Chronische Lebererkrankungen, definiert als Hepatopathien von
mehr als 6 Monaten Dauer, werden durch die Hepatitisviren B, C bzw.
D, Alkohol oder Medikamente, Autoimmunhepatitiden, hereditäre
Erkrankungen sowie durch primär biliäre Erkrankungen
(PBC, PSC) u.a.m. verursacht. Der natürliche Verlauf kann
klinisch völlig asymptomatisch sein und bleiben oder aber
charakterisiert sein durch eine wenn auch langsame Progression der
Entzündung und Fibrose mit Entwicklung einer Leberzirrhose.
Die fortgeschrittene Leberzirrhose ist assoziiert mit einer hohen
Morbidität und Mortalität, bedingt durch die Folgen
der Leberzellinsuffizienz und der portalen Hypertension mit gastrointestinaler
Blutung, hepatischer Enzephalopathie, Ödemen und Aszitesbildung
sowie durch das hohe Risiko eines hepatozellulären Karzinoms
(HCC) mit außerordentlich ungünstiger Prognose.
Die Diagnostik bei Patienten mit chronischer Hepatopathie ist hierarchisch
strukturiert [Tab. 1] und umfasst eine detaillierte Anamnese
inklusive Alkohol-, Medikamenten- und Reiseanamnese, eine sorgfältige
körperliche Untersuchung, inkl. Abdomen-Ultraschall, allgemeine
lebertypische klinisch-chemische Analysen, spezielle Ätiologie-definierende
Laboruntersuchungen sowie ggf. weiterführende bildgebende
Untersuchungen und die Leberhistologie.
Anamnese
Anamnese
Die Familien-, Berufs- und Sozialanamnese sind die Basis jeder
klinischen Evaluation. Bei Leberkrankheiten besonders wichtig sind
ferner Fragen nach vorausgegangener Gelbsucht, Müdigkeit,
Abgeschlagenheit, Blutungs- oder Ödemneigung u. a. m.
Reiseanamnese und Fragen nach Kontakten mit Leberkranken, nach vorausgegangenen
Krankenhausaufenthalten, Bluttransfusionen oder Verabreichung von
Blutprodukten, sexuellen Kontakten, Injektionen, Tätowierungen, nach
zurückliegender und aktueller Alkohol- oder Medikamenten-
bzw. Tabletteneinnahme, einschließlich der regelmäßigen
Einnahme von Vitaminen oder Naturheilprodukten, wie Kräutertees,
sind weitere wichtige anamnestische Gesichtspunkte. Diese Informationen
sind per se nicht nur von potenziell großer Bedeutung für
die Diagnose einer sonst nicht oder nicht eindeutig definierbaren
Lebererkrankung, sondern auch als möglicherweise klinisch
relevanter Kofaktor einer Lebererkrankung anderer Ursache, z. B.
Alkoholkonsum bei chronischer Hepatitis C.
Tab. 1 Hierarchie
der Diagnostik bei chronischen Lebererkrankungen.
-
Anamnese
-
Klinische Untersuchung inklusive Ultraschall
-
Allgemeine klinisch-chemische Analysen (Basisdiagnostik - Leberwerte)
-
Ätiologie-definierende Labordiagnostik
-
Bildgebende Untersuchungen
-
Biopsie-Histologie/Laparoskopie
|
Tab. 2 Child-Pugh-Klassifikation
der Leberzirrhose.
Parameter
|
1 Punkt
|
2 Punkte
|
3 Punkte
|
Bilirubin (mg/dl)
|
< 2,0
|
2,0 - 3,0
|
> 3,0
|
Quick-Wert (%)
|
> 70
|
40 - 70
|
< 40
|
Albumin (g/dl)
|
> 3,5
|
2,8 - 3,5
|
< 2,8
|
Aszites
|
kein
|
mäßig
|
viel
|
Enzephalopathie
|
keine
|
Grad I-II
|
> Grad II
|
Child-Pugh
A: 5 - 6 Punkte; Child-Pugh B: 7 - 9
Punkte; Child-Pugh C: 10 - 15
Punkte
|
Tab. 3 Allgemeine
klinisch-chemische Analysen bei chronischen Lebererkrankungen.
