Geburtshilfe Frauenheilkd 2001; 61(6): 408-413
DOI: 10.1055/s-2001-15429
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Prävalenz von Essstörungen unter den Patientinnen einer Frauenarztpraxis

The Prevalence of Eating Disorders in Patients of a Primary Care GynaecologistJ. Backe
  • Frauenärztin und Medizinische Genetik, Würzburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung: Das Ziel der Untersuchung war die Erhebung der Prävalenz von Essstörungen unter einer nicht selektierten Gruppe von Patientinnen einer Frauenarztpraxis.

Material und Methodik: Als Messinstrument diente der Bulimic Investigatory Test Edinburgh (BITE). Es handelt sich um einen Selbstbeurteilungsfragebogen aus 33 Items, mit dem verschiedene BITE-Schwerescores ermittelt und nach dessen Angaben die DSM-IV-Kriterien der Anorexia nervosa (AN), der Bulimia nervosa (BN) und der Binge Eating Disorder (BED) simuliert wurden. Der Fragebogen wurde von 486 Patientinnen ausgefüllt.

Ergebnisse: Die Diagnose AN wurde bei 5 Patientinnen (1,02 %), BN bei 9 Frauen (1,85 %) und BED wurde bei 17 Frauen (3,49 %) festgestellt. Im Vergleich zu der Prävalenz dieser Erkrankungen unter Studentinnen lag diese im Frauenarztkollektiv deutlich höher. Das Ausmaß der Differenz zwischen Istgewicht und Wunschgewicht und das Ausmaß der empfundenen Übergewichtigkeit korrelierte jeweils signifikant (p < 0,01) mit der BITE-Symptomschwere. Ein hoher Prozentsatz von Frauen (61,5 %) mit einem hohen BITE-Score, der das Vorliegen einer BN wahrscheinlich macht, hatte noch nie wegen einer Essstörung ärztlichen Rat gesucht und den Gynäkologen lediglich zu Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen aufgesucht.

Schlussfolgerung: Unter den Patientinnen einer Frauenarztpraxis war die Prävalenz von AN und BN höher als diejenige einer Vergleichspopulation. Ein wichtiger diagnostischer Parameter war die hohe Diskrepanz zwischen Wunschgewicht und Istgewicht bei normalgewichtigen Frauen. Viele Patientinnen mit Essstörungen kamen nur zur Routineuntersuchung zum Frauenarzt, ohne jemals mit einem Arzt über ihre Erkrankung gesprochen zu haben. Es wäre eine wichtige Aufgabe des Frauenarztes, essgestörte Patientinnen zu erkennen und im ärztlichen Gespräch gezielt zur Therapie zu motivieren.

Summary

Purpose: The purpose of this study was to evaluate the prevalence of eating disorders in patients of a primary care gynaecologist.

Material and Methods: A number of 500 patients was asked to complete a self-rating scale for bulimia known as the Bulimic Investigatory Test Edinburgh (BITE). The questionnaire consisted of 33 questions to investigate habits of dieting and symptoms and behaviour associated with binge eating. Subjects were scored and classified according to their score. Subjects with a BITE score above 20 were considered to be at high risk of bulimia, a score of 10 - 19 indicated a subclinical eating disorder and a score less than 10 was indicative of a normal eating pattern. The diagnoses of anorexia nervosa (AN), bulimia nervosa (BN) and binge-eating disorder (BED) were simulated according to DSM-IV criteria.

Results: We received a total of 486 questionnaires. In 5 women we diagnosed AN (1.02 %), 9 patients fulfilled the DSM-IV criteria of BN (1.85 %) and 17 cases of BED (3.49 %) were identified. The difference between actual body weight and optional body weight (p-value < 0.01) and the degree of feeling overweight (p-value < 0.01) correlated significantly with the BITE symptom scale. Despite regularly attending their gynaecologist, only 5 of 13 patients (38 %) with BITE scores above 20 had ever consulted a physician for advice on eating problems.

Conclusion: The high prevalence of AN, BN and BED in our sample of gynaecologic patients suggests that primary care gynaecologists should focus on the detection and prevention of eating disorders.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. Jael Backe

Domstraße 12

97070 Würzburg

eMail: jael.backe@t-online.de