kann durch einen
einzelnen Case Manager erfolgen, durch ein Team, das sich in Fallkonferenzen
abstimmt, oder durch eine Verteilung der Zuständigkeit für einzelne
Schritte im Verfahren auf mehrere Fachkräfte, die dann allerdings in der
Behandlungskette in Verbindung und im Austausch bleiben müssen. Im
administrativen Modell von Case Management ist nicht festgelegt, ob es im Team
verantwortet oder ob es ganz oder teilweise einem Case Manager übertragen
wird. Die praktische Anwendung wirft regelmäßig die Frage der
Fallführung auf. Die Antwort hängt von den
Strukturen der Versorgung ab. Von außen setzt vielleicht eine
Versicherung als Kostenträger einen Case Manager ein, um in chronischen
Fällen die Versorgung möglichst kosteneffizient zu steuern [7]. In
einem Verbundsystem, das die ganze Versorgungskette anbietet, obliegt einem
individuellen Case Manager die Begleitung eines Patienten von der Aufnahme bis
zur Nachsorge. Alternativ bleibt er unabhängig vom Leistungserbringer wie
vom Kostenträger und ist z. B. bei einer Beratungsstelle
angesiedelt.
Welche Kompetenzen hat ein Case Manager? Ist er den professionellen
Behandlern unter-, über- oder nebengeordnet? Bei Unterordnung passiert es
leicht, dass seine Funktion auf Vorbereitungs- und Nachbereitungsaufgaben
eingeschränkt wird. Eine Überordnung kommt insoweit nicht in Frage,
als das Case Management kein Therapiekonzept beinhaltet und insbesondere bei
medizinischen Leistungen die ärztliche Behandlungsführerschaft nicht
infrage stellt. Im Versorgungsablauf sind die Kompetenzen eines Case Managers
administrativer Natur und berühren fachliche Zuständigkeiten nicht.
Allerdings nimmt er eine Schnittstellenfunktion wahr, vermittelt zwischen den
Beteiligten, vertritt das Regime der Versorgung gegenüber dem Patienten
und regelt sie für ihn. Es ist daher in einem Verbundsystem angebracht,
die Fallführung eingangs des Behandlungsweges festzulegen. Der
Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk positioniert sie
in der Psychosozialen Beratungsstelle, die er zu Suchtbehandlungsstellen
weiterentwickelt sehen will: „Case-Management kann am besten von einer
psychosozialen Beratungsstelle erbracht werden, die für die
Grundversorgung Drogenabhängiger zuständig ist” [8].
Dem einzelnen Süchtigen einen Case Manager an die Seite zu
stellen lohnt sich umso mehr, als das Versorgungssystem nicht einheitlich
organisiert ist und seine Funktionen ohnehin schon koordiniert. Der Case
Manager sorgt für Abstimmung beteiligter Dienste, Stellen und
Fachkräfte neben- und nacheinander und wenn möglich für eine
Therapieverdichtung. Er stellt für den Suchtkranken einen
Behandlungszusammenhang her und sucht diesen für (einen und
gegenüber einem) unsteten und wenig verlässlichen Patienten
durchzuhalten. Empirische Studien, welche Gruppen von Patienten mit oder ohne
Case Manager im selben Behandlungsprogramm vergleichen, weisen die positiven
Effekte der Begleitung durch einen Case Manager nach [9,10].
Die mehrfachen Anläufe, Abbrüche, Rückfälle von
Suchtkranken legen eine Begleitung nahe, welche solche Episoden und das bei
ihnen erforderliche Vorgehen und das Handeln verschiedener Dienste und
einbezogener Berufsgruppen übergreifen. Das Case Management ist eine ihnen
gegenüber neutrale Handlungsstrategie. Seine nüchtern sachwaltende
Funktion bewährt sich nicht zuletzt bei der häufig vorkommenden
Komorbidität Suchtkranker [11]: Im Nebeneinander
von Persönlichkeitsstörungen, psychiatrischen und psychosomatischen
Störungen und Polytoxikomanie bei gegebener institutioneller Trennung von
Suchtkrankenhilfe und Psychiatrie und in der nötigen Differenzierung der
Suchttherapie ist eine von all dem abgehobene Fallführung hilfreich. Sie
erfasst den Längsschnittverlauf, behält die Lebensführung und
schwankende Compliance des Patienten im Auge, stützt mit Realismus sein
Ich und übersetzt ihm die Erfordernisse des Behandlungsregimes in den
Kontext seines Alltags und in seine persönliche Perspektive. Aus
Forschungen in den USA kann geschlossen werden, dass Case Management seinen
Zweck erstens erfüllt, indem es den Patienten in der Behandlung hält,
und zweitens, indem es alle Probleme einbezieht, die der Patient hat [12].
Dass der individuelle Case Manager auch Kontrolleur und Evaluator
ist, macht erfahrungsgemäß weniger mit den Patienten als mit den
verschiedenen Behandlern und Helfern Probleme, die keinen Eingriff in ihre
Kompetenz wollen. Sie müssen von vornherein am Verfahren beteiligt und von
seinen Vorzügen überzeugt werden. Die Einführung von Case
Management stellt stets eine Herausforderung für etablierte Strukturen dar
und dürfte auch im Versorgungssystem für Suchtkranke Erfolg nur
haben, wenn sie mit einer durchgängigen Organisationsentwicklung verbunden
ist.