I. Hepatozelluläre Integrität
GOT (AST)
GPT
(ALT)
|
II. Biliäre Integrität und Elimination
Alkalische Phosphatase
(AP)
Gamma-Glutamyl-Transpeptidase (γGT)
Bilirubin
(gesamt, direkt)
Ammoniak
|
III. Syntheseleistung
Quick, Gerinnungsfaktoren
Albumin
Cholinesterase
|
Körperliche Untersuchung
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung ist bei Frühstadien
einer chronischen Hepatopathie häufig wenig informativ.
Leberhautzeichen (Palmarerythem, Weißnägel, Spider
naevi) können auf das Vorliegen einer chronischen Hepatopathie
hinweisen. Pathognomonische klinische Zeichen sind die Hyperpigmentierung
der Haut bei Hämochromatose, der Kayser-Fleischer-Kornealring
bei Morbus Wilson (Spaltlampenuntersuchung) und die Xanthelasmata
bei Patienten mit primär biliärer Zirrhose (PBC).
Unabhängig von der Ätiologie lassen sich bei fortgeschrittener
Hepatopathie und bei Zeichen einer dekompensierten Leberzirrhose
die Schwere der Lebererkrankung und das Child-Pugh-Stadium [Tab. 2]
durch die körperliche Untersuchung meist gut abschätzen.
kurzgefasst: Anamnese, körperlicher
Untersuchungsbefund und Leberwerte geben wichtige Hinweise auf die
Diagnose von Lebererkrankungen, aber auch auf klinisch relevante
Kofaktoren.
Klinisch-chemische Analysen
Klinisch-chemische Analysen
Erhöhte »Leberwerte« sind ein häufiges
klinisches Problem von unterschiedlicher Signifikanz. Die Entscheidung über
die Indikation zur weiteren hepatologischen Abklärung ist
im Kontext der klinischen Präsentation zu sehen. Die Bestimmung
der »Leberwerte« ist in der Praxis Teil der Allgemeinuntersuchung
sowie der Betreuung von Patienten mit Lebererkrankungen. Die Laboranalysen
erfassen verschiedene Leber-spezifische Aspekte: hepatozelluläre
Integrität, biliäre Integrität und Elimination
sowie Lebersyntheseleistung.
Als Screening-Tests für die Erkennung einer Hepatopathie eignen
sich Analysen, die eine Beurteilung der hepatozellulären
Integrität und verschiedener Leberfunktionen ermöglichen.
Eine Kombination von Tests (»Basisdiagnostik«)
erlaubt zum einen initial die Diagnose einer Hepatopathie, zum anderen
aber auch die Beurteilung des Verlaufes und der Prognose. Bei erhöhten »Leberwerten«,
die eine Hepatopathie anzeigen (GOT-, GPT-, γGT- oder Bilirubin-Erhöhung,
Quick-Erniedrigung), ist eine weitere Ätiologie-definierende
Labordiagnostik angezeigt. In speziellen Situationen ist für
die definitive Diagnose eine histologische Abklärung erforderlich
(perkutane, transjuguläre oder laparoskopische Biopsie).
Ätiologie-definierende Labordiagnostik
Ätiologie-definierende Labordiagnostik
Bei erhöhten »Leberwerten« ist die
Indikation zur weiteren hepatologischen Abklärung im Kontext
der klinischen Präsentation zu sehen. Spezielle Laboruntersuchungen
ermöglichen heute bei der Mehrzahl der Patienten mit einer
chronischen Lebererkrankung die exakte Definition der Ursache. Für
die Praxis empfiehlt sich im Einzelfall, z. B. bei der Diagnostik
der Virushepatitis, auch aus Kostengründen, ein schrittweises Vorgehen,
indem zunächst eine Screening-Untersuchung durchgeführt
wird: für HBV HBsAg, für HCV anti-HCV und für HDV
bei positivem HBsAg anti-HDAg. Bei positivem Ergebnis können
dann, insbesondere im Hinblick auf die Indikation zu einer Therapie
oder zur Kontrolle der Therapieerfolges, weitere, z. T. komplexe
Analysen erforderlich sein [Tab. 4].
kurzgefasst: Anamnese, klinisch-chemische
Analysen und Ätiologie-definierende Labordiagnostik erlauben
in den meisten Fällen die exakte Klassifizierung chronischer
Lebererkrankungen.
Tab. 4 Ätiologie-definierende
Labordiagnostik bei chronischen Lebererkrankungen.
Screening
| |
Ergänzende Analysen
|
Literatur
|
Alkoholhepatitis
|
|
Carbohydrate Deficient Transferrin (CDT)
|
11
|
Virushepatitis B, C und D
|
Hepatitis-B-Virus (HBV)
|
HBsAg, anti-HBc
IgG + IgM (total)
|
HBeAg, anti-HBe, HBV-DNA
|
1, 9
|
Hepatitis-C-Virus (HCV)
|
anti-HCV
|
HCV-RNA qualitativ, HCV-RNA quantitativ,
HCV-Genotyp
|
3, 5, 9
|
Hepatitis-D-Virus (HDV)
|
anti-HDAg
|
HDV-RNA
|
9
|
Autoimmunhepatitis
|
Antinukleäre
Antikörper (ANA), Smooth Muscle Antibodies (SMA), Antikörper
gegen Liver Kidney Microsomes (LKM), Antikörper gegen Soluble
Liver Antigen (SLA)
|
|
2, 8
|
Hereditär-metabolische Hepatopathien
|
α1-Antitrypsinmangel
|
Serumelektrophorese
α 1
Antitrypsin
|
Proteinchemische und molekulare Typisierung
|
|
Hämochromatose
|
Transferrinsättigung über
70%, Ferritin erhöht
|
HFE-Gentest, Eisen im Lebergewebe erhöht
|
13, 14
|
Morbus Wilson
|
Coeruloplasmin
im Serum erniedrigt, Kupfer im Urin erhöht
|
Kupfer im Lebergewebe erhöht
|
4
|
Primär biliäre Lebererkrankungen
|
Primär biliäre Zirrhose
|
antimitochondriale
Antikörper (AMA)
|
AMA-Subtypisierung
|
7
|
Primär sklerosierende Cholangitis
|
|
pANCA
|
10, 12
|
Nicht-Alhoholische Steatohepatitis
(NASH) bzw. Nichtalkoholische Fettleber (NAFL)
|
GOT, GPT, γGT
| |
?
|
6
|
Bildgebende Untersuchungen
Bildgebende Untersuchungen
Die wichtigste bildgebende Untersuchung bei Lebererkrankungen
ist die Ultraschalluntersuchung, evtl. kombiniert mit Duplexsonographie.
Damit lassen sich u. a. die Lebergröße, -binnenstruktur
und -durchblutung beurteilen. Ferner lassen sich direkte und indirekte
Zeichen der Leberzirrhose und portalen Hypertension nachweisen (Portalvenenfluss, Splenomegalie,
Aszites u. a. m.). Weitere informative bildgebende
Untersuchungen sind die Magnetresonanztomographie bei Hämochromatose
(Leber-Milz-Quotient) und die endoskopisch retrograde Cholangiographie
bei primär sklerosierender Cholangitis (PSC).
Leberbiopsie
Leberbiopsie
Eine Leberbiopsie kann in der Regel Ultraschall-kontrolliert perkutan
oder transjugulär bzw. im Rahmen einer Laparoskopie (konventionelle
Laparoskopie, Midi- oder Mini-Laparoskopie) durchgeführt
werden. Bei Verfügbarkeit aller Biopsiemöglichkeiten
gibt es praktisch keine Kontraindikationen gegen eine Leberbiopsie.
Indikationen für eine Leberbiopsie [Tab. 5] sind alle chronischen Hepatopathien,
die sich aufgrund der Anamnese, der körperlichen Untersuchung,
der allgemein klinisch-chemischen und der Ätiologie-definierenden
Laboranalysen sowie der bildgebenden Untersuchungen (z. B. endoskopische
retrograde Cholangiographie bei PSC-Verdacht) ätiologisch
nicht klären lassen. Hierzu gehört in erster Linie
die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) oder nicht-alkoholische
Fettleber (NAFL), die sich nur histologisch sichern lässt.
Ferner die anamnestisch nicht eruierbare medikamenten-induzierte
Lebererkrankung und die Autoimmunhepatitis ohne serologische Immunmarker,
PBC und PSC. Eine weitere Indikationsgruppe sind Hepatopathien bekannter Ätiologie.
Die Leberhistologie ist hier von Bedeutung für die sichere
Beurteilung der entzündlichen Aktivität (Grading) und
des Ausmaßes der Fibrose/Zirrhose (Staging). Diese
Informationen sind besonders wichtig für die exakte Beurteilung von
chronischen Lebererkrankungen, bei denen die klinisch-chemischen
Parameter nur sehr eingeschränkt mit der Schwere der Lebererkrankung
korrelieren, wie z. B. bei der chronischen Hepatitis C oder der
PBC. Hier ist die Leberbiopsie von größter Bedeutung
für die Verlaufsbeurteilung, die Indikation zur Therapie
und ggf. für die Bewertung des Therapieerfolges. Die Laparoskopie
ist besonders wertvoll zur Beurteilung fortgeschrittener Hepatopathien,
speziell der Leberzirrhose, die makroskopisch immer, mikroskopisch
aber nicht mit absoluter Sicherheit nachzuweisen ist.
Tab. 5 Indikationen
für eine Leberbiopsie bei chronischen Lebererkrankungen.
Klärung der Ätiologie von Lebererkrankungen bei negativer Anamnese und Labordiagnostik
NASH/NAFL
Alkoholinduzierte
Hepatitis
Medikamenteninduzierte Hepatitis
Autoimmunhepatitis
ohne serologische Immunmarker
PBC
PSC
|
Beurteilung bekannter Lebererkrankungen
Entzündliche
Aktivität (Grading)
Fibrose/Zirrhose (Staging)
Verlaufsbeurteilung
Therapieindikation
Therapieevaluation
|
kurzgefasst: Die Leberbiopsie kann wertvoll
für die Klärung der Ätiologie unklarer
Lebererkrankungen sein und hat zentrale Bedeutung für die
Beurteilung der entzündlichen Aktivität (Grading)
und des Fibrosegrades (Staging) von chronischen Hepatopathien.
Fazit für die Praxis
Fazit für die Praxis
Die hierarchisch strukturierte Diagnostik bei Patienten mit chronischer
Hepatopathie lässt durch die Kombination von Anamnese,
klinischer Untersuchung einschließlich Ultraschall/Duplexsonographie,
allgemeine klinisch-chemische Untersuchungen (Basisdiagnostik), Ätiologie-definierende
Laboranalysen, spezielle bildgebende Untersuchungen und ggf. Leberbiopsie/Laparoskopie
in den meisten Fällen eine exakte Klassifizierung der Lebererkrankung
zu. Diese ist Voraussetzung für die Beurteilung der Prognose
und des Verlaufs der Hepatopathie sowie für die Therapieindikation
und -evaluation. Von besonderer Bedeutung ist bei der Erstdiagnose
jeder Hepatopathie gleichzeitig der sichere Ausschluss bzw. die Identifikation
von koexistierenden Ursachen, z. B. Alkoholgenuss bei chronischer
Hepatitis C oder Hämochromatose bei chronischer Hepatitis
B etc.